Entscheidungsdatum
02.10.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W200 2143795-2/3E
W200 2143797-2/3E
W200 2143798-2/3E
W200 2168288-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. 01.01. XXXX , 2.) XXXX , geb. 01.01. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. AFGHANISTAN, vertreten durch: MigrantInnenverein St. Marx gegen die Bescheide des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich (BAT) vom 28.08.2019, ad 1.) Zl. 1088281509-190670130, ad 2.) Zl. 1088281400-190667686, ad 3.) Zl. 1088281607-10670512, ad 4.) 1155185904-190670784 zu Recht erkannt:
A) 1.) - 4.) Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2
VwGVG behoben.
B) 1.) - 4.) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht
zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF1 - BF4) stellten am 21.09.2015 (BF1 - BF3) und 02.06.2017 (BF4) in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheiden des BFA wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF1 bis BF4 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen BF1 bis BF4 erlassen und festgestellt, dass deren Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei sowie ihnen eine Frist zur freiwilligen Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.
Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.10.2018, W259 2143795-1/23E, W259 2143797-1/29E, W259 2143798-1/21E und W259 2168288-1/14E abgewiesen.
Nach Behebung der Erkenntnisse betreffend die Spruchpunkte Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan, Nichterteilung eines Aufenthaltstitels, Erlassung einer Rückkehrentscheidung, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie die Festsetzung einer zweiwöchigen Frist für die Ausreise durch den Verfassungsgerichtshof erfolgte neuerlich eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG und wurden die Beschwerden mit Erkenntnis vom 24.06.2019 W204 2143795-1/41E, W204 2143797-1/46E, W204 2143798-1/37E und W204 2168288-1/30E erneut abgewiesen.
Gegen diese Erkenntnisse haben die BF1 - BF4 neuerlich Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.
Mit Mandatsbescheiden vom 03.07.2019 wurde den BF1 - BF4 gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu ihrer Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Betreuungsstelle Tirol, Trixlegg 12, 6391 Fieberbrunn, zu nehmen und dieser Verpflichtung binnen drei Tagen nachzukommen.
Nach Erhebung von Vorstellungen gegen die Mandatsbescheide wurde den BF1 - BF4 gegen mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 28.08.2019, Zl. 1088281509-190670130, Zl. 1088281400-190667686, Zl. 1088281607-10670512, Zl. 1155185904-190670784, gem. § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu ihrer Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Betreuungsstelle Tirol, Trixlegg 12, 6391 Fieberbrunn, zu nehmen und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diese Bescheide wurde gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF1 - BF4 sind afghanische Staatsangehörige. Der unter I. dargestellte Verfahrensgang wird als Feststellung den gegenständlichen Erkenntnissen zugrunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen stützen sich auf den Inhalt der vorgelegten Akten des BFA sowie der Akten des BVwG.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides
3.1.1. Rechtliche Grundlagen:
§ 57 FPG lautet auszugsweise:
"Wohnsitzauflage
§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn
1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder
2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.
(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige
1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;
2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;
3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;
4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;
5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.
(3) [...]
(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen, wenn und solange
1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,
2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder
3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.
(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 60 Abs. 3 gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 4 außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.
(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."
§ 46 FPG lautet auszugsweise:
"[...]
(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.
(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.
[...]"
3.1.2. Aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG ergibt sich auszugsweise Folgendes:
"[...] Die Erlassung einer Wohnsitzauflage soll dabei nicht systematisch erfolgen, sondern hat jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK - insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt - zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.
[...]
Zu Abs. 1:
[...]
Die zweite Konstellation soll auch jene Fälle umfassen, in denen zwar eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde, der Drittstaatsangehörige aber nicht innerhalb der Frist ausgereist ist und anzunehmen ist, dass er seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen wird.
[...]
Zu Abs. 2:
In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.
Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt. Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.
Da es sich bei Abs. 2 um eine demonstrative Aufzählung handelt, kommen auch weitere Umstände in Betracht, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. Weitere denkbare Gründe in diesem Sinne sind etwa falsche oder widersprüchliche Angaben zum Vorliegen einer Voll- oder Minderjährigkeit bzw. voneinander abweichende Altersangaben in Verfahren vor verschiedenen Behörden (dazu VwGH 25.02.2015, Ra 2014/20/0045) sowie die Verschweigung von vorhandenen Identitätsdokumenten. Hievon sollen beispielsweise jene Fälle erfasst sein, in denen Drittstaatsangehörige im Verfahren vor dem Bundesamt angeben, über keine Identitätsdokumente zu verfügen, während sie im Verfahren vor anderen Behörden (bspw. dem Standesamt im Zuge einer Eheschließung) oder Gerichten solche vorlegen.
[...]
Zu Abs. 6:
Die Auferlegung der Wohnsitzauflage gemäß § 57 erfolgt mittels Mandatsbescheid gemäß §57 AVG. Ein solcher kann erlassen werden, wenn es sich um die Vorschreibung einer Geldleistung oder wegen Gefahr in Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt. Für den vorgeschlagenen § 57 ist der Tatbestand "Gefahr in Verzug" maßgeblich: In der Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 1 ist der Ausschluss einer Frist zur freiwilligen Ausreise an die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Rückkehrentscheidung (§ 18 Abs. 2 BFA-VG) geknüpft. Somit wurde bereits im Falle einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde und der Nichtgewährung einer Frist gemäß § 55 festgestellt, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt. Dadurch ist die Erlassung der Wohnsitzauflage in dieser Konstellation mittels Mandatsbescheid aufgrund der bereits zuvor anlässlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung festgestellten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zulässig. Hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 liegt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist."
3.1.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:
Die belangte Behörde weist in den angefochtenen Bescheiden darauf hin, dass gegen die BF1 - BF4 rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung bestehen, sie der Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sind, sich somit illegal im Bundesgebiet aufhalten und sich weigern, der rechtskräftig auferlegten Ausreiseverpflichtung nachzukommen.
Dass dieses Verhalten alleine ausreicht, eine Wohnsitzauflage zu erlassen, ergibt sich weder aus dem Gesetzestext noch aus den oben dargestellten Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG. Zur Erlassung einer Wohnsitzauflage als ultima ratio bedarf es konkreter Umstände des Einzelfalles, die zur Annahme führen, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.
3.1.3.1. Die belangte Behörde trifft im angefochtenen Bescheid die Feststellungen (Unterpunkt "Voraussetzungen für die Erlassung einer Wohnsitzauflage"), dass gegen die BF eine Rückkehrentscheidung besteht. Es liege keine Duldung gemäß § 46a FPG vor, die BF seien der auferlegten und bestehenden Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen und sie hätten durch Nichtbefolgen der Aufforderung zur Ausreise gezeigt, dass sie nicht bereit seien, der Ausreiseverpflichtung nachzukommen.
In der Beweiswürdigung bezieht sich das BFA darauf, dass die getroffenen Feststellungen aus dem Inhalt des BFA-Aktes, der Mitteilung der Rückkehrberatungsorganisation sowie des historischen ZMR-Auszuges, Mitteilungen der Polizei, Mitteilungen Quartiergeber, etc. resultieren würden.
In der rechtlichen Beurteilung beschränkt sich die belangte Behörde auf die Wiedergabe Gesetzestextes der Abs. 1 und 2 Ziffer 1-5 des § 57 FPG.
Dem folgt ein Hinweis darauf, dass im Bescheid zur Rückkehrentscheidung auf den Kriterienkatalog des § 9 Abs. 2 BFA-VG eingegangen wurde und eine Rückkehrentscheidung sowie eine Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt wurde.
Wiederholt wurde, dass die BF1 - BF4 nicht ausgereist seien und sich nach wie vor - entgegen der rechtskräftig gewordenen Entscheidung und der damit aufgetragenen Ausreiseverpflichtung - im Bundesgebiet aufhalten würden.
Eine Begründung für Erlassung einer Wohnsitzauflage und eine Darstellung der konkreten Umstände ist den angefochtenen Bescheiden nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde beschränkt sich darauf, unter dem Punkt "Feststellungen", Unterpunkt "Voraussetzungen für die Erlassung der Wohnsitzauflage", die Feststellungen zum unrechtmäßigen Aufenthalt und der unterbliebenen Ausreise der BF1- BF4 zu wiederholen und anschließend, den Gesetzestext der Ziffern 1. bis 5. des § 57 Abs. 2 FPG anzuführen.
Die belangte Behörde legt im angefochtenen Bescheid nicht dar, zu welchem Ermittlungsergebnis sie gelangt ist, worauf sich dieses stütze und welche bestimmten Tatsachen im Sinne des § 57 FPG die Annahme rechtfertigen, die BF werden ihrer Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen.
Völlig unklar ist, welches der Tatbestandsmerkmale des § 57 Abs. 2 FPG die belangte Behörde als erfüllt sieht.
In der Beweiswürdigung wird pauschal auf den Inhalt des BFA-Aktes, der Mitteilung der Rückkehrberatungsorganisation sowie des historischen ZMR-Auszuges, Mitteilungen der Polizei, Mitteilungen Quartiergeber, verwiesen ohne konkrete Ermittlungsergebnisse anzuführen - solche ergeben sich auch nicht aus dem Akteninhalt. Weder sind im Akt Mitteilung der Rückkehrberatungsorganisation noch Mitteilungen der Polizei bzw. Mitteilungen des Quartiergebers auffindbar.
Die belangte Behörde legt nicht einmal ansatzweise dar, ob und wann die BF1 - BF4 eine Anordnung des Bundesamtes oder ein nachweisliches Angebot der Rückkehrberatungsstelle erhalten hätten (§ 57 Abs. 2 Z. 1 FPG). Dies ergibt sich auch nicht aus den Akten, zumal sich dort lediglich Verfahrensanordnungen an die Beschwerdeführer mit dem Inhalt findet, dass die BF1 - BF4 verpflichtet seien, ein "Rückkehrberatungsgespräch bis zum" in Anspruch zu nehmen, wobei es die belangte Behörde unterlassen hat ein entsprechendes Datum einzutragen.
Es geht auch weder aus den angefochtenen Bescheiden noch aus den Akten hervor, dass die BF1 - BF4 an der Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen nicht mitwirkt hätten bzw. erklärt hätten ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen. § 57 Abs. 2 Z. 2 und Z. 5 FPG sind nach der Aktenlage nicht erfüllt.
Mangels Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung waren daher die angefochtenen Bescheide ersatzlos zu beheben.
Die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. E 25. März 2015, Ro 2015/12/0003). Als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung ist im Spruch daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 (bzw. Abs. 3 Satz 1) VwGVG 2014 zu nennen. § 28 Abs. 5 VwGVG 2014 regelt hingegen nur die Rechtsfolgen von Bescheidaufhebungen durch das VwG und bietet keine eigenständige Rechtsgrundlage für die Aufhebung selbst, sei es nach § 28 Abs. 3 Satz 2 und 3 (oder Abs. 4) VwGVG 2014, sei es nach § 28 Abs. 1 und 2 oder Abs. 3 Satz 1 VwGVG 2014 (VwGH 04.08.2016 2016/21/0162).
Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen sind aufgrund der klaren Rechtslage nicht hervorgekommen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W200.2168288.2.00Zuletzt aktualisiert am
15.05.2020