TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/3 96/19/1637

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Veröffentlicht am 03.04.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1978 geborenen HÖ, vertreten durch Dr. PZ, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. April 1996, Zl. 118.368/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 5. Oktober 1995 im Weg über die österreichische Botschaft in Preßburg die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gab als derzeitigen Wohnsitz eine Adresse in Wien an. Als Ort der Antragstellung wird Bratislava angegeben, auf dem Antrag findet sich ein Vermerk:

"Eingereicht durch den Ehemann, 5. Oktober 1995". Aus den dem Antrag beiliegenden Unterlagen geht weiters hervor, daß die Beschwerdeführerin über einen von der österreichischen Botschaft in Ankara ausgestellten Touristensichtvermerk mit Gültigkeit vom 18. September 1995 bis 17. Oktober 1995 verfügte.

Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 7. Dezember 1995 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und brachte vor, sie habe vom Ausland aus, nämlich in Preßburg, den Antrag gestellt. Dem Gesetzeswortlaut entsprechend müsse der Sichtvermerkswerber für eine neuerliche Einreise "jedenfalls das Ende der Gültigkeit des alten Sichtvermerks abwarten, welche am 17. Oktober 1995 geendet habe; dies habe sie auch getan". In Ermangelung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens über den Zeitpunkt, wann sie wiederum nach Österreich eingereist sei, habe die Behörde erster Instanz den Sachverhalt nur unzureichend festgestellt, sodaß Mangelhaftigkeit des Verfahrens gegeben sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. April 1996 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG abgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, daß die Beschwerdeführerin nach der auf ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage mit einem Touristensichtvermerk eingereist sei und ihren damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wolle. Unbeschadet ihres Vorbringens sei bei der Beurteilung ihres Antrages allein maßgeblich, daß § 5 Abs. 1 AufG zwingend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle. Im Hinblick auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes erübrige sich das Eingehen auf eventuelle private und familiäre Interessen, da das Vorliegen des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Grundrecht darstelle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die maßgeblichen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes lauten (auszugsweise):

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn der Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 6 FrG lautet:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der in Rede stehende Sichtvermerksversagungsgrund bereits dann verwirklicht, wenn sich der Fremde in dem für die Entscheidung der Behörde maßgeblichen Zeitpunkt im Anschluß an eine mit Touristensichtvermerk erfolgte Einreise im Bundesgebiet aufhält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/19/1758). Der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist - im Gegensatz zu den Beschwerdeausführungen - auch dann gegeben, wenn die Bewilligung nicht nahtlos an den Touristensichtvermerk anschließen soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1997, Zl. 96/19/1301). § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG steht dem Erfolg eines innerhalb des Zeitraumes, für den der Touristensichtvermerk erteilt wurde, vom Ausland aus gestellten Antrages nur dann nicht entgegen, wenn der Fremde nicht wieder im Anschluß an die Antragstellung vom Ausland aus zum Zweck der Aufenthaltnahme (§ 1 Abs. 1 AufG) in das Bundesgebiet einreist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. April 1997, Zl. 95/19/1343, und das zitierte Erkenntnis vom 20. Juni 1997).

Dem Berufungs- und Beschwerdevorbringen ist hinsichtlich des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt bzw. nach der Antragstellung zu entnehmen, daß sie (erst) nach Ablauf des Touristensichtvermerkes wieder ins Bundesgebiet eingereist und dort verblieben ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der durch ihren Ehegatten vorgenommenen Antragstellung im Ausland aufgehalten hat oder nicht und ob sie gegebenenfalls vor oder nach Ablauf ihres Touristensichtvermerks wieder ins Bundesgebiet eingereist ist. Entscheidungswesentlich ist der von der Beschwerdeführerin nicht bestrittene Umstand ihres Inlandsaufenthaltes im Zeitpunkt der Bescheiderlassung.

Für den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland nach Ablauf des Touristensichtvermerkes spricht überdies auch der Umstand, daß die Beschwerdeführerin den Bescheid der Behörde erster Instanz am 27. Dezember 1995 eigenhändig an einer inländischen Adresse übernommen hat; in ihrem Berufungsschriftsatz spricht sie überdies davon, daß die belangte Behörde den Zeitpunkt nicht ermittelt habe, "wann ich wiederum nach Österreich eingereist bin".

Sollte sich die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufgehalten haben oder während der Gültigkeit ihres Touristensichtvermerks wieder ins Bundesgebiet eingereist sein, läge aufgrund ihres Aufenthalts im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im erstgenannten Fall der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG (erster Fall) vor. Wenn die Beschwerdeführerin den Ablauf des Touristensichtvermerkes im Ausland abgewartet hätte und erst danach wieder eingereist wäre, könnte dies auch zu keinem anderen Verfahrensergebnis führen. Sollte eine derartige Wiedereinreise nämlich sichtvermerksfrei erfolgt sein, würde die angestrebte Aufenthaltsbewilligung jedenfalls (auch) an eine sichtvermerksfreie Einreise anschließen und den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 (zweiter Fall) FrG verwirklichen. Sollte die Beschwerdeführerin hingegen nicht sichtvermerksfrei eingereist sein, so ist - in Ermangelung einer Behauptung eines (sonstigen) Einreisetitels davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin unrechtmäßig in das Bundesgebiet (wieder) eingereist ist. Eine unrechtmäßige (Wieder)Einreise und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt verwirklichen aber jedenfalls den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1997, Zl. 95/19/1913).

Die belangte Behörde hätte dann zwar allenfalls zu Unrecht den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG herangezogen, doch kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Umstand, daß die Behörde ihre Entscheidung betreffend die Versagung eines Sichtvermerkes nicht auf die richtigerweise anzuwendende Ziffer 4 (anstatt 6) des § 10 Abs. 1 FrG stützt, den Fremden nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 97/19/1142).

Insoferne die Beschwerdeführerin eine mangelhafte Bedachtnahme auf das durch Art. 8 MRK geschützte Privat- und Familienleben durch die belangte Behörde rügt, ist ihr zu entgegnen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen von Fremden sowohl bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG als auch bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (bei unrechtmäßiger Einreise) gestützten Entscheidung nicht vorgesehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/1452).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996191637.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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