TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/10 G314 2226870-1

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Veröffentlicht am 10.01.2020
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Entscheidungsdatum

10.01.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1

Spruch

G314 2226870-1/3Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2019,

Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht:

A) Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

(Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF), der in Österreich geboren wurde und hier seit seiner Geburt niedergelassen ist, die Schule besuchte und eine Ausbildung zum Pflegehelfer absolvierte, verfügt über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU". Er wurde im Bundesgebiet seit Juni 2018 drei Mal strafgerichtlich verurteilt, wobei zuletzt wegen Suchtgiftdelikten eine Zusatzfreiheitsstrafe von 28 Monaten verhängt wurde. Er wird seit XXXX2018 in der Justizanstalt XXXX angehalten; seine bedingte Entlassung ist frühestens am XXXX2020 möglich. Während der Haft wird er regelmäßig von seinen Eltern, seinem Bruder und anderen in Österreich lebenden Bezugspersonen besucht. Ein weiteres Strafverfahren gegen den BF wegen einer während des Strafvollzugs begangenen schweren Körperverletzung ist anhängig.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde vom 18.12.2019 gegen den oben genannten Bescheid vor, mit dem gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs 5 FPG iVm § 9 BFA-VG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina festgestellt (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein auf sechs Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde (Spruchpunkt V.).

Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung damit, dass der Tatbestand des § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG erfüllt sei. Aufgrund des durch gravierende Suchtgift- und Gewaltdelinquenz belasteten Vorlebens sei trotz der in der Justizanstalt XXXX absolvierten Antiaggressionstherapie davon auszugehen, dass diese Voraussetzung auch nach der Haftentlassung weiterhin vorliegen werde. Damit sei auch bei Berücksichtigung der behaupteten privaten und familiären Anbindungen des BF in Österreich (langjähriger rechtmäßiger Aufenthalt, Beziehung zu nahen Angehörigen, Absolvierung von Schul- und Berufsausbildung, Deutschkenntnisse) kein unverhältnismäßiger Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden, zumal dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aufgrund der Straftaten ein sehr großes Gewicht beizumessen sei und die Kontakte zu in Österreich lebenden Bezugspersonen ohnedies haftbedingt eingeschränkt seien. Aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilungen, die den BF bislang nicht von neuerlicher Delinquenz abhalten konnten, sei in Verbindung mit seiner Gewöhnung an Suchtmittel und der besonderen Gefährlichkeit von Suchtgiftkriminalität der sofortige Vollzug der Aufenthaltsbeendigung im Interesse des öffentlichen Wohls wegen Gefahr im Verzug dringend geboten, zumal noch keine nachhaltige Entwöhnung erfolgt sei und mit einer Fortsetzung des delinquenten Verhaltens gerechnet werden müsse.

In der Beschwerde, die sich gegen sämtliche Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids richtet, bringt der BF unter anderem vor, dass er sich seit seiner Geburt rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Der Großteil seiner Familie, insbesondere seine Eltern, bei denen er bis zu seiner Festnahme gewohnt habe, und sein Bruder, befände sich ebenfalls in Österreich. In Bosnien und Herzegowina lebe nur seine Großmutter, die in einem Altersheim untergebracht sei. Der BF habe die Schule in Österreich absolviert und beherrsche die deutsche Sprache einwandfrei; er sei umfassend integriert. Sein Privat- und Familienleben sei zu einem Zeitpunkt entstanden, zu dem er sich rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe. Die Rückkehrentscheidung verletze daher Art 8 EMRK.

Am XXXX2020 erhob die Staatsanwaltschaft XXXX gegen den BF Strafantrag wegen § 84 Abs 4 StGB.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG.

Rechtliche Beurteilung:

Die Beschwerde richtet sich (zumindest implizit) auch gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat darüber gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl. VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Zwar weist das BFA in der Begründung des angefochtenen Bescheids zu Recht darauf hin, dass die Voraussetzung des § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG aufgrund der Gewalt- und Suchtgiftdelinquenz des BF, der Wirkungslosigkeit der bisherigen strafgerichtlichen Sanktionen und der beträchtlichen Wiederholungsgefahr erfüllt ist. Da er aber seit seiner Geburt rechtmäßig im Inland niedergelassen und hier daueraufenthaltsberechtigt ist, ist eine Verletzung von Art 8 EMRK durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ohne eingehendere Prüfung nicht von der Hand zu weisen, zumal er während der Haft regelmäßig Kontakt zu in Österreich lebenden Bezugspersonen hat. Außerdem wäre eine Aufenthaltsbeendigung während des laufenden neuen Strafverfahrens kontraproduktiv, zumal dessen Ausgang bei der Beschwerdeentscheidung zu berücksichtigen sein wird. Da auch die Entlassung des BF aus dem Strafvollzug nicht unmittelbar bevorsteht, sondern nach derzeitigem Stand frühestens im Oktober 2020 möglich sein wird, ist der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil eine Einzelfallentscheidung vorliegt und das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2226870.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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