Entscheidungsdatum
18.10.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W114 2186021-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ihre Mutter XXXX , diese vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2019, Zl. 1093228910-190470220/BMI-BFA_TIROL_RD, zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 88 Abs. 2a FPG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
II. XXXX ist gemäß § 88 Abs. 2a FPG ein Fremdenpass auszustellen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Für XXXX , geb. XXXX (im Weiteren: Beschwerdeführerin oder BF), wurde von ihrer Mutter XXXX am 30.10.2015 nach illegaler Einreise in das österreichische Staatsgebiet ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11.01.2018, Zl. 15-1093228910/151659160, wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten sowie des Status einer subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Weiters wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung der BF nach Afghanistan zulässig sei.
3. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.04.2019, GZ W245 2186021-1/10E, insofern stattgegeben, als der BF der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 08.04.2020 erteilt wurde.
4. Am 09.05.2019 stellte die BF, vertreten durch ihre Mutter XXXX , beim BFA einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 88 Abs. 2a FPG.
5. Mit Schreiben des BFA vom 04.06.2019 wurde die BF darauf hingewiesen, dass die von ihr beantragte Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte nur zulässig sei, wenn eine Passausstellung durch den Herkunftsstaat nicht erfolgen könne oder unzumutbar sei. Die Prüfung der Unterlagen habe ergeben, dass die Eltern und Geschwister der BF jeweils im Besitz einer Tazkira wären. Die BF werde daher aufgefordert, im Zuge der Beantragung von Reisepässen durch ihre Eltern und Geschwister bei der nächstgelegenen Vertretungsbehörde ebenfalls einen Reisepass zu beantragen bzw. im ablehnenden Fall eine diesbezügliche Bestätigung vorzulegen.
6. In einer Stellungnahme vom 09.07.2019 führten die Eltern der BF im Wesentliche aus, dass die Familie bereits bei der afghanischen Botschaft in Wien gewesen sei, die Ausstellung von afghanischen Reisepässen jedoch verweigert worden wäre, da sich die Tazkiras der Familie beim BFA, Regionaldirektion Tirol, befinden würden. Da die Ausstellung eines afghanischen Reisepasses somit nicht durch die afghanische Vertretungsbehörde erfolgen könne, ersuche die BF um Ausstellung des beantragten Fremdenpasses.
7. Mit Bescheid vom 29.08.2019, Zl. 1093228910-190470220/BMI-BFA_TIROL_RD, wies das BFA den Antrag der BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG ab. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass die Eltern der BF im Wissen, dass sich ihre Tazkiras beim BFA befinden würden, und ohne einen entsprechenden Antrag auf Ausfolgung gestellt zu haben, zur Botschaft nach Wien gefahren wären, um die Ausstellung von afghanischen Reispässen zu beantragen. Für die Behörde stehe somit fest, dass sich die Eltern der BF nicht bemüht hätten, für sich oder die BF einen Reisepass ihres Herkunftsstaates zu erlangen. Die Behörde gehe daher weiters davon aus, dass die BF einen Reisepass ihres Herkunftsstaates erlangen könne, weshalb ihr Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG abzuweisen sei.
8. Gegen diesen Bescheid erhob die BF, vertreten durch ihre Mutter, diese vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, mit Schreiben vom 11.09.2019 Beschwerde und beantragte darin, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung des beantragten Fremdenpasses vorliegen, andernfalls der belangten Behörde die Erteilung eines Fremdenpasses aufzutragen, bzw. andernfalls den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur weiteren Verfahrensführung an die Behörde zurückzuverweisen. In der Beschwerde wurde von der Mutter der BF darauf hingewiesen, dass der jüngste Sohn (gemeint wohl: die jüngste Tochter) XXXX über keine Tazkira verfüge und es deshalb ohnehin nicht möglich sei, der gesamten Familie afghanische Reisepässe auszustellen.
9. Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 16.09.2019 die Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Beschwerdeführerin:
XXXX , geb. am XXXX , ist Staatsangehörige Afghanistans. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.04.2019, GZ W245 2186021-1/10E, wurde der BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 08.04.2020 erteilt. In diesem Erkenntnis wurde zudem festgestellt, dass die Eltern der BF - und damit auch die BF selbst - über keine Verwandten oder sonstigen sozialen Kontakte in Afghanistan verfügen.
Die BF besitz keine Tazkira.
1.2. Zur Möglichkeit der Beschaffung eines gültigen Reisedokumentes ihres Herkunftsstaates:
1.2.1. Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen.
1.2.2. Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BFA "Afghanistan - Tazkira im Ausland" vom 11.10.2019:
"1. Ist für die Ausstellung einer Tazkira ein persönliches Erscheinen der betreffenden Person bei der zuständigen Behörde in Afghanistan nötig?
1.1. Kann der Antragsteller durch einen nahen Verwandten eine Tazkira beantragen und ausstellen lassen?
Quellenlage/Quellenbeschreibung:
In öffentlich zugänglichen Quellen wurden im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche auf Deutsch und Englisch einige aktuelle Informationen gefunden. Eine ausgewogene Auswahl wird entsprechend den Standards der Staatendokumentation im Folgenden zur Verfügung gestellt.
Außerdem wurde aufgrund der rechtsspezifischen Art der Fragestellung diese auch an die Konsularabteilung der Afghanischen Botschaft in Wien zur Beantwortung übermittelt.
[...]
Zusammenfassung:
Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass die Beantragung einer Tazkira bei einer afghanischen Auslandsvertretung erfolgen kann, wobei die Tazkira selbst in Kabul ausgestellt wird. Die Beantragung einer sogenannten "Absentee Tazkira" ist auch an der Afghanischen Botschaft in Wien möglich. Der Antragsteller benötigt eine Vertretungsperson in Afghanistan, die die Bearbeitung des Antrages weiterverfolgt und die ausgestellte Tazkira entgegennimmt, um sie daraufhin dem Antragsteller im Ausland zuzuschicken. Die Quellen sind inkonsistent bezüglich möglicher Vertretungspersonen; beispielsweise ob dies ein naher Verwandter sein muss oder ob auch eine andere Person zugelassen wäre.
[...]
Die Konsularabteilung der Afghanischen Botschaft in Wien übermittelte am 9.10.2019 eine Auskunft per E-Mail, derzufolge afghanische Botschaften keine Tazkiras ausstellen können. Die Botschaft kann jedoch [Antragstellern] dabei helfen, eine Tazkira zu beantragen, ohne nach Afghanistan reisen zu müssen. Der Antrag kann an der Botschaft in Wien gestellt werden und die Botschaft stellt ein Tazkiraformular aus. Dieses Formular sendet der Antragsteller an ein Familienmitglied nach Kabul. Die Vertretungsperson kann dann die Tazkira vom Tazkira-Büro in Kabul entgegennehmen. [...]."
1.2.3. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019):
"Meldewesen:
[...] Ein Personenstandsregisterauszug (Tazkira) wird nur afghanischen Staatsangehörigen nach Registrierung und dadurch erfolgtem Nachweis der Abstammung von einem Afghanen ausgestellt. Er gilt sowohl als Nachweis für die Staatsangehörigkeit, sowie als Geburtsurkunde. In der Tazkira sind Informationen zu Vater und Großvater, jedoch nicht zur Mutter enthalten. Tazkiras können sowohl in der Hauptstadt Kabul als auch am jeweiligen Geburtsort, nicht jedoch von afghanischen Auslandsvertretungen ausgestellt werden. Sie können jedoch über eine afghanische Auslandsvertretung beim afghanischen Innenministerium beantragt werden (AA 5.2018). [...]."
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur BF ergeben sich eindeutig aus den unbedenklichen und unzweifelhaften Verfahrensunterlagen sowie den insofern glaubwürdigen und nachvollziehbaren Angaben der BF.
Die Feststellung betreffend die Möglichkeit der Beantragung einer Tazkira im Ausland gründen sich auf das Länderinformationsblatt Afghanistan vom BFA (Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation vom 04.06.2019) sowie eine von der Staatendokumentation des BFA eingeholte Anfragebeantwortung vom 11.10.2019. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zugrunde gelegt werden konnten.
Zur Feststellung betreffend die Möglichkeit der Beschaffung eines gültigen Reisedokumentes:
Ausgehend von dem aufgrund notorischen Amtswissens bekannten Umstand, dass die afghanische Botschaft in Wien Reisepässe basierend auf Personalausweisen (Tazkiras) ausstellt, sowie den Länderberichten betreffend die Beantragung von Tazkiras im Ausland, konnte in der gegenständlichen Angelegenheit nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass die BF in der Lage ist, von Österreich aus eine Tazkira und in der Folge einen Reisepass ihres Heimatstaats bei der afghanischen Botschaft in Wien zu beantragen. Den Länderberichten zufolge bedarf es bei der Beantragung einer Tazkira mit Unterstützung durch die afghanische Botschaft in Wien der Nennung eines Familienangehörigen bzw. einer sonstigen Vertretungsperson, welche die Bearbeitung des Antrages durch das afghanische Innenministerium in Kabul weiterverfolgt und die ausgestellte Tazkira entgegennimmt, um sie daraufhin dem Antragsteller im Ausland zuzuschicken. Da die BF jedoch in Afghanistan weder Verwandte noch sonstige soziale Kontakte hat, welche sie bei der Antragstellung unterstützen könnten, fehlt es ihr somit unter Berücksichtigung der genannten Voraussetzungen letztlich an der faktischen Möglichkeit, ein Reisedokument ihres Heimatstaates zu erlangen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A):
§ 88 des Bundesgesetzes über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, lautet:
"Ausstellung von Fremdenpässen
§ 88. (1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für
1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;
2. ausländische Staatsangehörige, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;
3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" (§ 45 NAG) gegeben sind;
4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen oder
5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt.
(2) Fremdenpässe können auf Antrag weiters ausgestellt werden für Staatenlose, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.
(2a) Fremdenpässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
(3) Die Gestaltung der Fremdenpässe wird entsprechend den für solche Reisedokumente international üblichen Anforderungen durch Verordnung des Bundesministers für Inneres bestimmt. Im Übrigen hat die Verordnung den für Reisepässe geltenden Regelungen des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, zu entsprechen.
(4) Hinsichtlich der weiteren Verfahrensbestimmungen über die Ausstellung eines Fremdenpasses, der Bestimmungen über die Verarbeitung und Löschung von personenbezogenen Daten und der weiteren Bestimmungen über den Dienstleister gelten die Bestimmungen des Passgesetzes entsprechend."
Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2144 BlgNR XXIV. GP) geht zu Abs. 2 und Abs. 2a des § 88 FPG Folgendes hervor:
"Die Statusrichtlinie sieht die Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, unter anderem in Bezug auf den Anspruch auf Ausstellung von Reisedokumenten durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat, vor. Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie sieht diesbezüglich vor, dass subsidiär Schutzberechtigten, die keine Reisedokumente ihres Herkunftsstaates erhalten können, durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat Reisedokumente auszustellen sind, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Diese Richtlinienbestimmung wird durch § 88 Abs. 2a umgesetzt, indem subsidiär Schutzberechtigten nunmehr ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses eingeräumt wird, der nur aus Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung beschränkt werden kann. Humanitäre Gründe für die Anwesenheit in einem anderen Staat sind nicht mehr erforderlich."
Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte sind dann nicht in der Lage, sich ein Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, wenn dessen Vertretungsbehörde die Ausstellung verweigert. Mit der Ausstellung eines Fremdenpasses an den Betroffenen übernimmt Österreich die völkerrechtliche Rücknahmeverpflichtung. Die "zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung" müssen sich auf die den Betroffenen mit dem Fremdenpass eröffnete Reisefreiheit beziehen (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 88 FPG 2005 [Stand 01.01.2015, rdb.at] Anm 2).
Das in § 88 Abs. 2a normierte Erfordernis, dass der Fremde nicht in der Lage ist, sich ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Ausstellung eines Fremdenpasses einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechte des Herkunftsstaates bedeutet, weshalb dem Gesetz die Prämisse zugrunde liegt, dass Fremde sich zuerst an ihre Heimatvertretung hinsichtlich der Ausstellung eines Reisedokumentes wenden müssen. Dem Fremden muss es konkret (tatsächlich) möglich sein, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen. Dies ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn dem Antragsteller die Ausstellung eines Reisedokumentes seitens der Vertretungsbehörde tatsächlich verweigert wird (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht (2016), § 88 FPG K 8 und 9).
Konkret wurde der BF gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 08.04.2020 erteilt. Wie im Rahmen der Feststellungen und der Beweiswürdigung bereits näher ausgeführt wurde, verfügt die BF nicht über das für die Beantragung eines afghanischen Reisepasses erforderliche Personaldokument ihres Heimatstaates. Auch ist die BF von Österreich aus nicht in der Lage, sich ein solches Dokument ihres Heimatstaates zu beschaffen. Es kann daher im Ergebnis nicht davon ausgegangen werden, dass die BF in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen.
Grundsätzlich kann ein Fremdenpass nur ausgestellt werden, wenn die Identität des Fremden feststeht. In Fällen, in denen ein Identitätsdokument ohne Verschulden des Fremden nicht erlangbar ist, muss dieses Erfordernis aber an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst und somit als relativiert zu gelten haben, wenn insgesamt von der Glaubwürdigkeit des Betreffenden auszugehen ist (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht (2016), § 88 FPG K 10). Die belangte Behörde und das Bundesverwaltungsgericht sind im asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren von der Identität und der afghanischen Staatsangehörigkeit der BF ausgegangen und kamen auch keine Gründe hervor, daran zu zweifeln.
Von der belangten Behörde wurden zum Entscheidungszeitpunkt keine zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung festgestellt, die gegen die Ausstellung eines Reisedokumentes sprechen würden. Solche sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen, zumal die unmündige minderjährige BF nicht deliktsfähig ist, weshalb im aktuell eingeholten Strafregisterauszug keine Verurteilungen der BF aufscheinen.
Somit liegen die Voraussetzungen des § 88 Abs. 2a FPG vor und es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Es haben sich aufgrund der Angaben in der Beschwerde in Zusammenschau mit den vorliegenden Verfahrensunterlagen auf Sachverhaltsebene keine Fragen ergeben, die mit der BF im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erörtern wären, und hat das Bundesverwaltungsgericht schließlich lediglich Rechtsfragen anders beurteilt als die belangte Behörde. Im Übrigen hat die BF die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht ausdrücklich beantragt.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des BVwG auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Fremdenpass, Minderjährigkeit, Reisedokument, VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W114.2186021.2.00Zuletzt aktualisiert am
15.05.2020