TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/3 96/19/1507

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Veröffentlicht am 03.04.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §45 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des D I, geboren 1970, vertreten durch Dr. W W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. September 1995, Zl. 302.994/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 27. Jänner 1995 (Datum des Einlanges bei der Behörde erster Instanz) die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Der Beschwerdeführer berief.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. September 1995 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, im Fall des Beschwerdeführers habe sich gezeigt, daß hinsichtlich seines Unterhaltes von einem grundsätzlichen Mindestbedarf von S 16.640,-- (inkl. der Miete) für eine zweiköpfige Familie gemäß dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Wien auszugehen sei; tatsächlich stünden diesem S 12.000,--, welche vom Beschwerdeführer aufgebracht werden könnten, gegenüber. Angesichts dieser Differenz könne eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden. Auch die Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten hätte ergeben, daß den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen gewesen sei, da die Unterhaltsmittel in der Höhe von S 12.000,-- bei einer monatlichen Mietzinsbelastung von ca. S 9.600,-- nicht als ausreichend zu betrachten seien. Die Unterhaltsmittel reichten nicht aus, um ohne Unterstützung der Sozialhilfeträger auskommen zu können. Unter Berücksichtigung der für das Bundesland Wien feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes müßte der Sozialversicherungsträger Geldmittel zuschießen. Diese Erwägung bezüglich der Belastung des Sozialhilfeträgers sei auch im abweislichen Bescheid der Behörde erster Instanz begründet worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

Zieht die Behörde zur Beurteilung der Frage, ob die Einkünfte einen gesicherten Unterhalt für die Geltungsdauer der angestrebten Bewilligung erwarten lassen, den Maßstab des Sozialhilferechtes des betreffenden Bundeslandes heran, so begegnet dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bedenken (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zlen. 96/19/0858, 0859).

Die belangte Behörde ging davon aus, daß das Einkommen des Beschwerdeführers in der Höhe von S 12.000,-- monatlich nicht ausreiche, um den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers und einer zweiten, nicht näher bezeichneten Person (vermutlich der Ehegattin, die belangte Behörde spricht von "zweiköpfiger Familie") zu sichern. Die belangte Behörde stellte diesem Einkommen des Beschwerdeführers einen Mindestbedarf von S 16.640,-- gegenüber, der sich aus den Sätzen des Sozialhilferichtsatzes für das Bundesland Wien inklusive der Miete von S 9.600,-- berechne. In seiner Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe die Mietkosten viel zu hoch berechnet. Entgegen der Annahme der belangten Behörde, es falle eine monatliche Miete von S 9.600,-- an, habe er für die Untermiete lediglich einen Betrag von S 2.000,-- zu bezahlen. Er verweist darauf, daß dem vorgelegten Mietvertrag (mit dem Hauptmieter A.N.) zu entnehmen sei, daß einerseits eine Wohnung, bestehend aus nur einem Zimmer (Top 2), andererseits ein Straßenlokal und drei Nebenräume zum Betrieb einer Schneiderei (Top 3), wenn auch im gleichen Gebäude, vermietet worden seien. Der Hauptmieter A.N. habe ihm die Wohnung untervermietet, nicht aber das Geschäftslokal, in dem dieser selbst eine Schneiderei betreibe. Als Miete müsse er demnach nicht die Gesamtkosten, sondern nur seinen Anteil von S 2.000,-- im Monat zahlen. Eine entsprechende Bestätigung des Hauptmieters legte er der Beschwerde bei.

Die Berufungsbehörde stützte sich - entgegen ihren Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach "diese Erwägung bezüglich der Belastung des Sozialhilfeträgers auch im abweislichen Becheid erster Instanz begründet worden sei" - im angefochtenen Bescheid erstmals auf den Versagungsgrund des mangelnden Unterhaltes gemäß § 5 Abs. 1 AufG. Ändert die Behörde gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund, so ist sie verpflichtet, dies der Partei vorzuhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1985, Zl. 84/07/0221). Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer zum von ihr herangezogenen Abweisungsgrund kein Parteiengehör gewährt, weshalb das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde nicht dem sonst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterliegt.

Dabei ist ergänzend darauf hinzuweisen, daß sich schon aus dem Antrag selbst ergibt, der Beschwerdeführer bewohne nur die genannte, aus einem Zimmer bestehende Wohnung, gibt er doch als Adresse nicht nur die Straße, Hausnummer und Bezeichnung der Stiege (I) an, sondern auch die Türnummer 2. Aus dem vorgelegten Mietvertrag geht eindeutig hervor, daß nur die Wohnung Top 2 zu Wohnzwecken, Top 3 hingegen zum Betrieb einer Schneiderei vermietet worden war, sich die angegebene Miete aber auf beide Mietgegenstände bezog. Daß der Beschwerdeführer zu Wohnzwecken lediglich Top 2 in Untermiete benutzen konnte, ergibt sich somit bereits aus den Antragsunterlagen.

Mit dem Beschwerdevorbringen zeigt der Beschwerdeführer auf, daß die belangte Behörde, hätte sie ihm ihrer gesetzlichen Verpflichtung entsprechend zum nunmehr herangezogenen Versagungsgrund Parteiengehör gewährt, zu einem anderen Verfahrensergebnis hätte gelangen können. Träfe die Behauptung des Beschwerdeführers, seine Mietkosten würden S 2.000,-- nicht übersteigen, zu, so errechnete sich unter Zugrundelegung der - im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (5. April 1996) hier maßgeblichen - Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 77/1995, sein Mindestbedarf lediglich in einer Höhe von S 9.202,-- (Hauptunterstützter: S 4.759,--; mitunterstützte Ehefrau ohne Anspruch auf Familienbeihilfe: S 2.443,--, Miete: S 2.000,--). Daher würde das monatliche Einkommen des Beschwerdeführers von S 12.000,-- den errechneten Mindestbedarf (inklusive der Miete) übersteigen. Die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus dem Grunde der mangelnden Sicherung des Lebensunterhaltes für die Dauer der Bewilligung erwiese sich diesfalls aber nicht als rechtmäßig.

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Ersatz von Stempelgebühren für die Vorlage einer nicht zur Rechtsverfolgung notwendigen Unterlage.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996191507.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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