Entscheidungsdatum
16.03.2020Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
G305 2229476-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Rumänien, vertreten durch Dr. Manfred SOMMERBAUER und DDr. Michael DOHR, LLM, Rechtsanwälte in 2700 Wiener Neustadt, Babenbergerring 5a/3. OG, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Niederösterreich, Zl. XXXX zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid a u f g e h o b e n.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom XXXX.01.2020, Zl: XXXX, erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, RD Niederösterreich (im Folgenden: belangte Behörde oder kurz: BFA) wider XXXX, geb. XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF) gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG 2005 idgF. ein für die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.) und sprach aus, dass ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG 2005 idgF. kein Durchsetzungsaufschub erteilt werde (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG 2012 idgF. die aufschiebende Wirkung aberkannt werde (Spruchpunkt III.).
2. Im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die er mit den Anträgen verband, 1.) der gegenständlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung insbesondere in Hinblick auf Art. 31 Abs. 2 Freizügigkeits-RL zuzuerkennen, 2.) eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen, 3.) den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, sodass ihm weiterhin sein unionsrechtliches Aufenthaltsverbot zukomme, 4.) in eventu einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, 5.) in eventu das mit 10 Jahre befristete Aufenthaltsverbot entsprechend zu reduzieren.
3. Die belangte Behörde hat die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten am 11.03.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Rumänien und damit EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
Er ist am XXXX in XXXX (Rumänien) geboren und befindet sich sein Hauptwohnsitz in XXXX.
Er hat den Beruf eines Dachdeckers und Spenglers erlernt.
1.2. Der Beschwerdeführer lebt im Herkunftsstaat in einer Lebensgemeinschaft.
Seine, aus seiner Mutter, seiner Lebensgefährtin, seinen Kindern und seinen Geschwistern bestehende Kernfamilie lebt in Rumänien. Der Vater des BF, XXXX, ist bereits verstorben.
1.3. Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet keine hier lebenden Angehörigen.
Es scheint bei ihm keine Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf [AS 9 und amtswegige ZMR-Abfrage vom 12.03.2020 mit der Meldeauskunft: "Es liegen über den/die Gesuchte(n) keine Daten für eine Meldeauskunft vor."]
1.4. Der Beschwerdeführer ist am 09.12.2019 ins Bundesgebiet eingereist und hat sich hier den Lebensunterhalt als XXXX verdient [AS 4; AS 35].
1.5. Er verfügt über finanzielle Mittel in Höhe von EUR 500,00 bis EUR 1.000,00.
1.6. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten und scheint gegen ihn im Strafregister der Republik Österreich bislang keine strafgerichtliche Verurteilung auf.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zur Stattgebung der Beschwerde :
Gemäß § 2 Abs. 4 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt (Z 1 leg cit) und EWR-Bürger, wer Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist (Z 8 leg cit).
Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner rumänischen Staatangehörigkeit EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
3.1.2. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG hat folgenden Wortlaut:
"Aufenthaltsverbot
§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
[...]"
Die Bestimmung des § 70 Abs. 3 FPG hat folgenden Wortlaut:
"§ 70. [...]
(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
[...]"
Die Bestimmung des § 18 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz 2012 idgF. lautet wie folgt:
"§ 18. [...]
(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
[...]"
Der mit "Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate"
§ 51 NAG lautet wörtlich wie folgt:
"§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.
[...]"
3.2. Die belangte Behörde begründete den in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 31.01.2019 im Wesentlichen kurz zusammengefasst damit, dass der BF hauptsächlich nach Österreich gekommen sei, um hier das Gesetz zu brechen und um sich hier auf Kosten anderer zu bereichern. Bis zum heutigen Tage seien acht Anzeigen gegen ihn erstattet worden, wovon zwei nicht mehr relevant seien. Der BF stelle eindeutig eine Gefahr für die Öffentlichkeit dar. Mit seinem Verhalten habe er gezeigt, dass er kein Interesse daran habe, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Sein bisheriger Aufenthalt in Österreich beeinträchtige ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an Ruhe, an Sicherheit für die Person und ihr Eigentum und an sozialem Frieden. Bezogen auf Art. 8 EMRK heißt es weiter, dass der BF keine Familie in Österreich habe und auch über keine sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkte verfüge. Er habe hier nie einen Wohnsitz angemeldet, sei nie als unselbständiger Arbeitnehmer tätig geworden und sei angeblich Selbständiger ohne Firma. Er habe auch nie um eine Anmeldebescheinigung angesucht. Seine Familie lebe in Rumänien. Der Lebensmittelpunkt befinde sich dort. Deshalb sei die Erlassung des Aufenthaltsverbots zulässig. Die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes begründete die belangte Behörde damit, dass sein weiterer Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle und die sofortige Umsetzung dieser Ausweisung im Interesse der Bevölkerung geboten sei. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß Art. 18 Abs. 3 BFA-VG begründete die belangte Behörde mit der Vielzahl an vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen und damit, dass der BF zu erkennen gegeben habe, dass er "in keinster Weise gewillt" sei, die österreichische Rechtsordnung zu akzeptieren. Dass er aus einem anderen Staat nach Österreich eingereist sei, um hier strafbare Handlungen zu begehen, zeige, dass er direkt gegen die Interessen der Republik Österreich und ihren Bewohner vorgehe. Bei der Prüfung des Aufenthaltsverbots hätten sich keine Gründe ergeben, die gegen die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbotes sprechen würden.
Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erklärte der BF, dass er diesen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit anfechte. Damit, dass die belangte Behörde die Gefahr offenbar darin sehe, dass die Betrugsmasche von gewissen ausländischen Unternehmen, nämlich Dienstleistungen zu erbringen, die nicht notwendig sind und dafür entgegen der Abmachung mit dem Hausbesitzer ein wesentlich höheres Entgelt verlangten, der Behörde bekannt seien. Demgemäß habe die Behörde ihm ein solches Vorgehen unterstellt und stelle damit unseren Rechtsstaat in Frage. Nach dem Gesetzeswortlaut reiche nicht einmal eine strafrechtliche Verurteilung per se aus, um eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu rechtfertigen, daher schon gar nicht Vormerkungen, wie im vorliegenden Fall. Vielmehr habe die Behörde das Gesamtverhalten in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung vorzunehmen, ob die Annahme, dass der Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet, gerechtfertigt ist. Mit dem Hinweis, dass dem verfahrensführenden Referenten solche Vorgänge (Betrugsmasche ausländischer Unternehmen, Dachrinnenreinigungs- und Dachrinnenaustauschtrick) bekannt sind und daraus dem Beschwerdeführer eine kriminelle Energie unterstellt, obwohl nicht einmal eine einzige strafrechtliche Verurteilung vorliegt, habe die Behörde die von der Rechtsprechung geforderte nachvollziehbare Darstellung einer Gefährdungsannahme unterlassen. Zudem wurde die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbots von fünf Jahren als "viel zu lang und nicht gerechtfertigt" kritisiert. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung brachte der Beschwerdeführer vor, dass "kein einziger Umstand für eine sofortige Ausreise und die Gefährdung von öffentlichen Interessen" spreche.
3.3. Für den gegenständlichen Fall ergibt sich daraus folgendes:
Die gegen den Bescheid vom 31.01.2020 erweist sich als berechtigt und begründet.
Zunächst ist hervorzuheben, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen rumänischen Staatsangehörigen und damit gemäß § 2 Abs. 4 Z 8 FPG um einen EWR-Bürger bzw. um einen Bürger der Europäischen Union handelt. Gemäß Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hat jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er
a) Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufenthaltsmitgliedsstaat ist oder b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass er während seines Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedsstaates in Anspruch nehmen muss und er und seine Familienangehörigen über einen umfassende Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedsstaat verfügen.
Gemäß Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG steht Unionsbürgern und deren Familienangehörigen das Aufenthaltsrecht nach Art. 7 zu, solange sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. In Art. 14 Abs. 3 leg. cit. heißt es, dass die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen nicht automatisch zu einer Ausweisung führen dürfe.
Gemäß § 51 Abs. 1 NAG sind Unionsbürger nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers zu einem längeren als dreimonatigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind (Z 1) oder sie für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass während des Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch genommen werden muss (Z 2) oder der Hauptzweck ihres Aufenthalts in einer Ausbildung, einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung besteht (Z 3).
Der Beschwerdeführer (er hat den Beruf eines Dachdeckers und Spenglers erlernt) ist zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt ins Bundesgebiet eingereist und besteht auf Grund seiner eigenen Angaben kein ununterbrochener Aufenthalt in Österreich. In Österreich hat er sich zu dem Zweck aufgehalten, hier seiner Geschäftstätigkeit als Dachdecker und Spengler nachzugehen [AS 35].
Dadurch, dass sich die belangte Behörde mit der Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt hat, hat sie den in Beschwerde gezogenen Bescheid schon mit Rechtswidrigkeit belastet. So hat der BF gegenüber der belangten Behörde im Wege seiner Rechtsvertretung angegeben, dass er sich nicht ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten habe, und zwar zu dem Zweck, hier seiner Geschäftstätigkeit als Dachdecker und Spengler nachzugehen. Zu Recht hat der Beschwerdeführer darauf verwiesen, dass die Behörde vermeine, dass er mit dem Ziel nach Österreich gereist sei, um hier Straftaten zu begehen, zumal der BF strafrechtlich unbescholten ist.
Daran ändert auch nichts, dass die LPD Niederösterreich der Staatsanwaltschaft XXXX am 18.12.2019 einen Abschlussbericht übermittelte, worin dem BF - neben anderen Personen - angeblich begangene Straftaten unterstellt werden [AS 19ff]. Diesem Abschlussbericht liegt der Kriminalpolizeiliche Aktenindex zu Grunde [AS 5ff], aus dem hervorgeht, dass die Person des Beschwerdeführers mit den in der Anfrage angeführten Daten im Kriminalpolizeilichen Aktenindex nicht vorgemerkt sei bzw. dass ein ähnlicher Personendatensatz gefunden worden sei, weshalb eine Identitätsprüfung "daher unbedingt erforderlich" sei. Diesen Umstand, der darauf schließen lässt, dass es sich beim Verdächtigen gar nicht um den Beschwerdeführer handeln könnte, hat die belangte Behörde nicht einmal ansatzweise berücksichtigt. Sie hat den Beschwerdeführer mit den ihm zur Last gelegten Taten lediglich allgemein und nicht konkret konfrontiert [AS 13ff] und damit das Verfahren auch mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet hat.
Insgesamt gereicht der belangten Behörde zum Vorwurf, dass sie sich mit der Unbescholtenheit des BF sowie dem Umstand, dass dieser von den österreichischen Strafverfolgungsbehörden weder angeklagt noch von den österreichischen Strafgerichten strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht auseinander gesetzt hat und schon deshalb nicht in der Lage war, die für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für das Bundesgebiet nach § 67 Abs. 1 und 2 FPG erforderliche Gefährlichkeitsprognose anzustellen. Letztere hat der die Erledigung der belangten Behörde ausgefertigt habende Referent versucht, mit seinem Amtswissen als Finanzpolizist zu begründen, wobei er sich mit dem Stehsatz "durch die langjährige Erfahrung des verfahrensführenden Referenten als Finanzpolizist sind derlei Vorgänge sehr gut bekannt" begnügte, ohne die vom BF angeblich ausgehende Gefährdung der Interessen der Bevölkerung auf ein sicheres und geordnetes Zusammenleben eingehend und nachvollziehbar zu begründen. Völlig außeracht gelassen wurde auch der Umstand, dass dem BF nach eigenen Angaben monatlich zwischen EUR 500,00 und EUR 1.000,00 an liquiden Mitteln zur Verfügung stehen, was für einen legalen Aufenthalt im Bundesgebiet als ausreichend anzusehen ist.
In Anbetracht dessen bestehen keine Zweifel dahin, dass der Beschwerdeführer unionsrechtlich zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist (siehe dazu insb. VwGH vom 25.01.2018, Zl. Ra 2017/21/0211).
Er verfügt zwar über kein nennenswertes Familien- und Privatleben im Bundesgebiet. Er ist bislang strafrechtlich unbescholten. Auch ist er bisher weder angeklagt, noch wird er in einem inländischen strafgerichtlichen Verfahren als Beschuldigter geführt. Anhaltspunkte dafür, dass er durch seinen Verbleib im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit nachhaltig und maßgeblich gefährden würde, wurden weder von der belangten Behörde behauptet, noch nachgewiesen, noch sind solche Anhaltspunkte im gegenständlichen Beschwerdeverfahren hervorgekommen. Wenn die belangte Behörde im Fall des Beschwerdeführers davon ausgeht, dass dieser eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle und sich diesbezüglich (ausschließlich) auf den bisher einzig bekannten Vorfall vom 11.09.2019 stützt, so erweist sich dies für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG als ungenügend, weshalb der angefochtene Bescheid schon von dessen Begründung nicht getragen wird.
Eine nähere Auseinandersetzung mit der allfälligen Unrechtmäßigkeit des Durchsetzungsaufschubes (Spruchpunkt II. des in Beschwerde gezogenen Bescheides) und mit der Frage der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (in Spruchpunkt III. des in Beschwerde gezogenen Bescheides) kann daher entfallen.
3.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.5. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Im gegenständlichen Fall liegt dem Bundesverwaltungsgericht die zur Klärung der Rechtsfrage nötige Aktenlage vor. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes hätte eine mündliche Verhandlung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen und war der Sachverhalt iSd § 24 Abs. 4 VwGVG entscheidungsreif. In Anbetracht dessen konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G305.2229476.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.05.2020