Entscheidungsdatum
03.02.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G313 2136092-8/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX, geb. XXXX, StA. Algerien, alias Marokko, alias Lybien, Zahl: XXXX zu Recht erkannt:
A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt
der Entscheidung die für die Forstsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Feststellungen
1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 12.5.2016 unter Angabe, StA Algerien einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde am 31.05.2016, rechtskräftig am 15.6.2016, abgewiesen und die Abschiebung nach Algerien für zulässig erklärt.
Am 28.11.2016, rechtskräftig am 16.12.2016 wurde eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem 5jährigen Einreiseverbot gegen den BF erlassen.
Ein HRZ Zertifikatsverfahren wurde folglich mit Algerien gestartet, jedoch am 3.11.2016 eine negative Identifizierung dazu erfolgte.
Am 20.12.2016 wurde das gelindere Mittel zum Zweck der Abschiebung über den BF verhängt.
Der BF wurde davor:
1. mit Urteil des LG XXXX am XXXX12.2015 zu einer bedingten Freiheitsstrafe wegen §§ 127,129 Z 1 StGB, § 15 StGB in der Dauer von 5 Monaten verurteilt.
2. Mit Urteil des LG XXXX vom XXXX10.2016 wurde dere BF wegen §§ 127,129 und 130 STGB wiederrum zu einer bedingten Freiheitsstrafe 12 Monaten davon bedingt 8 Monate, verurteilt.
Die bedingte Strafnachsicht wurde auch zu dieser Straftat am 8.10.2018 widerrufen.
Am 10.3.2017 verübte der BF seine nächste Straftat in Österreich und wurde demgemäß mit 3. Urteil vom XXXX5.2017 des LG XXXX wegen § 27 SMG zu einer 12monatigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt.
Die bedingte Nachsicht wurde am 22.5.2017 widerrufen und die Freiheitsstrafe zu diesem Zeitpunkt vollzogen.
Am 31.8.2018 verübte der BF erneut eine Straftat und wurde mit
4. Urteil des LG XXXX vom XXXX10.2018 wegen §§ 125,126 STGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt.
Dem oa gelinderen Mittel ist die Partei wegen Verhängung der U- Haft nicht mehr nachgekommen.
Am 11.7.2017 wurden Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates mit Marokko und Tunesien gestartet.
Der BF war von 11.3.2017 bis 10.7.2017 in der Justizanstalt XXXX, von 10.7.2017 bis 24.7.2018 in der Justizanstalt XXXX aufhältig.
Nach Entlassung aus der Strafhaft wurde der BF am 24.7.2018 zur Verhängung der Schubhaft einvernommen und am selbigen Tag die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
Am 22.9.2017 erfolgte eine negative Identifizierung des BF durch den Staat Tunesien.
Es erfolgten drei Überprüfungen zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft.
Am 25.2.2019 musste der BF aus der Schubhaft zum Antritt seiner Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX entlassen werden, da er während der Schubhaft erneut straffällig wurde und deswegen zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt wurde.
Am 4.10.2019 wurde der BF wieder in Schubhaft genommen, und die Schubhaft verhängt, die Beschwerde dagegen wurde nach _Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 9.10.2019 als unbegründet abgewiesen.
Am 29.11.2019 erhob der BF abermals Beschwerde gegen den Schubhaft Bescheid vom 25.9.2019 ein, welche mit Erkenntnis des BVWG vom 5.12.2019 als unzulässig zurückgewiesen wurde und die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft für zulässig erklärt wurde.
Der BF machte hinsichtlich seiner StA in den gesamten bisherigen Verfahren verschiedene Angaben, so in der Einvernahme vor dem BFA am 24.7.2018 dass er XXXXheißen würde und Lybischer Staatsangehöriger sei.In der mündlichen VH vor dem BVwG am 20.11.2018 gab der BF an algerischer Staatsangehöriger zu sein. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 9.10.2019 gab der BF seine Angaben abermals revidierend mit "jetzt sage ich aber die Wahrheit" (AS 150) an Lybischer Staatsangehöriger zu sein.
Am 22.11.2018 wurde der BF dem Konsul der lybischen Botschaft in Wien vorgeführt, wobei der BF gegenüber dem lybischen Botschafter angab, "algerischer Staatsangehöriger" zu sein.Der lybische Konsul gab zu Protokoll dass der BF aufgrund seines Dialektes StA von Marokko sein könnte.
Am 30.10.2019 wurde daher eine Sprachanalyse durch das Sprachanalyseinstitut VERIFIED durchgeführt, wobei sich der BF auch derart unkooperativ verhielt, dass das Institut nach Mitteilung darüber: "the person did not cooperate well during the interview, he avoided using his own dialect, mixed several different dialects and used stadard Arabic".
Die HRZ Zertifikatsverfahren mit Lybien und Tunesien scheiterten mit negativen Identifizierungen. Auch wurde der BF erneut am 29.11.2019 der algerischen_Botschaft vorgeführt, welchde die algerische Identität bestätigte, jedoch eine Identitätsprüfung für erforderlich erachtete welche 4 bis 5 Monate dauern würde.
Seit 2019 versuchte das BFA Vorführungen zur marokkansichen Botschaft zu erreichen, am 12.12.2019 wurde der BF der marokkansichen Botschaft vorgeführt.Dabei wurde seitens der marokkanischen Delegation mitgeteilt, dass der BF mehrere Dialekte spricht , sodass die Herkunft schwer zu bestimmen ist.Die Unterlagen des BF sind zur _Identitätsprüfung nach Rabat geschickt worden , darüber werde eine Verbalnote erfolgen, die Dauer sei derzeit noch unbekannt.
Einer Mitwirkungspflicht an seiner Identitätsfeststellung kam der BF daher bis dato nicht nur nicht nach, sondern versucht der BF immer wieder seine Herkunft zu verschleiern.
1.2. Mit Schreiben des BFA vom 29.1.2020 erfolgte die Aktenvorlage an das BVwG, eingelangt am 30.1.2020. Im Schreiben wurde angeführt, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft aus den vorgebrachten Gründen weiterhin notwendig sei und die Überprüfung zur Erlangung des Heimreisezertifikates noch andauere. Das BVwG wurde ersucht festzustellen, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.1. Ein Heimreisezertifikat (im Folgenden: HRZ) für den Beschwerdeführer liegt aktuell noch nicht vor, dessen Erlangung wird jedoch von Seiten der belangten Behörde massiv - bis zuletzt betrieben. Siehe dazu wie bereits festgestellt wurde das HRZ-Verfahren für Algerien zuletzt am 31.01.2020 urgiert.
Die Erlangung von Heimreisezertifikaten dauert noch an, da zwar eine Vorführung bei der Botschaft von Algerien und Marokko erfolgt sind jedoch die Identitätsfeststellung noch andauert. So wurde zuletzt am 30.01.2020 nochmals betreffend das HRZ-Verfahren bei der Botschaft von Marokko urgiert, wie oben angeführt wurden die Unterlagen des Interviews bei der Botschaft von Marokko nach Casablanca gesendet, um dort abgeglichen zu werden. Dieser Vorgang braucht aufgrund der Erfahrungswerte ca. 2. Monate, da die Behörden in Marokko diese Unterlagen überprüfen müssen. Die Abteilung B/II hat eine Einzelurgenz betreffend HRZs an die Botschaft von Marokko übermittelt.
1.2. Die formalgesetzlichen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft liegen zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung weiterhin vor.
1.3. Die Bemühungen der Behörde um Erlangung eines HRZ bei der marokkanischen und algerischen Botschaft sind aktenkundig, und es ist von einer baldigen Klarheit über die Ausstellung eines solchen im Laufe der nächsten Zeit auszugehen.
1.4. Nach Erlangung eines HRZ ist eine Außerlandesbringung des BF zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung möglich.
1.5. Der BF verfügt in Österreich über keine Familienangehörigen, keinen Wohnsitz und keine sozialen Bindungen. Der BF ist viermal rechtskräftig verurteilt und verhält sich auch nicht kooperativ.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Festnahme des BF, zu dessen familiären Verhältnissen, dem abgeführten Asylverfahren, dem Betreiben zur Erlangung eines Heimreisezertifikats, den fehlenden Integrationsschritten, der Identifizierung durch die Botschaften und der laufenden Anhaltung in Schubhaft begründen sich auf dem Inhalt des gegenständlichen Verwaltungsaktes. Die Angabe unterschiedlicher Identitäten bzw Staatsangehörigkeiten ist aus dem Akt ersichtlich. Die Verurteilung des BF folgt dem Amtswissen des BVwG durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
Die Verpflichtung zur Aktenvorlage zwecks Überprüfung der weiteren Schubhaftvoraussetzungen ergeben sich aus § 22a Abs. 4 BFA-VG, wonach Schubhaften erstmalig 4 Monate nach deren Erlassung einer neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit seitens des BVwG zu unterziehen sind.
Im Rahmen der Aktenüberprüfung hat sich gezeigt, dass der der laufenden Schubhaft zugrundeliegende Schubhaftbescheid bereits rechtskräftig bestätigt wurde. Das Gericht geht davon aus, dass in weiterer Folge vom weiteren nachhaltigen Bestehen eines Sicherungsbedarfes auszugehen und Prüfungsgegenstand des Verfahrens lediglich die Verhältnismäßigkeit und die Notwendigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ist. Im gerichtlichen Überprüfungsverfahren sind diesbezüglich keine Hinweise zu Tage getreten, welche an der Aufrechterhaltung der Schubhaft Zweifel ließen.
Aufgrund der aktuellen Information des BFA vom 29.1.2020 und 04.02.2020 steht fest, dass bisher kein Heimreisezertifikat für den BF vorliegt, jedoch in Bearbeitung ist..
Aus einer Überprüfung der formalen Grundlagen für die Aufrechterhaltung der gegenständlichen Schubhaft ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung nach wie vor eine durchsetzbare, rechtliche Grundlage für die Abschiebung des BF vorliegt. Mit rechtskräftig, negativen Asylbescheid vom 31.5.2016 wurde der Asylantrag des BF in allen Spruchpunkten abgewiesen und mit Entscheidung vom 28.11.2016 ein 5jährigen Einreiseverbotes erlassen.
Aus der dem Gericht vorliegenden Stellungnahme des BFA ergibt sich, dass die Behörde stets bemüht war, die Erlangung eines HRZ zeitnah zu bewerkstelligen. Die nunmehr laufende Schubhaft stellt unbestritten eine freiheitsentziehende Maßnahme dar. Berücksichtigt man die Tatsache, dass der BF bereits vier rechtskräftige Verurteilungen wegen ua Vermögensdelikten aufweist und nicht davor zurückscheut Suchtmitteldelikte zu begehen (was sich aus seinen Verurteilungen ergibt ) ,ja sogar in Schubhaft wiederrum Straftaten begeht und er über kein Reisedokument verfügt, auch an seiner Identitätsfeststellung nicht nur nicht mitwirkt sondern diese zu verschleiern versucht, lässt sich sehen, dass die Haftdauer, die bereits auch schon wegen Antritt einer Freiheitsstrafe unterbrochen wurde, in weiterer Folge zu einem beträchtlich überwiegenden Teil des völligen Fehlens der Mitwirkungspflicht des BF und der nach wie vor aktuellen, möglichen Fluchtgefahr geschuldet ist. Die belangte Behörde hat sich in der Folge sichtlich bemüht, ua mit der Durchführung einer Sprachanalyse durch ein schwedisches Sprachinstitut die Identität zu klären und den laufenden den Kontakt zur algerischen und marokkanischen Botschaft auch mit mehrfachen Urgenzen stets aufrecht zu erhalten. Da laut Interview mit den algerischen und marokkanischen Botschaften die Identitätsfeststellung jedoch noch andauert kann aber danach mit hoher Wahrscheinlichkeit Klarheit über die Ausstellung eines HRZ erlangt werden.
Im Verfahren sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass nach einer Ausstellung eines HRZ eine alsbaldige Außerlandesbringung des BF nicht möglich wäre.
Zu 3.1.: Die Feststellung hinsichtlich jeglichen Fehlens von relevanten, sozialen Kontakten ergibt sich aus den eigenen Angaben des BF in dem im Akt befindlichen Einvernahmeprotokollen und den Erkenntnissen.
Basierend auf der oberwähnten Verurteilung des BF war einer Gefährdungseinschätzung erhöhtes Augenmerk zu geben. Dadurch ist klargestellt, dass jedenfalls weiterhin von einem beachtenswerten Gefährdungspotential des BF auszugehen ist. Aufgrund der Verurteilungen wegen Suchtmitteldelikten und Vermögensdelikten ist von erhöhter Fluchtgefahr auszugehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt A.:
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß
§§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und
§ 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:
"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."
3.1.1. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008)
Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).
3.1.2. Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, , vorzulegen.
Es besteht nun die Verpflichtung, gegenständlich durch die Aktenvorlage die Voraussetzungen für die Fortführung der Schubhaft zu prüfen. Dabei hat die Behörde darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft weiter notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des BVwG, hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich in deren Rahmen auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung weiterhin als verhältnismäßig angesehen werden kann. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse, so zeigt sich, dass dieser im Inland keinerlei integrative Bezugspunkte vorweisen konnte und keine nennenswerten sozialen Kontakte zu berücksichtigen sind.
Darüber hinaus hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass der BF auch in finanzieller Hinsicht nur beschränkt für kurze Zeit selbsterhaltungsfähig ist. Im Zuge der durchzuführenden Abwägung bleibt daher festzuhalten, dass keine sozialen Bindungen entstanden sind und der BF wegen der strickten Versuche seine Staatsangehörigkeit zu verschleiern und wissentliche Falsch angab, auch als überhaupt nicht vertrauenswürdig einzustufen ist-
Betrachtet man den Unwillen zur Ausreise nach rechtskräftig abgeschlossen negativen Asylverfahren und das beharrliche Weigern an seiner Identitätsfeststellung mitzuwirken, stellt sich klar dar, dass es dadurch zu einer maßgeblichen Verzögerung des Abschiebeverfahrens gekommen ist, die sich der BF selbst zuzuschreiben hat. Weiters ergibt sich aus seinen unterschiedlichen -Aussagen über seine Staatsangehörigkeit, dass der BF sämtliche Mittel ergreift um einer Identitätsfeststellung und Abschiebung zu entgehen.
Bei Anwendung der neuen Schubhaftbestimmung nach § 76 Abs. 2a FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. 145/2017, wonach im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen sei, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiege, würden die vier strafrechtlichen Verurteilungen des und das rechtskräftige 5 jährige Einreiseverbot gegen den BF , bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zusätzlich stark zu Ungunsten des BF ins Gewicht fallen.
Die Prüfung in Algerien und Marokko zur Erlangung eines HRZ dauert noch an. Im Zuge der zu erwartenden möglichen Ausstellung eines HRZ geht das Gericht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidungserlassung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand durchaus möglich und realistisch ist. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere wesentliche Verlängerung der Schubhaft einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen sein wird. Dabei wird abermals eine Prognoseentscheidung hinsichtlich einer zeitnahen Effektuierung der Außerlandesbringung des BF durchzuführen sein. Das Gericht kommt daher zu dem Schluss, dass eine weitere Fortsetzung der Schubhaft weiterhin verhältnismäßig und notwendig ist.
Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt gegenständlicher Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft weiterhin vorliegen.
3.2. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014,
Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) hinsichtlich Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (VfGH 14.03.2012, VfSlg. 19.632/2012) festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Schubhaft,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2136092.8.00Zuletzt aktualisiert am
15.05.2020