TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/22 W229 2211121-1

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Veröffentlicht am 22.05.2019
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Entscheidungsdatum

22.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs4

Spruch

W229 2211121-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Elisabeth WUTZL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch XXXX und XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.11.2018, Zl. 1185221201-180292944, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 15.03.2018 stellte die minderjährige XXXX (im Folgenden: mj. BF), geb. am XXXX , vertreten durch XXXX und XXXX (im Folgenden: gesetzliche Vertreter), beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark (im Folgenden: BFA RD St) am 19.03.2018 eingelangt, einen Antrag auf internationalen Schutz gem. § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005.

2. Dieser Antrag wurde von der BFA RD St am 20.03.2018 an die Erstaufnahmestelle-Ost mit dem Vermerk "Asylanträge der Eltern r.k. negativ" weitergeleitet. Vom BFA EAST-Ost wurde der Antrag mit dem Vermerk "Bitte selber anlegen, nachgeborenes Kind" an BFA RD St. retourniert.

3. In der Folge erging an die Flüchtlingsregionaldirektion der Caritas Diözese Graz Sekau die Information, dass die Voraussetzungen für einen Antrag gem. § 17 Abs. 3 AsylG 2005 nicht vorliegen, da die Entscheidungen der Eltern rechtskräftig negativ abgeschlossen seien. Es bestehe die Möglichkeit der Antragstellung für das Kind nach § 17 Abs. 1 AsylG 2005.

4. Mit Schreiben vom 16.10.2016 erging ein Parteiengehör zur Verständigung über das Ergebnis der Beweisaufnahme. Darin wurde insbesondere wie folgt ausgeführt: "Ihr Vater stellte in Vertretung für Sie nie einen dem Gesetz entsprechenden Asylantrag und halten sie sich somit rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Das Asylverfahren des Vaters wurde mit 31.03.2017 rechtskräftig negativ entschieden und (...). Der ha. vorliegenden Aktenlage kann weiter[s] entnommen werden, dass sich sämtliche Akte der obgenannten Kernfamilie seit 22.09.2017 beim Bundesverwaltungsgericht befinden, da über verspätet eingebrachte Bescheidbeschwerden betreffend d[ie] minderjährigen Kinder[n] entschieden werden muss."

5. Mit Schreiben vom 30.10.2018 brachten die gesetzlichen Vertreter eine Stellungnahme ein.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid sprach das BFA aus, dass der BF I. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt werde; gem. § 10 Abs. 3 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 3 FPG erlassen wird und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gem. § 46 nach Afghanistan zulässig ist. In Spruchpunkt II wurde gem. § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und in Spruchpunkt III gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt.

7. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom 03.12.2018, fristgerecht Beschwerde erhoben.

9. Mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.12.2018, W229 2211121-1/5E, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Schreiben vom 15.03.2018 stellte die mj. BF, geb. am XXXX , vertreten durch die gesetzlichen Vertreter beim BFA RD St am 19.03.2018 eingelangt, einen Antrag auf internationalen Schutz gem. § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt des BFA.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.1.2. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

3.2.1. Gem. § 17 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wenn ein Fremder in Österreich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder einer Sicherheitsbehörde um Schutz vor Verfolgung ersucht.

Gem. § 17 Abs. 2 AsylG 2005 gilt der Antrag auf internationalen Schutz mit der Anordnung des Bundesamtes gemäß § 43 Abs. 1 BFA-VG als eingebracht, soweit sich aus diesem Bundesgesetz oder dem BFA-VG nichts anderes ergibt.

Gem. § 17 Abs. 3 AsylG 2005 kann ein Antrag auf internationalen Schutz von einem in Österreich nachgeborenen Kind eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, kann auch bei einer Regionaldirektion oder einer Außenstelle der Regionaldirektion eingebracht werden; diese Anträge können auch schriftlich gestellt und eingebracht werden. Das Familienverfahren (§ 34) eines minderjährigen, ledigen Kindes eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zukommt oder dessen Verfahren zugelassen und noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, ist mit Einbringen des Antrags zugelassen.

3.2.2. Gem. § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

3.2.3. Gem. § 58 Abs. 1 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn 1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird, 2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, 3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, 4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder 5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

Gem. § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

3.2.4. Gem. § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist, einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird, diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

3.3. Zu A) Behebung des angefochtenen Bescheides

3.3.1. Für in Österreich nachgeborene Kinder besteht gem. § 17 Abs. 3 AsylG 2005 eine Sonderregelung. Diesfalls kann der Antrag auf internationalen Schutz auch direkt bei einer Regionaldirektion oder einer Außenstelle der Regionaldirektion bzw. in schriftlicher Form gestellt und eingebracht werden (vgl. Filzwieser/ Frank/ Kloibmüller/ Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 17 AsylG 2005, K 2).

3.3.2. Im vorliegenden Fall haben die gesetzlichen Vertreter für ihr nachgeborenes Kinder, die BF, einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß dieser Sonderregelung betreffend nachgeborene Kinder des Asylgesetzes 2005 gestellt. Dieser Antrag war gem. § 34 Abs. 4 erster Halbsatz AsylG 2005 gesondert zu prüfen. Das BFA hat im vorliegenden angefochtenen Bescheid entgegen der zitierten Bestimmung diesen Antrag weder gesondert geprüft noch darüber abgesprochen, sondern lediglich ausgesprochen, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt werde; gem. § 10 Abs. 3 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 3 FPG erlassen und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wird, dass die Abschiebung der BF gem. § 46 nach Afghanistan zulässig ist. In Spruchpunkt II wurde gem. § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt.

3.3.3. Hierzu ist jedoch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ins Treffen zu führen, wonach es sich bei den Aussprüchen, mit denen etwa der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt wird, sowie eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wird, um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche handelt. Demgemäß sind diese Aussprüche separat anfechtbar; sie können auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen. Es besteht zwischen diesen gemäß den maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 und des Fremdenpolizeigesetzes lediglich insofern ein rechtlicher Zusammenhang, als es für manche Aussprüche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits andere Aussprüche getätigt wurden und zudem manche Aussprüche miteinander zu verbinden sind, sodass im Fall der Aufhebung eines Spruches ein darauf rechtlich aufbauender Ausspruch seine Grundlage verlieren kann (vgl. VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047; 28.01.2015, Ra 2014/20/0121; 08.09.2015 Ra 2015/18/0134, je mwN).

3.3.4. Wie sich aus § 58 Abs. 1 AsylG 2005 ergibt, hat eine amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 zu erfolgen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Ein solcher Ausspruch ist im vorliegenden Fall über den gestellten Antrag auf internationalen Schutz jedoch nicht erfolgt. Insoweit das BFA davon ausgeht, dass die amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 aufgrund eines nicht rechtmäßigen Aufenthalts gem. § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 vorzunehmen war, übersieht es, dass dies aufgrund einer Antragstellung auf Gewährung von internationalem Schutz gemäß der in § 17 Abs. 3 ASylG 2005 für nachgeborene Kinder normierten Sonderregelungen, wovon offensichtlich auch die EAST-Ost ausgegangen ist, gerade nicht der Fall war und es diesen Antrag gem. § 34 AsylG 2005 auch gesondert zu prüfen bzw. darüber abzusprechen hatte. Die amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 war rechtswidrig und daher zu beheben. Damit verlieren auch die weiteren (rechtlich aufbauenden) Aussprüche ihre Grundlage.

3.3.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr konnte sich die Entscheidung an der unter Pkt. 3.3. zitierte Rechtsprechung orientieren.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W229.2211121.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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