TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/6 G314 2201385-1

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Veröffentlicht am 06.02.2020
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Entscheidungsdatum

06.02.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §53 Abs2 Z7

Spruch

G314 2201385-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina Baumgartner über die Beschwerde der serbischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt II. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.06.2018, Zahl XXXX, wegen der Erlassung eines Einreiseverbots beschlossen (A) und zu Recht erkannt

(B):

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahin abgeändert, dass Spruchpunkt II. zu lauten hat:

"Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 und Z 7 FPG wird gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (BF) wurde am 18.06.2018 im Rahmen einer finanzpolizeilichen Kontrolle bei einer Beschäftigung ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung betreten. Nach ihrer Festnahme wurde sie vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ua zur beabsichtigten Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vernommen und am 20.06.2018 in ihren Herkunftsstaat abgeschoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt I.), gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 und Z 7 FPG ein auf vier Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Einreiseverbot wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die BF durch ihren Aufenthalt in Österreich Einwanderungsvorschriften missachtet habe, weil sie bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung betreten worden sei. Da sie über keine wesentlichen Geldmittel verfüge und ihr Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde, sei ein vierjähriges Einreiseverbot zu erlassen.

Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich nur gegen das in Spruchpunkt II. dieses Bescheids erlassene Einreiseverbot mit dem Antrag, es ersatzlos zu beheben, in eventu, die Dauer des Einreiseverbots zu reduzieren, in eventu, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen. Außerdem beantragt die BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG zuzuerkennen. Begründet wird die Beschwerde zusammengefasst damit, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft und die Entscheidung unzureichend begründet worden sei. Die BF habe im Bundesgebiet ihre Mutter und ihren Stiefvater besucht, von denen sie finanziell unterstützt werde. Ihr Lebensmittelpunkt liege in Serbien, wo sie über ausreichende finanzielle Mittel verfüge; sie sei daher nicht mittellos. Sie habe nicht vorgehabt, sich länger als erlaubt im Bundesgebiet aufzuhalten.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, den angefochtenen Bescheid zu bestätigen.

Mit den Eingaben vom 26.08.2019 und vom 22.01.2020 wurde die Entscheidung des BVwG urgiert.

Feststellungen:

Die BF ist serbische Staatsangehörige und wurde am XXXX in XXXX geboren, wo sie ihren Wohnsitz hat. Sie spricht die serbische Sprache, bruchstückhaft Deutsch und absolvierte die ersten vier Jahre der Grundschule in Serbien; von der vierten bis zur siebten Schulstufe hielt sie sich in XXXX auf. Danach kehrte sie nach Serbien zurück, wo sie noch zwei Jahre lang zur Schule ging und anschließend für ein Fast-Food-Unternehmen arbeitete, zuletzt aber ohne Beschäftigung war (Reisepass AS 5; Niederschrift BFA AS 62 f).

Die BF ist ledig und Mutter zweier mittlerweile volljähriger Kinder. Ihre Mutter, die mit einem Österreicher verheiratet ist, ihr Onkel und ihre Halbschwester leben in Österreich, ihr Vater und ihre beiden Geschwister dagegen in Serbien. Die Söhne der BF halten sich nicht (mehr) im Bundesgebiet auf (Niederschrift BFA AS 62 f;

Bezugsbestätigung AS 143; Anmeldung zur Sozialversicherung AS 145;

Schreiben der PVA AS 147; ZMR-Auszüge).

Die BF verfügt über einen am XXXX.2017 ausgestellten und bis 2027 gültigen serbischen Reisepass, mit dem sie zuletzt am 23.05.2018 über Ungarn in den Schengenraum und anschließend nach Österreich einreiste. Von 1991 bis 2004 war sie in XXXX an unterschiedlichen Adressen mit Nebenwohnsitz gemeldet gewesen, von 14.11.2014 bis 10.12.2014 mit Hauptwohnsitz. Zum Zeitpunkt ihrer Festnahme bestand keine Wohnsitzmeldung in Österreich (Reisepass AS 5 f; ZMR-Auszug; Niederschrift BFA AS 65).

Am 18.06.2018 wurde die BF bei einer Überprüfung durch die Finanzpolizei auf dem Gelände einer Baustelle in XXXX bei Reinigungsarbeiten für das Einzelunternehmen "XXXX" XXXX angetroffen. Sie verfügte über keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung und war nicht zur Sozialversicherung angemeldet. Bei ihrer Festnahme hatte sie Bargeld von EUR 25 bei sich. Sie konnte keine weiteren finanziellen Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts nachweisen und verneinte den Besitz einer Kredit- oder Debitkarte oder von anderen Vermögenswerten (Aktenvermerk AS 3; Strafantrag Finanzpolizei AS 161 ff; Firmenbuch; Niederschrift BFA AS 63 ff;).

Bei der BF bestehen diverse gesundheitliche Probleme (Bluthochdruck, Herzrasen, psychische Probleme), die in Serbien behandelt werden. Trotzdem ist sie grundsätzlich arbeitsfähig (Niederschrift BFA AS 62 ff; Mitteilung der Rechtsvertretung OZ 6).

Die BF wurde in Österreich noch nie strafgerichtlich verurteilt (Strafregisterauszug). Ihr wurde keine Aufenthaltsberechtigung erteilt (IZR-Auszug). Sie ging in Österreich nie einer der Sozialversicherung gemeldeten Beschäftigung nach (Niederschrift BFA AS 63; Auskunft des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger AS 9).

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten. Die Abschiebung der BF nach Belgrad geht aus dem Ausreisebericht des Stadtpolizeikommandos XXXX vom XXXX.2018 hervor.

Die Feststellungen basieren jeweils auf den in den Klammerzitaten angegebenen Beweismitteln, wobei sich die angegebenen Aktenseiten (AS) auf die Nummerierung der Verwaltungsakten beziehen.

Die Identität der BF wird durch die vorliegende Kopie aus ihrem Reisepass bestätigt, aus dem auch ihr Geburtsort und die Wohnanschrift in Serbien hervorgehen. Serbische Sprachkenntnisse sind aufgrund ihrer Herkunft naheliegend und können auch deshalb festgestellt werden, weil eine Verständigung mit dem vom BFA beigezogenen Dolmetsch für Serbisch problemlos möglich war. Grundlegende Deutschkenntnisse sind angesichts der zum Teil in Österreich absolvierten Schulbildung und der früheren Wohnsitzmeldungen im Inland laut dem Zentralen Melderegister (ZMR) plausibel.

Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen der BF beruhen auf ihren weitgehend plausiblen und nachvollziehbaren Angaben bei der Einvernahme vor dem BFA, die durch Auszüge aus dem ZMR untermauert werden. Daraus ist ersichtlich, dass die Mutter und der Stiefvater der BF, der österreichischer Staatsbürger ist, in XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet sind.

Die BF gab vor dem BFA an, dass ihr damals XXXX Sohn in Serbien lebe. Es gibt keine Hinweise, dass sich dies in der Zwischenzeit geändert hat. Ihr jüngerer Sohn XXXX ist laut ihrer Aussage am XXXX geboren (und daher inzwischen ebenfalls bereits volljährig). Er sei mit ihr gemeinsam in das Bundesgebiet eingereist, um hier ihre Mutter zu besuchen bzw. lebe bei ihrer Mutter. Da sich aus dem ZMR ergibt, dass XXXX nur zwischen XXXX.2017 und XXXX.2018 mit Hauptwohnsitz in XXXX gemeldet war und seither keine Wohnsitzmeldung mehr besteht, ist mangels anderer Beweisergebnisse davon auszugehen, dass er Österreich mittlerweile ebenfalls verlassen hat. Dem von der Rechtsvertretung der BF mit Schreiben vom 26.08.2019 erstatteten unsubstanziierten Vorbringen, alle Verwandten der BF würden in Österreich leben, kann angesichts ihrer eigenen anderslautenden Angaben gegenüber dem BFA nicht gefolgt werden.

Der Umstand, dass die BF im Mai 2018 in den Schengenraum einreiste und sich von da an bis zu ihrer Festnahme in Österreich aufhielt, ergibt sich aus dem im Reisepass ersichtlichen Einreisestempel.

Die BF gab an, sie habe sich zuletzt ohne Anmeldung im Bundesgebiet aufgehalten. Im ZMR scheint damit übereinstimmend seit Dezember 2014 keine Wohnsitzmeldung in Österreich auf. Das Fehlen eines Aufenthaltstitels kann festgestellt werden, zumal im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) kein solcher aufscheint. Dass die BF über eine Aufenthaltsberechtigung oder eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung verfügt hätte, wird in der Beschwerde nicht behauptet und lässt sich auch den Verwaltungsakten nicht entnehmen.

Der Umstand, dass die BF im Rahmen einer Kontrolle durch die

Finanzpolizei auf einer Baustelle bei Reinigungsarbeiten für das

Einzelunternehmen der XXXX ("XXXX laut Firmenbuch) betreten wurde,

ergibt sich aus dem Aktenvermerk und dem Strafantrag der

Finanzpolizei sowie auf den von dieser aufgenommenen

Personenblättern und Niederschriften. Die unerlaubte Beschäftigung

wurde von der BF vor dem BFA grundsätzlich nicht bestritten; sie

wies lediglich darauf hin, dass sie nur aushilfsweise für einen

Bekannten gearbeitet habe (vgl. AS 63: "Ich kenne den Besitzer einer

Reinigungsfirma. Der sagte gestern, dass er Rückenschmerzen habe und

wer ihm helfen könne. So sagte ich zu und reinigte Container. Ich

wollte nur helfen, nur human sein."). Dies steht mit den Angaben des

XXXX gegenüber der Finanzpolizei in Einklang (siehe AS 171: "Ich

habe alle drei Personen gegen 8 Uhr von der XXXX geholt und auf die

Baustelle gebracht. Ich wollte, dass mir die Genannten rasch auf der

Baustelle helfen, um dann die erforderlichen Genehmigungen zu

beantragen. Ich leide unter Rückenschmerzen ... Daher wollte ich,

dass sie mir hier helfen. Als Gegenleistung wollte ich ihnen einen

Kaffee bezahlen. Danach hätte ich sie wieder nach XXXX gebracht. Die

Arbeiten hätten wahrscheinlich eine Stunde gedauert. Die

Reinigungsgegenstände ... sind von mir.").

Die Feststellungen zu den medizinischen Problemen der BF, deren Behandlung und ihrer dennoch bestehenden Arbeitsfähigkeit basieren auf ihren glaubhaften Angaben vor dem BFA. Bluthochdruck und Herzrasen (Tachykardie) stehen mit der Einnahme von Enalapril, einem Arzneistoff, der zur Behandlung der arteriellen Hypertonie und der Herzinsuffizienz eingesetzt wird (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Enalapril; Zugriff am 05.02.2020) in Einklang. Das weitere von der BF angegebene Medikament Bromazepan wird zur Behandlung von akuten Angstzuständen sowie als Beruhigungs- und Schlafmittel verwendet

(https://de.wikipedia.org/wiki/Bromazepam; Zugriff am 05.02.2020), was in Zusammenschau mit der Mitteilung der Rechtsvertretung vom 23.08.2019, wonach die BF im Mai 2019 einen "Nervenzusammenbruch" erlitten habe, belegt, dass sie an behandlungsbedürftigen psychischen Problemen leidet. Da sie aber vor dem BFA auch erklärte, dass nichts gegen eine Arbeitsaufnahme in Serbien spräche, sie in Österreich bei Reinigungsarbeiten betreten wurde und von ihrer Rechtsvertretung mitgeteilt wurde, dass sie nach dem Nervenzusammenbruch wieder auf dem Weg der Besserung sei, ist (auch angesichts ihres erwerbsfähigen Alters) davon auszugehen, dass sie trotz dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen grundsätzlich arbeitsfähig ist. Wenn die Rechtsvertretung vorbringt, dass es nach dem Nervenzusammenbruch eine Erleichterung für die BF wäre, ihre Mutter besuchen zu können, ist dem entgegenzuhalten, dass die Mutter der BF diese in Serbien besuchen kann, zumal sie laut ZMR serbische Staatsangehörige ist und dort geboren wurde, zumal die BF dann keinen Reisestrapazen ausgesetzt wäre und ohnedies in ihrem Heimatstaat medizinisch versorgt wird.

Es gibt keine Hinweise darauf, dass die BF über weitere finanzielle Mittel (zusätzlich zu dem Bargeld, das sie bei ihrer Festnahme bei sich hatte) verfügt, zumal sie vor dem BFA angab, aktuell in keinem aufrechten Beschäftigungsverhältnis zu stehen und ausdrücklich erklärte, nicht mehr Geld und auch weder eine Kredit- noch eine Debitkarte zu haben.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF wird durch das Strafregister, in dem keine Verurteilung aufscheint, belegt. Es gibt keine Hinweise auf Verurteilungen in anderen Staaten. Das Fehlen von Zeiten der Sozialversicherung in Österreich basiert auf der entsprechenden Auskunft der Sozialversicherung (AS 9).

Es sind keine Anhaltspunkte für eine Integration der BF in Österreich zutage getreten, die über die Feststellungen hinausgeht. Ihr Lebensmittelpunkt befand sich bislang (auch nach dem Beschwerdevorbringen) in ihrem Herkunftsstaat, wo auch familiäre Anknüpfungen bestehen. Für die enge Verbindung der BF zu ihrem Heimatstaat sprechen auch die - mit einer Unterbrechung für wenige Jahre - in Serbien erfolgte Schulbildung und ihre Berufstätigkeit dort.

Rechtliche Beurteilung:

Die Beschwerde richtet sich gegen den Ausspruch eines Einreiseverbots laut Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids. Außerdem beantragt die BF die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag der BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Da sich die Beschwerde ausdrücklich nur gegen das Einreiseverbot richtet, liegt keine Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung iSd § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG vor, sodass auch die amtswegige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht in Betracht kommt.

Zu Spruchteil B):

Die BF ist als Staatsangehörige von Serbien Fremde iSd § 2 Abs 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 53 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der oder die Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von dessen oder deren bisherigem Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs 2 Z 1 bis 9 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist z.B. dann anzunehmen, wenn der oder die Drittstaatsangehörige den Besitz der Unterhaltsmittel nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs 2 Z 6 FPG) oder bei einer Beschäftigung betreten wird, die nach dem AuslBG nicht ausgeübt hätte werden dürfen, es sei denn, er oder sie hätte nach den Bestimmungen des AuslBG für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der er oder sie betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen (§ 53 Abs 2 Z 7 FPG). In diesen Fällen kann ein Einreiseverbot für höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Es ist zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung der Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des oder der Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist zudem im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des oder der Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl. auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289 und 22.08.2019, Ra 2019/21/0062).

Im Zusammenhang mit der Prüfung ausreichender Unterhaltsmittel muss der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts gesichert sein, wobei diese Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen dürfen (VwGH 29.04.2010, 2007/21/0262). Es ist initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass der oder die Fremde nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung des Unterhalts verfügt, sondern der Unterhalt für die beabsichtigte Aufenthaltsdauer und die Rückreise gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass ein Rechtsanspruch darauf besteht und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309).

Die BF hat diesen Nachweis nicht erbracht und insbesondere keine Bescheinigungsmittel für EUR 25 übersteigende finanzielle Mittel vorgelegt. Sie verneinte den Besitz einer Kredit- oder Debitkarte sowie von sonstigem Vermögen. Rechtansprüche auf Geld- oder Unterhaltsleistungen wurden weder behauptet noch belegt. Die vorhandenen geringen Barmittel reichen jedenfalls nicht aus, zumal genügend Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat nachzuweisen sind. Die BF hatte keine Möglichkeit, in Österreich auf legalem Weg weitere Unterhaltsmittel zu erwerben. Sie hat weder dargelegt, wie lange sie noch im Gebiet der Mitgliedstaaten bleiben wollte, noch, wie sie die Rückreise finanzieren wollte, und auch kein (bereits bezahltes) Ticket dafür vorgelegt. Da die BF volljährig und selbsterhaltungsfähig ist, hat sie keinen Rechtsanspruch auf die in der Beschwerde behauptete finanzielle Unterstützung durch ihre Mutter und ihren Stiefvater, sodass die Behörde zu Recht von ihrer Mittellosigkeit ausging.

Für die Erfüllung des Tatbestands des § 53 Abs 2 Z 7 FPG bedarf es der Feststellung der nach dem AuslBG nicht zulässigen Beschäftigung auf Grund einer Nachschau durch die dafür berufenen Behörden (VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311). Als Beschäftigung iSd § 2 Abs 2 AuslBG gilt (soweit hier relevant) die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis. Gemäß § 2 Abs 4 AuslBG ist für die Beurteilung, ob eine solche Beschäftigung vorliegt, ausschließlich der wahre wirtschaftliche Gehalt der Tätigkeit maßgeblich. Liegt eine Verwendung in einem (persönlichen und wirtschaftlichen) Abhängigkeitsverhältnis vor, das typischerweise den Inhalt eines Arbeitsverhältnisses oder eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses bildet, ist von einer der Bewilligungspflicht nach dem AuslBG unterworfenen Beschäftigung auszugehen, der auch eine kurzfristige oder aushilfsweise Beschäftigung unterliegt.

Hier wurde die BF am 18.06.2018 von der Finanzpolizei bei Reinigungsarbeiten auf einer Baustelle ohne die dafür erforderliche Bewilligung nach dem AuslBG (und ohne Anmeldung bei der Sozialversicherung) betreten. Da es sich um einfache manipulative Tätigkeiten handelt, deutet dies auf eine Stellung als Arbeitnehmerin hin (ähnlich VwGH 24.03.2011, 2008/09/0052), zumal die Bezahlung eines Entgelts keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses oder eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses ist (siehe VwGH 03.10.2013, 2012/09/0174) und auch die Leistung von Kost und Logis in diesem Zusammenhang als Entgelt anzusehen ist (siehe VwGH 09.09.2014, Ro 2014/09/0047).

Eine vorsätzliche Vorgehensweise ist keine Voraussetzung für eine Beschäftigung entgegen den Bestimmungen des AuslBG. Wer eine Erwerbstätigkeit in Österreich aufnimmt, muss sich mit den dafür einschlägigen Rechtsnormen vertraut machen, zumal es bei der Beurteilung der (Un-)Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Inland nicht auf die subjektive Sicht des oder der betroffenen Fremden ankommt (vgl. VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311).

Demnach hat das BFA zu Recht die Erfüllung der Tatbestände des § 53 Abs 2 Z 6 und Z 7 FPG bejaht. Überdies verstieß die BF gegen melderechtliche Vorschriften, indem sie in Österreich Unterkunft nahm, ohne sich bei der Meldebehörde anzumelden.

Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs 2 FPG indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des oder der Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet. Diese Gefährdungsannahme ist beim Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 7 FPG auch bereits bei einmaliger Verwirklichung berechtigt. Ein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet und eine ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung ausgeübte Erwerbstätigkeit gefährden öffentliche Interessen (siehe VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0371).

Aufgrund des persönlichen Verhaltens der BF, die mehrere Rechtsnormen missachtete, gefährdet ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Wegen ihrer Beschäftigungslosigkeit und tristen finanziellen Lage ist zu befürchten, dass sie dieses Verhalten auch in Zukunft fortsetzt. Der Behörde ist vor diesem Hintergrund darin beizupflichten, dass für sie keine günstige Zukunftsprognose erstellt werden kann und Wiederholungsgefahr besteht. Die mit Mittellosigkeit allgemein verbundene Gefahr der Beschaffung finanzieller Mittel aus illegalen Quellen hat sich bereits durch die unrechtmäßige Ausübung einer Erwerbstätigkeit realisiert.

Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen und an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" kommt zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zur Verhinderung von Schäden für die österreichische Wirtschaft ein hoher Stellenwert zu. Dieses öffentliche Interesse überwiegt in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung das private Interesse der BF an einem Aufenthalt in den vom Einreiseverbot umfassten Staaten, zumal ihr Lebensmittelpunkt in Serbien liegt. Sie ist mit Sprache und Gepflogenheiten vertraut, zumal sie ihre Schulausbildung zum Großteil in Serbien absolvierte, dort in der Vergangenheit erwerbstätig war und medizinisch versorgt wird. Allfällige Kontakte zu Freunden und Verwandten, die im vom Einreiseverbot betroffenen Staaten wohnen, können auch durch Telefonate, elektronische Kommunikationsmittel (E-Mail, Internet) oder Besuche bei der BF in Serbien (oder in anderen Staaten, in denen das Einreiseverbot nicht gilt) aufrechterhalten werden. Abgesehen von ihrer unerlaubten Erwerbstätigkeit, dem bereits länger zurückliegenden Schulbesuch, rudimentären Deutschkenntnissen und dem Aufenthalt der Mutter und anderer entfernterer Angehöriger im Bundesgebiet liegen keine besonderen Integrationsmomente vor.

Da der BF (neben der Missachtung melderechtlicher Vorschriften und dem Fehlen ausreichender Existenzmittel) anzulasten ist, dass sie bei einer Beschäftigung betreten wurde, für die die erforderliche Bewilligung nach dem AuslBG nicht vorlag und die auch nicht bei der Sozialversicherung angemeldet war, sind die Voraussetzungen für die Erlassung eines bis zu fünfjährigen Einreiseverbots erfüllt. Dessen Dauer ist aber - in teilweiser Stattgebung der Beschwerde - auf zwei Jahre zu reduzieren, was dem Fehlverhalten der unbescholtenen und kooperativen BF und der von ihr ausgehenden Gefährdung entspricht. Dadurch bleibt auch eine Steigerung der Sanktion bei einem neuerlichen, allenfalls schwerwiegenderen Fehlverhalten möglich.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben. Dem angefochtenen Bescheid ging ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren des BFA voran, das die die entscheidungswesentlichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung offengelegt hat. Das Gericht teilt die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung, zumal keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufgetreten sind. In der Beschwerde wurde kein für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet, der dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegensteht oder darüber hinausgeht.

Zu Spruchteil C):

Erhebliche Rechtsfragen von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG stellten sich nicht, weshalb die Revision an das Höchstgericht nicht zuzulassen ist.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall, Einreiseverbot, Herabsetzung,
Interessenabwägung, Milderungsgründe, öffentliche Interessen,
Unbescholtenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2201385.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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