Entscheidungsdatum
11.10.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W144 2184958-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX geb., StA. von Afghanistan, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.12.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.10.2019:
A)
beschlossen:
I. Das Beschwerdeverfahren wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
zu Recht erkannt:
II. Die Beschwerde gegen den Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
III. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt und XXXX gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 1, 55 Abs. 1 Z 2 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF), ein männlicher Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennt sich zum sunnitischen Glauben. Er hat seinen eigenen Angaben bei der Erstbefragung zufolge vor fünf Monaten (sohin im Dezember 2015) gemeinsam mit seinen Familienmitgliedern Afghanistan verlassen und sich über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien sowie Ungarn nach Österreich begeben, wo er am 17.05.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Zur Person des BF liegt jeweils eine Eurodac-Treffermeldungen von Ungarn vom 01.05.2016 wegen einer Asylantragstellung und von Griechenland vom 18.02.2016 wegen einer Anhaltung vor.
Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:
Im Verlauf seiner Erstbefragung nach dem Asylgesetz durch die Landespolizeidirektion Steiermark vom 18.05.2016 gab der BF neben seinen Angaben zum Reiseweg im Wesentlichen an, dass er 12 Jahre die Grundschule sowie die letzten beiden Jahre vor der Ausreise die Universität besucht habe. Er habe zuletzt in der Provinz Kabul gewohnt. Seinen Vater und einen Bruder habe er auf der Flucht im Iran verloren; seine Mutter, ein Bruder, eine Schwester sowie mehrere Cousins seien auch in Österreich aufhältig. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, dass seine Mutter in Afghanistan als Lehrerin gearbeitet habe und die Familie bedroht worden sei. Aus diesem Grund habe die Familie Afghanistan verlassen und sei nach Österreich geflüchtet. Im Fall einer Rückkehr habe er Angst um das Leben seiner Eltern; von Seiten des Staates habe die Familie nichts zu befürchten.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 23.08.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gab der BF befragt nach seinem Gesundheitszustand an, er leide an einer Seh- und Hörschwäche und sei vor einiger Zeit operiert worden. Er habe in Afghanistan gemeinsam mit seiner Familie zunächst in der Provinz XXXX im eigenen Haus und später in Kabul in einem Mietshaus gelebt. Er verfüge über eine 12-jährige Schulbildung mit Matura und habe nicht gearbeitet. Der Familie sei es aufgrund der Erwerbstätigkeit der Eltern finanziell gut gegangen. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass seine Mutter als Lehrerin und Hebamme gearbeitet habe und bedroht worden sei. Der BF habe sie meistens selber zur Arbeit gebracht und wieder abgeholt aus Angst um sie. Nachdem die Bedrohungen stärker geworden seien, sei die Familie geflüchtet. Die Drohungen seien von entfernteren Verwandten und Bekannten des Großvaters ausgesprochen worden. Es habe telefonische Drohungen gegeben und sei der Mutter auch mit der Entführung ihrer Söhne gedroht worden. Als weiterer Fluchtgrund sei der Krieg in Afghanistan zu nennen, es sei schwer dort zu leben.
Im Zuge der Einvernahme legte der BF eine Tazkira samt Übersetzung, Deutschkursteilnahmebestätigungen auf dem Niveau A1, eine Zeitbestätigung des ÖIF über den Besuch einer Informationsveranstaltung, die Teilnahmebestätigung eines Integrationsprojekts, einen Röntgenbefund, einen Arztbrief, einen ärztlichen Entlassungsbrief sowie eine Optikerkarte vor.
Mit Bescheid vom 27.12.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG) idgF (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.), und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde zusammengefasst zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass die Tätigkeit der Mutter als Lehrerin und Hebamme glaubhaft gemacht worden sei und dieser daher auch der Status einer Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Es seien im Verfahren jedoch keine Anhaltspunkte dafür hervorgetreten, dass der BF selbst den gleichen Bedrohungen wie seine Mutter ausgesetzt gewesen sei. Der BF habe keine näheren Angaben zu den Bedrohungen selbst oder wer diese ausgesprochen habe gemacht. Aufgrund der wenig substantiierten Darstellungsweise und der wenig konkreten Angaben sei eine Verfolgung des BF daher nicht glaubhaft. In Bezug auf Spruchpunkt II. wurde festgehalten, dass sowohl seine Heimatprovinz XXXX als auch sein letzter Wohnort in Kabul zu den sichersten Regionen Afghanistans zählen würden. Im Falle einer Rückkehr sei nicht davon auszugehen, dass der arbeitsfähige BF, der über Schulbildung und familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, in eine Notlage geraten würde, die mit einer massiven Bedrohung der Lebensgrundlage gleichzusetzen wäre. Zum Privat- und Familienleben des BF wurde unter Spruchpunkt IV. festgehalten, dass der BF über keine besonderen Bindungen zu Österreich verfügen würde und keine Ansatzpunkte einer besonderen Integration hervorgetreten seien. Das Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Vollzuge des Fremdenwesens überwiege daher sein persönliches Interesse am Verbleib in Österreich.
Der Bescheid wurde dem BF am 15.01.2018 persönlich zugestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht im Wege seiner Rechtsvertretung Beschwerde, in welcher eingangs das Fluchtvorbringen des BF näher geschildert und auf die Angaben der Mutter verwiesen und darauf hingewiesen wurde, dass es ihr auch möglich sei, als Zeugin auszusagen. Unter Zitierung der UNHCR-Richtlinien in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) und der Schutzfähigkeit des afghanischen Staates wurde vorgebracht, dass dem BF Asyl zu gewähren sei. Es wurde auf weitere, in der Beschwerde zitierte, Berichte verwiesen und vorgebracht, dass dem BF im Fall einer Rückkehr aufgrund seiner gesundheitlichen Situation, mangelnder familiärer Anknüpfungspunkte und in Anbetracht der in Afghanistan herrschenden Versorungs- und Sicherheitslage in eine aussichtslose Lage geraten würde. Der BF sei in Österreich integriert und eng mit seiner Familie verbunden, eine Rückkehrentscheidung würde daher eine Verletzung seines Rechts auf Privat- und Familienleben darstellen. Es wurden zudem eine Deutschkurs Teilnahmebestätigung sowie Unterstützungsschreiben in Vorlage gebracht.
Am 02.10.2019 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der BF zu seinem Gesundheitszustand, zu seinem Fluchtgrund und seinem Leben in Afghanistan und in Österreich befragt wurde. Der BF brachte zudem ärztliche Befunde und ein Konvolut an Integrationsunterlagen, darunter Deutschkursbestätigungen, Schulbestätigungen und zwei Einstellungszusagen in Vorlage. Im Zuge der Beschwerdeverhandlung zog der BF seine Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochteten Bescheids zurück.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist ein Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennt sich zum sunnitischen Glauben. Er reiste schlepperunterstützt nach Österreich ein, wo er am 17.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Seitdem hält er sich im Bundesgebiet auf.
Der BF stammt aus der Provinz XXXX und lebte zuletzt in Kabul. Seine Muttersprache ist Dari. Der BF besuchte 12 Jahre die Schule in Afghanistan und verfügt über keine Berufserfahrung. Der BF lebte in Afghanistan gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern zunächst in der Provinz XXXX im eigenen Haus und später in Kabul in einem Miethaus. Die Eltern des BF kamen für seinen Lebensunterhalt in Afghanistan auf. Die Familie verließ gemeinsam Afghanistan.
Die Eltern des BF sowie seine Schwester und seine beiden Brüder sind ebenfalls in Österreich aufhältig (nachdem auch der vormals im Zuge der Flucht verschollene Vater und Bruder mittlerweile nachgekommen sind), ihnen allen wurde der Status der Asylberechtigten im Rahmen des Familienverfahrens in Bezug auf die verfolgte Mutter zuerkannt. Der BF lebt mit seiner Familie gemeinsam in einem Haushalt und erfährt durch seine Familienmitglieder, allen voran seine Mutter, Unterstützung in finanzieller und seelischer Hinsicht.
1.2. Der strafrechtlich unbescholtene BF ist arbeitsfähig. Er leidet an einer Seh- und Hörschwäche, Gelbsucht, Nierensteinen und Kniescheibenschmerzen aufgrund eines Sturzes vor drei Jahren. Des Weiteren besucht der BF regelmäßig einen psychologischen Gesprächstermin aufgrund der derzeitig psychologisch belastenden Situation für ihn und aufgrund von Suizidgedanken. Seine Eltern stellen dahingehend eine große Stütze für ihn dar. Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Die Mitglieder der Kernfamilie in Form seiner Eltern und seiner Geschwister stellen im Leben des BF die bedeutsamsten Anknüpfungspunkte dar.
Der BF nahm von 12.11.2018 bis 28.06.2019 an einem Lehrgang für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch an einer AHS (Übergangslehrgang) teil. Der BF hat bereits mehrere Deutschkurse auf dem Niveau A1 besucht und das ÖSD Zertifikat A1 erworben. Am 29.05.2019 nahm er an der Integrationsprüfung B1 teil, welche er nicht bestanden hat, der BF hat jedoch im Rahmen der Prüfung in Bezug auf sämtliche absolvierte Module das Sprachniveau A2 erreicht und den Prüfungsteil Werte- und Orientierungswissen bestanden. Des Weiteren nimmt er an diversen Veranstaltungen, etwa des Roten Kreuzes zur Männerfortbildung oder an Integrationsprojekten, teil.
Der BF hat sich mehrmals ehrenamtlich beim Pfarramt engagiert und legte drei Unterstützungsschreiben vor. Er hat zudem Einstellungszusagen von zwei verschiedenen Arbeitgebern, welche ihn für den Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels beschäftigen würden.
Der BF hat zwei Tanten mütterlicherseits, welche noch in Kabul leben, sich jedoch versteckt halten, da sie ebenfalls als Lehrerinnen tätig waren. Den Aufenthaltsort einer weiteren Tante und zwei weiterer Onkel kennt der BF nicht.
Der BF zog mit seiner Vertretung in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.10.2019 die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. (Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten) des bekämpften Bescheides zurück. Weitergehende Feststellungen im Hinblick auf diese Spruchpunkte können daher unterbleiben. Die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte wurde aufrechterhalten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppensowie Religionszugehörigkeit des BF und zu seinen Sprachkenntnissen ergeben sich aus seinen diesbezüglich gleichbleibenden Angaben vor der Verwaltungsbehörde. Die Feststellungen zu seiner Einreise in das Bundesgebiet und seinem seitherigen Aufenthalt in Österreich ergeben sich aus seinen Angaben sowie Auszügen aus dem Zentralen Melderegister.
Die festgestellten Lebensumstände des BF in Afghanistan basieren auf seinem Vorbringen vor der Verwaltungsbehörde, insbesondere auf den Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 23.08.2017.
Die Feststellungen zu den Familienangehörigen des BF in Österreich beruhen auf seinen Eingaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 02.10.2019 sowie Auszügen aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR).
2.2. Dass der BF strafrechtlich unbescholten ist, ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen Angaben vor dem BFA am 23.08.2017 und vor dem Bundesverwaltungsgericht am 02.10.2019 sowie den vorgelegten medizinischen Unterlagen. Die Feststellungen zum Familienstand des BF sowie der Unterstützung durch die Familienmitglieder ergeben sich aus den dahingehenden Angaben des BF im Laufe des Verfahrens.
Die Feststellungen zu den Integrationsbemühungen des BF ergeben sich aus den in Vorlage gebrachten Integrationsunterlagen samt Empfehlungsschreiben, Einstellungszusagen und Deutschkurszertifikaten.
Die Feststellungen zu den Familienangehörigen des BF in Afghanistan beruhen auf seinen Angaben vor dem BFA und im Beschwerdeschriftsatz.
Die Feststellung zur Zurückziehung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des bekämpften Bescheides gründet auf die ausdrückliche diesbezügliche Erklärung in der Beschwerdeverhandlung am 02.10.2019.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Voraussetzung für einen rechtswirksamen Beschwerdeverzicht ist, dass dieser frei von Willensmängeln und in Kenntnis seiner Rechtsfolgen abgegeben wurde. Besondere Formerfordernisse bestehen nicht (vgl. VwGH 11. 7. 2003, 2000/06/0173), der Verzicht muss allerdings ausdrücklich erklärt werden (dazu VwGH 17. 4. 2009, 2007/03/0040). Unter diesen Voraussetzungen ist nicht nur ein Verzicht auf die Einbringung einer Beschwerde, sondern auch ein nachträglicher Verzicht durch Zurücknahme einer Beschwerde wirksam.
Der im Hinblick auf § 17 VwGVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht anwendbare § 63 Abs. 4 AVG, an dessen Stelle der § 7 Abs. 2 VwGVG tritt, bestimmt in inhaltlich identer Weise, dass eine Berufung gegen einen Bescheid nicht mehr zulässig ist, wenn eine Partei - nach Zustellung oder Verkündung desselben - ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat. Der nachträgliche Berufungsverzicht in Form der Zurückziehung der Berufung ist, wenn auch gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen, nach der Rsp des VwGH gleichermaßen rechtswirksam (VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047).
Eine solche Zurückziehung ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (§ 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG). Mit der Zurückziehung ist das Rechtschutzinteresse der beschwerdeführenden Partei weggefallen, womit einer Sachentscheidung die Grundlage entzogen ist, sodass die Einstellung des betreffenden Verfahrens - in dem von der Zurückziehung betroffenen Umfang - auszusprechen ist (siehe Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2015], Rz 20 zu § 7 VwGVG;
Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2013], K 5 ff. zu § 7 VwGVG; VwGH 22. 11. 2005, 2005/05/0320).
Der BF zog im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 02.10.2019 ausdrücklich seine Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids im Beisein seines Rechtsvertreters zurück. In Bezug auf die übrigen Spruchpunkte wurde die Beschwerde aufrechterhalten.
Da im gegenständlichen Fall eine ausdrückliche und unmissverständliche Erklärung des BF frei von Willensmängeln vorliegt, war das Beschwerdeverfahren hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des bekämpften Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG beschlussmäßig einzustellen. Der bekämpfte Bescheid ist daher im genannten Umfang in formeller Rechtskraft erwachsen.
3.2. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:
Wird der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, so hat das Bundesamt nach § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Der BF befindet sich seit Mai 2016 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.
3.3. Zu den Spruchpunkten IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der BF ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, zumal mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 [518]; EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar2 [1996] Art. 8 Rz 16; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1).
Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern ist grundsätzlich nicht von einem Familienleben auszugehen, es sei denn, es werden zusätzliche Elemente einer Abhängigkeit dargelegt (vgl. EGMR 20.12.2011, A.H. Khan / Vereinigtes Königreich). Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an, ob es angemessen ist, auf den Aspekt des Privatlebens statt auf den Aspekt des Familienlebens abzustellen (siehe EGMR 05.07.2005, Üner / Niederlande).
Im vorliegenden Fall halten sich die Eltern und drei Geschwister des BF in Österreich als Asylberechtigte auf und der BF legte überzeugend ein Abhängigkeitsverhältnis zu seinen in Österreich asylberechtigten Eltern, insbesondere zu seiner Mutter, dar. Der BF lebte bereits in Afghanistan im gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern und seinen Geschwistern und entschloss sich die gesamte Familie letztlich auch zur gemeinsamen Ausreise aus dem Herkunftsland. Seit der Einreise in Österreich lebt der BF weiterhin, trotz mittlerweile eingetretener Volljährigkeit, mit den Familienmitgliedern im gemeinsamen Haushalt, zunächst nur mit seiner Mutter und zwei Geschwistern, nach Einreise des Vaters und eines Bruders auch mit diesen. Der BF lebte somit stets nur im geschützten Familienverband und war bis dato noch nie auf sich allein gestellt. Es wird nicht verkannt, dass der BF bereits volljährig ist, doch befindet er sich in einem Alter, in dem elterliche Fürsorge und Beistand noch einen gewichtigen Umstand in seinem Leben darstellen, dies noch umso mehr als er gesundheitlich beeinträchtigt ist und immer im unterstützenden Familienverband gelebt hat.
Der BF besuchte darüber hinaus in Afghanistan noch die Schule und ging keiner Erwerbstätigkeit nach, sodass die Eltern für den Lebensunterhalt des BF aufkamen. Auch im Bundesgebiet erhält der BF, der zudem an gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet, nach wie vor finanzielle Unterstützung von seinen Familienmitgliedern, weshalb im vorliegenden Fall nicht nur von einer Wohn-, sondern vielmehr auch von einer Wirtschaftsgemeinschaft ausgegangen wird. Die Familie des BF unterstützt diesen jedoch nicht nur finanziell, sondern leistet ihm auch seelischen Beistand. So gab der BF an, sich in psychologischer Betreuung zu befinden und bereits unter Suizidgedanken gelitten zu haben. Das Naheverhältnis zu seinen Eltern hätte ihn jedoch von der Ausführung dieser abgehalten und würde ihm insbesondere die Mutter seelische Unterstützung leisten. Im Leben des BF, welcher ledig und kinderlos ist, stellen die Eltern und die Geschwister die wesentlichen Anknüpungspunkte dar und leisten diese ihm auch im Hinblick auf seine gesundheitliche Situation wertvolle Unterstützung. Ein Familienleben ist daher, unter dem Aspekt der Abhängigkeit des BF zu seinen Eltern und auch seinen Geschwistern, jedenfalls zu bejahen.
Da den Familienangehörigen des BF in Österreich der Status von Asylberechtigten erteilt wurde, ist eine Fortsetzung des Familienlebens im Herkunftsstaat zudem nicht möglich.
Zugunsten des BF sind - bei einer gesamthaften Abwägung - auch von ihm bereits gesetzte Integrationsschritte zu berücksichtigen, wenngleich diese alleine noch kein schützenswertes Privatleben indizieren. So besuchte er mehrere Deutschkurse und erlangte das ÖSD Zertifikat auf dem Niveau A1. Der BF nahm zuletzt am 29.05.2019 an der Integrationsprüfung für das Niveau B1 teil und hat, wenngleich er diese nicht bestanden hat, bei sämtlichen abgelegten Modulen das Sprachniveau A2 erreicht und den Prüfungsteil Werte- und Orientierungswissen bestanden, sodass er die Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 erfolgreich absolviert hat. Der BF hat zudem von 12.11.2018 bis 28.06.2019 einen Lehrgang für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch besucht und nimmt an diversen Veranstaltungen, etwa des Roten Kreuzes oder an Integrationsprojekten, teil. Er engagierte sich in der Vergangenheit ehrenamtlich beim Pfarramt und legte drei Unterstützungsschreiben seine Person betreffend vor. Zusätzlich legte der BF gleich zwei Einstellungszusagen vor und belegte sohin sein Bemühen um ein berufliches Fortkommen.
Auch wenn sich der BF im Hinblick auf die von ihm gesetzten Integrationsschritte seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein musste, so erhielt er doch als einziges Familienmitglied erstinstanzlich einen vollinhaltlich negativen Bescheid, womit aus Sicht des rechtsunkundigen BF nicht zwingend zu rechnen war.
Der Umstand, dass der BF strafrechtlich unbescholten ist, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (vgl. VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/18/0420). Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält, als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.
Angesichts der im Vergleich zur Lebenszeit des BF überwiegenden Aufenthaltsdauer samt Schulbildung im Herkunftsland kann noch von bestehenden Bindungen zu Afghanistan ausgegangen werden, zumal noch familiäre Anknüpfungspunkte in Form von Onkeln und Tanten bestehen, ein entsprechendes Naheverhältnis zu diesen liegt jedoch, im Gegensatz zu den in Österreich aufhältigen Mitgliedern der Kernfamilie, nicht vor.
Der 21-jährige BF lebte noch nie außerhalb dieses Familienverbandes und erweckte auch im Zuge der Beschwerdeverhandlung den Eindruck, auf die Unterstützung durch die Familienmitglieder, im Besonderen seiner Mutter, angewiesen zu sein und diese Unterstützung, insbesondere auch im Hinblick auf seine gesundheitliche Situation, weiterhin zu benötigen. Das vom BF in Österreich ausgeübte Familienleben ist daher, aufgrund des bereits dargelegten Abhängigkeitsverhältnisses, als sehr gewichtig zu werten.
In Anbetracht der intensiven Nahebeziehung zu den in Österreich aufenthaltsberechtigten Familienmitgliedern, welche für den gesundheitlich beeinträchtigten BF eine große Stütze darstellen, in Zusammenschau mit den erfolgten Integrationsschritten würde es einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens des BF darstellen, wenn er nach Afghanistan zurückkehren müsste.
Das erkennende Gericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessensabwägung und unter Berücksichtigung der genannten besonderen Umstände dieses Beschwerdefalls zu dem Ergebnis, dass das Interesse an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des BF im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen überwiegt, sodass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den BF unzulässig ist.
Da die Eltern und die Geschwister des BF über den Status von Asylberechtigten im Bundesgebiet verfügen und der BF, insbesondere aufgrund auch seines gesundheitlichen und psychischen Zustandes entsprechender Unterstützung durch seine Familienmitglieder bedarf, beruht die drohende Verletzung des Familien- und Privatlebens auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind, sodass gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen ist, dass die Rückkehrentscheidung gegen den BF auf Dauer unzulässig ist.
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird. Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
Gemäß § 9 Abs. 4 Z 1 Integrationsgesetz idgF ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt. Gemäß § 11 Abs. 1 IntG wird die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab vom Österreichischen Integrationsfonds durchgeführt. § 9 Abs. 2 IntG lautet: "Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit ,Bestanden' oder ,Nicht bestanden' zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig."
Im vorliegenden Fall ist - wie zuvor erörtert - die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten. Da der BF laut vorliegendem Schreiben des ÖIF die Integrationsprüfung B1 nicht bestanden hat, jedoch sämtliche der zu absolvierenden Module auf dem A2 Niveau abgeschlossen und auch den Prüfungsteil Werte- und Orientierungswissen bestanden hat, sind die Sprachkenntnisse des BF auf dem Sprachniveau A2 sowie die Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich erwiesen. In Folge erfüllt er die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG, sodass ihm eine "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 für die Dauer von 12 Monaten entsprechend § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zu erteilen war.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich im vorliegenden Fall auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu A) wiedergegeben. Insoweit die dort angeführte Judikatur zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung plus, Deutschkenntnisse, Integration,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W144.2184958.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.05.2020