TE Bvwg Beschluss 2020/2/24 W175 2228160-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.02.2020
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Entscheidungsdatum

24.02.2020

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W175 2228160-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Neumann nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 17.12.2019, GZ. Islamabad-ÖB/KONS/1763/2019, aufgrund des Vorlageantrags von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 31.10.2019, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 25.06.2019 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (ÖB Islamabad) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005.

Als Bezugsperson wurde die Ehefrau des BF, ebenfalls afghanische Staatsangehörige, genannt, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 08.05.2015 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Der BF wurde am 25.06.2019 durch die ÖB Islamabad interviewt.

Die Bezugsperson wurde am 19.08.2019 niederschriftlich einvernommen.

2. Nachdem die Unterlagen dem BFA übermittelt wurden, teilte dieses der belangten Behörde in seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG, datiert mit 02.10.2019, mit dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten im Rahmen des Familienverfahrens nicht wahrscheinlich sei. Der BF habe die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG nicht nachgewiesen und die Einreise des BF erscheine zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten. Näheres ergebe sich aus der beiliegenden Stellungnahme.

In der diesbezüglichen Stellungnahme wurde ausgeführt, dass der Bescheid der Bezugsperson am 27.05.2015 rechtskräftig geworden sei. Der gegenständliche Antrag sei erst nach Ablauf von drei Monaten gestellt worden, daher seien die Erteilungsvoraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG zu erfüllen. Aufgrund der niederschriftlichen, nachvollziehbaren und übereinstimmenden Angaben sowie der vorgelegten Dokumente sei das behauptete Familienverhältnis als erwiesen anzusehen. Die Bezugsperson beziehe seit Mai 2018 lediglich bedarfsorientierte Mindestsicherung. Der Familienangehörige müsse für sich und seinen Ehepartner den "Ehegattenrichtsatz" iHv 1.398,97 Euro aufbringen. Die Beträge müssten nach Abzug der monatlichen regelmäßigen Kosten, soweit diese in Summe 294,65 Euro ("Wert der freien Station") überschreiten, zu Verfügung stehen. Anhand des vorgelegten Mietvertrages ergebe sich ein monatlicher Bruttomonatszins von 658,64 Euro. Es würden daher den "Wert der freien Station" übersteigende zusätzliche Kosten von 363,99 Euro anfallen und der erforderliche Betrag von insgesamt 1.762,96 Euro werde nicht erreicht. Es sei ein Mietvertrag über eine 54m² große Wohnung vorgelegt worden, in welcher die Bezugsperson mit den zwei volljährigen Töchtern wohnhaft sei. Bei der Unterkunft könne daher nicht von einer adäquaten Unterkunft ausgegangen werden, die für ein Ehepaar als ortsüblich angesehen werde. Die Wohnung sei überbelegt. Hinsichtlich des Art. 8 EMRK wurde auf die Möglichkeit einer Familienzusammenführung nach dem NAG verwiesen. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 und Z 3 AsylG seien nicht erfüllt. Zudem komme die Behörde zum Ergebnis, dass das behauptete Familienverhältnis mangels erforderlicher staatlicher Registrierung der Ehe, insbesondere vor Ausreise der Bezugsperson, nicht bestehe und die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AsylG somit nicht vorliegen würden.

3. Mit Schreiben vom 03.10.2019, zugestellt am selben Tag, wurde dem BF eine Aufforderung zur Stellungnahme übermittelt. Es wurde mitgeteilt, dass das BFA nach Prüfung des Antrages mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Eine ausführliche Begründung sei der beiliegenden Stellungnahme des BFA vom 02.10.2019 zu entnehmen. Es werde hiermit Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist von einer Woche ab Zustellung die angeführten Ablehnungsgründe durch ein unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.

Der BF brachte keine Stellungnahme ein.

4. Mit Bescheid vom 31.10.2019 wies die ÖB Islamabad den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 26 FPG iVm § 35 AsylG ab. Da der BF keine Stellungnahme eingebracht habe, sei auf Grund der Aktenlage spruchgemäß entschieden worden. Begründend wurde auf die Stellungnahme des BFA vom 02.10.2019 verwiesen.

5. In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde vom 28.11.2019 wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Gesundheitszustand des BF schlecht sei. Er lebe alleine in Pakistan und benötige dringend Hilfe von seiner Familie in Österreich. Seine älteste Tochter leide aufgrund der Trennung vom Vater an Depressionen. Die Bezugsperson unterstütze ihn finanziell. Das BFA widerspreche sich in seiner Stellungnahme dahingehend, dass es zunächst als erwiesen angenommen habe, dass die Bezugsperson die Ehefrau des BF sei. In der Folge werde jedoch ausgeführt, dass aufgrund einer fehlenden staatlichen Registrierung der Ehe das behauptete Familienverhältnis nicht bestehe. Diesbezüglich legte der BF eine Heiratsurkunde vom 13.10.1991 inklusive deutscher Übersetzung sowie die Beurkundung der am 22.03.1991 geschlossenen Ehe durch das afghanische Generalkonsulat in Pakistan vom 20.06.2016 inklusive englischer Übersetzung vor. Betreffend die ortsübliche Unterkunft wurde ausgeführt, dass aus dem beiliegenden Grundrissplan ersichtlich sei, dass die Wohnung "WG-tauglich" sei, da insbesondere das Bad und die Toilette so begehbar seien, dass man nicht durch ein anderes Zimmer gehen müsse. Dies werde bei der Abwägung nach Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sein, wenn beurteilt werde, ob die Abwägung lediglich aufgrund der Einkommensverhältnisse zu Ungunsten des BF ausgehe. Betreffend Art. 8 EMRK wurde ausgeführt, dass der BF schon seit Jahren von seiner Ehefrau getrennt lebe und eine Fernbeziehung nicht mehr zumutbar sei, da der BF über das Telefon nicht mehr sinnvoll kommunizieren könne. Er benötige die ständige Pflege durch seine Töchter und Ehefrau.

6. In der Folge erließ die ÖB Islamabad am 17.12.2019, zugestellt am selben Tag, Zl. Islamabad-ÖB/KONS/1763/2019, eine Beschwerdevorentscheidung, in welcher die Beschwerde gemäß

§ 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend führte die ÖB Islamabad aus, es sei ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden sei. Die Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des BFA durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht. Daran, dass die Vertretungsbehörden an die Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA gebunden seien, und damit keinen eigenen Entscheidungsspielraum hätten, habe der VwGH in seiner Entscheidung vom 30.06.2016, Ra 2015/21/0068, festgehalten. Danach unterliege die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des BFA einer Überprüfung nur durch das Bundesverwaltungsgericht, wenn gegen einen Bescheid nach § 35 AsylG Beschwerde erhoben werde.

Im vorliegenden Fall sei der Einreiseantrag außerhalb der in § 35 Abs. 1 AsylG vorgesehenen dreimonatigen Frist gestellt worden. Die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG seien nicht erfüllt worden. Die Bezugsperson beziehe lediglich bedarfsorientierte Mindestsicherung, daher habe der Nachweis, dass der Aufenthalt des BF zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führe könne, nicht erbracht werden können. Auch sei die Voraussetzung des § 60 Abs. 2 Z 3 AsylG nicht erfüllt. Das BFA habe zutreffend ausgeführt, dass aus einem aktuellen Auszug des zentralen Melderegisters ersichtlich sei, dass in der Wohnung der Bezugsperson auch die zwei volljährigen Töchter gemeldet seien. Die Wohnung sei somit überbelegt.

Betreffend die Regelung des § 35 Abs. 4 Z 3 letzter Halbsatz AsylG wurde ausgeführt, dass diese nur wenn eine Familienzusammenführung im Grund von § 46 NAG nicht hinreiche, sondern Art. 8 EMRK für den Familienangehörigen einen asylrechtlichen Status nach §§ 34 und 35 AsylG gebiete, zum Tragen komme. Es sei im gegenständlichen Fall nicht zu sehen, dass es nach § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens dringend geboten wäre, eine Familienzusammenführung nach §§ 34 und 35 AsylG zu ermöglichen. Auf die Möglichkeit einer Familienzusammenführung nach § 46 NAG wurde verwiesen.

7. Mit Schreiben vom 21.12.2019 wurde bei der ÖB Islamabad ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht. Zur Begründung wurde dabei auf die Beschwerde vom 28.11.2019 verwiesen. Eine mündliche Beschwerdeverhandlung wurde beantragt.

8. Mit Schreiben des BFA vom 28.01.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 30.01.2020, wurde der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde und Zurückverweisung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) idgF lauten wie folgt:

§ 2 Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen, entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger).

Beschwerdevorentscheidung

§ 14 (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

(3) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Vorlageantrag

§ 15 (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.

(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde

1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;

2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.

Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.

(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.

Verfahren vor dem Verwaltungsgericht

Anzuwendendes Recht

§ 17 Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte."

Gemäß § 9 Abs. 3 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen der Vertretungsbehörden.

Erkenntnisse und Beschlüsse

§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten wie folgt:

Familienverfahren im Inland

§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

§ 60 (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

[...]

§ 75 Abs. 24 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:

(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter.

Der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels wurde am 25.06.2019, und somit nach Inkrafttreten des § 35 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 am 01.06.2016, eingebracht. Gemäß der Übergangsbestimmung § 75 Abs. 24 AsylG 2005 war daher § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der geltenden Fassung anzuwenden. Der Bezugsperson wurde der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 am 01.06.2016 rechtskräftig zuerkannt. Der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels wurde am 25.06.2019 und sohin nicht innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 am 01.06.2016 gestellt; die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 sind daher zu erfüllen.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten wie folgt:

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung ist auch die Rechtsmittelinstanz anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3 FPG, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§ 2 Abs. 4 Z 13) oder Praktikanten (§ 2 Abs. 4 Z 13a) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152 uvam).

Mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, wurde in § 9 Abs. 3 FPG jedoch für Fremde (ohne Unterschied) die Möglichkeit geschaffen, gegen ablehnende Entscheidungen der österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten Beschwerde an das BVwG zu erheben; dies gilt auch für die Ablehnung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG. Das Gesetz sieht nun ein geschlossenes Rechtsschutzsystem vor, in dem das Zusammenwirken zweier Behörden (der unmittelbaren Bundesverwaltung), wie es in § 35 Abs. 4 AsylG angeordnet wird, vor einem gemeinsamen, zuständigen Verwaltungsgericht, nämlich dem BVwG, angefochten und dort überprüft werden kann. Dabei steht es dem BVwG offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, was voraussetzt, dass das BFA seine Mitteilung auch entsprechend begründet und dem Antragsteller Gelegenheit geboten wird, davon Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung nehmen zu können. Wird dieses Parteiengehör nicht gewährt, könnte einem bestreitenden Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerde an das BVwG gegen eine abweisende Entscheidung in Bezug auf den Einreisetitel nach § 35 AsylG das Neuerungsverbot nach § 11a Abs. 2 FPG nicht entgegengehalten werden (vgl. auch VwGH vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0083 bis 0086-12).

Der VfGH hat in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits wiederholt gefordert, im Visaverfahren nach § 35 AsylG auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. insbesondere auch VfGH vom 06.06.2014, B 369/2013, und vom 23.11.2015, E 1510- 1511/2015-15).

Im gegenständlichen Fall ging die Behörde davon aus, dass der BF die Voraussetzungen des § § 60 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG nicht erfülle. Es wurde jedoch unterlassen, die Grundvoraussetzung für die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG, nämlich die Familienangehörigeneigenschaft des BF, zu klären. Der Behörde ist daher ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorzuwerfen.

Aus der Stellungnahme des BFA vom 02.10.2019 geht einerseits hervor, dass aufgrund der niederschriftlichen Angaben, der dabei gemachten nachvollziehbaren und übereinstimmenden Angaben sowie der vorgelegten Dokumente das behauptete Familienverhältnis als erwiesen anzunehmen sei (vgl. S. 3 der Stellungnahme). Kurz darauf führt das BFA in der Stellungnahme dazu im Widerspruch aus, dass die Behörde zu dem Ergebnis komme, dass das behauptete Familienverhältnis mangels erforderlicher staatlicher Registrierung der Ehe, insbesondere vor Ausreise der Bezugsperson, nicht bestehe und die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen würden (vgl. S. 7 der Stellungnahme). Hierzu ist auszuführen, dass es nicht erkennbar ist, ob die Behörde im vorliegenden Fall von einer Familienangehörigeneigenschaft des BF iSd AsylG ausgegangen ist oder nicht. Weiters ist der Stellungnahme des BFA zu entnehmen, dass die Bezugsperson am 19.08.2019 niederschriftlich einvernommen worden sei (vgl. S. 1 der Stellungnahme unter "herangezogene Beweismittel"). Die Niederschrift dieser Einvernahme wurde dem Bundesverwaltungsgericht nicht übermittelt und ist daher eine Prüfung bzw. ein Vergleich der Angaben der Bezugsperson und des BF durch das Bundesverwaltungsgericht nicht möglich. Hinsichtlich der Angaben des BF in seinem Interview vor der ÖB Islamabad am 25.06.2019 ist auszuführen, dass dieser angab 85 Jahre alt zu sein, die Bezugsperson sei 41 Jahre alt. Auf die Frage, wann er die Bezugsperson geheiratet habe, gab der BF an, dies sei vor maximal 25 Jahren gewesen. Aus den vorgelegten Unterlagen und Angaben des BF ist jedoch ersichtlich, dass der BF im Zeitpunkt des Interviews 73 und seine Ehefrau 47 Jahre alt waren. Aus den vorgelegten Ehedokumenten geht weiters eine vermeintliche Hochzeit im Jahr 1991, also vor 28 Jahren, hervor.

Der BF legte zum Nachweis der Familienangehörigeneigenschaft im Rahmen seiner Beschwerde eine Heiratsurkunde des afghanischen Generalkonsulates in Pakistan vom 20.06.2016 inklusive englischer Übersetzung vor. Hierzu ist auszuführen, dass diese unter das Neuerungsverbot des § 11a Abs. 2 FPG fällt und entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides auch keine deutsche Übersetzung angeschlossen war. Auch enthält diese Heiratsurkunde die am 20.06.2016 vor dem Generalkonsulat erstatteten Aussagen von zwei namentlich genannten Personen, wonach die am 22.03.1991, also 25 (!) Jahre zuvor, erfolgte Eheschließung des BF mit der Bezugsperson bestätigt werde. Die Eheleute werden in der Urkunde namentlich genannt, allerdings nur durch den Vornamen und die Vornamen von Vater und Großvater werden angeführt; Altersangaben oder Geburtsdaten fehlen. Als gemeinsame Töchter des Paares werden "Wosie" und "Dewa" genannt.

Die Beweiskraft derartiger, allein auf Zeugenaussagen basierender Urkunden ist generell gering, weil der Wahrheitsgehalt solcher Zeugenaussagen vor Ausstellung der Urkunden nicht überprüft wird, afghanische Personenstandsurkunden unwahren Inhalts weit verbreitet sind und derartige Dokumente von den Behörden ohne adäquaten Nachweis ausgestellt werden (z.B. deutsches Auswärtiges Amt, 06.11.2015, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 27).

Die vorgelegte Heiratsurkunde ist daher nicht geeignet, die angeblich 25 Jahre zuvor stattgefundene Eheschließung zwischen dem BF und der Bezugsperson nachzuweisen. Weiters wurde eine Heiratsurkunde über die traditionelle Eheschließung vorgelegt. Aus dieser geht wiederrum der 13.10.1991 als Hochzeitsdatum hervor. Urkunden über eine Registrierung der Ehe wurden nicht vorgelegt. Die durch das Generalkonsulat beurkundeten Zeugenaussagen vom 20.06.2016 über eine Eheschließung stellen keine staatliche Registrierung der Ehe dar.

Für den Fall, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG nicht erfüllt sind, ist die Ermessensregel des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG zu beachten. Voraussetzung dieser Ausnahme ist, dass die Einreise des Antragstellers zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens "dringend geboten ist". So ist im Zuge dieser Beurteilung unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VfGH vom 23.09.2019, E 2226-2230/2019, sowie sinngemäß VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Eine derartige Abwägung der privaten und familiären Interessen des BF iSd Art. 8 EMRK setzt jedoch voraus, dass die Familienangehörigeneigenschaft des BF als Ehemann der Bezugsperson zweifelsfrei feststeht.

Da im gegenständlichen Fall schon die primäre Voraussetzung für die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Asyl nicht festgestellt werden kann, ist der Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorzuwerfen. Da diese Vorfrage ungeklärt ist, war auch auf die Frage, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG im gegenständlichen Fall erfüllt sind, nicht näher einzugehen.

Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren festzustellen haben, ob die Familienangehörigeneigenschaft zweifelsfrei vorliegt oder nicht. Hierzu werden die Angaben der Bezugsperson in ihrem Asylverfahren, die Angaben des BF und der Bezugsperson in ihren Einvernahmen am 25.06.2019 bzw. 19.08.2019 sowie die vorgelegten Unterlagen (insb. die Heiratsurkunden) heranzuziehen sein. Unter Umständen werden auch geeignete Ermittlungen zu den einschlägigen afghanischen Rechtsvorschriften einschließlich der dortigen Gepflogenheiten und der Anwendungspraxis in Bezug auf Eheschließungen - wie etwa durch Zugriff auf Informationen der Staatendokumentation - anzustellen und entsprechende Feststellungen zu treffen sein. Allenfalls wird auch die Heiratsurkunde kriminaltechnisch einer Echtheitsuntersuchung zu unterziehen sein. Erst dann kann gegebenenfalls eine Abwägung der Interessen des BF an einer Fortsetzung des Familienlebens in Österreich erfolgen.

Aus obgenannten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die ÖB Islamabad zurückverwiesen.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A) wurde ausgeführt, dass die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Visaangelegenheiten nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W175.2228160.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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