Entscheidungsdatum
23.05.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
W165 2191620-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Benno Wageneder, Promenade 3, 4910 Ried/Innkreis, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.01.2019, Zl. 1088541510-180986185, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 22.09.2015 erstmals einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz in Österreich.
Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) mit Bescheid vom 12.02.2018 den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.05.2018, W123 2191620-1/2E, als unbegründet abgewiesen.
Am 16.10.2018 stellte der BF einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Mit Bescheid vom 28.11.2018 wies das BFA den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurück. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.).
In der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 28.11.2018 wurde die Rechtsmittelfrist (Frist zur Einbringung einer Beschwerde) mit zwei Wochen angegeben.
Der Bescheid vom 28.11.2018 wurde dem Rechtsvertreter des BF am 29.11.2018 per E-Mail (als pdf-Datei) übermittelt. Im "Betreff" des E-Mails wurde ua der Bescheid samt "IFA-Zahl" angeführt. Die seitens des Rechtsvertreters mit Datum 30.11.2018 eigenhändig unterfertigte Übernahmebestätigung langte am 30.11.2018 beim BFA ein.
Nach Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist brachte der BF am 28.12.2018 durch seinen Rechtsvertreter einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein und erhob zugleich in vollem Umfang Beschwerde gegen den Bescheid.
Zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung wurde vorgebracht, dass der Vertreter zwar am 29.11.2018 den Bescheid per E-Mail erhalten habe, sich zu diesem Zeitpunkt jedoch auf einer Fachtagung befunden und erst am nächsten Tag von dessen Einlangen erfahren habe. Beim Öffnen des Dokuments hätte die Kanzlei erkannt, dass es sich um 153 Seiten handeln würde und habe mit Rücksicht auf den erforderlichen Toner- und Papierverbrauch davon abgesehen, den gesamten Bescheid auszudrucken. Es seien sohin bloß die Seiten 1 und 3 ausgedruckt und in der Folge irrtümlich eine vierwöchige Beschwerdefrist bzw. aufgrund der Weihnachtsfeiertage das Fristende mit 21.12.2018 angenommen und dieses im Kanzleikalender und am Aktendeckel notiert worden. Erst bei der Ausarbeitung der Beschwerde habe der Rechtsvertreter auch die übrigen Seiten des Bescheides aufgerufen und die Rechtsmittelbelehrung mit der Beschwerdefrist von 14 Tagen statt vier Wochen gelesen. Wäre der Bescheid, wie in vielen Fällen sonst, postalisch zugestellt worden, hätte die Kanzleimitarbeiterin die Rechtsmittelbelehrung gelesen und die entsprechende Frist eingetragen. Dem E-Mail vom 29.11.2018 habe eine gesonderte Rechtsmittelbelehrung gefehlt und sei diese lediglich im als pdf-Datei gesendeten Bescheid auf Seite 151 von 153 Seiten enthalten gewesen, welche nicht ausgedruckt und vorerst auch nicht gelesen worden sei. Bei elektronischer Zustellung werde auf die tatsächliche Kenntnisnahme vom Inhalt des Dokuments abzustellen sein, was bedeute, dass der bekämpfte Bescheid bis zum Studium der Rechtsmittelbelehrung nach Fristlablauf keine solche aufgewiesen habe. Verwiesen werde überdies zur Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen fehlender Rechtsbelehrung auf das Erkenntnis des VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/16/0038. Es werde daher beantragt, dem Antrag auf Wiedereinsetzung Folge zu geben.
Mit Bescheid vom 21.01.2019 wies das BFA den Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG die aufschiebende Wirkung nicht zu (Spruchpunkt II.) und wies die Beschwerde vom 28.12.2018 gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG zurück (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfüllt seien. Das nicht vollständige Ausdrucken eines Bescheides, um Papier und Toner zu sparen, sei kein unvorhersehbares bzw. unabwendbares Ereignis. Zum anderen stelle die "automatische" Annahme einer vierwöchigen Beschwerdefrist durch den Vertreter eine sehr auffallende Sorglosigkeit dar. Da das Verschulden eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person treffe, könne keinesfalls von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden. Der Antrag sei somit abzuweisen und die Beschwerde wegen Verspätung zurückzuweisen.
Gegen diesen Bescheid vom 21.01.2019 erhob der BF mit Schreiben seines Rechtsvertreters am 25.02.2019 fristgerecht die gegenständliche Beschwerde und führte aus, dass die Beschwerdefrist deshalb versäumt worden sei, da die Rechtsmittelbelehrung mangels Aufrufs in der Datei mit einer Größe von 12MB weder gelesen noch in Papierform ausgedruckt worden sei und der Bescheid dadurch de facto keine Belehrung enthalten habe. Die Rechtsmittelbelehrung sei nicht gesondert übermittelt worden, sodass diese einfacher auszudrucken gewesen wäre. Die Kosten des Ausdruckes würden dem Empfänger aufgebürdet und stelle es keine auffallende Sorglosigkeit dar, wenn Bescheide von 153 Seiten nicht ausgedruckt würden. Es sei zwar eine Übernahmebestätigung angefordert worden, jedoch keine Lesebestätigung für den gesamten Bescheid. Wäre eine solche angefordert worden, hätte der gesamte Bescheid unverzüglich durchgearbeitet und die Rechtsmittelbelehrung abgerufen werden müssen. Die Rechtsmittelbelehrung sei daher nicht zur Kenntnis gebracht und bis zur Bearbeitung des Bescheides nicht zur Kenntnis genommen worden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt werden der unter I. dargelegte Verfahrensgang und Sachverhalt.
Der ordnungsgemäß zugestellte Bescheid des BFA vom 28.11.2018 hat eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung von zwei Wochen enthalten. Die Rechtsmittelbelehrung wurde weder vom Kanzleipersonal des Rechtsvertreters noch von diesem selbst vor Ablauf der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid gelesen. Der Rechtsvertreter des BF hat von der geltenden Rechtsmittelfrist nach eigener Angabe erst im Zuge der Ausarbeitung der Beschwerde gegen den Bescheid (nach Ablauf der Rechtsmittelfrist) durch Lesen der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides Kenntnis genommen.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
Die ordnungsgemäße (elektronische) Zustellung des Bescheides an den Vertreter des BF ergibt sich aus der mit 30.11.2018 unterfertigten Übernahmebestätigung, die dem BFA am selben Tag übermittelt wurde.
Die weiteren Feststellungen betreffend den Ablauf der Rechtsmittelfrist und die verspätete Einbringung der Beschwerde sind aktenkundig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt (§ 33 Abs. 1 VwGVG).
Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,
bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen
Gemäß § 33 Abs. 5 VwGVG tritt durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
Gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG in der maßgeblichen Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2018 - FrÄG 2018, BGBl I Nr. 56/2018, in Kraft getreten mit 01.09.2018, beträgt die Beschwerdefrist gegen einen Bescheid des BFA, mit dem ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und dieser mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist, zwei Wochen.
Nach § 37 Abs. 1 ZustG kann die Behörde Zustellungen an eine elektronische Zustelladresse vornehmen. Darunter ist gemäß § 2 Z 5 ZustG eine vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem anhängigen oder gleichzeitig anhängig gemachten Verfahren angegebene elektronische Adresse zu verstehen (z.B. E-Mailadresse, Fax-Nummer). Das Dokument gilt mit dem Zeitpunkt des Einlangens bzw. nach dem erstmaligen Bereithalten des Dokuments beim bzw. für den Empfänger als zugestellt. Eine solche elektronische Adresse im Sinne der einschlägigen Regelungen des ZustG wurde gegenständlich angegeben.
Das BFA wies mit Bescheid vom 28.11.2018 den Antrag des BF auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurück und erließ gegen diesen eine Rückkehrentscheidung. In der auf Seite 151 des Bescheides abgedruckten Rechtsmittelbelehrung wurde die Frist zur Erhebung einer Beschwerde mit zwei Wochen angegeben. Der Bescheid wurde dem anwaltlichen Vertreter des BF am 29.11.2018 per E-Mail zugestellt, woraufhin dieser den Erhalt des Bescheides samt Beilagen mit eigenhändig unterfertigter Übernahmebestätigung vom 30.11.2018 bestätigte. Die Behörde musste somit keine Zweifel hegen, dass das Dokument beim Empfänger eingelangt ist und der Fristenlauf für die zweiwöchige Beschwerdefrist in Gang gesetzt wurde.
Die am 28.12.2018 nach Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist eingebrachte Beschwerde erweist sich somit jedenfalls als verspätet eingebracht. Der gleichzeitig eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung vom 28.12.2018 erweist sich als rechtzeitig eingebracht, da der Vertreter des BF binnen zwei Wochen nach Erkennen der maßgeblichen zweiwöchigen Rechtsmittelfrist den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung einbrachte.
Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Da die Bestimmungen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG entsprechen, finden die zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze und Judikatur auf § 33 VwGVG Anwendung.
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung (vgl. VwGH 24.01.1996, 94/12/0179) auf objektive Umstände an, nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann. Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und mit zumutbarer Vorsicht auch nicht vorhergesehen werden konnte (VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214).
Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens handelt. Wie der VwGH wiederholt ausgesprochen hat, liegt ein "minderer Grad des Versehens" (§ 1332 ABGB) nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wurde, der gelegentlich auch einem sorgfältig handelnden Menschen widerfahren kann. Der Wiedereinsetzungswerber (bzw. der diesem zurechenbare Vertreter) darf nicht auffallend sorglos gehandelt haben, das heißt, die im Verkehr mit Gerichten und Verwaltungsbehörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 29.11.1994, 94/05/0318; VwGH 15.12.1995, 95/17/0469; VwGH 23.05.2001, 99/06/0039). An berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ist dabei ein strengerer Maßstab als an rechtsunkundige, bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen anzulegen (vgl. etwa VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0229 bis 0230-17).
Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, wenn ihn diesbezüglich kein Verschulden trifft, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, wenn er also der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist (VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0229 bis 0230-17).
Wie bereits das BFA zutreffend aufgezeigt hat, ist es dem BF bzw. seinem ihm zurechenbaren Rechtsvertreter nicht gelungen, ein entsprechendes unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis glaubhaft zu machen:
Der Vertreter des BF gab zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung an, dass das Ausdrucken des gesamten Bescheides zu viel Papier und Toner verbraucht hätte, sodass lediglich die Seiten 1 und 3 (von insgesamt 153 Seiten) ausgedruckt worden seiund irrtümlich eine vierwöchige Beschwerdefrist angenommen und vermerkt worden sei. Erst im Zuge der Ausarbeitung der Beschwerde habe der Vertreter auch die übrigen Seiten des Bescheides aufgerufen und gelesen, dass die Rechtsmittelfrist nur zwei Wochen betrage.
Das unterlassene Ausdrucken des Bescheides bzw. (zumindest) der im gegebenen Zusammenhang relevanten, die Rechtsmittelbelehrung enthaltenden Bescheidseite bzw. die Unkenntnis der maßgeblichen fristenrechtlichen Bestimmungen, stellt jedoch weder ein unvorhergesehenes noch ein unabwendbares Ereignis dar. Vielmehr wäre es - bei Unwissenheit über die Beschwerdefristen - in der Verantwortung des Rechtsvertreters bzw. der für ihn tätig gewordenen Kanzleikräfte gelegen gewesen, die entsprechende Seite des Bescheides elektronisch aufzurufen und in der Folge die richtige Rechtsmittelfrist in den Kanzleikalender einzutragen. Der diesbezüglich geoffenbarte Umgang mit der Einhaltung von Terminen und Fristen in der Kanzlei eines berufsmäßigen Parteienvertreters stellt ein auffallend sorgloses Verhalten dar, worin weder ein unvorhergesehenes noch unabwendbares Ereignis gesehen werden kann, das den Rechtsvertreter daran gehindert hätte, die Beschwerdefrist einzuhalten. Der Vertreter muss sich das Verschulden des für ihn tätig gewordenen Hilfsapparates zurechnen lassen und ist dieses damit dem Vertretenen zurechenbar. Was das mehr als bruchstückhafte Ausdrucken des Bescheides betrifft, so sollte das in einer Rechtsanwaltskanzlei einschlägig tätige und im täglichen Umgang mit Fristen befasste Personal auch grundsätzlich davon Kenntnis haben, dass sich die Rechtsmittelbelehrung nicht am Beginn, sondern am Ende eines Bescheides befindet. Der Vollständigkeithalber sei erwähnt, dass eine "gesonderte" Rechtsmittelbelehrung im E-Mailanschreiben, wie seitens des Rechtsvertreters des BF reklamiert wird, jedenfalls nicht geboten ist. Dass der Rechtsvertreter aufgrund eigener Unkenntnis der geltenden Fristregelungen (er habe erst bei Ausarbeitung der Beschwerde die Rechtsmittelfrist von zwei Wochen gelesen) sein Personal offenkundig nicht dazu angeleitet hat, der aktuell geltenden Rechtsmittelfrist bzw. der Rechtsmittelbelehrung Beachtung zu schenken, ist ohne Belang. In diesem Zusammenhang sieht sich das erkennende Gericht allerdings zu der Feststellung veranlasst, dass ein die Vertretung in asylrechtlichen Causen übernehmender Rechtsanwalt mit den elementaren fristenrechtlichen Bestimmungen vertraut sein sollte. Die in Rede stehende Regelung des § 16 Abs. 1 BFA-VG stand zum damaligen Zeitpunkt bereits seit immerhin fast drei Monaten in Geltung. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann zwar auch ein Rechtsirrtum einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn die weiteren Voraussetzungen, insbesondere mangelndes oder nur leichtes Verschulden, vorliegen. Die Unkenntnis einer neuen Gesetzeslage durch einen beruflichen Parteienvertreter stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH jedoch keinen minderen Grad des Versehens dar, da vor allem eine rezente Änderung der Rechtslage besondere Aufmerksamkeit verdient (vgl. VwGH 14.12.2016, Ra 2016719/0131; VwGH 23.02.2017, Ra 2016 720/ 0229 bis 0230-17).
Soweit der Vertreter des BF damit argumentiert, dass bei elektronischer Zustellung auf die tatsächliche Kenntnisnahme vom Inhalt des Dokuments abzustellen sei, wird übersehen, dass in § 37 Abs. 1 zweiter Satz ZustellG hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem eine solche Zustellung als bewirkt anzusehen ist, eine Vermutung aufgestellt wird: Demnach gilt das Dokument im Falle der Zustellung an eine elektronische Zustelladresse mit dem Zeitpunkt des Einlangens beim Empfänger als zugestellt. Entgegen der Ansicht des Vertreters kann es sohin nicht darauf ankommen, wann bzw. ob der Empfänger das Dokument tatsächlich liest, da dies allein in seiner Sphäre gelegen ist, sodass es der Empfänger im Ergebnis in der Hand hätte, das Datum der Zustellung und damit den Beginn des Laufes der Rechtsmittelfrist, selbst festzulegen (vgl. auch VwGH 14.10.2011, Zl. 2009/09/0244).
Schlussendlich geht auch der Verweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/16/003, ins Leere, da der dort angefochtene Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung enthalten hat und somit aufgrund der unterschiedlich gelagerten Sachverhalte nicht mit dem gegenständlichen Fall vergleichbar ist.
Nachdem sich die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch das BFA als rechtmäßig erweist, ist die Beschwerde gegen den Bescheid als unbegründet abzuweisen.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Im gegenständlichen Fall ist das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung darauf zu stützen, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdeausführungen geklärt erscheint. Weder ist der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erscheint der Sachverhalt in entscheidenden Punkten als unrichtig und wurde auch in der Beschwerde nichts Dergleichen behauptet.
Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im konkreten Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG
nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das gegenständliche Erkenntnis beschäftigt sich mit der Tatsache, dass und aus welchem Grund der BF bzw. dessen Vertreter die Beschwerdefrist versäumt haben und ergaben sich im Laufe des Verfahrens keine Hinweise auf das Vorliegen von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung. Weder weicht das gegenständliche Erkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe dazu die rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A). Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Fristablauf, Verfristung, Verschulden des Vertreters,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W165.2191620.2.00Zuletzt aktualisiert am
15.05.2020