Entscheidungsdatum
07.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W250 2169142-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.07.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 17.05.2015 im Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 28.05.2015 fand die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass ein Kommandant der Regierung immer Feste gefeiert habe, auf denen junge Burschen gezwungen worden seien zu tanzen und diese auch vergewaltigt bzw. sexuell missbraucht worden seien. Der Beschwerdeführer sei eines Tages von Leuten des Kommandanten zu einer Feier gebracht worden, ihm sei jedoch die Flucht von dort gelungen. Kurze Zeit darauf seien einige bewaffnete Leute zu ihm nachhause gekommen um ihn wieder mitzunehmen. Sein älterer Bruder habe versucht dies zu verhindern und sei deshalb erschossen worden. Dem Beschwerdeführer sei die Flucht vor den bewaffneten Leuten gelungen. Als der Vater des Beschwerdeführers von den Ereignissen erfahren habe, habe er sich entschlossen das Land zu verlassen. Auf der Reise in Richtung Europa sei der Beschwerdeführer von seiner Familie getrennt worden.
3. Am 22.11.2016 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt, bei der er im Wesentlichen angab, dass in seinem Heimatdorf viele hochrangige Angehörige des Militärs, der Polizei und anderer Behörden gewesen seien, die abends Partys gefeiert hätten, bei denen minderjährige Jugendliche zum Tanzen sowie zum Geschlechtsverkehr gezwungen und sexuell belästigt worden seien. Eines Tages seien diese Männer zum Haus der Familie des Beschwerdeführers gekommen um den Beschwerdeführer mitzunehmen. Der ältere Bruder des Beschwerdeführers habe versucht dies zu verhindern, weshalb er erschossen worden sei. Der Beschwerdeführer sei dann zum Militär-Kommandanten gebracht worden. Da die Soldaten diesem berichtet hätten, dass sie den Bruder des Beschwerdeführers umgebracht hätten, habe der Kommandant befohlen den Beschwerdeführer frei zu lassen. Der Vater des Beschwerdeführers habe daraufhin beschlossen Afghanistan zu verlassen.
4. Mit Stellungnahme vom 06.12.2016 wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers bei der Glaubwürdigkeitsprüfung entsprechend zu beachten sei. Die vom Beschwerdeführer - substantiiert, kohärent und plausibel - geschilderte Verfolgung sei auch objektiv glaubwürdig. Die vom Bundesamt ins Verfahren eingebrachten Länderberichte seien hingegen zu allgemein gehalten und würden sich nicht am individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers orientieren. Aus den UNHCR-Richtlinien gehe deutlich hervor, dass die "Tanzjungen" als Untergruppe von Kindern, nämlich männliche, junge Kinder zwischen 10-18 Jahren, eine soziale Gruppe iSd Genfer Flüchtlingskonvention bilden können.
5. Das vom Bundesamt eingeholte Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung vom 17.02.2017 nennt betreffend den Beschwerdeführer den XXXX als spätestmöglichen "fiktiven" Geburtstag, sodass eine Minderjährigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht ausgeschlossen werden konnte. Die Vollendung des 18. Lebensjahres wurde anhand des errechneten ‚fiktiven' Geburtsdatums am XXXX erreicht.
Gestützt auf das Sachverständigengutachten stellte das Bundesamt mit Verfahrensanordnung vom 24.02.2017 fest, dass der Beschwerdeführer spätestens am XXXX geboren wurde.
6. Am 04.04.2017 fand eine ergänzende Einvernahme des Beschwerdeführers statt. Dabei gab dieser im Wesentlichen an, dass sich an seinen Fluchtgründen nichts geändert und er keine Ergänzungen vorzunehmen habe. Der Beschwerdeführer führte nachgefragt aus, dass sich seine Familie derzeit in Pakistan in XXXX befinde. Diese hätten Angst im Falle der Rückkehr nach Afghanistan vom Kommandanten, der den Beschwerdeführer freigelassen habe, umgebracht zu werden.
7. Mit Stellungnahme vom 18.04.2017 wurde wiederum vorgebracht, dass die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers bei der Prüfung der Glaubwürdigkeit zu beachten sei. Zudem stelle die UNHCR-Richtlinie für Kinder ausdrücklich fest, dass diese mit abstrakten Begriffen wie Zeit oder Entfernung Schwierigkeiten haben können.
8. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde hinsichtlich Spruchpunkt I. ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zwar teilweise glaubhaft sei, es jedoch keine der in der GFK taxativ angeführten Konventionsgründe beinhalte. In Gesamtbetrachtung sei das Bundesamt zur Ansicht gelangt, dass sein Vorbringen nicht ausreiche um Asylrelevanz zu erreichen. Auch aus dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hätten sich bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines asylrelevanten Sachverhalts ergeben.
9. Der Beschwerdeführer erhob gegen den angefochtenen Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass dem Bundesamt aufgrund der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers eine erhöhte Ermittlungspflicht zugekommen sei, die das Bundesamt nicht erfüllt habe. Zudem würden durch die Abweisung des Asylantrags die Rechte des minderjährigen Beschwerdeführers verletzt und das Wohl des Minderjährigen gefährdet, weshalb schon daher keine ordnungsgemäß begründete Entscheidung erlassen worden sei. Dass der Beschwerdeführer nur teilweise glaubwürdig sei sei vor dem Hintergrund der in der Beschwerde zitierten Judikatur und dem substantiiierten, kohärenten und plausiblen Vorbringen des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar. Die Beweiswürdigung des Bundesamtes sei unrichtig und widersprüchlich. Da der Beschwerdeführer in Afghanistan keine Familie mehr vorfinden würde, wäre er trotz seines Alters von 17 Jahren immer noch gefährdet und Übergriffen und Verfolgungshandlungen schutzlos ausgeliefert, zumal die Länderberichte veranschaulichen würden, dass die Praxis der "Bacha Bazi" in Afghanistan weit verbreitet sei. Dem Beschwerdeführer drohe zudem wegen seines Auftretens als "westernized person" sowie seiner Zugehörigkeit zu den Hazara und Schiiten Verfolgung aufgrund einer (zumindest unterstellten) politischen und/oder religiösen Gesinnung.
10. Mit Dokumentenvorlage vom 13.09.2019 wurden medizinische Unterlagen betreffend den Beschwerdeführer übermittelt.
11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.09.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari sowie im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Ein Vertreter des Bundesamtes nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde dem Bundesamt übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben (AS 1, 231, 424; Protokoll vom 17.09.2019 - OZ 8, S. 5 f).
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Kunduz, im Dorf XXXX geboren und ist dort gemeinsam mit seinen Eltern und seinen drei Geschwistern (ein Bruder und zwei Schwestern) aufgewachsen (AS 231 f; OZ 7, S. 5 ff). Der Beschwerdeführer hat zwei Jahre lang die Schule in seinem Heimatdorf besucht (AS 232; OZ 7, S. 9).
Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest Mai 2015 durchgehend in Österreich auf (AS 1 ff).
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer wurde weder von Soldaten des Kommandanten XXXX (im Folgenden "der Kommandant" genannt) zu einer Party mitgenommen noch ist er freiwillig mit einem Freund auf eine Party des Kommandanten gegangen und/oder von dort geflohen. Der Vorfall, wonach der Beschwerdeführer auf einer Party des Kommandanten gewesen sei um dort zu tanzen und dort sexuellen Belästigungen ausgesetzt gewesen sei, hat nicht stattgefunden. Der Bruder des Beschwerdeführers wurde auch nicht deshalb von Soldaten des Kommandanten erschossen, weil er verhindern wollte, dass der Beschwerdeführer von diesen zu einer Party mitgenommen werde. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurde vom Kommandanten oder dessen Soldaten bedroht.
Der Beschwerdeführer hat Afghanistan nicht aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität oder wegen Lebensgefahr verlassen.
Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr nach Afghanistan keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch den Kommandanten, dessen Anhänger oder durch andere Personen.
1.2.2. Darüber hinaus droht dem Beschwerdeführer keine konkrete und individuelle physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan wegen seiner ethnisch-religiösen Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara. Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Religions-gemeinschaft der Schiiten oder der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan allein aufgrund der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind.
1.2.3. Der Beschwerdeführer gilt aufgrund der Tatsache, dass er sich in Europa aufgehalten hat, in Afghanistan weder als westlich orientiert noch ist er psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt. Afghanischen Staatsangehörigen, die aus dem Iran bzw. Europa nach Afghanistan zurückkehren, droht in Afghanistan allein aufgrund ihres Aufenthaltes außerhalb Afghanistans keine psychische und/oder physische Gewalt.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
1.3.1. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundes-verwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019, wiedergegeben:
Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 04.06.2019 - LIB 04.06.2019, S.65).
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (LIB 04.06.2019, S.13).
Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (LIB 04.06.2019, S.13).
Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (LIB 04.06.2019, S.13 f).
Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst ca. 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (LIB 04.06.2019, S.23).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 04.06.2019, S.69).
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 04.06.2019, S.69). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 04.06.2019, S.69 ff).
Provinz Kunduz:
Die Provinzhauptstadt Kunduz-Stadt ist etwa 250 km von Kabul entfernt. Als strategischer Korridor wird Kunduz als bedeutende Provinz in Nordafghanistan erachtet - Sher Khan Bandar, die Hafenstadt am Fluß Pandsch, an der Grenze zu Tadschikistan, ist beispielsweise von militärischer und wirtschaftlicher Bedeutung (LIB 04.06.2019, S.176 f).
Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.049.249 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Usbeken, Tadschiken, Turkmenen, Hazara und Paschai (LIB 04.06.2019, S.177).
Strategisch wichtig ist die Stadt Kunduz nicht nur für Afghanistan, denn Kunduz war bis zum Einmarsch der US-Amerikaner im Jahr 2001 die letzte Hochburg der Taliban. Wer die Stadt kontrolliert, dem steht der Weg nach Nordafghanistan offen. Kunduz liegt an einer wichtigen Straße, die Kabul mit den angrenzenden nördlichen Provinzen verbindet. Kunduz ist durch eine Autobahn mit Kabul im Süden, Mazar-e Sharif im Westen, sowie Tadschikistan im Norden verbunden (LIB 04.06.2019, S.177).
Kunduz zählt zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans, in der Aufständische aktiv sind. In den Jahren 2015 und 2016 fiel Kunduz-Stadt jeweils einmal an Taliban-Aufständische; die Stadt konnte in beiden Fällen von den afghanischen Streitkräften zurückerobert werden. Das deutsche Militär hat einen großen Stützpunkt in der Provinz Kunduz. Während des Jahres 2017 sank die Anzahl der zivilen Opfer in Folge von Bodenoffensiven u.a. in der Provinz Kunduz; ein Grund dafür war ein Rückgang von Militäroffensiven in von Zivilist/innen bewohnten Zentren durch die Konfliktparteien (LIB 04.06.2019, S.178).
Im gesamten Jahr 2017 wurden 377 zivile Opfer (93 getötete Zivilisten und 284 Verletzte) in der Provinz Kunduz registriert. Hauptursache waren Bodenangriffe, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 41% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 04.06.2019, S.179).
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden regelmäßig Luftangriffe durchgeführt. In der Provinz kommt es zu Zusammenstößen zwischen den Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 04.06.2019, S.179).
Talibankämpfer, insbesondere Mitglieder der "Red Unit", einer Taliban-Einheit, die in zunehmendem Ausmaß Regierungsstützpunkte angreift, sind in der Provinz Kunduz. Einige Distrikte, wie Atqash, Gultapa und Gulbad, sind unter Kontrolle der Taliban. Auch in Teilen der Distrikte Dasht-e-Archi und Chardarah sind Talibankämpfer zum Berichtszeitpunkt aktiv (LIB 04.06.2019, S.179).
Bacha Bazi (Bacha Bazi) - Tanzjungen
Bacha Bazi, auch Tanzjungen genannt, sind Buben oder transsexuelle Kinder, die sexuellem Missbrauch und/oder dem Zwang, bei öffentlichen oder privaten Ereignissen zu tanzen, ausgesetzt sind. In weiten Teilen Afghanistans, vor allem in den Rängen von Armee und Polizei, ist der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen nach wie vor ein großes Problem. Das Thema ist gesellschaftlich tabuisiert und wird nicht selten unter dem Deckmantel kultureller Gepflogenheiten verschwiegen oder verharmlost. Ein Großteil der Täter hat keinerlei Unrechtsbewusstsein. Mit Inkrafttreten des neuen afghanischen Strafgesetzbuches im Jahr 2018, wurde die Praxis des Bacha Bazi kriminalisiert. Den Tätern drohen bis zu sieben Jahre Haft. Jene, die mehrere Buben unter zwölf Jahren halten, müssen mit lebenslanger Haft rechnen. Das neue afghanische Strafgesetzbuch kriminalisiert nicht nur die Praxis von Bacha Bazi, sondern auch die Teilnahme an solchen Tanzveranstaltungen. Der Artikel 660 des fünften Kapitels beschreibt, dass Beamte der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte (ANSF), die in die Praxis von Bacha Bazi involviert sind, mit durchschnittlich bis zu fünf Jahren Haft rechnen müssen (LIB 04.06.2019, S.345).
Üblicherweise sind die Jungen zwischen zehn und 18 Jahre alt; viele von ihnen werden weggeben, sobald sie erste Anzeichen eines Bartes haben. Viele der Jungen wurden entführt, manchmal werden sie auch von ihren Familien aufgrund von Armut an die Täter verkauft. Manchmal sind die Betroffenen Waisenkinder und in manchen Fällen entschließen sich Jungen, Bacha Bazi zu werden, um ihre Familien zu versorgen. Die Jungen und ihre Familien werden oft von ihrer sozialen Umgebung verstoßen; eine polizeiliche Aufklärung findet nicht statt (LIB 04.06.2019, S.345).
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt des Beschwerdeführers, in Auszüge aus dem Zentralen Melderegister und dem Fremden-informationssystem, in einen Strafregisterauszug, einen Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem sowie durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Länderberichte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019; UNHCR-Richtlinie vom 30.08.2018) und in die in den mündlichen Verhandlungen übergebenen Urkunden Beilage ./A bis ./G (Beurteilung des XXXX vom 04.12.2017 - Beilage ./A; Rezept vom 15.12.2017 - Beilage ./B; Mitteilung an die Erziehungsberechtigten vom 02.02.2017 - Beilage ./C; Bestätigung des XXXX vom 20.12.2017 - Beilage ./D; Befund des XXXX vom 04.12.2017 - Beilage ./E; Überweisung der XXXX GBK gültig bis 12.11.2017 - Beilage ./F; Befund Dr. XXXX vom 31.10.2017 - Beilage ./G) und in die mit Dokumentenvorlage vom 13.09.2019 vorgelegten Urkunden (OZ 10 - ambulanter Befundbericht vom 21.03.2018; Ambulanzdekurs vom 19.10.2017; Ambulanzdekurs vom 03.10.2017).
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
2.1.1. Bei der Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers findet in die Beweiswürdigung Eingang, dass es sich beim Beschwerdeführer bei den Einvernahmen teilweise um einen Minderjährigen handelte und das behauptete fluchtauslösende Ereignis in der Jugend zurückliegen würde, sodass die Dichte des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht mit "normalen" Maßstäben gemessen werden kann (vgl. VwGH 24.09.2014, 2014/19/0020). Der Beschwerdeführer war bei der Erstbefragung ca. 15 Jahre alt, bei der ersten Befragung beim Bundesamt ca. 16 Jahre und bei der zweiten Befragung beim Bundesamt ca. 17 Jahre alt. In der Beschwerdeverhandlung war der Beschwerdeführer bereits volljährig. Das erkennende Gericht nimmt deshalb darauf Bedacht, dass die Erzählung der Fluchtgeschichte bei der Erstbefragung und vor dem Bundesamt aus der Perspektive eines Minderjährigen erfolgte.
2.1.2. Die einzelnen Feststellungen beruhen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus dem eingeholten Sachverständigen-gutachten zur Altersfeststellung vom 17.02.2017. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre und wirtschaftliche Situation in Afghanistan und seine Schulbildung) gründen sich auf den diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben des Beschwerdeführers. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellungen zur Einreise sowie das Datum der Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.1.3. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Strafregisterauszug vom 17.09.2019).
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe Lebensgefahr durch den Kommandanten und dessen Soldaten, weil er vor ihnen geflohen sei, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:
Zunächst ist festzuhalten, dass der zur Entscheidung berufene Richter des Bundesverwaltungsgerichts nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund seines persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers davon ausgeht, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen detailliert, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden. So beantwortete er die Fragen und schilderte die Ereignisse teilweise derart widersprüchlich, dass sein Vorbringen nicht glaubhaft ist. Auch vermochte er dabei keine konkreten und lebensnahen Details zu nennen, die für den erkennenden Richter den Eindruck erweckt hätten, die vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse seien tatsächlich so vorgefallen. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurück und in der Jugend des Beschwerdeführers liegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings trotz seines Alters nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Die erzählte Geschichte erweckte für das Gericht daher den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte konstruierte Geschichte handelt.
Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers lautet im Wesentlichen dem Beschwerdeführer habe gedroht auf einer Party des Kommandanten tanzen zu müssen und sexuell ausgebeutet zu werden. Der Bruder des Beschwerdeführers habe versucht dies zu verhindern und sei deshalb von Soldaten erschossen worden. Der Beschwerdeführer sei dann zum Kommandanten gebracht worden, dieser habe ihn jedoch wieder gehen lassen, weil sein Bruder bereits umgebracht worden sei. Die Familie des Beschwerdeführers habe daraufhin beschlossen Afghanistan zu verlassen.
Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung an, dass er eines Tages von Soldaten des Kommandanten zu einer Feier gebracht worden sei, von wo ihm jedoch die Flucht gelungen sei. Kurze Zeit darauf seien die Soldaten zu ihm nachhause gekommen. Sein Bruder habe verhindern wollen, dass die Soldaten den Beschwerdeführer erneut mitnehmen, weshalb dieser erschossen worden sei. Dem Beschwerdeführer sei dann neuerlich die Flucht vor den Soldaten gelungen (AS 11).
Beim Bundesamt gab der Beschwerdeführer hingegen an, dass eines Tages Männer zum Haus seiner Familie gekommen seien um ihn mitzunehmen. Da sich sein Bruder zwischen den Beschwerdeführer und die Männer gestellt habe um zu verhindern, dass der Beschwerdeführer mitgenommen werde, sei der Bruder des Beschwerdeführers erschossen worden. Der Beschwerdeführer sei dann zum Kommandanten gebracht worden. Als dieser vom Tod des Bruders des Beschwerdeführers erfahren habe, habe er den Beschwerdeführer gehen lassen (AS 233). Dass der Beschwerdeführer flüchten habe müssen bzw. ihm sogar zweimal die Flucht gelungen sei, erwähnte er im Gegensatz zur Erstbefragung mit keinem Wort.
Gemäß § 19 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG) dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert. Die Verwaltungsbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht können im Rahmen ihrer Beweiswürdigung die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.
Es wird daher im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung nicht in erster Linie auf Fluchtgründe des Beschwerdeführers bezog und diese nur in aller Kürze angegeben sowie protokolliert wurden. Dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe jedoch derart widersprüchlich und nicht miteinander im Einklang stehend vorgebracht hat, ist selbst vor dem Hintergrund, dass er zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig gewesen ist, nicht nachvollziehbar, zumal es sich bei den geschilderten Vorfällen nach der allgemeinen Lebenserfahrung um einprägsame Ereignisse handelt. Wären die geschilderten Ereignisse tatsächlich vorgefallen, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zumindest gleichbleibend angeben hätte können, ob er bereits vor der Ermordung seines Bruders von Soldaten auf eine Party gebracht worden sei, von wo ihm die Flucht gelungen sei oder ob er erstmals nach dem Tod seines Bruders zum Kommandanten gebracht worden sei, der ihn jedoch gleich wieder freigelassen habe sowie ob er überhaupt nach der Ermordung seines Bruders mitgenommen worden sei oder ihm auch da die Flucht gelungen sei.
Zudem ergaben sich im Vorbringen des Beschwerdeführers beim Bundesamt weitere Unplausibilitäten, die den Eindruck erwecken, als handle es sich lediglich um eine konstruierte Geschichte:
In der Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass die Anhänger des Kommandanten ihn auf eine Party hätten mitnehmen wollen, ihm aber die Flucht gelungen sei. Die Anhänger des Kommandanten seien dann zu ihm nachhause gekommen, wo der Bruder des Beschwerdeführers versucht habe sie daran zu hindern den Beschwerdeführer mitzunehmen, weshalb dieser erschossen worden sei (OZ 7, S. 10). Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, dass die Soldaten nachdem sie den Bruder des Beschwerdeführers erschossen hätten, den Beschwerdeführer mitgenommen und zu der Party des Kommandanten gebracht hätten, wo dieser den Beschwerdeführer jedoch wegen dem Mord an seinem Bruder freigelassen habe (OZ 7, S. 14). Die Fragen, ob bereits vor der Ermordung seines Bruders versucht worden sei ihn als Tanzjungen zu missbrauchen und ob er jemals aus der Gewalt der Soldaten oder der Anhänger des Kommandanten geflohen sei, verneinte der Beschwerdeführer (OZ 7, S. 16). Dies ist weder mit seinem Vorbringen bei der Erstbefragung noch mit seinen zu Beginn der Beschwerdeverhandlung getätigten Angaben in Einklang zu bringen. Der Beschwerdeführer gab nach Vorhalt dieser widersprüchlichen Angaben lediglich ausweichend an, dass er doch gerade gesagt habe, dass er geflohen sei als er bei der Feier gewesen sei. Er sei nur einmal geflohen, woraufhin die Soldaten ihn gesucht und schließlich mitgenommen hätten (OZ 7, S. 16). Zusammengefasst sei der Beschwerdeführer an demselben Abend als sein Bruder ermordet worden sei, zunächst von der Party des Kommandanten geflohen, weshalb Anhänger des Kommandanten zu ihm nachhause gekommen seien, den Bruder des Beschwerdeführers umgebracht und den Beschwerdeführer mitgenommen hätten (OZ 7, S. 17). Dies steht jedoch - abgesehen von dem komplett anders geschilderten Vorbringen beim Bundesamt - auch im Widerspruch zu seinem Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung, wonach die Anhänger ihn auf die Party mitnehmen hätten wollen, ihm aber die Flucht gelungen sei (OZ 7, S. 10). Diesen Angaben zufolge, sei der Beschwerdeführer daher vor der Ermordung seines Bruders noch nicht auf der Party gewesen.
Zudem ist es nicht nachvollziehbar, warum die Soldaten ausgerechnet den Beschwerdeführer mit auf die Party nehmen wollten, zumal es auch Jugendliche gegeben habe, die freiwillig zu diesen Partys gegangen seien (AS 233). Dass den Soldaten die Jugendlichen im Dorf bekannt gewesen seien (AS 233), erklärt nicht warum gerade ein Interesse am Beschwerdeführer bestanden haben soll.
Darüber hinaus ergaben sich weitere Widersprüche und Unplausibilitäten im Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung, sodass sich der Eindruck, es handle sich lediglich um eine konstruierte Geschichte, erhärtet:
Befragt, wie der Beschwerdeführer das erste Mal an diesem Abend zur Party gekommen sei, führte er aus, dass er mit seinem Freund - der schon öfter bei solchen Festen gewesen sei (OZ 7, S. 11) - zu der Party gegangen sei (OZ 7, S. 11). Dass der Beschwerdeführer freiwillig zu einer dieser Partys des Kommandanten gegangen sei, hat er bisher im Verfahren mit keinem Wort erwähnt. Zudem ist vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung zunächst angab, dass sein Freund bisher immer gezwungen worden sei, auf diesen Festen zu tanzen (OZ 7, S. 12), auch nicht nachvollziehbar, dass sein Freund freiwillig dorthin gegangen sei.
Zudem ist nicht nachvollziehbar, woher die Anhänger des Kommandanten nach der Flucht des Beschwerdeführers von der Party, die Adresse des Beschwerdeführers gekannt haben. Der Beschwerdeführer gab diesbezüglich lediglich ausweichend an, dass er nicht wisse, woher die Soldaten seine Adresse gekannt hätten.
Während der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung angab, dass die Jungs an diesem Abend auf dem Fest getanzt hätten (OZ 7, S. 17), führte er befragt aus, dass er lediglich seinen Freund auf dem Fest beim Kommandanten gesehen habe (OZ 7, S. 18).
Die Frage, ob der Beschwerdeführer mit dem Kommandanten an dem Abend persönlich gesprochen habe, verneinte der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung zunächst ausdrücklich (OZ 7, S. 14 f). Nachgefragt gab der Beschwerdeführer im Zuge der Beschwerdeverhandlung jedoch an, dass ihm der Kommandant persönlich gesagt habe, dass er keine Anzeige erstatten dürfe (OZ 7, S. 15). Da der Beschwerdeführer zumindest Respekt vor dem Kommandanten, wenn nicht sogar Angst vor diesem gehabt habe und ihm ein Gespräch mit diesem daher in Erinnerung bleiben würde, ist es lebensfremd, dass er sich nicht gemerkt hat, ob er mit ihm gesprochen hat oder nicht.
Das Gericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer zu dem Zeitpunkt in dem sich die Vorfälle ereignet hätten, noch minderjährig gewesen ist, allerdings ist es selbst vor dem Hintergrund des jungen Alters des Beschwerdeführers absolut lebensfremd, dass der Beschwerdeführer mindestens drei verschiedene Varianten seines Fluchtvorbringens im Verfahren schildert. Wären die Ereignisse tatsächlich so vorgefallen, hätte der Beschwerdeführer zumindest gleichbleibend angeben können, ob er zweimal (Erstbefragung), einmal (Beschwerdeverhandlung) oder keinmal (Bundesamt) vor den Anhängern des Kommandanten geflohen sei und ob er einmal (Erstbefragung, Bundesamt, und erste Variante in der Beschwerdeverhandlung) oder zweimal (zweite Variante in der Beschwerdeverhandlung) an demselben Abend auf dem Fest des Kommandanten gewesen sei. Dass der Beschwerdeführer selbst bei den wesentlichen Elementen des Fluchtvorbringens und nicht nur bei Details, derart widersprüchliche Angaben tätigte, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar und wird das Vorbringen als konstruierte Geschichte gewertet.
Zudem ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer als volljährige Person mit nicht auffallend jugendlichem Erscheinungsbild nicht mehr in den Kreis jener Personen fällt, die der Gefährdung der Entführung bzw. Heranziehung als Tanzjunge unterliegen, zumal nach den Länderfeststellungen (vgl. Punkt II.1.5.1.) insbesondere Jugendliche im Alter zwischen 11 und 18 Jahren davon betroffen sind.
Da das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers aufgrund der widersprüchlichen und unplausiblen Angaben des Beschwerdeführers nicht glaubhaft ist, ist auch nicht ersichtlich, dass die Familie des Beschwerdeführers bedroht worden sei.
Aus den oben genannten Gründen geht das Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen hat.
In einer Gesamtschau des Vorbringens ist daher festzustellen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch den Kommandanten, dessen Anhängern oder andere Personen droht.
2.2.2. Auch darüber hinaus vermochte der Beschwerdeführer eine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung aufgrund seiner Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit nicht aufzuzeigen:
Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt zwar an, dass er Angst habe in Afghanistan als Hazara und Schiite verfolgt zu werden. Die ausdrückliche Frage, ob er in Afghanistan konkret und gezielt wegen seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt worden sei, verneinte er, führte jedoch aus, dass Hazara allgemein von den anderen afghanischen Volksgruppen schlecht behandelt worden seien (AS 235). Aus diesen lediglich allgemein gehaltenen Angaben sowie den pauschalen Ausführungen in der Beschwerde kann der erkennende Richter, insbesondere auch in Zusammenschau mit den Länderberichten zum Fehlen entsprechend massiver religiöser und volksgruppenbezogener Diskriminierung (siehe Punkt II.1.5.1.), den Schluss ziehen, dass der Beschwerdeführer selbst keiner individuell konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit in Afghanistan ausgesetzt gewesen ist.
Hinsichtlich einer behaupteten Gruppenverfolgung in Afghanistan wird auf die Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung verwiesen.
2.2.3. Soweit der Beschwerdeführer meint, dass aufgrund seines Aufenthaltes in Europa die Gefahr bestehe als "verwestlicht" angesehen zu werden und er deshalb in Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt sei, ist auszuführen, dass nicht ersichtlich ist wodurch sich sein "westlicher Lebensstil" oder eine andere, ihn exponierende Lebensweise äußern würde. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift, ist aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vom Richter gewonnenen, persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine westliche Lebensweise in einer ihn in Afghanistan exponierenden Intensität übernommen hätte. Es ist auch nicht erkennbar, warum gerade der Beschwerdeführer gegenüber hunderttausend anderen Rückkehrern in eine derart exponierte Lage geraten soll, dass er aufgrund seines Lebensstils oder seines Aufenthaltes in einem westlichen Land psychischer oder physischer Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt wäre.
Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan geboren und hat dort bis zu seiner Ausreise gelebt. Im Ergebnis lässt das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers nicht erkennen, welche - als "westlich" erachteten - Verhaltensweisen er sich nunmehr in Österreich angeeignet habe, die für ihn im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer asylrelevanten Verfolgung führen würden und die ein solch wesentlicher Bestandteil seiner Identität geworden seien, dass es für ihn eine Verfolgung bedeuten würde, diese zu unterdrücken. So stellt sich eine freie selbständige Lebensführung für Männer nicht als substanzieller Bruch mit den gesellschaftlichen Normen in Afghanistan dar. Zudem ist es Männern in Afghanistan grundsätzlich möglich ein selbstständiges und eigenständiges Leben mit Schulausbildung und außerhäuslicher Erwerbsarbeit sowie freier Lebensgestaltung (im Rahmen der islamischen Religion) zu führen. Folglich vermochte der Beschwerdeführer schon mangels Vorliegens einer "westlichen Lebenseinstellung" nicht darzutun, dass ihm aufgrund einer solchen bei einer Rückkehr nach Afghanistan psychische und/oder physische Gewalt drohe.
Es ist den beigezogenen Länderberichten nicht zu entnehmen, dass Rückkehrer aus Europa in besonderer Form von Gewalt und Bedrohung betroffen wären, sodass auch eine generelle (Gruppen-)Verfolgung von Rückkehrern aus Europa nicht festgestellt werden konnte.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die den Länderfeststellungen (vgl. Punkt II.1.3.) zu Grunde liegenden Berichte wurden in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebracht. Dem Beschwerdeführer wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass aufgrund dieser Berichte die Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Ihm wurde die Möglichkeit gegeben in die Länderberichte Einsicht zu nehmen sowie eine Stellungnahme abzugeben. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers verweis auf die bisherigen Anträge in der Beschwerde und beantragte die Stattgabe der Beschwerde.
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).
3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd Zivilprozessordnung (ZPO) zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
3.3. Es wurde weder eine Verfolgung des Beschwerdeführers durch den Kommandanten, dessen Anhänger oder durch andere Personen noch eine begründete Furcht festgestellt. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurde jemals in Afghanistan bedroht. Es ist daher keine Verfolgung des Beschwerdeführers und auch keine Verfolgungsgefahr aus einem Konventionsgrund erkennbar.
Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zur Herkunftsregion des Beschwerdeführers erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen.
Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.
3.4. Auch eine konkrete und individuelle Verfolgung aufgrund seiner ethnisch-religiösen Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen (siehe Punkt II.2.2.2.).
In Ermangelung von dem Beschwerdeführer individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob er im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale - etwa wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur Religionsgruppe der Schiiten - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.
Für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung ist zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048, mit Verweis auf VfGH 18.09.2015, E 736/2014). Dass ein Angehöriger der ethnischen und religiösen Minderheit der schiitischen Hazara im Falle seiner Einreise nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Verfolgung im Sinne eines ungerechtfertigten Eingriffs von erheblicher Intensität ausgesetzt zu sein, kann das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht erkennen:
Die in Afghanistan immer wieder bestehende Diskriminierung der schiitischen Hazara und die beobachtete Zunahme von Übergriffen gegen Hazara (vgl. insb. Punkt II.1.5.1.) erreichen gegenwärtig nicht ein Ausmaß, das die Annahme rechtfertigen würde, dass in Afghanistan schiitische Hazara wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen und religiösen Minderheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten, zumal die Gefährdung dieser Minderheit angesichts der in den Länderberichten dokumentierten allgemeinen Gefährdungslage in Afghanistan, die in vielen Regionen für alle Bevölkerungsgruppen ein erhebliches Gefahrenpotential mit sich bringt, (derzeit) nicht jenes zusätzliche Ausmaß erreicht, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Hazara anzunehmen. Eine Gruppenverfolgung ist auch nicht daraus ableitbar, dass Hazara allenfalls Opfer krimineller Aktivitäten werden oder schwierigen Lebensbedingungen ausgesetzt sind. Es wurde zwar eine steigende Anzahl von Angriffen gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige registriert, wovon ein Großteil der zivilen Opfer schiitische Muslime waren. Die Angriffe haben sich jedoch nicht ausschließlich gegen schiitische Muslime, sondern auch gegen sunnitische Moscheen und religiöse Führer gerichtet, sodass die Angriffe keine spezifische Verfolgung schiitischer Muslime darstellen, sondern auf die weltweit zu verzeichnende Zunahme von Terroranschlägen zurückzuführen sind.
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara - unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit - nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).
Es ist daher eine Gruppenverfolgung - sowohl in Hinblick auf die Religions- als auch die Volksgruppenzugehörigkeit - von Schiiten und Hazara in Afghanistan nicht gegeben.
3.5. Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen eine "westliche" Orientierung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Weise glaubhaft zu machen. Im Übrigen ist ihm entgegen zu halten, dass aus den Länderfeststellungen nicht ableitbar ist, dass eine "verwestlichte" Verhaltensweise, Geisteshaltung oder Bekleidung bei Männern alleine bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würde, da Männer in Afghanistan grundsätzlich ein selbstständiges und eigenständiges Leben mit Schulausbildung und außerhäuslicher Erwerbsarbeit führen können. Aus den vorhandenen Länderberichten ist auch nicht ableitbar, dass alleine ein Aufenthalt in Europa bei einer Rückkehr nach Afghanistan bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würde; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht (so zB VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
3.6. Da insgesamt weder eine individuell-konkrete Verfolgung, eine Gruppenverfolgung oder Verfolgungsgefahr noch eine begründete Furcht festgestellt werden konnten, liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG nicht vor.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Glaubwürdigkeit, individuelle Verhältnisse, Interessenabwägung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W250.2169142.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.05.2020