Entscheidungsdatum
10.03.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
G313 2183938-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit: Kosovo, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.12.2017, Zl. XXXX,
A) I. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
II. beschlossen:
In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29.12.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) auf internationalen Schutz vom 16.11.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Kosovo abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in den Kosovo zulässig ist (Spruchpunkt III.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Dieser Bescheid wurde dem BF am 03.01.2018 zugestellt.
2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, dem BF den Status des Asylberechtigten, in eventu den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu "einen Aufenthaltstitel gem. §§ 57, 55 AsylG gewähren und die Abschiebung dauerhaft unzulässig erklären", in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
3. Am 23.01.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo und Angehöriger der albanischen Volksgruppe. Seine Muttersprache ist Albanisch.
1.2. Er stellte am 16.11.2017 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2.1. Der BF nahm sowohl in seiner Erstbefragung vor Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.11.2017 als auch in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 01.12.2017 auf wirtschaftliche Ausreisegründe Bezug.
1.2.2. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gab der BF zunächst befragt, ob er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen, an:
"Es geht mir nicht so gut, aber ich kann die EV (Einvernahme) machen."
Etwas später befragt, wie es ihm gesundheitlich gehe, gab der BF an:
"Überhaupt nicht gut. Nachgefragt habe ich Probleme mit dem Magen. Ich bin in Österreich operiert worden vor 5 Jahren."
Daraufhin befragt, ob der BF derzeit in ärztlicher Behandlung sei, gab dieser an:
"Wenn ich Stress habe, habe ich Beschwerden. Ich war beim Lagerarzt, habe auch Beschwerden mit dem rechten Bein. Der Arzt hat Medikamente verschrieben wegen dem Bein, (...). Für die Magenbeschwerden habe ich nichts bekommen, weil die Beschwerden nur vom Stress kommen, daher wurde ich nur untersucht und bekam aber keine Medikamente."
Auf die Frage, welcher Erwerbstätigkeit er im Kosovo nachgegangen ist, antwortete der BF:
"Ich habe im Kosovo nicht gearbeitet. Nachgefragt war ich im Ausland und habe dort gearbeitet, meistens in Bukarest, ich bin auch in Ungarn gewesen. Ich bin gependelt, ich hatte nicht das Recht länger zu bleiben, ich kehrte alle 3-4 Monate zurück."
Befragt, wie der BF seinen Lebensunterhalt im Kosovo bestritten habe, gab er an:
"Ich habe kleine Waren gekauft in Rumänien, diese in den Kosovo gebracht und dort verkauft. Ich war im Kosovo, bis ich die Waren verkauft habe, dann bin ich wieder nach Rumänien gefahren."
Befragt, ob der BF oder seine Familienangehörigen irgendwelche Besitztümer (Haus, Grundstück ...) in seiner Heimat habe, brachte er vor:
"Ein Elternhaus, das war das Haus meines Vaters. Er verstarb vor 5 Jahren. Er hat mir und meinen Brüdern jeweils ein Grundstück vererbt, wo wir bauen können. Jeder hat sein eigenes Grundstück. Ich wohne im Haus in einem Zimmer, sonst wird das Haus von meinen Brüdern mit ihren Familien bewohnt, ich habe aber keinen Kontakt. Alles, die allgemeine Lage ist schlecht, ich habe nichts im Kosovo. Wenn die Lage gut wäre, wäre ich nicht als Flüchtling hier, (...). Es gibt keine Arbeit im Kosovo. Leute, die Arbeit haben, denen geht es gut. Die medizinische Versorgung ist auch sehr schlecht, in Österreich wurde ich sofort operiert. Ich bekam hier so viele Medikamente, die ich im Kosovo hätte kaufen müssen."
Gegen Schluss der Einvernahme vor dem BFA gab der BF an:
"Was soll ich im Kosovo machen, ich habe niemanden dort. Ich müsste dort Schulden machen, ich würde 3000 Euro ausborgen und wieder nach Österreich kommen." (AS 121)
1.2.3. Mit Bescheid des BFA vom 29.12.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylals auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Kosovo zulässig sei.
Die belangte Behörde hielt unter den Feststellungen im angefochtenen Bescheid unter anderem fest:
"Sie verbrachten den Großteil ihres Lebens auch dort und bestritten Ihren Lebensunterhalt als Verkäufer. (...) Sie sind voll arbeitsfähig. (...) Sie leiden an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. (...)"
Bezogen auf den Gesundheitszustand des BF steht im angefochtenen Bescheid in der Beweiswürdigung:
"Die Feststellungen hinsichtlich Ihres Gesundheitszustandes ergeben sich aus Ihren Ausführungen im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme. Sie wären in Österreich operiert worden vor ca. 5 Jahren, eine neuerliche Operation sei nicht geplant. Sie wären lediglich wegen stressbedingter Magenscherzen und wegen Schmerzen im Bein beim Lagerarzt gewesen. (...).
Es besteht kein Behandlungsbedarf wegen einer lebensbedrohenden Erkrankung. Sie sind, abgesehen von Magen- und Beinschmerzen gesund und benötigen keinerlei Behandlungsmethoden oder sonstige medizinische Betreuung, welche in Österreich und nicht im Kosovo vorhanden wäre.
Das BFA hielt dann in der Rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt II. (bezüglich des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich Status des subsidiär Schutzberechtigten) unter anderem Folgendes fest:
"Sie können im Falle der Rückkehr in den Kosovo Ihren Lebensunterhalt bestreiten, zumal Sie gesund und arbeitsfähig und Sie auch bisher als Verkäufer für Ihren Lebensunterhalt sorgten. Auch ist die Tatsache, dass Sie selbst angaben, im Elternhaus, das Sie gemeinsam mit Ihren Brüdern besitzen, ein Zimmer zu bewohnen und ein Grundstück vererbt bekommen zu haben, Grund genug, davon auszugehen zu können, dass Sie, möglicherweise anfänglich auch nur mit großer Mühe, dennoch aber zumutbar und ausreichend finanzielles Auslangen im Kosovo finden können. Laut den Länderfeststellungen ist zudem davon auszugehen, dass Sie sich an staatliche Institutionen um Hilfe wenden bzw. allenfalls auch soziale Beihilfen in Anspruch nehmen können, sodass gesichert ist, dass Sie Ihre existenziellen Grundbedürfnisse so wie bisher aus eigner Kraft durch selbstständige Arbeit sichern können. (...).
Es besteht kein Behandlungsbedarf wegen einer lebensbedrohenden Erkrankung. Sie sind, abgesehen von Magen- und Beinschmerzen, gesund und benötigen keinerlei Behandlungsmethoden oder sonstige medizinische Betreuung, welche in Österreich und nicht im Kosovo vorhanden wären."
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem diesbezüglichen Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFAVG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen des BFA das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge,
BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich Folgendes:
Im gegenständlichen Asylverfahren brachte der BF vor dem BFA vor, aus wirtschaftlichen Gründen seine Heimat verlassen zu haben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründen wirtschaftliche Fluchtgründe keine asylrechtlich relevante Verfolgung (zur fehlenden asylrechtlichen Relevanz wirtschaftlich motivierter Ausreisegründe siehe auch Erk. d. VwGH vom 28.06.2005, 2002/01/0414 oder vom 06.03.1996, 95/20/0110 oder vom 20.06.1995, 95/19/0040).
Daher wird die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
3.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
3.3.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1
B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.
Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.
Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.
3.3.2. Das BFA hielt in der Rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt II. (bezüglich des Antrages des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten) unter anderem Folgendes fest:
"Sie können im Falle der Rückkehr in den Kosovo Ihren Lebensunterhalt bestreiten, zumal Sie gesund und arbeitsfähig sind und Sie auch bisher als Verkäufer für Ihren Lebensunterhalt sorgten. Auch ist die Tatsache, dass Sie selbst angaben, im Elternhaus, das Sie gemeinsam mit Ihren Brüdern besitzen, ein Zimmer zu bewohnen und ein Grundstück vererbt bekommen zu haben, Grund genug, davon auszugehen zu können, dass Sie, möglicherweise anfänglich auch nur mit großer Mühe, dennoch aber zumutbar und ausreichend finanzielles Auslangen im Kosovo finden können. Laut den Länderfeststellungen ist zudem davon auszugehen, dass Sie sich an staatliche Institutionen um Hilfe wenden bzw. allenfalls auch soziale Beihilfen in Anspruch nehmen können, sodass gesichert ist, dass Sie Ihre existenziellen Grundbedürfnisse so wie bisher aus eigner Kraft durch selbstständige Arbeit sichern können." (AS 194f).
Dass der BF, wie in der Rechtlichen Beurteilung ausgeführt, "gesund" ist, ergab sich aus dem Vorbringen des BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA nicht. Die belangte Behörde selbst hielt unter den Feststellungen im angefochtenen Bescheid unter anderem fest:
"Sie leiden an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. (...)" (AS 151).
Nach allgemeinen Länderfeststellungen - auch zur medizinischen Versorgung (AS 181ff) - im Kosovo, wurde bezüglich des Gesundheitszustandes des BF in der Beweiswürdigung Folgendes festgehalten:
"Die Feststellungen hinsichtlich Ihres Gesundheitszustandes ergeben sich aus Ihren Ausführungen im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme. Sie wären in Österreich operiert worden vor ca. 5 Jahren, eine neuerliche Operation sei nicht geplant. Sie wären lediglich wegen stressbedingter Magenschmerzen und wegen Schmerzen im Bein beim Lagerarzt gewesen. (...)
Es besteht kein Behandlungsbedarf wegen einer lebensbedrohenden Erkrankung. Sie sind, abgesehen von Magen- und Beinschmerzen gesund und benötigen keinerlei Behandlungsmethoden oder sonstige medizinische Betreuung, welche in Österreich und nicht im Kosovo vorhanden wäre (AS 190f)."
In der Einvernahme vor dem BFA befragt, wie es ihm gesundheitlich gehe, gab der BF an, vor fünf Jahren in Österreich wegen seiner Magenprobleme operiert worden zu sein. Er habe stressbedingte Magenbeschwerden und Beschwerden mit seinem rechten Bein (AS 117) und vom Arzt in Österreich "so viele Medikamente" erhalten, die er im Kosovo kaufen hätte müssen (AS 119).
Die belangte Behörde hat den BF nicht näher zu seinem Gesundheitszustand befragt bzw. ihm nicht die Fragen gestellt, ob die von ihm angeführten rechtsseitigen Beinbeschwerden verletzungsbedingt oder chronisch seien und welche Medikamente ihm in Österreich verschrieben worden seien, und sich nicht näher mit dem Vorbringen des BF zu seinen gesundheitlichen Beschwerden (Zustand nach Magenoperation vor fünf Jahren, stressbedingte Magenbeschwerden, rechtsseitige Beinbeschwerden) vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte zur medizinischen Versorgung auseinandergesetzt und geprüft, inwieweit die vom BF in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA angeführten gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Kosovo behandelt werden können und für notwendige Behandlungen bzw. durchzuführende Kontrolluntersuchungen im Kosovo Behandlungs- bzw. Medikamentenkosten anfallen.
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass der BF seinen Lebensunterhalt bei einer Rückkehr bestreiten könne, habe er doch auch bisher als Verkäufer für seinen Lebensunterhalt gesorgt, hat dabei jedoch nicht näher das konkrete Vorbringen des BF im Zuge seiner Einvernahme vor dem BFA, nicht im Kosovo, sondern nur im Ausland - meistens in Bukarest, jedoch auch in Ungarn, gearbeitet zu haben, und alle drei bis vier Monate in den Kosovo zurückgekehrt zu sein, und sein späteres Vorbringen, kleine Waren in Rumänien gekauft und im Kosovo verkauft zu haben, berücksichtigt.
Dass der BF, wie er vorbrachte, im von ihm und seinen Brüdern gemeinsam bewohnten Elternhaus ein Zimmer bewohne und wie seine Brüder von seinem Vater ein Grundstück vererbt bekommen habe, sah die Behörde als Grund genug an, um davon ausgehen zu können, dass der BF, "möglicherweise anfänglich auch nur mit großer Mühe, dennoch aber zumutbar und ausreichend finanzielles Auslangen im Kosovo finden" könne.
Die Behörde zog den Schluss, dass laut Länderfeststellungen davon auszugehen sei, dass sich der BF an staatliche Institutionen um Hilfe wenden bzw. allenfalls auch soziale Beihilfen in Anspruch nehmen könne, sodass gesichert sei, dass er seine existenziellen Grundbedürfnisse wie bisher aus eigener Kraft durch selbstständige Arbeit sichern könne.
Eine eingehende Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Vorbringen des BF und seiner individuellen Situation des BF fand nicht statt.
Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid nicht näher auf das Vorbringen des BF, nicht im Kosovo, sondern nur im Ausland erwerbstätig gewesen zu sein und im Kosovo in Rumänien gekaufte kleine Waren verkauft zu haben, eingegangen und hat im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA den BF nicht näher dazu befragt, wann er zuletzt im Ausland erwerbstätig gewesen sei, wann er zuletzt im Kosovo Waren aus Rumänien verkauft habe, ob er diese Verkaufstätigkeit im Kosovo etwa nur nach dem von ihm vor dem BFA angeführten jeweils drei- bis viermonatigen Aufenthalt in Rumänien im Kosovo ausgeübt habe, ob er von seinen Brüdern, die laut seinen Angaben mit ihren Familien in demselben Haus wie er selbst wohnhaft gewesen seien, oder von jemandem anderen in seinem Herkunftsstaat Unterstützung erhalten habe, diese auch aktuell noch erhalten könne, und ob seine Brüder erwerbstätig seien.
Diese näheren Ermittlungen wären jedenfalls nötig gewesen, um auf einen aus regelmäßigen Erwerbseinkünften und gegebenenfalls erwartbaren Unterstützungsleistungen im Kosovo gesicherten Lebensunterhalt schließen zu können.
Aufgrund eines zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides mangelhaften Ermittlungsverfahrens war dieser Spruchpunkt gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Da im gegenständlichen Fall der Sachverhalt zu Spruchpunkt A) I. gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und hinsichtlich Spruchpunkt A) II. gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu beheben ist, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2183938.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.05.2020