TE OGH 2020/2/20 6Ob15/20d

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Veröffentlicht am 20.02.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. M*****, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der F*****-GmbH (AZ 3 S ***** des Handelsgerichts Wien), 2. O*****, vertreten durch Dr. Keyvan Rastegar, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. B*****, vertreten durch Mag. Elisabeth Schwendt, Rechtsanwältin in Wien, wegen 177.081,53 EUR sA (Revisionsinteresse 92.081,53 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. November 2019, GZ 13 R 181/19m-17, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 26. August 2019, GZ 57 Cg 97/18f-12, hinsichtlich der erstklagenden Partei bestätigt und hinsichtlich des Zweitklägers aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird auf Dr. M*****, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der F*****-GmbH (AZ 3 S ***** des Handelsgerichts Wien), berichtigt.

2. Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Gegenstand dieses Verfahrens sind zwei Darlehen, die der Beklagten von der F*****-GmbH (92.081,53 EUR) und vom Zweitkläger, dem ehemaligen Lebensgefährten der Beklagten, (85.000 EUR) gewährt worden sein sollen. Die Vorinstanzen gaben dem Begehren der Gesellschaft statt – dies ist auch Gegenstand des Revisionsverfahrens; hinsichtlich des Begehrens des Zweitklägers hob das Berufungsgericht jedoch das stattgebende Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Über das Vermögen der Gesellschaft wurden am 5. 11. 2019 ein Konkursverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und der Erstkläger zum Masseverwalter bestellt. Das Erstgericht legte dem Berufungsgericht den Akt am 8. 11. 2019 vor, wo er noch am selben Tag einlangte; Berufung und Berufungsbeantwortung waren bereits vor Konkurseröffnung beim Erstgericht überreicht worden. Am 27. 11. 2019 entschied das Berufungsgericht über die Berufung der Beklagten.

Am 10. 2. 2020 stellte der Erstkläger nunmehr einen Fortsetzungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei unterbricht einen Zivilprozess, in dem der Schuldner oder einer seiner Streitgenossen nach § 14 ZPO Kläger oder Beklagter ist (vgl die Nachweise bei Gitschthaler in Rechberger/Klicka, ZPO5 [2019] § 159 Rz 6), sofern der Zivilprozess Ansprüche betrifft, die zur Masse gehören; dass letzteres hier der Fall ist, ist nicht zweifelhaft. Da die Gesellschaft und der Zweitkläger nicht Streitgenossen nach § 14 ZPO sind – sie behaupten voneinander unabhängige Darlehensgewährungen an die Beklagte –, trat mit Eröffnung des Konkursverfahrens am 5. 11. 2019 gemäß § 159 ZPO die Unterbrechung des Verfahrens zwischen der Gesellschaft und der Beklagten ein.

Im Hinblick auf den Fortsetzungsantrag des Masseverwalters der Gesellschaft war gemäß § 235 Abs 5 ZPO die Bezeichnung der erstklagenden Partei auf den Masseverwalter richtig zu stellen.

2. Der Antrag auf Aufnahme des Verfahrens ist an jenes Gericht zu richten, bei dem die Unterbrechung eintrat (§ 165 Abs 1 ZPO; RS0037225), also bei dem die Rechtssache im Zeitpunkt des Eintritts des Unterbrechungsgrundes anhängig war. Trat die Verfahrensunterbrechung im Rechtsmittelstadium ein, wird folgendermaßen differenziert: War zum Zeitpunkt der Unterbrechung noch das dem Rechtsmittelverfahren vorangehende Vorverfahren vor dem Erstgericht (Einbringung der Rechtsmittelschrift, Zustellung an den Gegner, Abwarten der Rechtsmittelbeantwortung, formelle Prüfung durch das Erstgericht) in Gang, so ist der Aufnahmeantrag bei diesem einzubringen und von diesem zu entscheiden. Ist die Unterbrechung hingegen „erst nach der Aktenvorlage“ an das Rechtsmittelgericht eingetreten, so ist der Aufnahmeantrag dort einzubringen und auch von diesem Gericht zu entscheiden (RS0036655&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">RS0036655), wobei nach den Entscheidungen 10 ObS 82/05i und 10 ObS 88/13h zur Frage, was unter „Aktenvorlage“ zu verstehen ist, auf § 165 Abs 1 ZPO abzustellen ist. Wie sich aus dessen Wortlaut ergebe („bei welchem die Rechtssache zur Zeit des Eintritts des Unterbrechungsgrundes anhängig war“), könne der Übergang der funktionellen Zuständigkeit nicht schon mit dem Versenden des Akts an das Rechtsmittelgericht eintreten, sondern erst mit dem Einlangen dort; erst damit werde die Sache dort „anhängig“. Dem schließt sich der erkennende Senat an.

Da der Akt erst am 8. 11. 2019 beim Berufungsgericht einlangte, das Konkursverfahren aber bereits zuvor eröffnet worden war, hat das Erstgericht über den Fortsetzungsantrag zu entscheiden, wobei ein unterbrochenes Verfahren nur durch ausdrücklichen (den Parteien auch zuzustellenden) Gerichtsbeschluss (§ 165 Abs 2 ZPO) wieder aufgenommen werden kann (RS0037128&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">RS0037128; aus jüngerer Zeit 3 Ob 171/08f; 3 Ob 238/12i; Gitschthaler aaO §§ 164–166 Rz 6, 8; Fink in Fasching/Konecny³ II/3 [2015] § 165 Rz 10). Zu diesem Zweck war der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.

Textnummer

E128012

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00015.20D.0220.000

Im RIS seit

17.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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