TE Bvwg Beschluss 2019/4/3 W217 1425972-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

03.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

W217 1425972-2/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle XXXX , vom 19.11.2018, Zl. XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen spätestens im November 2011 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 02.11.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid vom 12.03.2012 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) in allen Punkten abgewiesen und wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 10 Abs. 1 AsylG ausgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

Diese wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.07.2015, Zl. W155 1425972-1/33E, hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. als unbegründet abgewiesen. Spruchpunkt III. wurde ersatzlos behoben und festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in das Herkunftsland Afghanistan gem. § 8 Abs. 3a AsylG 2005 unzulässig ist.

3. Mit Schreiben vom 05.09.2018 (zugestellt am 06.09.2018) wurde dem Beschwerdeführer seitens des BFA die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zugestellt und ihm die Möglichkeit gewährt, zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen.

In seiner Stellungnahme, eingelangt beim BFA RD Steiermark, Außenstelle XXXX , am 14.09.2018, gab der Beschwerdeführer Folgendes an:

"Sehr geehrte Damen und Herren!

Mit diesem Schreiben möchte ich eine Stellungnahme abgeben und bitte um Anhörung: Ich bin im Jahr 2011 nach Österreich eingereist - habe allerdings keine fam. Bindungen oder gemeinsamen Haushalt hier. Auf Grund meiner Haft kann ich derzeit auch auf kein soziales Umfeld zurückgreifen.

Ich besuchte 7 Monate einen Sprachkurs in Österreich sowie die Polytechnische Schule in XXXX . Ich bin gesund - habe aber keine Krankenversicherung. Nach Entlassung werde ich mich unverzüglich bei der Landesregierung melden und um Aufnahme in die Grundversorgung bitten. Zu meiner Familie im Heimatland habe ich seit der Haft keinen Kontakt mehr - auf Grund der Inhaftierung weiß ich nicht wo meine Familie ist - ich habe keine Kontaktdaten."

4. Mit Bescheid des BFA vom 19.11.2018, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung führte das BFA aus, dass der Beschwerdeführer seit 2011 in Österreich aufhältig sei. Bis zu seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet habe er seinen Lebensmittelpunkt im Heimatland gehabt. Er habe im Rahmen seiner Stellungnahme zum Parteiengehör keine familiären oder sozialen Kontakte geltend gemacht. Auch fehle es an einer derartigen Integration in die österreichischen Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse, dass dem Beschwerdeführer ein schutzwürdiges Vertrauen auf ein dauerhaftes Bleiberecht hätte erwachsen können. Das BFA sei somit der Ansicht, dass die geforderten Voraussetzungen, welche eine Rückkehr unzulässig erscheinen lassen, im konkreten Fall nicht vorliegen. Der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und habe sonst auch keinen anderen dauerhaften Aufenthaltsstatus. Es könne im speziellen Fall auch nicht erkannt werden, dass er in beliebiger Weise in der österreichischen Gesellschaft eingewachsen und verankert wäre bzw. seine allfälligen Bindungen dergestalt wären, dass deren Veränderung für ihn nachhaltige Folgen hätte.

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG sei ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, habe insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist. Das öffentliche Interesse an der Ordnung und Sicherheit überwiege das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich. Die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer sei gerechtfertigt und notwendig, die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

Mit Verfahrensanordnung vom 19.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

5. In der dagegen erhobenen Beschwerde verwies der Beschwerdeführer darauf, dass im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.07.2015, GZ W155 1425972-1/33E, festgestellt worden sei, dass die Voraussetzungen für seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan nicht vorliegen würden, da seine Abschiebung nach Afghanistan aufgrund der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK gemäß § 8 Abs. 3a AsylG nicht zulässig wäre. Es sei festgestellt worden, dass für ihn eine maßgebliche Gefährdung vorliege, die nur aufgrund seiner Straffälligkeit nicht zur Erteilung des subsidiären Schutzes führe. Folglich hätte das BFA bei der Beurteilung der Frage, ob eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan nunmehr zulässig sei, den für die Aberkennung des subsidiären Schutzes anzuwendenden Prüfmaßstab heranziehen müssen, was es jedoch unterlassen habe. Die Feststellung, eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan sei zulässig, sei rechtswidrig: Das BFA könne im angefochtenen Bescheid insbesondere nicht darlegen, inwiefern sich die Lage in Afghanistan oder die persönliche Situation des Beschwerdeführers im Vergleich zum Zeitpunkt der Feststellung der Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 22.07.2015, GZ W155 1425972-1/33E, maßgeblich geändert hätte und dadurch der Tatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG erfüllt wäre. Das BFA stelle auch gar nicht fest, dass sich die Lage in Afghanistan seit damals verbessert hätte. Eine Verbesserung der Versorgungslage und Sicherheitslage in Afghanistan gebe es nachweislich nicht. Es sei vielmehr eine Verschlechterung eingetreten und bestehe derzeit ein bewaffneter Konflikt zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen wie den Taliban in weiten Teilen des Landes, wobei immer mehr Provinzen und Distrikte dem Konflikt zum Opfer fallen würden und eine enorm hohe Volatilität bestehe.

Das BFA habe sich in keiner Weise mit der konkreten Lage des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr nach Afghanistan auseinandergesetzt und insbesondere auch nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt zu seinen Angehörigen habe. Für eine tatsächliche Unterstützungsmöglichkeit und -willigkeit von Verwandten in Afghanistan bestehe keinerlei Indiz. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen einer Stellungnahme an das BFA auch angegeben, dass er zu seiner Familie im Heimatland seit der Haft keinen Kontakt mehr habe. Er wisse nicht, wo sich seine Angehörigen aufhalten würden. Das BFA habe den BF nicht einvernommen. Der Beschwerdeführer sei zuletzt 2015 vor dem BVwG persönlich in seinem Asylverfahren gehört worden.

Die vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen seien unvollständig und vielfach veraltet. Dies treffe insbesondere auf die Sicherheits- und Versorgungslage in den Städten Herat und Mazar-e Sharif zu. Die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan und insbesondere auch in den Großstädten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif habe sich in den letzten Monaten massiv und nachhaltig verschlechtert. Ebenso wenig seien Umstände in der Sphäre des Beschwerdeführers hervorgekommen, die im Fall der Refoulement-Prüfung zu einem anderen Ergebnis führen würden. Das BFA habe auf Grundlage eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts eine andere Beweiswürdigung vorgenommen bzw. andere rechtliche Schlüsse gezogen als im Erkenntnis des BVwG vom 22.07.2015. Hätte die Behörde demnach ihre Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, hätte sie zum Schluss kommen müssen, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan aufgrund einer drohenden Verletzung nach Art. 2 und 3 EMRK weiterhin unzulässig sei.

6. Am 21.12.2018 langte die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.12.2018, Zl. W217 1425972-2/3Z, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und muslimischen Glaubens.

Im Strafregister der Republik Österreich scheinen folgende Verurteilungen des Beschwerdeführers auf:

- LG f. Strafs. XXXX , 006 HV 52/2014t, vom 09.02.2015, rechtskräftig am 13.02.2015,

§ 15 StGB, § 105 (1) StGB, § 125 StGB, § 15 StGB, § 127 StGB, § 178 StGB, § 83 (1) StGB, § 107 (1) StGB, § 83 (1), § 287 (1) StGB, § 27

(1) Z 1 1. 2. Fall, (2) SMG, § 115 (1), § 117 (2) StGB

Datum der letzten Tat 04.01.2015

Freiheitsstrafe 14 Monate, davon Freiheitsstrafe 10 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre,

Junger Erwachsener

Vollzugsdatum 13.02.2015

zu LG f. Strafs. XXXX , 006 HV 52/2014t, rechtskräftig am 13.02.2015,

Probezeit des bedingten Strafteils verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG f. Strafs. XXXX 005 Hv 114/2015d vom 29.04.2016

zu LG f. Strafs. XXXX , 006 HV 52/2014t, rechtskräftig am 13.02.2015,

Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wird widerrufen

LG f. Strafs. XXXX 016 Hv 52/2016v vom 16.06.2016

-

LG f. Strafs. XXXX 016 Hv 52/2016v vom 16.06.2016, rechtskräftig am 08.08.2016

§ 15 StGB, § 201 (1) StGB

Datum der letzten Tat 31.03.2016

Freiheitsstrafe 2 Jahre

Vollzugsdatum 30.06.2018

-

LG f. Strafs. XXXX , 005 HV 114/2015d, vom 29.04.2016, rechtskräftig am 05.10.2016

§ 107 (1) StGB

Datum der letzten Tat 29.07.2015

Freiheitsstrafe 3 Monate

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf LG f. Strafs. XXXX

016 Hv 52/2016v, RK 08.08.2016

Junger Erwachsener

Vollzugsdatum 05.10.2016

Der Beschwerdeführer befindet zur Zeit in der Justizanstalt XXXX in Haft.

2. Beweiswürdigung

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. W155 1425972-1.

Die Feststellungen hinsichtlich seiner Staats- und Volksgruppenangehörigkeit, sowie zu seinem Glauben ergeben sich aus dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu Zl. W155 1425972-1.

Die Feststellung zu seinen strafrechtlichen Verurteilungen stützt sich auf die Eintragungen im Strafregister der Republik Österreich.

Die Feststellungen hinsichtlich des derzeitigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem im Akt inliegenden Schreiben des BFA vom 25.03.2019.

3. Anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A):

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits wiederholt mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet (vgl. für viele VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; 30.06.2015, Ra 2014/03/0054):

* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht kommt nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

* Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 leg.cit. verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das in § 28 leg.cit. insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

In inhaltlicher Hinsicht erweist sich der Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt als gravierend mangelhaft:

Wie die hier zu erledigende Beschwerde zutreffend rügt, wurden die Ermittlungen des BFA zu den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers, welche insbesondere mit Blick auf Art. 2, 3 und vor allem 8 EMRK (iVm §§ 50 und 53 FPG 2005 sowie § 9 BFA-VG) für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm der Feststellung der Zulässigkeit seiner Abschiebung und der Verhängung eines Einreiseverbots maßgeblich gewesen wären, nur ansatzweise durchgeführt und sind daher oberflächlich geblieben.

Trotz des dem BFA bekannten Aufenthaltsortes des Beschwerdeführers in der Justizanstalt XXXX sah dieses davon ab, den Beschwerdeführer mündlich einzuvernehmen, sondern forderte ihn lediglich zur schriftlichen Beantwortung einer Reihe von Fragen innerhalb von zwei Wochen auf, wodurch offenbar sämtliche erforderlichen Sachverhaltsangaben gewonnen werden sollten.

Die belangte Behörde hat sich jedoch nicht mit der konkreten Lage des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan auseinandergesetzt. Im Fall einer neuerlichen Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung wird die belangte Behörde zu prüfen haben, ob im Entscheidungszeitpunkt die reale Gefahr einer Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers nach Art 2, 3 EMRK bzw. der Zusatzprotokolle besteht. Dabei hat sie insbesondere Feststellungen zu treffen, inwiefern sich die Lage in Afghanistan oder die persönliche Situation des Beschwerdeführers im Vergleich zum Zeitpunkt der Feststellung der Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht vom 22.07.2015 maßgeblich geändert hätte.

Schließlich ist für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes - abgesehen von der Bewertung des vorangegangenen Verhaltens des Fremden - darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237). Diese Prognose ist nachvollziehbar zu begründen, wobei im Allgemeinen auch der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks besondere Bedeutung zukommt (VwGH 16.10.2014, Ra 2014/21/0039). Für das BFA wäre die Verschaffung dieses persönlichen Eindrucks durch eine Einvernahme des Beschwerdeführers auch deshalb essenziell gewesen, da er zuletzt am 18.06.2015 einvernommen wurde.

Mit Blick auf den skizzierten Hergang des Ermittlungsverfahrens geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass das BFA den Sachverhalt, welchen es für die Erlassung sämtlicher Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids als maßgeblich feststellte, im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt hat.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten administrativ-manipulativen Aufwandes sowie des derzeitigen Aufenthaltsortes des Beschwerdeführers - nicht ersichtlich.

Der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung reicht bei sonstigem Vorliegen der Voraussetzung des § § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht aus, um eine Verhandlungspflicht zu begründen (vgl. VwGH 22.11.2006, 2005/20/0406 u.v.a.).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu insbesondere die unter Pkt. II.3.4. zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich zudem als klar und eindeutig (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Einvernahme, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W217.1425972.2.01

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten