TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/17 W107 2212255-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.10.2019
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Entscheidungsdatum

17.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W107 2212255-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Sibyll BÖCK über die Beschwerde des minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch seinen Vater XXXX , dieser vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2018, Zl. XXXX zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der minderjährige (mj.) Beschwerdeführer stellte am 02.09.2014, vertreten durch seinen Vater, im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 03.11.2015, Zl. 1030578502-14931829, wurde dem mj. Beschwerdeführer gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG der Status eines Asylberechtigten in Ableitung von seinem Vater zuerkannt und festgestellt, dass dem mj. Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3. Am 23.07.2018 wurde dem BFA polizeilich mitgeteilt, dass der mj.

Beschwerdeführer am 20.07.2018 bei der zuständigen Staatsanwaltschaft angezeigt worden sei.

4. Mit Aktenvermerk vom 26.07.2018 leitete das BFA ein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus ein und begründete dies damit, dass aus derzeitiger Sicht von einer Verurteilung des mj. Beschwerdeführers durch ein inländisches Gericht auszugehen sei.

5. Am 01.08.2018 erhob die zuständige Staatsanwaltschaft Anklage gegen den mj. Beschwerdeführer, wobei diesem das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB, das Vergehen nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG, das Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB und das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB zur Last gelegt wurden.

6. Am 22.08.2018 wurde der mj. Beschwerdeführer im Aberkennungsverfahren vor dem BFA im Beisein seines gesetzlichen Vertreters niederschriftlich einvernommen.

7. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 08.11.2018, Zl. XXXX , in Rechtskraft erwachsen am selben Tag, wurde der mj. Beschwerdeführer anklagegemäß wegen des Verbrechens des schweren Raubes als Mittäter (§ 12 StGB) nach § 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB, sowie wegen des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG und des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG nach dem ersten Strafsatz des § 143 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten unter gleichzeitiger Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Es wurde zudem Bewährungshilfe und die Absolvierung eines Antiaggressionstrainings angeordnet. Hinsichtlich der Anklagepunkte des Diebstahls in einem weiteren Fall und der Urkundenunterdrückung erfolgte ein Freispruch des mj. Beschwerdeführers.

8. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid erkannte das BFA den mit Bescheid vom 03.11.2015 zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 leg.cit. fest, dass dem mj. Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft damit kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 erkannte die belangte Behörde dem mj. Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem mj. Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den mj. Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des mj. Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG unzulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.). Darüber hinaus wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Als Gründe für die Asylaberkennung stellte das BFA im angefochtenen Bescheid fest, dass der Beschwerdeführer in Österreich "massiv straffällig" geworden und durch ein inländisches Gericht wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichts falle, rechtskräftig verurteilt worden sei. Da er wegen eines "besonders schweren" Verbrechens verurteilt worden sei, habe er einen Asylausschlussgrund gesetzt und bedeute eine Gefahr für die Allgemeinheit des Aufnahmestaates. Weiter führte das BFA aus, dass bewaffneter Raub zufolge der Rechtsprechung unmissverständlich als besonders schweres Verbrechen gelte. Zwar handle es sich um eine Jugendstraftat, doch habe der Beschwerdeführer ein typisches schweres Verbrechen verübt und sei hierfür zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden. Zwar seien im Strafurteil die Unbescholtenheit und das Geständnis als mildernd angesehen worden, erschwerend sei jedoch das Zusammentreffen von Vergehen und Verbrechen gewertet worden. Ein baldiger innerer Wertewandel scheine nach Ansicht der Behörde ausgeschlossen. Aufgrund des Gesamtverhaltens sei von einer erheblichen Gefahr seitens des Beschwerdeführers auszugehen. Es sei jedenfalls der Asylausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG verwirklicht worden, weshalb der Status jedenfalls zwingend nach § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG abzuerkennen gewesen sei.

9. Gegen diesen Bescheid erhob der mj. Beschwerdeführer, vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter und unterstützt durch den amtswegig beigegebenen Rechtsberater, fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

10. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zugleich erstattete das BFA eine Stellungnahme und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

11. Am 02.04.2019 übermittelte das BFA eine Meldung der zuständigen Landespolizeidirektion, wonach der mj. Beschwerdeführer am 02.04.2019 wegen des Verdachts nach § 91 StGB (Raufhandel) bei der Staatsanwaltschaft angezeigt wurde.

12. Am 03.05.2019 übermittelte das BFA eine Verständigung, wonach gegen den mj. Beschwerdeführer wegen §§ 15, 127 StGB (versuchter Diebstahl) Anklage erhoben wurde.

13. Am 26.06.2019 übermittelte das BFA eine weitere Verständigung, wonach gegen den mj. Beschwerdeführer wegen § 127 StGB (Diebstahl) Anklage erhoben wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den mj. Beschwerdeführer, insbesondere durch Einsicht in das dem Verwaltungsakt einliegende Urteil des Landesgerichtes XXXX und der diesem Urteil zugrundeliegenden Anklageschrift der Staatsanwaltschaft sowie durch Einholung einer aktuellen Strafregisterauskunft betreffend den mj. Beschwerdeführer.

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist ein am XXXX geborener und somit im Entscheidungszeitpunkt minderjähriger (15-jähriger) Staatsangehöriger Afghanistans.

Er stellte am 02.09.2014, vertreten durch seinen Vater, im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des BFA vom 03.11.2015 wurde dem mj. Beschwerdeführer gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG in Ableitung von seinem Vater der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 08.11.2018, Zl. XXXX , in Rechtskraft erwachsen am selben Tag, wurde der mj. Beschwerdeführer anklagegemäß wegen des Verbrechens des schweren Raubes als Mittäter (§ 12 StGB) nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB, sowie wegen des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG und des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG nach dem ersten Strafsatz des § 143 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten unter gleichzeitiger Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Dem mj. Beschwerdeführer wurde zudem Bewährungshilfe und die Absolvierung eines Antiaggressionstrainings angeordnet. Hinsichtlich der Anklagepunkte des Diebstahls in einem weiteren Fall und der Urkundenunterdrückung erfolgte ein Freispruch.

Der Verurteilung wegen des Verbrechens des schweren Raubes liegt zu Grunde, dass der mj. Beschwerdeführer am XXXX in XXXX gemeinsam mit einem (im Tatzeitpunkt ebenfalls minderjährigen) Mittäter einer dritten Person mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben fremde bewegliche Sachen unter Verwendung einer Waffe mit Bereicherungsvorsatz weggenommen hat, indem der Mittäter dem Opfer einen Faustschlag ins Gesicht versetzte und ihm anschließend ein Butterflymesser an den Oberschenkel hielt, während der mj. Beschwerdeführer dem Opfer Bargeld sowie seine Weste und Kappe wegnahm. Der Tatentschluss wurde spontan gefasst, nachdem das (spätere) Opfer in einem Park am mj. Beschwerdeführer und dem Mittäter vorbeiging und diese Gefallen an der Kleidung des Opfers gefunden haben, weshalb der mj. Beschwerdeführer und sein Mittäter kurzerhand entschlossen haben, diesen auszurauben.

Als mildernd wurden die Unbescholtenheit, das Geständnis und die teilweise Sicherstellung der Beute gewertet, als erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen.

Der mj. Beschwerdeführer war im Tatzeitpunkt des schweren Rauben 14 Jahre alt, bei der Tat handelt es sich somit um eine Jugendstraftat iSd § 1 JGG.

Weitere strafgerichtliche Verurteilungen scheinen in der hg. aktuell eingeholten Strafregisterauskunft nicht auf.

Im April 2019 wurde der mj. Beschwerdeführer wegen des Verdachts nach § 91 StGB (Raufhandel) bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, im Mai und Juni 2019 wurde Anklage gegen den mj. Beschwerdeführer wegen des Vergehens des (versuchten) Diebstahls in zwei Fällen erhoben.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des mj. Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorliegenden Verfahrensakt sowie den Aussagen des mj. Beschwerdeführers im Asylaberkennungsverfahren.

Die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten mit Bescheid des BFA vom 03.11.2015 ist aus dem vorliegenden Akteninhalt ersichtlich.

Die strafgerichtliche Verurteilung des mj. Beschwerdeführers ergibt sich aus dem dem Verwaltungsakt beiliegenden strafgerichtlichen Urteil sowie aus einer aktuellen Abfrage aus dem Strafregister. Die der Verurteilung zugrundeliegenden Tatumstände ergeben sich zudem aus der dem Verwaltungsakt ebenfalls einliegenden Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Das Landesgericht für Strafsachen folgte in seinem Urteil hinsichtlich des (hier maßgeblichen) Anklagefaktums des schweren Raubes der Anklageschrift, der mj. Beschwerdeführer zeigte sich geständig, der Inhalt der Anklageschrift konnte daher den Feststellungen zu Grunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde

Beschwerdegegenstand ist der Bescheid des BFA vom 28.11.2018. Die dagegen erhobene Beschwerde erweist sich als rechtzeitig und zulässig.

Die Beschwerde ist auch begründet:

3.2. Zu Spruchpunkt A) Stattgabe der Beschwerde und ersatzlose

Behebung des angefochtenen Bescheides:

Die belangte Behörde stützt die Aberkennung des Status des Asylberechtigten im Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG und führt in der Bescheidbegründung aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Verurteilung wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB den Tatbestand des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG erfüllt habe, gelte bewaffneter Raub zufolge der Rechtsprechung doch unmissverständlich als besonders schweres Verbrechen.

Die Aberkennung erfolgte jedoch aufgrund folgender Erwägungen nicht zu Recht:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid der Status eines Asylberechtigten abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt.

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs müssen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf: Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl. etwa VwGH 26.02.2019, Ra 2018/18/0493, mwN).

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, fallen unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind gemäß der ständigen Rechtsprechung des VwGH etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. zuletzt VwGH 28.08.2019, Ra 2019/14/0289, mwN).

Fallbezogen wurde der mj. Beschwerdeführer von einem inländischen Gericht rechtskräftig wegen des Verbrechens des schweren Raubes als Mittäter (§ 12 StGB) nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB, sowie wegen des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG und des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG nach dem ersten Strafsatz des § 143 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten unter gleichzeitiger Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Die Verurteilung des mj. Beschwerdeführers wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB (Raub unter Verwendung einer Waffe), auf die die belangte Behörde die Aberkennung des Asylstatus stützt, fällt somit gemäß der eben dargestellten Rechtsprechung prima facie unter die Kategorie "besonders schweres Verbrechen".

Es genügt gemäß der weiteren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jedoch nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich vielmehr im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 99/01/0288). Bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (VwGH 23.9.2009, 2006/01/0626). Lediglich in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen erweist sich bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose als zulässig (vgl. etwa in Zusammenhang mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren wegen des Verbrechens des versuchten Mordes: VwGH 14.2.2018, Ra 2017/18/0419, mwN) (vgl. zu dem Ganzen VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522). Das Vorliegen eines gravierenden Falles eines schweren Verbrechens kann gegenständlich verneint werden und wurde auch von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht angenommen. Es war daher eine umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände geboten:

Das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB (bewaffneter Raub) ist gemäß dem ersten Strafsatz des § 143 Abs. 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren bedroht. Da der mj. Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt vierzehn Jahre alt war, handelt es sich bei der gegenständlichen Tat um eine Jugendstraftat iSd § 1 Z 3 JGG, sodass das Höchstmaß der angedrohten Freiheitsstrafe gemäß § 5 Z 4 JGG auf die Hälfte herabgesetzt wird und ein Mindestmaß entfällt. Die Tat war im Fall des mj. Beschwerdeführers somit mit einer Freiheitsstrafe bis zu 7,5 Jahren bedroht.

Der mj. Beschwerdeführer wurde aufgrund eines "typischer Weise" schweren Deliktes zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten verurteilt. Die verhängte Freiheitsstrafe beträgt in Relation zu 7,5 Jahren somit lediglich ein Sechstel der zulässigen Höchststrafe und bewegt sich daher im untersten Bereich des möglichen Strafrahmens. Zudem wurde die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren zur Gänze beding nachgesehen. Bei der Strafbemessung wurden die bisherige Unbescholtenheit des mj. Beschwerdeführers, sein Geständnis sowie die teilweise Sicherstellung der Beute als Milderungsgründe berücksichtigt. Erschwerend wurde das Zusammentreffen von einem Verbrechen und mehreren Vergehen gewertet.

Bereits durch die Höhe der verhängten Strafe in ihrer Relation zur Strafdrohung kommt zum Ausdruck, dass sich das begangene Delikt objektiv und subjektiv nicht als besonders schwerwiegend erwiesen hat. Aus den im Strafurteil genannten erschwerenden Umständen kann eine besondere Schwere des Verbrechens nicht abgeleitet werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Zusammentreffen des Verbrechens mit mehreren Vergehen die Schwere des Verbrechens an sich nicht zu beeinflussen vermag und gegenständlich die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe überwiegen.

Weiter sind die konkreten Tatumstände zu berücksichtigen und ist hierzu auszuführen, dass der mj. Beschwerdeführer, der im Tatzeitpunkt vierzehn Jahre alt war und somit gerade erst seine Strafmündigkeit erreicht hat, die Tat als Mittäter iSd § 12 StGB begangen hat. Gemäß dieser Bestimmung des Strafgesetzbuches hat der mj. Beschwerdeführer im bewussten und gewollten Zusammenwirken gehandelt, sodass ihm auch die Handlungen des Mittäters zuzurechnen sind. Jedoch setzte der mj. Beschwerdeführer selbst keine körperliche Gewalt gegen das Opfer und beschränkte sich sein aktives Tun auf das Wegnehmen der Beute, wobei die Tat gemäß den Ausführungen in der Anklageschrift "spontan" und somit aus der Situation heraus gefasst wurde und nicht von langer Hand geplant war. Darüber hinaus wurden auch im angefochtenen Bescheid keinerlei Gründe dargelegt, aufgrund derer sich die begangene Tat im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erwiesen hätte.

Unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände erweist sich die Tat im konkreten Einzelfall objektiv und subjektiv nicht als "besonders" schwerwiegend. Es kann in diesem Fall in Anbetracht der oben dargestellten Rechtsprechung nicht geschlossen werden, dass der hier zu beurteilenden Straftat (schwerer Raub) die für ein "besonders schweres Verbrechen" erforderliche außerordentliche Schwere anhaftet, ohne hierbei zu übersehen, dass es sich bei bewaffnetem Raub - wie bereits erörtert - um ein typischerweise schweres Verbrechen handelt. Die Schwelle zum "besonders schweren Verbrechen" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG wurde im konkreten Einzelfall - entgegen der Beurteilung der belangten Behörde - jedoch nicht erreicht.

Das Gericht verkennt auch nicht, dass gegen den mj. Beschwerdeführer jüngst Anklage wegen des Vergehens des (versuchten) Diebstahls in zwei Fällen erhoben und dieser zudem wegen des Vergehens des Raufhandels angezeigt wurde, jedoch vermag dieser Umstand nichts am Ergebnis zu ändern, dass es sich bei der gegenständlich zu prüfenden Verurteilung des mj. Beschwerdeführers wegen des Verbrechens des schweren Raubes, das der Asylaberkennung durch die belangte Behörde zugrunde gelegt wurde, im konkreten Einzelfall zwar um ein schweres, nicht aber um ein besonders schweres Verbrechen iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG handelt.

Mangels Vorliegens eines besonders schweren Verbrechens war auf die weiteren, gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfenden, Punkte (Einschätzung der Gemeingefährlichkeit des Beschwerdeführers und die Güterabwägung, ob die Interessen des Zufluchtsstaates jene des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung des Schutzes überwiegen) nicht einzugehen. Ergänzend kann jedoch darauf hingewiesen werden, dass die im Strafurteil ausgesprochene bedingte Strafnachsicht indiziert, dass von einer Gemeingefährlichkeit fallbezogen gerade nicht ausgegangen werden kann (siehe dazu insbesondere § 43 Abs. 1 StGB, wonach das Gericht die Strafe bedingt nachzusehen hat, wenn anzunehmen ist, dass die bloße Androhung der Vollziehung allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten).

Fallbezogen liegt daher weder eine Verurteilung zu einem besonders schweren Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 noch ein anderer Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005 vor. Im gegenständlichen Verfahren kamen auch keine anderen Gründe, die zu einer Aberkennung des Status des Asylberechtigten führen würden, hervor.

Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erfolgte daher nicht zu Recht. Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

Vor dem Hintergrund, dass der gegenständlich angefochtene Bescheid bereits auf Grund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich zudem als klar und eindeutig (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W107.2212255.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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