Entscheidungsdatum
13.03.2019Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W168 2213654-1/13E
W168 2213655-1/12E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag.Dr. Bernhard MACALKA über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , StA: Iran und 2.) XXXX , geb. XXXX , StA: Iran, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.01.2019, Zl. 1213638406 / 181142444 und 1213637300 / 181142592 - EAST West beschlossen:
A)
Den Beschwerden wird gemäß § 21 Abs. 3 BFA - VG idF BGBl. I Nr. 24/2016 stattgegeben und die bekämpften Bescheide werden behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführer (BF) stellten nach unberechtigter Einreise in das Bundesgebiet am 27.11.2018 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz ein und gaben hierzu die oben angeführten Personalien an.
Eine EURODAC- Abfrage ergab das Vorliegen von Asylantragstellungen der BF in Rumänien mit Datum 04.11.2018.
Bei der Erstbefragung gaben die BF zu den Gründen des Verlassens Rumäniens befragt an, dass sie 20 Tage aufhältig gewesen wären. Dort wäre es überall sehr schmutzig gewesen. Sonstige Angaben betreffend Rumänien wurden nicht erstattet.
Aufgrund des vorliegenden Eurodac - Treffers von RO richtete das BFA ein auf Art. 18 Abs. 1 b Dublin III VO gestütztes Ersuchen an Rumänien. Rumänien stimmte daraufhin der Wiederaufnahme der BF gem. 18 Abs. 1 b Dublin III VO ausdrücklich zu.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 04.09.2018 wurde I. der Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Rumänien gemäß Art. 18 Abs. 1 b der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Prüfung des Antrages zuständig sei, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF die Außerlandesbringung der Beschwerdeführer angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG deren Abschiebung nach Rumänien zulässig sei.
Die Beschwerdeführer bekämpften die Entscheidung des Bundesamtes mit einer fristgerecht eingebrachten Beschwerde.
Mit Information der medizinischen Universität Innsbruck vom 21.02.2019 wurde dem BVwG mitgeteilt, dass sich die BF1 derzeit aufgrund des Vorliegens einer schweren suizidalen Krise in stationäre Behandlung in der genannten Universitätsklinik befindet.
Mit Beschluss des BVwG vom 25.02.2019 wurde die aufschiebende Wirkung gem. §17 BFA - VG zuerkannt.
Mit Information des BMI vom 07.3.2019 wurde das BVwG über die Verlegung der BF1 von der Psychiatrie XXXX in die Doppler Klinik in Salzburg informiert.
Mit Information vom 11.03.2019 wurde das BVwG über den Beschluss des BG Innsbruck vom 25.02.2019 hinsichtlich der Unterbringung der BF1 in der psychiatrischen Abteilung der Innsbrucker Universitätsklinik aufgrund des Vorliegens von Suizidalität bis zum 11.03.2019 informiert. Ebenso wurde dem BVwG ein fachärztliches Gutachten vom 24.02.2019 die BF1 betreffend übermittelt, sowie dieses über die Bevollmächtigung des RA Rosenkranz als gewillkürten Vertreter informiert.
Mit Stellungnahme des gewillkürten Vertreters vom 11.03.2019 wurde ausgeführt, dass es sich bei den BF um Personen handelt bei denen angenommen werden könnte, dass deren Verfahren bereits in Rumänien negativ entschieden worden wären. Bei einer Rückkehr nach Rumänien würden diese somit nur Folgeanträge stellen könnten, wobei diese nunmehr neue Gründe vorbringen müssten. Den BF würde somit eine Abschiebung in den Iran drohen. Die Vermeidung des Eingriffes in Art. 3 EMRK wäre nur dann möglich, wenn die rumänischen Behörden garantieren würden, dass den BF in Rumänien ein Verfahren offen stehen würde. Auch wäre auszuführen, dass gem. des AIDA Country Reports zu Rumänien der BF2 in Rumänien keine Schulbildung erhalten würde, es in Rumänien an Ärzten mangeln würde, bzw. dass die BF damit rechnen müssten in Anhaltezentren festgehalten zu werden, wo sie auf ihre Abschiebung warten müssten. Die Anhaltebedingungen würden nicht internationalen Standards entsprechen. Die BF XXXX wäre wie ihre Mutter durch die Ereignisse in Rumänien schwer traumatisiert. Die Minderjährige BF2 wäre somit als unbegleitetes Kind anzusehen. Entsprechende Betreuungseinrichtungen für vulnerable Personen würde es in Rumänien nicht geben. Die besondere familiäre Konstellation mache es unmöglich, dass diese im Zielstaat eine ihren Bedürfnissen entsprechende Behandlung erhalten würden. Eine Schwester der BF würde sich in Salzburg aufhalten. Diese würde sich in intensiver Weise um die BF kümmern.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Mit Information der medizinischen Universität Innsbruck vom 21.02.2019 wurde dem BVwG mitgeteilt, dass sich die BF1 derzeit aufgrund des Vorliegens einer schweren suizidalen Krise do. in stationärer Behandlung befindet, bzw. wurde das BVwG über den Beschluss des BG Innsbruck vom 25.02.2019 betreffend die Unterbringung der BF1 in der psychiatrischen Abteilung des LKH Innsbruck informiert.
Die Beurteilung der Zuständigkeit Rumäniens bzw. die Zulässigkeit der Überstellung in den angenommen zuständigen Mitgliedstaat sind durch das BVwG aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes noch nicht möglich, bzw. sind diesbezüglich ergänzende Abklärungen seitens des BFA vorzunehmen.
2. Beweiswürdigung
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:
"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."
Auf gegenständliches Verfahren bezogen ist folgendes festzuhalten:
Mit Information der medizinischen Universität Innsbruck vom 21.02.2019 wurde dem BVwG mitgeteilt, dass sich die BF1 derzeit aufgrund des Vorliegens einer schweren suizidalen Krise do. in stationärer Behandlung befindet.
Das BVwG wurde mit Schreiben vom 11.03.2019 über den Beschluss des BG Innsbruck vom 25.02.2019 betreffend die Unterbringung der BF1 in der psychiatrischen Abteilung des LKH Innsbruck informiert.
Aufgrund dieser Information betreffend des aktuellen Gesundheitszustandes der BF1 hat sich im gegenständlichen Fall der entscheidungsrelevante Sachverhalt nachweislich verfahrensrelevant dahingehend geändert, dass aufgrund der gegenwärtig akuten Erkrankung der BF1 und der hieraus resultierenden Notwendigkeit der stationären Aufnahme dieser ein unzulässiger Eingriff in besonders durch Art. 3 EMRK geschützte Rechte durch eine Überstellung in den angenommen zuständigen Mitgliedsstaat ohne hierauf bezogene neue und ergänzende Abklärungen mit der erforderlichen Gewissheit nicht ausgeschlossen werden kann.
Das BFA wird daher im fortgesetzten Verfahren den aktuellen Gesundheitszustand der BF1 umfassend abzuklären haben. Aufgrund des Ergebnisses dieser Abklärungen wird das BFA Vorliegen der Überstellungsfähigkeit der BF in den Zielstaat neu zu beurteilen haben.
Auch wird BFA wird abzuklären haben, ob bzw. welchen Bedarf die BF an fortgesetzten medizinischen Therapien oder Behandlungen konkret benötigen. Im bejahenden Fall wird das BFA anhand aktueller Länderberichte den Zielstaat betreffend zu beurteilen haben, ob dieserart erforderliche medizinische Leistungen und Therapien, bzw. allenfalls auch die erforderlichen Betreuungseinrichtungen für Personen mit besonderen Bedürfnissen, bzw. für Familien mit Kindern auch im Zielstaat entsprechend zur Verfügung stehen und wie sich die verfahrensrechtliche Situation der BF bei einer Rückkehr in den Zielstaat gestaltet.
Ebenso wird das BFA in diesem Zusammenhang abzuklären haben, inwieweit die BF einer besonderen Betreuung durch sich in Österreich aufhältige Personen unabdingbar benötigen.
Erst unter Zugrundelegung dieser aktuell ergänzend vorzunehmenden Abklärungen können in den gegenständlichen Verfahren die Fragen betreffend der Überstellungsfähigkeit, bzw. der Zulässigkeit der Überstellung der BF in den zuständigen Mitgliedsstaat beurteilt werden, bzw. kann erst auf diesen ergänzenden Abklärungen aufbauend eine abschließende rechtliche Beurteilung des konkreten Einzelfalles durch das BVwG im Beschwerdefall vorgenommen werden.
Aus diesen Gründen war in casu gem. §21 Abs. 3 BFA-VG 2. Satz zwingend vorzugehen.
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Familienangehöriger,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W168.2213655.1.01Zuletzt aktualisiert am
14.05.2020