TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/14 W261 2189451-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.08.2019
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Entscheidungsdatum

14.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W261 2189451-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 17.08.2018, Zahl: XXXX zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1) Gang des Verfahrens und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsbürger, reiste nach seinen Angaben am 03.12.2015 irregulär in Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Seine Erstbefragung erfolgte am selben Tag.

Am 09.01.2018 fand die Einvernahme des BF im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX (im Folgenden belangte Behörde oder BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu statt. Am 16.02.2018 fand eine weitere Einvernahme des BF vor der belangten Behörde im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu statt.

Mit Bescheid vom 22.02.2018, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) und erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI).

Gegen diesen Bescheid brachte der BF, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein und legte eine Vertretungsvollmacht vor. Das Beschwerdeverfahren ist vor dem BVwG zu Zahl XXXX anhängig.

Die Landespolizeidirektion XXXX übermittelte der belangten Behörde am 07.05.2018 einen Abschluss-Bericht der Landespolizeidirektion Tirol, wonach beim BF der Verdacht auf sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen besteht.

Die Staatsanwaltschaft XXXX teilte der belangten Behörde am 06.08.2018 mit, dass diese gegen den BF am 03.08.2018 Anklage erhoben hat.

Die belangte Behörde erließ am 17.08.2018 den angefochtenen Bescheid, wonach der BF gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 03.08.2018 verloren hat.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF, bevollmächtigt vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, mit Eingabe vom 11.09.2018 rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin führte der BF aus, dass er die ihm zu Last gelegte Tat nicht begangen habe. Es widerspreche der Unschuldsvermutung, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt verloren habe, bevor er rechtkräftig verurteilt worden sei. Die Unschuldsvermutung sei eines der Grundprinzipien des Rechtsstaates. Es werde daher angeregt, die Bestimmung des § 13 Abs. 2 Z AsylG einem Gesetzesprüfungsverfahren zu unterziehen. Es werde beantragt, den Bescheid ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass dem BF weiterhin das Recht zum Aufenthalt in Österreich zukommen.

Die belangte Behörde übermittelte den Akt mit Schreiben vom 12.09.2018, wo dieser am 17.09.2018 einlangte.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 16.10.2018, rechtskräftig seit 19.10.2018, Zl XXXX wurde der BF von der ihn mit Strafantrag vom 03.08.2018, Zl. XXXX erhobenen Anklage freigesprochen.

Eine Einsichtnahme in das Strafregister durch das BVwG am 06.06.2019 ergab, dass der BF in Österreich strafrechtlich unbescholten ist.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang beruht auf dem Inhalt des Aktes der belangten Behörde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde und Behebung des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 13 Abs. 1 AsylG ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Abs. 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt.

Ein Asylwerber verliert sein Recht zum Aufenthalt nach § 13 Abs. 2 AsylG im Bundesgebiet, wenn

1. dieser straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3),

2. gegen den Asylwerber wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist,

3. gegen den Asylwerber Untersuchungshaft verhängt wurde (§§ 173 ff StPO, BGBl. Nr. 631/1975) oder

4. der Asylwerber bei der Begehung eines Verbrechens (§ 17 StGB) auf frischer Tat betreten worden ist.

Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1. 1 VwGVG) mitzuteilen. Wird ein Asylwerber in den Fällen der Z 2 bis 4 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück (§§ 198 ff StPO) oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf.

Hat ein Asylwerber sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Abs. 2 verloren, kommt ihm nach § 13 Abs. 3 AsylG faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

Gemäß § 13 Abs. 4 hat das Bundesamt im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen.

Im vorliegenden Fall sprach die belangte Behörde mit Bescheid vom 17.08.2018 unter Bezugnahme auf § 13 Abs. 2 Z. AsylG aus, dass der BF mit 03.08.2018 sein Recht zum Aufenthalt verloren habe.

Wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich, wurde der BF von der gegen ihn erhobenen Anklage rechtskräftig freigesprochen, weswegen sein Aufenthaltsrecht nach § 13 Abs. 2 AsylG rückwirkend mit dem Tag des Verlustes wieder auflebte.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde gemäß § 13 Abs. 4 AsylG im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen hat, und es sich bei gegenständlichem Bescheid jedenfalls um keinen verfahrensabschließenden Bescheid handelt.

Der angefochtene Bescheid ist somit ersatzlos zu beheben.

Zum Entfall der mündlichen Beschwerdeverhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Ungeachtet eines entsprechenden Antrags kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG die Durchführung einer Verhandlung auch dann unterbleiben, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 GRC nicht entgegenstehen.

Im gegenständlichen Beschwerdefall beantragte keiner der Verfahrensparteien die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt konnte aus dem Akt der belangten Behörde widerspruchsfrei ermittelt werden. Die entscheidungswesentliche Frage ist eine reine Rechtsfrage, welche ohne weiteres Ermittlungsverfahren entschieden werden konnte, weswegen von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung abzusehen war.

Zu Spruchpunkt B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W261.2189451.2.00

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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