TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/24 G303 2221339-6

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Veröffentlicht am 24.01.2020
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Entscheidungsdatum

24.01.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76

Spruch

G303 2221339-6/9E

Schriftliche Ausfertigung des am 10.12.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit: Algerien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, IFA-Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.12.2019 zu Recht erkannt:

A) Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die

für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion XXXX, Zl. XXXX vom 27.03.2019, wurde über XXXX (im Folgenden: BF), geb. 03.08.2000, gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

2. Am 23.07.2019, 14.08.2019, 16.09.2019 und am 07.10.2019 haben jeweils Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft stattgefunden. Mit mündlich verkündeten Erkenntnissen wurde jeweils festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen würden und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei.

3. Zuletzt wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, GZ: 312 2221339-5/2E, vom 30.10.2019, gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen würden und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig sei.

4. Am 04.12.2019 wurde vom BFA, RD XXXX, neuerlich der Akt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung der Abschiebung vorgelegt.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 10.12.2019 in der Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF nach polizeilicher Vorführung aus dem AHZ Vordernberg, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, ein Dolmetscher sowie ein Vertreter des BFA teilnahmen. Nach Schluss der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.

6. Das BFA beantragte mit Schreiben vom 20.12.2019, dass das mündlich verkündete Erkenntnis schriftlich ausgefertigt werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige BF ist nicht österreichischer Staatsbürger. Seinen eigenen Angaben zur Folge ist er algerischer Staatsangehöriger. Eine Identifizierung des BF durch die algerische Botschaft erfolgte bis dato nicht.

Der BF verfügt über kein gültiges Reisedokument und über keine Berechtigung zur Einreise in das österreichische Bundesgebiet und zum Aufenthalt in diesem.

Der BF reiste zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt, spätestens jedoch am 23.01.2017 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 23.01.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz nach § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, welcher mit Bescheid, Zl. XXXX, vom 05.04.2018, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sowie des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung mit zulässiger Abschiebung in dessen Herkunftsstaat Algerien erlassen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, I406 2194863-1/17E, vom 13.08.2018 als unbegründet abgewiesen.

Mit unter I. 1. angeführtem Mandatsbescheid des BFA vom 27.03.2019 wurde zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung über den BF die Schubhaft verhängt.

Der BF befindet sich seit XXXX2019, XXXX Uhr, durchgehend in Schubhaft, die derzeit im AHZ Vordernberg vollzogen wird.

Am 13.06.2019 wurde der BF der algerischen Botschaft vorgeführt. Es wurden Urgenzen am 14.05.2019, 26.08.2019, 01.10.2019 sowie am 09.10.2019 an die algerische Botschaft übermittelt. Am 12.11.2019 übergab das BFA persönlich der algerischen Botschaft eine Urgenzliste und am 18.11.2019 wurde erneut an die algerische Botschaft urgiert. Ein Heimreisezertifikat wurde von der algerischen Botschaft bis dato nicht ausgestellt. Auf die einzelnen Urgenzen erfolgte seitens der algerischen Botschaft keine Rückmeldung.

Der BF ist bereit nach Algerien zurückzukehren.

Der BF hat in Österreich keine familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Bindungen. Er verfügt über keine eigene gesicherte Unterkunft, insbesondere war er vom 21.04.2018 bis zu seiner Festnahme ohne gemeldeten Wohnsitz, und verfügt über keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die gegenständlichen Feststellungen konnten aufgrund der durchgeführten mündlichen Verhandlung und auf Grund der vorliegenden Aktenlage getroffen werden und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und die angeführte Staatsangehörigkeit beruhen auf den eigenen Angaben des BF. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person im gegenständlichen Verfahren. Das erkennende Gericht stellte in der mündlichen Verhandlung zudem fest, dass die seitens des BFA vorgebrachten Aliasidentitäten aufgrund der Vor- und Nachnamenkonstellationen und aufgrund des echten und des angenommenen Geburtsdatums laut Altersfeststellungsgutachten zustande gekommen sind und der BF daher keine Aliasidentität verwendete.

Die weiteren Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestritten gebliebenen Akteninhalt sowie aus den Ermittlungsergebnissen in der mündlichen Verhandlung. In der mündlichen Verhandlung betonte der BF insbesondere mehrmals, dass er nach Algerien zurückkehren will.

Zudem konnten diese aufgrund der Einsichtnahme des erkennenden Gerichtes in das ZMR, IZR, Strafregister und die Anhaltedatei getroffen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß

Der mit "Dauer der Schubhaft" betitelte § 80 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 lautet:

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

3.2. Zu Spruchteil A.):

Die gegenständliche Schubhaft wurde zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG angeordnet. Eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme lag aufgrund der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.08.2018 bestätigten Rückkehrentscheidung vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zu überprüfen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Das erkennende Gericht geht weiterhin davon aus, dass beim BF Fluchtgefahr besteht, da dieser zumindest zwei Tatbestände des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt.

So liegt eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG vor.

Der BF ist in Österreich im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG nicht sozial verankert und verfügt selbst über keine ausreichenden Mittel zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes bzw. geht einer Erwerbstätigkeit nach. Auch verfügt der BF über keinen gesicherten Wohnsitz und war vom 21.04.2018 bis zu seiner Festnahme ohne Meldeadresse.

Die weitere Fortsetzung der am 27.03.2019 verhängten Schubhaft erweist sich jedoch als unverhältnismäßig, dies aus folgenden Gründen:

Der BF befindet sich zum Entscheidungszeitpunkt seit über acht Monaten in Schubhaft. Während dieser Zeit wurde er am 13.06.2019 einmal der algerischen Vertretungsbehörde vorgeführt. Das BFA urgierte insgesamt sechs Mal bei der Vertretungsbehörde, welche daraufhin keinerlei Reaktionen zeigte. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist gemäß § 76 Abs.2a FPG zu berücksichtigen, dass der BF kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten gezeigt hat.

Voraussetzung für die Fortsetzung der Schubhaft ist, dass nach wie vor die Aussicht besteht, dass für den BF ein Heimreisezertifikat erlangt werden kann. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats (HRZ) der algerischen Botschaft ist für den BF realistischerweise nicht zu erwarten, zumal bereits seit Monaten versucht wird, ein HRZ zu erlangen und die Vertretungsbehörde auf die bisherigen Urgenzen des BFA nicht reagiert (vgl VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Daran vermag der Umstand, dass ein Fremder durch falsche Angaben zu seiner Identität und Staatsangerhörigkeit selbst für die Nichterlangung von Reisedokumenten (und damit für die Vereitelung seiner Abschiebung) verantwortlich sein kann, nichts zu ändern, zumal der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zukommt (vgl VwGH 31.03.2008, 2005/21/0026).

Da seit Monaten seitens des BFA versucht wird, ein HRZ zu erlangen und die Vertretungsbehörde auf die bisherigen Urgenzen des BFA nicht reagiert und weder eine klare Identifizierung noch eine Ausstellung eines HRZ seitens der algerischen Botschaft in Aussicht gestellt wurde, liegen die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF nicht mehr vor, da diese nicht mehr verhältnismäßig ist.

Gemäß § 22a Abs 4 BFA-VG ist daher auszusprechen, dass nunmehr die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen und die weitere Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht verhältnismäßig ist.

3.2. Zu Spruchteil B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Schlagworte

Schubhaft, Schubhaftbeschwerde, Verhältnismäßigkeit, Wegfall der
Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G303.2221339.6.00

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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