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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, in der Beschwerdesache der 1979 geborenen F B in Wien, vertreten durch Dr. H S, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. April 1997, Zl. 119.437/4-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 4. April 1997 wies der Bundesminister für Inneres den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) sowie § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin habe nach der Aktenlage den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG durch ihre Mutter bei der österreichischen Botschaft in Preßburg eingereicht. Von dort sei der Antrag an die Behörde erster Instanz weitergeleitet worden, wo er am 7. Oktober 1996 eingelangt sei. Die bloße Einbringung des Antrages durch Dritte in einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland sei hiefür keinesfalls ausreichend; die Vorgangsweise widerspreche dem im § 6 Abs. 2 AufG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, daß Fremde die Entscheidung über ihren Antrag grundsätzlich vom Ausland aus abzuwarten haben.
Aufgrund ua. der eigenen Angaben der Beschwerdeführerin, daß sie seit dem 1. Dezember 1995 an einer Adresse im
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Wiener Gemeindebezirk gemeldet sei. Davor sei sie im
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Wiener Gemeindebezirk gemeldet gewesen. Gegen die Annahme der Behörde erster Instanz, daß sich die Antragstellerin im Bundesgebiet aufhalte, sei auch in der Berufung der Nachweis des Gegenteiles unterblieben.
Es stehe weiters fest, daß die Beschwerdeführerin mit einem vom 25. Jänner 1995 bis zum 30. April 1995 gültigen Touristensichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist sei und sich noch immer im Bundesgebiet aufhalte. Da sie sich somit unerlaubt im Bundesgesetz befinde, sei der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin weist die Beschwerdeführerin auf ihre Möglichkeit zur Antragstellung im Inland hin, weil sie Tochter einer österreichischen Staatsbürgerin sei. Die belangte Behörde habe diesbezüglich Feststellungen unterlassen, obwohl sie bei Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Überdies habe die belangte Behörde Art. 8 MRK nicht in ihre Überlegungen einbezogen.
Die belangte Behörde legte zwar nicht die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, teilte aber mit Note vom 11. März 1998 dem Verwaltungsgerichtshof mit, daß der Beschwerdeführerin eine quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit österreichischem Staatsbürger" bis 8. Oktober 1998 erteilt worden sei. Als Nachweis legte die belangte Behörde eine Kopie eines Schreibens der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach bei. Über Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofes wurde die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung von der Beschwerdeführerin bestätigt.
Der Verwaltungsgerichtshof geht im folgenden davon aus, daß der Beschwerdeführerin mittlerweile eine Erstniederlassungsbewilligung nach dem Fremdengesetz 1994 erteilt worden ist.
Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluß nach Einvernahme des Beschwerdeführers als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, daß dieser klaglosgestellt wurde.
Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (Beschluß eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A).
§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluß vom 9. April 1980 darlegte, z.B. auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat.
Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Beschwerdefall gegeben, weil es sich bei dem im vorliegenden Fall maßgeblichen Antrag der Beschwerdeführerin, die nach ihrem Vorbringen noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung im Sinne des § 1 Abs. 1 AufG verfügte, um einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung handelte. Im Falle ihres Obsiegens im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren hätte der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsbewilligung (ab 1. Jänner 1998: eine Erstniederlassungsbewilligung) nur mit Wirksamkeit ab dem Zeitpunkt der Erteilung dieser Bewilligung erteilt werden können. Da sie nunmehr eine derartige Niederlassungsbewilligung erhalten hat, hat die Beschwerdeführerin auch kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Beschwerde war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
Mangels einer formellen Klaglosstellung liegt die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch gemäß § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen ist. Da im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand nicht erfordert, wären die Kosten jener Partei zuzusprechen, die bei aufrechtem Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegt hätte. Dies ist aus folgenden Überlegungen die belangte Behörde:
Im Hinblick auf das Datum der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin am 29. April 1997) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.
§ 6 Abs. 2 AufG lautete in dieser Fassung:
"§ 6.
...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."
Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, jemals über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt zu haben. Sie bestreitet auch nicht die Feststellung der belangten Behörde, sie halte sich (gemeint: im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde) nach wie vor in Österreich auf.
Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Nach dem ua. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird jedoch für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag im Ausland abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, mwN.). Das in § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung darüber auch abzuwarten, ist nicht als bloße Formvorschrift, sondern als Erfolgsvoraussetzung zu werten, deren Nichterfüllung zwingend die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010, sowie Zl. 95/19/0895).
Im Hinblick auf die unbestrittene Bescheidfeststellung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin halte sich nach wie vor in Österreich auf, erwiese sich die Abweisung ihres Antrages, dessen rechtliches Schicksal die Beschwerdeführerin nicht vom Ausland aus abgewartet hat, nur dann als rechtswidrig, wenn sie zu jenem Personenkreis gezählt hätte, für den aufgrund des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf gestützten Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise eine Antragstellung im Inland zulässig gewesen wäre. Das Beschwerdevorbringen enthält jedoch keine Hinweise darauf, daß die Beschwerdeführerin (auch als Tochter einer österreichischen Staatsbürgerin) zu dem im § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder im § 4 (insbesondere Z. 1 und 2) der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltenden Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, umschriebenen Personenkreis zählte.
Die Abweisung des Antrages durch die belangte Behörde erweist sich demnach im Hinblick auf den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nicht als rechtswidrig.
Dieses Ergebnis begegnet vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 96/19/2961) auch keinen Bedenken im Hinblick auf Art. 8 MRK.
Bei diesem Ergebnis braucht auf die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht auch den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG herangezogen hat, nicht eingegangen zu werden.
Aufgrund dieser Erwägungen wäre die Beschwerde bei aufrechtem Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen gewesen. Da die belangte Behörde aber keinen Ersatz von Aufwendungen begehrte, hatte ein Kostenzuspruch zu entfallen (vgl. § 56 Abs. 1 VwGG).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997191712.X00Im RIS seit
02.05.2001