Entscheidungsdatum
06.03.2020Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W152 2170181-1/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Philippinen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2017, Zl. 1098713907-170537451, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben
und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Philippinen und reiste am 29.03.2016 mit einem von 28.03.2016 bis 27.07.2016 gültigen Visum D rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein. Mit Bescheid vom 31.03.2016 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel mit dem Zweck "Angehöriger", gültig bis 17.02.2017, erteilt. Der Beschwerdeführer brachte am 06.02.2017 einen Verlängerungsantrag bezüglich des Aufenthaltstitels mit dem Zweck "Angehöriger" ein. Das Ermittlungsverfahren der MA 35 hat ergeben, dass der Lebensunterhalt nicht gesichert sei und somit Versagungsgründe iSd § 11 NAG vorlägen.
1.2. Im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung teilte der Beschwerdeführer mit am 17.05.2017 eingebrachtem Schriftsatz mit, dass sein Vater, der bereits österreichischer Staatsbürger sei, seine Mutter und sein Bruder in Wien lebten. Er wohne derzeit bei seinen Eltern. Da er fast ohne Eltern aufgewachsen sei, weil diese ständig gearbeitet hätten, möchte er nunmehr nachholen, was er mit seiner Familie verabsäumt habe. Seine Ehegattin, die sehr verständnisvoll sei und ihn bei seiner Entscheidung unterstützte, und sein Sohn leben mit den Eltern auf den Philippinen.
1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2017, Zl. 1098713907-170537451, wurde gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt I). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG auf die Philippinen zulässig sei (Spruchpunkt II). Schließlich wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III). Hiebei ging das Bundesamt davon aus, dass keine familiäre Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet bestehen.
1.4. Gegen diesen Bescheid erhob der Fremde fristgerecht Beschwerde, wobei u.a. vorgebracht wird, dass zwischen dem Beschwerdeführer und dessen Eltern eine enge emotionale Bindung und ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe, was bei der Interessensabwägung völlig unberücksichtigt geblieben sei. Ihre Bereitschaft, den Beschwerdeführer finanziell zu unterstützen, bestätigt, wie wichtig es für die Eltern sei, dass ihr Sohn in Österreich bleibe. Der Beschwerdeführer sei bestrebt, sich mit Unterstützung seiner Eltern eine Basis für die Zukunft zu schaffen.
1.5. Mit Schriftsatz vom 12.09.2017 wurde eine Haftungserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 15 NAG des Vaters des Beschwerdeführers vorgelegt (hg. OZ 3).
1.6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.09.2017,
GZ: W152 2170181-1/4Z, wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2. Feststellungen:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des Beschwerdeführers und schließlich durch Einholung von Auszügen aus ZMR, GVS und Strafregister.
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der unter Punkt 1 dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Der Beschwerdeführer wurde im gegenständlichen aufenthaltsbeendenden Verfahren nicht einvernommen, obwohl er kontinuierlich seit dem 29.03.2016 in Österreich gemeldet ist. Das Bundesamt verständigte den Beschwerdeführer nur vom Ergebnis seiner Beweisaufnahme. Der Beschwerdeführer brachte dazu eine Stellungnahme ein, die auf intensive familiäre Kontakte hindeutet. Das Bundesamt erließ jedoch, ohne weitere Ermittlungsschritte zu setzen, den angefochtenen Bescheid.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Volksrepublik Philippinen. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
3. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.
4. Rechtliche Beurteilung:
4.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch Einzelrichter:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz; BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz; BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
4.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz; VwGVG) BGBl I Nr. 22/2013 idgF geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl 51/1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Gemäß Abs. 5 leg.cit. sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.
Zu A)
4.3. Allgemeine Ausführungen:
Fehlen bei einem Verlängerungsantrag allgemeine Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 1 und 2 NAG, ist, nach einer eingeräumten Äußerungsmöglichkeit des Antragstellers, der Akt der Fremdenpolizeibehörde vorzulegen (vgl. Abermann/Czech/Kind/Peyrl, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, § 25, Rz 2). Aufenthaltsbeendende Maßnahmen im Zusammenhang mit Verlängerungsanträgen sollen nämlich vom Bundesamt erlassen und vollstreckt werden (vgl. Abermann/Czech/Kind/Peyrl, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, § 25, Rz 1). Das Verlängerungsverfahren ist vielmehr erst nach Entscheidung der Fremdenpolizeibehörde fortzuführen oder einzustellen (vgl. Abermann/Czech/Kind/Peyrl, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, § 25, Rz 1). Insoweit ist auch die Frist der Säumnisbeschwerde gehemmt (vgl. § 25 NAG iVm § 8 VwGVG). Die Ermittlungsergebnisse bezüglich der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen sind dabei durch das Bundesamt nicht nachzuprüfen (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 52 FPG, K12 und K13). Das Bundesamt hat außerdem nur jene Umstände zu würdigen, die der Antragsteller nach dem NAG bereits nachweisen hätte können oder müssen (vgl. § 52 Abs. 4 FPG). Die vorgelegte Haftungserklärung ist mit 11.09.2017 datiert; sie war daher weder im Verfahren vor der NAG-Behörde als auch vor Erlassung der Rückkehrentscheidung vorhanden. Auf sie war daher nicht näher einzugehen.
4.4. Zur Zurückverweisung der Angelegenheit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl:
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenen des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung der mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs 3 zweiter Satz VwVGV ([vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0167: Tatsachenbereich], Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsverfahren, Manz, Anmerkung 2 und 11, Seiten 150 und 153f).
Gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet, welche er seitdem in ständiger Rechtsprechung bestätigt hat (vgl. VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0019;VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123):
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststehe. Dies werde jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergebe.
Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen sei.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlange das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck finde, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werde. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen komme daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen habe, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen würden, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen habe, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Die verwaltungsgerichtliche meritorische Entscheidungszuständigkeit hält grundsätzlich hintan, dass die Erledigung eines von einer Verwaltungsbehörde eingeleiteten Verfahrens erst nach einem längeren Zeitraum hinweg in einer Art eines "Pingpongspiels" erfolgenden Wechsels zwischen verwaltungsgerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Entscheidungen erfolgen kann. Zudem wird nur ein solches Verständnis der mit der Etablierung der Verwaltungsgerichte erfolgenden Zielsetzung gerecht, den Anforderungen der EMRK sowie denen des Rechts der Europäischen Union im Bereich des Verwaltungsrechtsschutzes zu entsprechen. Zum einen ist aufgrund dieser Anforderungen bei der Interpretation der sich aus § 28 Abs 3 VwGVG für die meritorische Entscheidungskompetenz ergebenden Ausnahmen ohnehin auch das grundsätzlich zu einer restriktiven Sicht dieser Ausnahmen führende Gebot einer angemessenen Verfahrensdauer zu berücksichtigen. Zum anderen ist nicht zu übersehen, dass auf dem Boden der meritorischen Entscheidungskompetenz getroffene Entscheidungen der Verwaltungsgerichte grundsätzlich eine verlässliche Gewähr dafür bieten, dass den von diesen Vorgaben an die behördliche Entscheidungskompetenz gerichteten Anforderungen entsprochen wird (vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründungen hinwegsetzen (vgl. VwGH 10.04.2013, 2011/08/0169).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, etwa in seinem Erkenntnis vom 07.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).
Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Pflicht zur Durchführung notwendiger Ermittlungen des Sachverhalts nicht nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aufgrund folgender Erwägungen:
Der Beschwerdeführer ist seit dem 29.03.2016 aufrecht im Bundesgebiet gemeldet. Das Bundesamt begnügte sich dennoch mit einer bloßen Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme. Eine unmittelbare Einvernahme des Beschwerdeführers erfolgte nicht (vgl. zum Vorrang unmittelbarer Beweisaufnahme VwGH vom 11.01.2018, Ra 2017/02/0223). Der Schriftsatz vom 17.05.2017 legt deutliche Hinweise auf intensive familiäre Beziehungen nahe. Trotzdem wurden in diese Richtung nicht einmal ansatzweise Ermittlungen geführt, insbesondere wurde der Beschwerdeführer wieder nicht einvernommen; obwohl eine Beziehung zwischen Erwachsenen sehr wohl ein schützenwertes Familienleben iSd Art. 8 EMRK begründen kann, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (EGMR 12.01.2010, 47486/06, A. W. Khan, RN 32; VfGH 09.06.2006, B 1277/04; VwGH 25.04.2008, 2007/20/0720 bis 0723), ungeachtet dessen, dass der erwachsene Sohn bereits eine eigene Familie gründete (vgl. EGMR vom 08.07.2014, Bsw 3910/13).
Die Behörde hat somit im konkreten Fall gegen die in § 37ff AVG determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. Die im AVG verankerte Ermittlungspflicht verpflichtet das Bundesamt, in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass der maßgebliche Sachverhalt festgestellt werden kann (vgl. VwGH vom 23.11.2017, Ra 2016/11/0160). Im Sinne einer Gesamtbetrachtung drängt sich auch der Eindruck auf, dass die belangte Behörde Ermittlungen zum Intensitätsgrad der familiären Beziehungen unterließ, damit diese dann vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommen werden müssten (vgl. VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren den Beschwerdeführer zu seinen konkreten familiären und privaten Beziehungen einzuvernehmen haben. Weiters wird in diesem Zusammenhang auch eine zeugenschaftliche Einvernahme der Eltern des Beschwerdeführers vorzunehmen sein.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich. Das Verfahren würde durch eine Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht keine Beschleunigung erfahren. Das Bundesamt kann somit die notwendigen - auch darüber hinausgehenden - Ermittlungsschritte wesentlich rascher und effizienter nachholen.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
Da der maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Unterlassung notwendiger Ermittlungen seitens der belangten Behörde im gegenständlichen Fall noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen im vorliegenden Fall das dem Bundesverwaltungsgericht im Sinne des § 28 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben, der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsbehörde (lediglich) an die rechtliche Beurteilung des gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG aufhebenden und zurückverweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes gebunden ist (§ 28 Abs. 3, 3. Satz VwGVG; vgl. auch z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141 zu § 66 Abs. 2 AVG); durch eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (Wirkung der Aufhebung ex tunc, s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 14 zu § 28 VwGVG; vgl. auch VwGH 22.05.1984, Zl. 84/07/0012).
Von der in § 28 VwGVG eingeräumten Möglichkeit, die unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, war im vorliegenden Fall schon deshalb nicht Gebrauch zu machen, weil sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht als Mehrparteienverfahren darstellt, sodass schon aufgrund der dadurch bedingten Erhöhung des administrativ - manipulativen Aufwandes bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine Kostenersparnis zu erzielen wäre. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen hingewiesen.
Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Bundesverwaltungsgericht im Sinne des § 28 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben.
4.4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid zu beheben ist.
Zu B)
4.5. Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W152.2170181.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.05.2020