TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/17 W169 2173391-2

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Veröffentlicht am 17.10.2019
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Entscheidungsdatum

17.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §17
BFA-VG §21 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W169 2173399-2/8E

W169 2173398-2/9E

W169 2173403-2/10E

W169 2173395-2/10E

W169 2173391-2/9E

W169 2173396-2/9E

W169 2173401-2/8E

W169 2181108-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerden der 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX , 4. XXXX , geb. XXXX , 5. XXXX , geb XXXX , 6. XXXX , geb. XXXX , 7. XXXX , geb. XXXX , 8. XXXX , geb. XXXX , alle StA.: Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2019, Zl. 1086900009-190320465 (zu 1.), Zl. 1086901507-190320095 (zu 2.), Zl. 1086901300-190320279 (zu 3.), Zl. 1086904008-190320481 (zu 4.), Zl. 1086899703-190320341 (zu 5.), Zl. 1086899605-190320392 (zu 6.), Zl. 1115877701-190320414 (zu 7.), Zl. 1172913204-190320449 (zu 8.) zu Recht erkannt:

A)

I. Die Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung werden als unzulässig zurückgewiesen.

II. Den Beschwerden wird stattgegeben und die angefochtenen Bescheide gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Die Erstbeschwerdeführerin reiste mit ihrem Vater, dem Zweitbeschwerdeführer, ihrer Mutter, der Drittbeschwerdeführerin und ihren Geschwistern, den Viert- bis Sechstbeschwerdeführern, illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein. Sie stellten am 10.09.2015, bzw. die in Österreich geborenen Siebt- und Achtbeschwerdeführer am 25.05.2016 und am 30.10.2017, erstmals Anträge auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.09.2015 brachte die gesetzliche Vertreterin der damals noch minderjährigen Erstbeschwerdeführerin, die Drittbeschwerdeführerin, zum Fluchtgrund vor, dass in Afghanistan Krieg herrsche und man jeden Tag um sein Leben fürchten müsse. Außerdem habe sie als Frau nicht alleine aus dem Haus gehen dürfen. Für ihre minderjährigen Kinder brachte sie keine eigenen Fluchtgründe vor.

2. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 08.09.2017 führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass sie Staatsangehörige von Afghanistan und Zugehörige der Volksgruppe der Tadschiken sei. Sie spreche die Sprachen Dari sowie etwas Englisch, sei ledig und kinderlos. Sie sei im Dorf XXXX , Distrikt Char Dara, Provinz Kunduz, geboren und muslimisch-sunnitischen Glaubens. Die Erstbeschwerdeführerin habe von ihrem achten bis zu ihrem zehnten Lebensjahr die Schule besucht; danach hätten die Taliban die Schule geschlossen. Ansonsten sei sie immer zuhause gewesen und habe der Drittbeschwerdeführerin bei der Hausarbeit geholfen, die Kühe gemolken und nicht rausgehen dürfen. Die Taliban hätten die Kinder belästigt; so sei auch ihr Bruder mitgenommen worden.

Zum Fluchtgrund führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass das Leben in Afghanistan sehr schlecht gewesen sei. So habe ihre Mutter die Schule nicht besuchen dürfen und sei ihr Vater auch verletzt worden und im Krankenhaus gewesen. Die Erstbeschwerdeführerin habe keine Ausbildung machen oder ihre Verwandten besuchen dürfen. Die Taliban seien immer wieder in ihr Dorf gekommen und hätten die Kinder zum Religionsunterricht in die Moschee mitgenommen und gesagt, dass die Mädchen zuhause bleiben und heiraten sollen. Auch habe jemand von den Taliban um die Hand der Erstbeschwerdeführerin angehalten, weshalb die Beschwerdeführer schlussendlich geflüchtet seien.

Zu ihren Lebensumständen im Bundesgebiet gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie Deutsch spreche und die Neue Mittelschule besuche. Sie helfe ihrer Mutter bei der Hausarbeit und besuche zwei Mal die Woche ein Mädchen- und ein Jugendzentrum. Sie wolle Ärztin werden, habe Freunde im Bundesgebiet, spiele Basketball und sei nicht Mitglied in einem Verein.

Vorgelegt wurden eine Teilnahmebestätigung des Mädchenzentrums Klagenfurt vom 01.09.2017, eine Bestätigung der Caritas vom 18.08.2017 über die Teilnahme an einem Deutschkurs an der Sommerschule des Lerncafés XXXX von 10.07.2017 bis 18.08.2017, drei Schulnachrichten der NMS Klagenfurt am Wörthersee für die Schuljahre 2015/2016 und 2016/2017 sowie eine Schulbesuchsbestätigung für 2015/2016, eine "ergänzende differenzierende Leistungsbeschreibung" der NMS XXXX und eine Besuchsbestätigung des Caritas Lerncafés XXXX vom 05.09.2017 betreffend die Erstbeschwerdeführerin.

3. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2017 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, gemäß § 57 AsylG wurden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und wurde gemäß § 55 FPG eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt.

Insbesondere wurde hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin ausgeführt, dass sie zwar vorgebracht habe, Frauen in Afghanistan würden nicht an Bildung und Berufsleben teilhaben können, sie jedoch auch in Österreich nicht von der Möglichkeit Gebrauch mache, sich "wesentlich außerhalb ihrer Familie" zu bewegen. Weder den aktuellen Länderfeststellungen, noch der Judikatur der Höchstgerichte oder des Bundesverwaltungsgerichtes sei die in der Einvernahme behauptete Schlechterstellung/Verfolgung von Frauen in Afghanistan, insbesondere in der Provinz Kabul, zu entnehmen. Die Behörde gehe nicht davon aus, dass in der Herkunftsprovinz oder in ganz Afghanistan, Frauen einer Unterdrückung ausgesetzt wären, die einer Verfolgung gleichkäme. Dass angesichts anderer Traditionen im Herkunftsstaat und der dortigen schwierigen Zustände die Situation und Stellung der Frauen nicht dieselbe wie in Österreich seien, stelle für sich keinen asylrelevanten Tatbestand dar. Die Aufenthaltsdauer in Österreich gestalte sich auch nicht derart, dass die Erstbeschwerdeführerin der Lebensweise ihres Kulturkreises dermaßen entrückt wäre, dass ihr eine Rückkehr nicht möglich wäre.

4. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.05.2018, Zlen. W142 2173403-1/5E, W124 2173398-1/6E, W142 2173399-1/5E, W142 2173395-1/5E, W142 2173391-1/5E, W142 2173401-1/5E, W142 2173396-1/5E und W142 2181108-1/3E, wurde den gegen die Bescheide vom 22.09.2019 erhobenen Beschwerden stattgegeben und diese Bescheide gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

5. Am 24.07.2018 wurde den Beschwerdeführern vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Parteiengehör zum aktualisierten Länderinformationsblatt zur Lage in Afghanistan und zur Situation von Frauen in urbanen Zentren gewährt.

6. Mit Schriftsatz der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführer vom 31.07.2018 wurde eine Stellungnahme zur Lage im Herkunftsstaat abgegeben. Im Wesentlichen wurde unter Wiedergabe von diversen Berichten auf die prekäre Sicherheitslage, die Situation von Frauen, den eingeschränkten Zugang zu Bildung und die Gefahren für Rückkehrer in Afghanistan hingewiesen. Dem Schreiben beigelegt wurden diverse Unterlagen zum Gesundheitszustand sowie Schulunterlagen des Viertbeschwerdeführers, Deutschkurs-bestätigungen der Caritas betreffend die Zweit- und Drittbeschwerdeführer vom 30.07.2018, eine Bestätigung vom Sozialen Jugendwerk XXXX vom 27.07.2018, wonach alle Beschwerdeführer das dortige Freizeitangebot regelmäßig in Anspruch nehmen, zwei Unterstützungsschreiben, Schulunterlagen betreffend den Fünftbeschwerdeführer, eine Teilnahmebestätigung des Mädchenzentrums Klagenfurt vom 27.07.2018, ein Jahres- und Abschlusszeugnis für das Jahr 2017/2018 vom 06.07.2018, eine Schulnachricht für das Schuljahr 2017/2018 vom 01.03.2018 sowie eine Auszeichnung für "Vorbildwirkung" an der Schule in Klagenfurt betreffend die Erstbeschwerdeführerin.

7. Am 19.09.2018 wurde die Erstbeschwerdeführerin gemeinsam mit der Drittbeschwerdeführerin neuerlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Eingangs der Befragung wurde festgehalten, dass die Erstbeschwerdeführerin "selbstbewusst" sei, sowie T-Shirt und Hose trage. Befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie eine Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe / Sozialmanagement für die Dauer von fünf Jahren mit Matura-Abschluss besuche. Mit einem weiteren Studium könne man im Bereich der Altenpflege oder mit beeinträchtigten Kindern arbeiten. Auch gebe es eine dreijährige Ausbildung, jedoch sei der Erstbeschwerdeführerin die Matura sehr wichtig. Sie wolle Ärztin werden. Weiters ergänzte die Erstbeschwerdeführerin die Befragung der Drittbeschwerdeführerin und nannte die Straße, wo ihre Mutter den Deutschkurs besuche, sowie den Abschluss, den ihr ältester Bruder absolvieren werde, sowie die Angaben zu den Bekanntschaften der Familie in Österreich. Hinsichtlich der diesbezüglichen Fragen wurde im Protokoll festgehalten, dass die Fragen auf Deutsch gestellt wurden und die Erstbeschwerdeführerin diese auf Deutsch ("hohes Niveau") beantwortet. Zu den Rückkehrbefürchtungen brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass sie in Afghanistan längst zwei oder drei Kinder haben würde. Sie würde getötet oder verheiratet werden und würden die Taliban zu ihr und ihrer Familie sagen, dass sie im Westen gewesen und keine Muslime mehr seien. In Afghanistan dürfe sie auch keinem Jungen oder Mann in die Augen sehen, bzw. mit ihnen reden, widrigenfalls man sie verbrennen oder steinigen würde.

Zu den Rückkehrbefürchtungen brachte die Drittbeschwerdeführerin vor, dass sie in Afghanistan ihre Tochter an die Taliban verlieren würde, da um ihre Hand angehalten worden sei. Sie wolle ein anderes Schicksal für die Erstbeschwerdeführerin, als ihr eigenes, denn sie selbst habe keine eigenen Entscheidungen treffen dürfen. Auch sei ihre zwölfjährige Nichte zwangsverheiratet worden. Im Gegensatz dazu würden sie und der Zweitbeschwerdeführer der Erstbeschwerdeführerin erlauben, ihren Ehemann freiwillig auszuwählen.

8. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.10.2018 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurden ihnen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt.

Begründend wurde ausgeführt, dass eine Einschränkung der Lebensfreiheit der Erstbeschwerdeführerin nicht glaubhaft sei. So habe sie ihr Vorbringen im Laufe des Verfahrens gesteigert, indem erstmals in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Zwangsheirat und eine Entführung ihres Bruders erwähnt worden sei. Auch hätten sich in diesem Zusammenhang Widersprüche in den Schilderungen aller befragten Beschwerdeführer ergeben. Überdies habe die Erstbeschwerdeführerin auch in Österreich nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich "wesentlich außerhalb ihrer Familie" zu bewegen. Weder den aktuellen Länderfeststellungen, noch der Judikatur der Höchstgerichte oder des Bundesverwaltungsgerichtes sei die in der Einvernahme behauptete Schlechterstellung oder Verfolgung von Frauen in Afghanistan, insbesondere in der Provinz Kabul, zu entnehmen. Auch würden ihre Eltern sowohl die finanziellen Mittel als auch die familiären Möglichkeiten haben, um ihr eine gute Ausbildung zu gewähren. Zwar verkenne die Behörde nicht, dass die Situation von Frauen in Afghanistan angesichts der Traditionen nicht dieselbe wie in Österreich sei, jedoch stelle dies keinen asylrelevanten Tatbestand dar. Auch sonst würden sich keine Hinweise ergeben, die gegen eine Rückkehr nach Afghanistan sprechen würden.

Gegen diese Bescheide wurde kein Rechtsmittel ergriffen, weshalb diese in Rechtskraft erwuchsen.

9. Am 09.11.2018 langte ein Wiederaufnahmeersuchen Deutschlands beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein, aus welchem hervorgeht, dass die Beschwerdeführer am 16.10.2018 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist seien und einen Asylantrag gestellt haben.

10. Mit Schreiben vom 10.11.2018 stimmte Österreich der Wiederaufnahme zu und wurden die Beschwerdeführer am 28.03.2019 von Deutschland nach Österreich überstellt, wo sie am selben Tag die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten.

Bei der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.03.2019 gab die Erstbeschwerdeführerin zu Protokoll, dass sie aus Kunduz stamme, der Volksgruppe der Tadschiken angehöre und muslimischen Glaubens sei. Sie beherrsche die Sprachen Dari und Deutsch auf dem Niveau C1 in Wort und Schrift. Befragt gab die Erstbeschwerdeführerin weiters an, dass sie in Österreich ein schönes Leben gehabt habe. Sie habe Deutsch gelernt und die Schule besucht, mit dem Ziel, die Matura zu machen, um nachher eine Ausbildung zu absolvieren und ihren Eltern, sowie Österreich, etwas zurückgeben zu können. Auch habe sie das Kopftuch abgelegt. Überdies seien ihre zwei jüngeren Geschwister in Österreich, einem nicht muslimischen Land, geboren. Aus all diesen Gründen fürchte sie für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan umgebracht zu werden.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 08.04.2019 führte die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie aus Kunduz stamme, der Volksgruppe der Tadschiken angehöre und muslimisch-sunnitischen Glaubens sei. Sie sei nicht besonders religiös; sie würde zwar beten, aber zB kein Kopftuch tragen. Eingangs der Befragung wurde festgehalten, dass die Erstbeschwerdeführerin die Haare offen, sowie Jeans und Pullover trage und sie ihre Jacke vor Beginn der Einvernahme ausgezogen habe. Befragt führte die Erstbeschwerdeführerin weiters an, dass sie Dari, Türkisch, Englisch und Deutsch spreche. Zu ihren Deutschkenntnissen führte sie an, dass diese gut seien und sie die Note "Vertiefte Allgemeinbildung in Deutsch" erhalten habe. Sie spreche mit ihren Freunden nur Deutsch und würde sogar manchmal auf Deutsch träumen. Nur mit den Eltern würde sie Dari sprechen. Festgehalten wurde durch den Leiter der Amtshandlung, dass die Erstbeschwerdeführerin die deutsche Sprache auf sehr hohem Niveau beherrsche. Hinsichtlich ihrer Erziehung und Selbstbestimmungsrechte gab die Erstbeschwerdeführerin zu Protokoll, dass ihre Eltern nicht streng seien, die Kinder meist zuerst fragen und ihnen vertrauen würden; so sei es auch deren Entscheidung gewesen, nach Deutschland zu gehen. Obwohl die Beschwerdeführer gedacht hätten, dass die Erstbeschwerdeführerin eine positive Entscheidung erhalten würde - zumal sie in der Schule immer fleißig gewesen sei -, hätten sie einen negativen Bescheid erhalten. Aus Angst, nach Afghanistan abgeschoben zu werden, seien sie nach Deutschland gegangen, wo man ihnen gesagt hätte, dass sie zurück nach Österreich müssten. Die Erstbeschwerdeführerin habe auch in Deutschland in Heidelberg und in Mannheim die Schule besucht und neue Freunde gefunden. Auch mit jenen aus Österreich habe sie den Kontakt aufrechterhalten können. Sie wolle auch weiterhin Ärztin oder Krankenschwester werden. Auf die Frage, was einer Rückkehr nach Afghanistan, zB in Kabul oder Mazar-e-Sharif, entgegenstehen würde, führte die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie hier in Österreich das Leben, die Sprache und die Gesetze sowie vor allem, wie man hier als Frau lebe, gelernt habe. Hingegen hätten Frauen in Afghanistan keinerlei Rechte, würden sich nicht schminken oder nicht ohne Kopftuch aus dem Haus gehen. Sie wolle aber kein Kopftuch mehr tragen. In Afghanistan sei 2015 angeblich eine Frau totgeschlagen, mit einem Auto überfahren und angezündet worden, weil sie den Koran beleidigt habe. Im Herkunftsstaat würden die Großmutter und Tanten der Erstbeschwerdeführerin leben. Eine Cousine von ihr, die dreizehn Jahre alt sei, sei verlobt worden und würden deren Eltern nichts gegen die Entscheidung der Taliban unternehmen können. Die Taliban würden über die Zukunft der Kinder entscheiden und man könne sich nicht dagegen wehren.

Vorgelegt wurde eine Bescheinigung vom 06.12.2018 über den Schulbesuch der Erstbeschwerdeführerin.

Am 11.04.2019 wurde die Erstbeschwerdeführerin erneut vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab sie zu den aktuellen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat an, dass sich die verbesserte Lage nicht auf ihr Dorf beziehe und sie diese Dinge vor ihrer Ausreise im Jahr 2015 nicht gesehen habe. Weiters führte sie an, dass sie auch nicht so gut auf Persisch Lesen und Schreiben könne, weshalb sie die Schule in Afghanistan nicht abschließen können würde. Die Erstbeschwerdeführerin werde sich auch weiterhin bemühen, hier die Schule abzuschließen. Sie habe sich die Schule auch selbst ausgesucht, denn obwohl diese eigentlich keine "Flüchtlingskinder" habe aufnehmen wollen, hätte man für sie eine Ausnahme gemacht. Ihre Eltern hätten sie bei ihrem Berufswunsch stets unterstützt, insbesondere ihre Mutter. Für den Fall einer Rückkehr fürchte sie, gesteinigt oder zwangsverheiratet zu werden. Jedenfalls sei ihre Zukunft in Afghanistan ungewiss. Wenn man dort kein Kopftuch trage, werde man gleich verdächtigt, ein Christ zu sein. Sie hätten auch viele Vorurteile gegenüber dem Westen und jenen Leuten, die in Europa gelebt hätten. Die Leute dort seien "verrückt" geworden und würden diese schlimmen Dinge vor allem bei den Mädchen machen. Hier habe die Erstbeschwerdeführerin eine andere Welt kennengelernt und sie wolle einfach sie selbst sein, das machen, was sie wolle und eine Zukunft haben. Auch wenn sie einen negativen Bescheid bekommen würde, würde sie stark bleiben, weitermachen und es schaffen.

Am Ende der Einvernahme wies die Rechtsberatung auf die aktuelle prekäre Sicherheitslage und die besonders dramatische Situation der Frauen in Afghanistan hin. So sei dem Länderinformationsblatt zu entnehmen, dass Frauen massiven Diskriminierungen ausgesetzt seien und habe sich deren Lage aufgrund der geschwächten Regierung und der weiterhin stark radikalisierten Taliban verschlechtert. Insbesondere seien Mädchen, die aus dem Westen nach Afghanistan zurückkehren, als gefährdet anzusehen, weshalb von einer asylrelevanten Verfolgung auszugehen sei. Auch stelle eine etwaige Abschiebung eine massive Verletzung der Bestimmungen der EMRK dar.

Festgehalten wurde, dass die Erstbeschwerdeführerin auf die Fragen immer sofort auf Deutsch geantwortet habe, ohne dass diese übersetzt worden seien.

Vorgelegt wurde ein durch die Erstbeschwerdeführerin in deutscher Sprache handgeschriebenes Schreiben vom 10.04.2019, in welchem sie sich auf die allgemeine Lage der Frauen in Afghanistan bezieht und nochmals konkret schildert, wie die Taliban ihre Schule geschlossen und die Kinder aufgefordert hätten, in die Koranschule zu gehen. Die Mädchen seien jedoch zuhause bei ihren Müttern geblieben, weil sie Angst vor dem Imam gehabt hätten und von diesem auch sexuell missbraucht worden seien. Das Leben sei wie ein Gefängnis gewesen. Schon damals habe sie von einer Ausbildung und einem selbstbestimmten Leben geträumt, was in Österreich tatsächlich in Erfüllung gegangen sei. Trotz aller Schwierigkeiten, Enttäuschungen und der Zeit in Deutschland wünsche sie sich immer noch eine Ausbildung und einen Beruf, weshalb sie auch weiterhin in diesem Sinne ein selbstbestimmtes Leben führe. Sie wolle einfach nur sie selbst sein, auf eigenen Beinen stehen, für sich selbst etwas machen und sowohl zu ihrer Familie, als auch zu Österreich, etwas beitragen.

11. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2019 wurden die gegenständlichen Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich jener der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG idgF wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Hinsichtlich der Zweit-, Dritt-, und Viertbeschwerdeführer wurde überdies gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII. der jeweiligen Bescheide) und weiters dem Zweit- und Viertbeschwerdeführer gemäß § 15b Abs. 1 AsylG aufgetragen, ab 29.03.2019 in einem bestimmen Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII. der jeweiligen Bescheide).

Begründend wurde hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin insbesondere ausgeführt, dass sie angegeben habe, dass ihr in Afghanistan aufgrund der gewonnenen bzw. unterstellten Einstellung, die die Erstbeschwerdeführerin in Österreich erworben habe, der Tod drohen würde und sie dorthin nicht mehr zurückkehren könne. Frauen würden sich nicht schminken, oder ohne Kopftuch aus dem Haus gehen dürfen, hingegen wolle die Erstbeschwerdeführerin kein Kopftuch mehr tragen. Sie habe das Leben im Bundesgebiet gesehen und verstehe die Menschen in Afghanistan nicht: So sei im Jahr 2015 eine Frau, die angeblich den Koran beleidigt hätte, totgeschlagen, mit einem Auto überfahren und dann angezündet worden. Auf Vorhalt, wonach viele Frauen in Kabul einem "normalen" Alltagsleben nachgehen würden, habe die Erstbeschwerdeführerin angegeben, dass sie nur in Kunduz gelebt hätte und nicht wissen würde, wie es woanders sei. Sie wolle aber jedenfalls in Österreich die Schule abschließen und Medizin studieren oder Krankenschwester werden. Dem sei jedoch zu entgegnen, dass den Länderinformationen entsprechend von insgesamt etwa neun Millionen Schülern etwa 3,5 Millionen Mädchen seien und es sich bei einem Drittel der Studierenden um Frauen handle. Die Behörde könne daher nicht erkennen, dass Frauen in Afghanistan der Zugang zu Bildung verwehrt wäre. Soweit die Erstbeschwerdeführerin vorgebracht habe, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan ihre Rechte als Frau verlieren würde, sei festzuhalten, dass bereits im Vorverfahren festgestellt worden sei, dass Frauen nicht im gesamten Gebiet von Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt seien. Eine Rückkehr nach Mazar-e-Sharif sei ihr zumutbar. Im Falle der Erstbeschwerdeführerin komme außerdem - laut eigenen Angaben - hinzu, dass ihre Eltern sie hinsichtlich ihrer Zukunftspläne unterstützen würden. Entgegen der Behauptung, die Erstbeschwerdeführerin beherrsche die persische Sprache nicht so gut, sei festzuhalten, dass sie Dari als Muttersprache angegeben habe und würde sie sich mit ihrer Mutter auf Dari unterhalten, weshalb die mangelnden Persisch-Kenntnisse nur wenig glaubhaft seien. Da es der Erstbeschwerdeführerin gelungen sei, nur innerhalb weniger Jahre beinahe fehlerfrei auf Deutsch zu schreiben, könne die Behörde nicht erkennen, weshalb sie nicht auch das Schreiben mit persischen Schriftzeichen relativ schnell erlernen sollte. Dies umso mehr, als die Erstbeschwerdeführerin auch bereits in Afghanistan zur Schule gegangen sei. Aufgrund der Gesamtheit der Angaben könne die Behörde nicht erkennen, dass die Erstbeschwerdeführerin eine Einstellung verinnerlicht hätte, die eine Rückkehr nach Afghanistan als unzumutbar erscheinen ließe. Im Ergebnis sei daher festzustellen, dass die Erstbeschwerdeführerin ihren gegenständlichen Folgeantrag lediglich auf Gründe gestützt habe, die bereits zum Zeitpunkt der Rechtskraft des ersten Asylverfahrens bekannt gewesen seien. Da weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in ihrer Sphäre gelegen sei, noch auf jenen, welcher von Amtswegen aufzugreifen sei - noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht schon von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, stehe die Rechtskraft des ergangenen Bescheides dem neuerlichen Antrag der Erstbeschwerdeführerin entgegen, weswegen das Bundesamt zu einer Zurückweisung verpflichtet sei. Bezüglich Spruchpunkt IV. wurde festgehalten, dass die Ausweisung der Erstbeschwerdeführerin aufgrund einer Gesamtabwägung der Interessen und unter Beachtung aller bekannten Umstände zur Erreichung des in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zieles gerechtfertigt sei. Bei Berücksichtigung sämtlicher Tatsachen könnten keine Hinweise gefunden werden, welche den Schluss zuließen, dass durch die Rückkehrentscheidung auf unzulässige Weise in das Recht der Erstbeschwerdeführerin auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK eingegriffen werden würde. Zu Spruchpunkt V. wurde ausgeführt, dass keine der Rückkehr nach Afghanistan entgegenstehende Situation bestehe. Schließlich wurde unter Spruchpunkt VI. festgehalten, dass im Falle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, was bedeute, dass die Erstbeschwerdeführerin mit dem Zeitpunkt der Durchführbarkeit dieser Rückkehrentscheidung zur unverzüglichen freiwilligen Ausreise verpflichtet sei.

12. Gegen diese Bescheide wurde durch die rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde erhoben und auf die weiterhin bestehende, prekäre Situation von Frauen und Mädchen in Afghanistan hingewiesen, die zahlreichen Verboten und Vorschriften ausgesetzt seien. Aus den Länderberichten gehe auch hervor, dass die Regierung ihnen gegenüber nicht schutzfähig und -willig sei. Nicht nur das äußere Erscheinungsbild der weiblichen Beschwerdeführerinnen habe sich geändert, auch hätten sie die Denkweise und Lebensführung der westlichen Kultur- und Wertegemeinschaft verinnerlicht, weshalb eine Abschiebung nach Afghanistan der bereits gewonnenen westlichen Einstellung massiv widersprechen würde. Die Behörde habe es schlichtweg unterlassen, in dieser Hinsicht zu ermitteln. Ebenso hätten die mündlichen und schriftlichen Ausführungen der Beschwerdeführer keine inhaltliche und rechtliche Würdigung erfahren und hätte die Behörde jedenfalls weitere, individuell auf das Vorbringen abgestellte Ermittlungen treffen müssen. Auch habe sie in ihrer Entscheidung die allgemeine Situation von Frauen, Mädchen und Kindern im Hinblick auf die aktuelle Sicherheitslage ignoriert bzw. hätte den Beschwerdeführern aufgrund der prekären Sicherheitslage, die sich seit der letzten Entscheidung verschlechtert habe und allein dadurch ein neuer Sachverhalt aufgetreten sei, subsidiären Schutz gewähren müssen. Aufgrund der intensiven Integrationsbemühungen seien die gegen die Beschwerdeführer ausgesprochenen Rückkehrentscheidungen aufzuheben. Die erlassenen Einreiseverbote seien rechtswidrig ergangen, zumal Asylwerber nicht die Möglichkeit hätten, einem Erwerb nachzugehen und sei aus der Begründung nicht ersichtlich, inwiefern von den betroffenen Beschwerdeführern eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehe. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Der Beschwerde beigelegt wurde ein durch die Erstbeschwerdeführerin in deutscher Sprache handschriftlich verfasstes Schreiben, in welchem sie auf die prekäre Situation von Frauen in Afghanistan hinweist. So würden junge Mädchen mit viel älteren Männern zwangsverheiratet werden. Sie hätten nicht das Recht, alleine rauszugehen und bestehe auch nicht die Möglichkeit, sich im Falle von etwaigen Problemen an die Polizei zu wenden. Die Erstbeschwerdeführer wolle auch weiterhin jenes Leben führen, welches sie bereits seit Jahren in Österreich führe.

13. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.05.2019 wurde den Beschwerden gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten der Beschwerdeführer.

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung demnach der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichterin.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zum Spruchteil A)

2.1. Zu Spruchpunkt I.:

Gemäß § 16 Abs. 2 BFA-VG idgF kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist (Z 1), ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht (Z 2) oder eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wird (Z 3), sowie einem diesbezüglichen Vorlageantrag die aufschiebende Wirkung nicht zu, es sei denn, sie wird vom Bundesverwaltungsgericht zuerkannt.

Gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG idgF ist eine Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen oder abgewiesen wurde, oder mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wurde, der die aufschiebende Wirkung nicht zukommt, durchsetzbar. Mit der Durchführung der mit einer solchen Entscheidung verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der die bereits bestehende Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Einlangen der Beschwerdevorlage, zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Beschwerdevorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.

Gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG idgF hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist (Z 1) oder eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht (Z 2) sowie der Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG jeweils binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

Gemäß § 17 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung nach Abs. 1 oder gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG binnen acht Wochen zu entscheiden.

Einer Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz, die mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist oder bei welcher bereits eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung besteht, kommt demnach gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG ex lege die aufschiebende Wirkung für einen Zeitraum von einer Woche ab Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht zu. Nach Ablauf der Frist endet die aufschiebende Wirkung, es sei denn, das Bundesverwaltungsgericht hat innerhalb der Frist mit Beschluss die aufschiebende Wirkung bis zum Ende des Verfahrens in der Hauptsache gewährt. Die genannten Vorschriften sehen jedoch weder ein Antragsrecht des Asylwerbers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vor (die gerichtliche Überprüfung hat vielmehr von Amts wegen stattzufinden) noch muss das Verwaltungsgericht darüber einen Beschluss fassen, dass die aufschiebende Wirkung nicht gewährt wird. Nach den Vorstellungen des Gesetzes hat nur die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch Beschluss zu erfolgen und es besteht nur insofern eine Entscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen.

Ausgehend davon kam den Beschwerdeführern im vorliegenden Fall kein Antragsrecht in Bezug auf die begehrte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu. Die Anträge waren daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. dazu VwGH vom 21.02.2017, Fr 2016/18/0024).

2.2. Zu Spruchpunkt II:

Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist, das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266).

Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10.).

In Beschwerdeverfahren über zurückweisende Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ist "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs 1 AVG zu Recht erfolgt ist, ob die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.

Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, so hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, da diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11.; K17.).

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen durfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. z.B. VwSlg. 5642A, VwGH 28.11.1968, 23.05.1995, 94/04/0081; zu Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens

s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.1.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162;

10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58;

03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen.

Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den eine positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556; 26.07.2005, 2005/20/0343, mwN). Nimmt man daher eine positive Entscheidungsprognose an, dh könnten die behaupteten neuen Tatsachen - gemessen an der dem Bescheid der Erstinstanz im Erstverfahren zu Grunde liegenden Rechtsanschauung - zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse (gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Urkunden) einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit (vgl VwGH 19.7.2001, 99/20/0418; 16.02.2006, 2006/19/0380; 29. 11.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626).

Das Bundesamt hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers oder mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen sein ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl auch VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 4.5.2000, 98/20/0578; 4.5.2000, 99/20/0193; 7.6.2000, 99/01/0321; 21.9.2000, 98/20/0564; 20.3.2003, 99/20/0480; 4.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch 19.10.2004, 2001/03/0329; 31.3.2005, 2003/20/0468; 30.6.2005, 2005/18/0197; 26.7.2005, 2005/20/0226; 29.9.2005, 2005/20/0365; 25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684; 19.2.2009, 2008/01/0344).

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

Das Bundesverwaltungsgericht hat dementsprechend zu prüfen, ob die Behörde aufgrund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Dabei entspricht es im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz der ständigen Rechtsprechung des VwGH, dass eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukommt; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen (vgl. VwGH vom 12. Oktober 2016, Ra 2015/18/0221).

Das Bundesamt ist fälschlicherweise - wie die Beschwerde zu Recht darauf hinweist - davon ausgegangen, dass die Erstbeschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren dieselben Ausreisegründe bzw. Rückkehrbefürchtungen angegeben habe, wie im ersten Asylverfahren. Zwar ist dem Bundesamt beizupflichten, dass die Erstbeschwerdeführerin im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahmen am 08.04.2019 und am 11.04.2019 auf jene Gegebenheiten hinwies, die auch im ersten Verfahren berücksichtigt wurden. Jedoch ergeben sich Falle der Erstbeschwerdeführerin jedenfalls neu hinzugetretene, sachverhaltsändernde Elemente und zwar allein im Hinblick darauf, dass die Erstbeschwerdeführerin seit Rechtskraft des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.10.2018 nicht aufhörte, ihrem selbstbestimmten Lebensstil nachzugehen und sie sich dadurch auch weiterhin von den traditionell afghanischen Werten zunehmend distanzierte.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich Voraussetzung für die Führung eines "westlichen Lebensstils", dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass diese Verfolgung vom Heimatstaat ausgeht. Auch eine private Verfolgung kann insoweit maßgeblich sein, als der Heimatstaat nicht gewillt oder in der Lage ist, Schutz vor solcher Verfolgung zu gewähren. Es sind daher konkrete Feststellungen zur Lebensweise der Asylwerberin im Entscheidungszeitpunkt zu treffen und ist ihr diesbezügliches Vorbringen einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 22.03.2017, Ra 2016/18/0388, mwN).

Dass die Erstbeschwerdeführerin nun keine Einstellung verinnerlicht hätte, die eine Rückkehr nach Afghanistan als unzumutbar erscheinen lassen würde, wie im angefochtenen Bescheid festgestellt, kann vom Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollzogen werden. Ganz im Gegenteil, ergibt sich aus dem Verhalten der Erstbeschwerdeführerin, welches sie auch nach dem rechtskräftigen Abschluss ihres ersten Asylverfahrens setzte, dass sie sich nicht nur bereits in Österreich, sondern auch in Deutschland weiterhin weigerte, nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben, diese zutiefst ablehnt und sie sich aufgrund ihres ersten Aufenthaltes in Österreich an eine Lebensführung ganz ohne religiös motivierten Einschränkungen angepasst hat und sich auch weiter anpassen will. Die Erstbeschwerdeführerin hat auch während ihres Aufenthaltes in Deutschland in Heidelberg und in Mannheim die Schule besucht und neue Freunde gefunden. Ihr ist es zudem gelungen, mit ihren österreichischen Freunden in Kontakt zu bleiben, die ihr, laut eigenen Ausführungen der Erstbeschwerdeführerin, stets Halt geboten haben. Sie beherrscht die deutsche Sprache sowohl in Wort, als auch in Schrift auf einem sehr hohen Niveau (was auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Rahmen der Einvernahmen der Erstbeschwerdeführerin im zweiten Asylverfahren in den entsprechenden Protokollen festgehalten hat) und ist in der Lage, ihren Gedanken problemlos auf Deutsch Ausdruck zu verleihen. So veranschaulicht auch ihr selbstständig in deutscher Sprache verfasstes Schreiben vom 10.04.2019 bzw. vom 09.05.2019, wie sie über die grundlegend verschiedenen Unterschiede zwischen den konservativen Traditionen Afghanistans und den Gegebenheiten in Österreich reflektiert und dass ihr diese Tatsachen mehr als nur bewusst sind. Aus ihren in diesem Schreiben niedergeschriebenen Schilderungen bezüglich ihrer eigenen Vergangenheit sowie ihren eigenen Schlussfolgerungen aufgrund der neu gewonnen Erfahrungen und Eindrücke in Österreich ist ersichtlich, wie kritisch sie die systematische Diskriminierung der Frauen in Afghanistan betrachtet und dass sie diesen Umgang auch zutiefst ablehnt.

Die Erstbeschwerdeführerin hat die zugrundeliegenden, westlichen Werte offensichtlich und eindeutig verinnerlicht und lebt auch augenscheinlich danach. Sie ist ein junges Mädchen, das alleine außer Haus geht, sich ohne jegliche Orientierung an die traditionellen Kleidungsvorschriften ihres Herkunftsstaates kleidet, ihre Meinung - sowohl mündlich in ihren Einvernahmen, als auch schriftlich in ihren Briefen - offen wie deutlich kundtut, vehement für ihre berufliche Zukunft kämpft und einer Arbeit als Ärztin oder Krankenschwester nachgehen möchte, auch um ihrer Familie und der Gesellschaft etwas "zurückzugeben". Ihr Leben in Österreich unterscheidet sich - auch in der Freizeitgestaltung - keinesfalls von dem Leben, welches andere Mädchen und junge Frauen in Österreich führen. Sie zeigte in ihren Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 08.04.2019 und am 11.04.2019, somit nach Abschluss ihres ersten Asylverfahrens, einen ungebrochenen Willen zur Führung eines selbstbestimmten Lebens nach westlichen Normen und sie möchte alles dafür tun, um - wie bisher in Österreich - auch in Zukunft "sie selbst" sein zu können. In ihrer Einvernahme am 11.04.2019 bezeichnete sie überdies jene Menschen in Afghanistan, die Frauen brutal und unmenschlich behandeln, an zwei verschiedenen Stellen als "verrückt", wodurch ihre tiefe Abneigung gegenüber dem Umgang mit Frauen in Afghanistan deutlich veranschaulicht wird.

Wie das Bundesamt somit zu dem Schluss kommt, eine verinnerlichte Einstellung im Sinne einer "westlichen Orientierung", die eine Rückkehr nach Afghanistan als unzumutbar erscheinen ließe, sei bei der Erstbeschwerdeführerin von vornherein nicht zu erkennen, weshalb eine inhaltliche Prüfung des Antrages zu unterbleiben habe, ist aus den Feststellungen und der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides nicht nachvollziehbar und entbehrt daher jeglicher Grundlage. Vielmehr ergibt sich für das erkennende Gericht aus der Gesamtschau des konkreten Einzelfalles, dass die Erstbeschwerdeführerin als ein selbstständiges Mädchen anzusehen ist, das in einer Weise lebt, die keinesfalls mit den traditionell-konservativen Ansichten betreffend die Rolle der Frau in der afghanischen Gesellschaft übereinstimmt. Diese Lebensführung ist - nach Abschluss des ersten Asylverfahrens noch verstärkt - zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Erstbeschwerdeführerin geworden, sodass von ihr nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken. Auch verabsäumte es die belangte Behörde, sich im gegenständlichen Fall konkret mit der Situation von Mädchen, die aus dem Westen nach Afghanistan zurückkehren, auseinanderzusetzen, weshalb von vornherein eine asylrelevante Verfolgung nicht ausgeschlossen bzw. eine "entschiedene Sache" nicht angenommen werden kann.

Denn das dargestellte Verfolgungsrisiko steht jedenfalls im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit der Erstbeschwerdeführerin zu einer bestimmten sozialen Gruppe (vgl. dazu VwGH 22.03.2017, 2016/17/0388; 16.04.2002, 99/20/0483; 20.06.2002, 99/20/0172), zumal ihre persönliche und auch nach außen dargelegte westliche Lebenseinstellung im Gegensatz zu der in Afghanistan weiterhin vorherrschenden Situation für Frauen steht. Zwar stellen alle diese Umstände keine Eingriffe von "offizieller" Seite dar, das heißt, sie sind von der gegenwärtigen afghanischen Regierung nicht angeordnet, andererseits ist es der Zentralregierung auch nicht möglich, für die umfassende Gewährleistung grundlegender Rechte und Freiheiten der afghanischen Frauen Sorge zu tragen. Gegenwärtig besteht in Afghanistan kein funktionierender Polizei- und Justizapparat. Darüber hinaus ist nicht davon auszugehen, dass im Wirkungsbereich einzelner lokaler Machthaber effektive Mechanismen zur Verhinderung von Übergriffen und Einschränkungen gegenüber Frauen bestünden; ganz im Gegenteil, liegt ein derartiges Vorgehen gegenüber Frauen teilweise ganz im Sinne der lokalen Machthaber.

Vom Bestehen einer innerstaatliche Fluchtalternative für die Erstbeschwerdeführerin kann im Lichte des Gesagten ohne nähere Prüfung des konkreten Einzelfalles ebenso wenig ausgegangen werden, zumal im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer Situation auszugehen ist, wo sie aufgrund ihrer Gesinnung potenziell einem erhöhten Sicherheitsrisiko und den daraus resultierenden Einschränkungen ausgesetzt wäre.

Aus all diesen Gründen kann ein anderes Verfahrensergebnis nicht von vornherein ausgeschlossen werden, zumal seit Abschluss des ersten Asylverfahrens der Erstbeschwerdeführerin mit Bescheid vom 01.10.2018 bereits auch mehr als ein Jahr vergangen ist, weshalb auch aus diesem Grund und in Gesamtschau des Falles nicht von einer "entschiedenen Sache" im Sinne des § 68 AVG auszugehen ist.

Wie der VwGH, aber auch der VfGH (VwGH v. 23.01.2018, Ra 2018/18/001 und VfGH 12.12.2017 E2068/2017-17) überdies festgestellt haben, ist unter Berücksichtigung der UNHCR-Richtlinien - nun aktuell von 30.08.2018 - bei der Beurteilung, ob einem Asylwerber ein Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet des Herkunftsstaates zugemutet werden kann, von mehreren Faktoren abhängig. Dazu müssen die persönlichen Umstände des Betroffenen, die Sicherheit, die Achtung der Menschenrechte und die Aussichten auf wirtschaftliches Überleben in diesem Gebiet beurteilt werden.

Aus diesem Grund hätte sich die belangte Behörde auch mit der aktuellen allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan auseinandersetzen müssen, konkret, ob der Erstbeschwerdeführerin im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme in die Provinz Balkh (Mazar-e-Sharif), wie im angefochtenen Bescheid festgestellt, eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde und zwar im Hinblick auf die Erreichbarkeit, zur Sicherheits- und Versorgungslage und den individuellen Umständen und Merkmalen sowie darauf, ob die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie der Zugang zu Arbeit und darauf aufbauend der Zugang zu Wohnraum und Nahrung, angesichts der großen Anzahl von Binnenvertriebenen und Rückkehrern in den Provinzhauptstädten Afghanistans. Auch fehlen im angefochtenen Bescheid sämtliche Ausführungen hinsichtlich einer konkreten und aktuellen Prüfung des Kindeswohls und möglicher Entwicklungsrisiken, sowie etwaige Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung gegenüber vulnerablen Personen, wie im Falle der Rückkehr der Beschwerdeführer, einer achtköpfigen Familie, in den Herkunftsstaat Afghanistan.

Da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im konkreten Fall sohin den gegenständlichen Folgeantrag der Erstbeschwerdeführerin zu Unrecht wegen "entschiedener Sache" zurückgewiesen hat, war der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

3.4. Zu den Spruchpunkten III.-VI.:

Da mit der Behebung der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides die rechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung der Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides wegfallen, sind auch diese Spruchpunkte ersatzlos zu beheben.

3.5. Zu den Zweit- bis Achtbeschwerdeführern:

Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Abs. 1 Z 22) von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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