TE Bvwg Beschluss 2019/4/18 W124 2142726-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.04.2019
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Entscheidungsdatum

18.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

W124 2142726-1/5E

W124 2142728-1/5E

W124 2142729-1/5E

W124 2153780-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerden von

1.) XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX

2.) XXXX , geb. XXXX StA: Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX,

3.) XXXX , StA: Afghanistan, vertreten durch die Kindesmutter XXXX , als gesetzliche Vertreterin, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX,

4.) XXXX , StA: Afghanistan, vertreten durch die Kindesmutter XXXX , als gesetzliche Vertreterin, geben den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX

beschlossen:

A)

Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufgehoben und zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer (BF1 bis BF3) gelangten am XXXX mit Hilfe eines Schleppers unberechtigt in das Bundesgebiet und stellten am selben Tag gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.

Die Viertbeschwerdeführerin wurde am XXXX im österreichischen Bundesgebiet geboren und stellte durch ihre gesetzliche Vertreterin am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Einvernahme der BF 1 durch die Landespolizeidirektion Salzburg am XXXX gab diese an, dass BF 2 immer befürchten würde, dass diese nach Afghanistan zurückgeschoben werden würden.

In der mit der BF 1 am XXXX vor dem BFA aufgenommenen Niederschrift führte die BF 1 im Wesentlichen aus, dass Frauen in Afghanistan keine Rechte haben würden und die gesamte Situation, vor allem für Hazara, sehr gefährlich sein würde.

Im Iran habe die BF 1 nicht in Ruhe leben können und ständig Angst gehabt, dass BF 2 abgeschoben werden würde, da er keine Genehmigung gehabt habe. Als sie ihren Sohn bekommen habe, habe diese keine Geburtsurkunde erhalten und keinen Arzt besuchen dürfen, da ihr Sohn keinen Ausweis gehabt habe. Es habe auch die Gefahr bestanden, dass BF 2 in den Krieg gegen den IS ziehen hätte sollen. Es habe damals Krieg geherrscht und seien daher ihre Eltern geflüchtet. Die Sicherheitslage sei sehr schlecht und könne man dort nicht leben.

In der Stellungnahme vom XXXX führte die BF 1 u.a. ergänzend aus, dass sie sich als Frau in Afghanistan nicht auf die Straße trauen würde. Dies sei für sie völlig ausgeschlossen. Sie würden dort von Männern, die mehrere Ehefrauen haben dürften, verfolgt, entführt, missbraucht, geschlagen oder mit Steinen getötet werden. In Afghanistan würden Frauen gegenüber den Männern keine Rechte haben. Sie müssten tun, was ihnen die Männer sagen würden, sie würden den Männern "gehören". Muslimische Männer würden ihren Frauen befehlen zu Haus zu bleiben und ihnen gehorchen. Wenn sie sich wehren würde, könne sie geschlagen werden, sei müsse sich verhüllen und leise sein. Viele Männer würden ihre Herrschaft mit dem Islamismus rechtfertigen, was aber falsch sei. Töchter würden verheiratet werden, alles verlieren und kein Mitspracherecht haben. Die gesamte Lebenssituation sei für die BF 1, als Frau, als Mutter, als Mann, als Kind eine Katastrophe. Sie müssten jeden Tag um ihr Leben bangen.

BF 2 führte hinsichtlich seiner Fluchtgründe zu Afghanistan im Wesentlichen aus, dass er auf dem Weg in seine Heimatstadt von den Taliban oder anderen Rebellen getötet oder verletzt werden würde. In der Niederschrift vom XXXX führte dieser dazu aus, dass er offiziell für Afghanistan gekämpft habe. 5 seiner Brüder würden nach wie vor in XXXX , in der Heimatgemeinde des BF 2, leben. Seine Brüder könnten nach wie vor dort leben, weil sie damals noch sehr klein gewesen seien und der BF 2 daher keine Probleme gehabt habe. Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte er von den Taliban umgebracht zu werden, weil sie Hazara und Schiiten sein würden. Seine Brüder würden sich dies gefallen lassen und würden nach wie vor unter Angst dort leben.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der BF 1 bis BF 3 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründet wurde dies insbesondere damit, dass die BF 1 auch vor ihrer Ausreise in der Lage gewesen sei, ihre primären Lebensbedürfnisse zu befriedigen und habe auch während eine Aufenthaltes zum Beispiel in XXXX voll für ihren Lebensunterhalt gesorgt, weshalb dies auch im Bedarfsfall möglich sein würde. Sie habe vor ihrer Flucht aus dem Iran für sich im Familienverbund gesorgt und müsse nun davon ausgegangen werden, dass es ihr bei einer Rückkehr nach Afghanistan wieder möglich sein würde, ihre primären Bedürfnisse zu befriedigen, auch wenn dies in einem anderen für die BF sichereren Teil Afghanistans geschehen würde. Von Seiten der Behörde würde es keine Gründe geben, weshalb die BF 1 nicht in ihrem Heimatdistrikt zurückreisen könne. XXXX würde über einen leistungsfähigen Flughafen verfügen und würde von mehreren Linien täglich angeflogen werden.

Es wäre der BF 1 zumutbar durch eigene und notfalls auch wenig attraktive Arbeit oder erforderlichenfalls durch Zuwendungen von dritter Seite - auch unter Anbietung ihrer gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung- jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zu den regelmäßigen zumutbaren Arbeiten würden dabei auch Tätigkeiten gehören, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geben würde. Darüber hinaus gebe es für Rückkehrer in Afghanistan besondere Betreuungsangebote und Unterstützung, die von der BF 1 für eine neue Existenzgründung in Anspruch genommen werden könnte.

Es sei in Zusammenschau davon auszugehen, dass die BF 1 auch weiterhin in der Lage sein würde, sich selbst im Familienverbund in ihrem Herkunftsstaat versorgen zu können. Auf Grund der Länderfeststellungen und der Angaben der BF 1 sei im Verfahren davon auszugehen, dass diese in XXXX oder in einem für sie sicheren Teil Afghanistans Fuß fassen und dort ihr Leben entsprechend fortsetzen könne.

Die BF 1 habe weder eine Gefahr in Afghanistan noch irgendeine Verfolgung oder Drohung in ihrem Herkunftsstaat vorbringen können. Zusammengefasst habe die BF 1 keine fundierte Gefahr für ihre Person schildern können. Im Falle einer innerstaatlichen Flucht habe kein reales Risiko ermittelt werden können.

Rechtlich wurde zu BF 1 im Wesentlichen ausgeführt, dass die Begründung des Antrages in der GFK keine Deckung gefunden habe, weil aus den Angaben der BF keine konkret gegen den BF gerichteten staatlichen bzw. quasi-staatlichen Verfolgung aus asylrechtsrelevanten Gründen abzuleiten gewesen wäre. Die BF 1 habe keine Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat glaubhaft wiedergegeben. Zu dem einzig vorgebrachten Fluchtgrund, nämlich einer eventuell bestehenden Bedrohungslage in Afghanistan sei anzuführen, dass es sich hierbei um keine fundierte Bedrohung gehandelt habe.

Zu Spruchpunkt II. wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass von der BF 1 keine schwere Krankheit vorgebracht worden sei und auch nicht die Notwendigkeit zur regelmäßigen Einnahme von Arzneimitteln bestehen würde. Es sei der BF 1 vor ihrer Ausreise leicht möglich gewesen die Kosten für die Ausreise mittels eines Schleppers zu bestreiten bzw. durch den Familienverband aufzubringen. Die BF 1 sei vor ihrer Ausreise in der Lage gewesen die primären Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Außerdem beherrsche die BF 1 die unter anderem übliche Landessprache und würde die in Afghanistan bestehenden kulturellen Werte kennen. Es sei davon auszugehen, dass die BF 1 in der Lage sein würde auch unter Inanspruchnahme des Clanverbandes ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. In diesem Zusammenhang sei anzuführen, dass die BF 1 weiterhin im Falle der Rückkehr eine entsprechende Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen könne.

Hinsichtlich des Privat-, und Familienleben wurde ausgeführt, dass sich die BF 1 während ihres Aufenthaltes darüber im Klaren habe sein müssen, dass der Aufenthalt nur für die Dauer des Asylverfahrens rechtmäßig gewesen sei. In dieser Zeit sei ein etwaig entstandenes Privatleben keinesfalls geeignet gewesen, das Interesse der BF 1 am Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen zu stellen. Der BF 1 habe bei der Antragstellung bewusst sein müssen, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz nur ein vorübergehender sein habe dürfen.

Die BF 1 befinde sich das erste Mal im Ausland, ihr Aufenthalt im Iran würde hier als kulturell gleichwertig angesehen werden. Die BF 1 habe einen Großteil ihres bisherigen Lebens in Iran verbracht. Dieser werde dadurch relativiert, weshalb unter Berücksichtigung ihrer individuellen Situation in Österreich insgesamt ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung festgestellt werden habe können.

Zu BF 4 wurde ausgeführt, dass die gesetzliche Vertreterin den Antrag auf Gewährung desselben Schutzes gestellt habe. Im Hinblick auf das zu führende Familienverfahren, welches die anderen Familienmitglieder betreffend bereits beim BVwG anhängigen, sei erstinstanzlich keine anderslautende Entscheidung im Hinblick auf eine allfällige Asylgewährung oder Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten zu treffen, zumal bis dato keinem Familienangehörigen im Bundesgebiet internationaler Schutz oder subsidiärer Schutz gewährt worden sei. Zu den Gründen für die Nichtzuerkennung im Hinblick auf BF 1 und BF 2 würde auf die diesbezüglichen Ausführungen in deren Bescheiden verwiesen werden.

Gegen die gegenständlichen Bescheide des BFA erhoben die BF 1 bis 4 fristgerecht Beschwerden. Dabei wurde im Wesentlichen die Fluchtgeschichte der BF 1 und des BF 2 neuerlich wiederholt.

Zu BF 1 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die BF 1 im Laufe ihrer weiteren Lebensjahre durch ihr Heranwachsen und Heranreifen zu einer selbständigen, auf Eigenständigkeit und Autonomie sowie Freiheit bedachten, eine eigene Berufstätigkeit anstrebende Frau geworden sei. Dies habe BF 1 im Rahmen der Einvernahmen beispielsweise mit folgenden Worten auf den Punkt gebracht "Ich möchte hier arbeiten, möchte mich weiterbilden, ich möchte nicht zu Hause bleiben und hier aktiv sein." Weiteres gehe aus der Aussage hervor, dass die BF 1 in Österreich Freizeitaktivitäten unternehmen würde, die für eine afghanische Frau in Afghanistan unvorstellbar sein würden: "Ich lerne Deutsch, ich bringe mein Kind zur Spielgruppe. Ich gehe mit meinem Mann zum Volleyball. Ich gehe mit meinem Kind zum See und wir spielen dort. Ich lerne Schwimmen."

Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen seien weiterhin in Afghanistan gegeben, teils auf Grund des Wiederauflebens der Taliban, teils auf Grund des großen Einflusses religiöser Traditionalisten. Dieser realen Situation stehe die BF 1 als selbstbewusste, gebildete, intelligente, den Großteil ihres noch jungen Lebens außerhalb von Afghanistan lebenden Frau gegenüber. Solche Lebensumstände wären gleichbedeutend mit einem "Hinein-Gestoßen-Werden" bzw. "Hinein-Gezwungen-Werden" in einen "engen Käfig der Tradition", in welchem die BF 1 als Frau und Mensch verkümmern müsste.

Eine derartige wohlbegründete Furcht sei BF 1 jedenfalls zuzugestehen, da sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten habe, dort mit einer Lebenssituation als Frau konfrontiert zu sein, die es ihr unmöglich machen würde grundlegenden Menschrechte auszuüben (beispielsweise das Recht auf physische Bewegungsfreiheit, auch ohne männliche Schutzbegleitung, nach Art. 5 Abs. 1 EMRK betreffend "Recht auf Freiheit und Sicherheit", " Recht auf Nicht-Diskriminierung als Frau gemäß der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18.12.1979). Die Diskriminierungen, welche die BF 1 in Afghanistan auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen erwarte, seien derart mannigfach und schwerwiegend, dass sie jedenfalls in Gesamtschau der Betrachtung als Verfolgung i.S.d. Art 9 der Statusrichtlinie einzustufen seien.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe der BF nicht zur Verfügung, da insoweit die Verfolgungsbedrohungen für Frauen und für hazarische Frauen in ganz Afghanistan die gleichen sein würden.

Zu BF 3 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dieser mannigfach in seinen elementaren, kinderspezifischen Menschenrechten bedroht sein würde, sodass auch dies als asylrelevante Bedrohung einzustufen sei. In der Begründung des angefochtenen Bescheides des BF 3 sei darauf überhaupt nicht eingegangen worden. Unbeschadet der Erklärung der BF 1, dass ihr Kind keine eigenen Asylgründe haben würde, hätte von Amts wegen das Vorliegen derartiger Gründe unter Heranziehung des landeskundlichen Amtswissens geprüft werden müssen. Indem dies nicht geschehen sei, habe das BFA seine amtswegige Ermittlungs-, und Prüfpflicht hinsichtlich der materiellen Flüchtlingseigenschaft des BF 3 verletzt. Aus den im Bescheid des BF 2 enthaltenen landeskundlichen Feststellungen zum Thema "Kinder" könne ersehen werden, dass das Kind, BF 3, im Falle einer erzwungenen Abschiebung nach Afghanistan wohlbegründet fürchten müsse, gezwungen zu sein, bereits als Kind Kinderarbeit leisten zu müssen, um den materiellen Lebensunterhalt der Familie mitzusichern, gezwungen zu sein in einer Gesellschaft zu leben, in welcher der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ein großes Problem sei, BF 3 in einem Land leben müsse, in welchem Kinder unterernährt sein würden, wobei ca. 10% der Kinder schon vor ihren 5. Geburtstag sterben würden.

Unter Bedachtnahme auf all diese, aus den landeskundlichen Feststellungen im Bescheid betreffend den BF 2 hervorgehenden Gegebenheiten und auf Art. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern muss auch dem BF 3 für den Fall einer Abschiebung eine wohlbegründete Furcht vor asylrelevanter Verfolgung im Sinne eines Eingriffs in grundlegende Menschen-, und Grundrechte attestiert werden.

Außerdem hätte auch auf die besondere Vulnerabilität der antragstellenden Parteien als 4-köpfige Familie mit zwei Kleinkindern bei fehlenden familiären, clanmäßigen oder sonstigen Anknüpfungspunkten und Auffangnetzen in einer der als "Rückkehraufenthaltsort" theoretisch in Betracht kommenden Großstädte Afghanistans Bedacht genommen werden müssen.

Das BFA gehe fast stillschweigend davon aus, dass den BF ein Leben in Afghanistan in der Provinz Balkh möglich sein würde. Es würde gar nicht untersucht werden, wo die Betroffenen dort leben sollten, ob in der Hauptstadt oder in ihren Herkunftsdörfern oder bei ihrer Herkunftsfamilie des BF 2. Auch auf die Erreichbarkeit dieser Gebiete in dem allgemein von einer volatilen Sicherheitslage geprägten Afghanistan wird nicht näher eingegangen. Mit welcher sozio-ökonomischen und sonstigen Lebenssituation die BF beispielsweise in der Provinzhauptstadt XXXX konkret konfrontiert sein würden, würde gleichfalls nicht erörtert oder untersucht werden. Es wird dabei außer Acht gelassen, dass es den Betroffenen auch in XXXX an jeglichen sozialen oder familiären Auffangnetz fehlen würde, diese dort vollkommen auf sich allein gestellt sein würden, auch dort eine massive Diskriminierung der Hazara gegeben sei, die BF 1 gezwungen sein würde das Haus nicht zu verlassen, sodass der BF 2 gezwungen sein würde ganz alleine für den Lebensunterhalt von vier Personen aufkommen müsste, wobei gänzlich unerfindlich bleiben würde, wie dies unter den ungünstigen Rückkehrbedingungen, a. fehlendes soziales, familiäres oder clanbezogenes Auffangnetz, b. Zugehörigkeit zur diskriminierten und allgemein verachteten Minderheit der Hazara, c. erhöhte existenzielle Bedürfnisse, weil auch zwei Kleinkinder entsprechend ernährt und gefördert werden müssten.

Auch die Herkunftsfamilie des BF 2 könne diese Versorgungsaufgabe nicht erfüllen, weil sie arm sei, aus ländlicher Kleinarbeit leben und aus diesen Minimaleinkünften bereits mehrere Familien versorgt werden hätten müssen. Zudem komme eine Rückkehr in die Herkunftsregion des BF 1 aus den bereits dargelegten individuellen Gefährdungsgründen nicht in Betracht. Es stehe außer Frage, dass die als besonders vulnerable, ein oder zwei Kleinkinder umfassende Familie der Betroffenen zu jenen Rückkehrern gehören würde, die in Afghanistan die nackte Not und das nackte sozioökonomische und materielle Elend erwarten würde.

Gänzlich unterlassen worden sei eine Prüfung des Vorliegens der inhaltlichen Voraussetzungen gem. Art 15 lit. c der Status Richtlinie.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.1. Gemäß § 7 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher im vorliegenden Beschwerdeverfahren gegeben.

Zu A) Zurückverweisung der Beschwerde

1.2. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere ausgeführt:

"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommenden Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."

1.3. Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, in nunmehr ständiger Rechtsprechung (vgl. Erkenntnis vom 24.02.2009, Zl. U 179/08-14 u. a.) ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit dem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhalts (vgl. VfSlg.15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m.w.N., 14.421/1996, 15.743/2000).

2. In seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063-4 hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in Hinblick auf die nach § 28 Abs. 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit ausgesprochen, dass prinzipiell eine meritorische Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte bestehe und von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen beziehungsweise besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden könne. Diesbezüglich führte er aus, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

3. Die belangte Behörde hat die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderten Maßstäbe eines umfassend ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens in den gegenständlichen Verfahren missachtet. In den gegenständlichen Verfahren wurde ebenso gegen die in § 18 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 18 AsylG 2005 bestimmt nämlich, dass das Bundesamt in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 iVm. § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde darstellt, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, hat die belangte Behörde in diesem Verfahren jedoch missachtet.

Das Bundesamt hat betreffend mehrerer wesentlicher Verfahrensfragen den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht, bzw. nicht ausreichend ermittelt, hat verfahrenswesentliche Feststellungen nicht getroffen und entsprechende Länderfeststellungen den gegenständlichen Bescheiden nicht zu Grunde gelegt.

Auch unter Verweis auf die jüngste Entscheidung des VfGH (etwa E 3507/2017-15 vom 27. Februar 2018) ist festzuhalten, dass die im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Länderberichte unter anderem nur allgemeine Ausführungen zur Situation von Kindern in Afghanistan enthalten. Wenn das BFA in den Feststellungen zur Situation im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat ausführt, dass keine Umstände amtsbekannt sein würden, dass in der Republik Afghanistan eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehren würde, einer Gefährdung i. S.d. Art 2 EMRK und Art 3 EMRK ausgesetzt wäre oder eine derartige humanitäre Katastrophe vorherrsche, dass das Überleben von Personen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich in Frage gestellt sein würde, wird darauf verwiesen, dass das BFA übersieht, dass aus den in den gegenständlichen Bescheiden zu Grunde gelegten Länderfeststellungen insbesondere hervorgeht, dass die Menschenrechtssituation von Kindern in Afghanistan insgesamt Anlass zur Sorge gebe. So wird ausgeführt, dass körperliche Züchtigungen und Übergriffe im familiären Umfeld, in Schulen oder durch die afghanische Polizei verbreitet seien und der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in weiten Teilen Afghanistans nach wie vor ein großes Problem sei. Der sexuelle Missbrauch von Jungen sei weit verbreitet, eine polizeiliche Aufklärung finde nicht statt. Die Länderberichte nennen Kinderarbeit als Problem. Die Regierung zeige auch nur geringe Bemühungen, Kinderarbeit zu verhindern oder Kinder aus ausbeuterischen Verhältnissen zu befreien. Rund 22% der Kinder in Afghanistan würden einer Arbeit nachzugehen haben. Betreffend der Ausbildungssituation wären Defizite zu erkennen. Den gegenständlichen Länderinformationen ist insbesondere des weiteres auch zu entnehmen, dass viele Kinder in Afghanistan unterernährt seien und ca. 10% der Kinder vor ihrem fünften Lebensjahr sterben würden.

In seiner Begründung, insbesondere zur Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten, setzt sich das BFA jedoch nicht weiter mit der Situation von Minderjährigen in Afghanistan (z.B. XXXX , XXXX ) insgesamt und diesbezüglich auch nicht mit den in den angefochtenen Bescheiden zitierten Länderberichten auseinander bzw. würdigt auch die Informationen der den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegten Länderfeststellungen aufbauend, nicht ausreichend die individuelle konkrete Situation der Familie bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan. Vielmehr beschränkt sich das BFA in diesem Zusammenhang auf eine allgemeine Ausführung, dass BF 3 bzw. der BF 4 und seine Familie auch vor ihrer Ausreise in der Lage gewesen wären ihre primären Bedürfnisse zu befriedigen und hätte man auch während eines Aufenthaltes z.B. in XXXX voll für deren Lebensunterhalt im Familienverbund sorgen können. Die Familie des BF 3 und BF 4 habe vor ihrer Flucht aus dem Iran für sich sorgen können, wenn auch im Familienverband und müsse nun davon ausgegangen werden, dass es diesen bei einer Rückkehr nach Afghanistan wieder möglich sein würde seine primären Bedürfnisse zu befriedigen, auch wenn dies in einem anderen, für sie sicheren Teil Afghanistans geschehen würde. Seitens der Behörde würde es keine Gründe geben, weshalb die BF nicht in deren Heimatland zurückkehren könnten. XXXX verfüge über einen leistungsfähigen Flughafen und würde von mehreren Fluglinien täglich angeflogen werden. Das BFA verkennt allerdings im gegenständlichen Fall, dass der BF 2 mittlerweile bereits vor 16 Jahren sein Herkunftsland verlassen hat und im gegenständlichen Fall nicht hervorgekommen ist, inwieweit die sozioökonomischen Verhältnisse der Familie des BF 2 in diesem Zeitraum stabil geblieben sind. In diesem Zusammenhang muss allerdings noch berücksichtigt werden, dass es sich bei BF 2 seit seiner Heirat nicht mehr um einen alleinstehenden Mann handelt, welchen unter Berücksichtigung der ihn persönlich treffenden Umständen unter Anlehnung der ständigen Rechtsprechung des VwGH zumutbar wäre auch ohne Unterstützung durch seine Familie in urbaner Umgebung in Afghanistan zu leben, sondern dieser mittlerweile mit der BF 1 verheiratet ist und aus dieser Beziehung BF 3 und BF 4 hervorgegangen sind. Im Übrigen kann in diesem Zusammenhang insoweit die Begründung im Bescheid der BF 1, dass diese weiterhin in der Lage sein solle, sich selbst im Familienverbund in ihrem Herkunftsstaat versorgen zu können, nicht nachvollzogen werden, als die Prüfung einer solchen Möglichkeit in Afghanistan völlig außer Acht gelassen wurde.

Insofern geht das BFA aber auf die Minderjährigkeit der Dritt-, und des Viertbeschwerdeführers nicht ausreichend ein. Es unterlässt jegliche vertiefende bzw. individuelle Auseinandersetzung mit den in den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegten kinderspezifischen Länderberichten und der Frage, ob den zwei Kindern, es handelt sich zum Zeitpunkt der Entscheidung um ein zweijähriges Kind, bzw. um ein Kind im Alter von fünf Jahren, im Falle einer Rückkehr eine Verletzung ihrer gemäß Art. 2 und Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte droht (vgl. hiezu jüngst VfGH 21.9.2017, E 2130/2017 ua.; 11.10.2017 E 1734/2017 ua.; 11.10.2017 1803/2017 ua.; 13.03.2019 E 1480-1482/2018-15). Die Entscheidungen betreffend die minderjährige Drittbeschwerdeführerin bzw. des Viertbeschwerdeführers sind somit begründungslos ergangen.

Weiters ist festzuhalten, dass auch hinsichtlich des von der BF 1 im Zuge der Befragung vor dem BFA erstatteten Vorbringen bzw. Stellungnahme wesentliche verfahrensrelevante Abklärungen unterlassen worden sind. So stellt das BFA zur Situation im Falle der Rückkehr der BF 1 u.a. fest, dass von Seiten des BFA angenommen werde, sie sei weder traumatisiert oder körperlich eingeschränkt und könne somit am öffentlichen Leben in Afghanistan ohne Probleme teilnehmen bzw. würde diese jeder Zeit integrierbar sein. Eine mögliche, fragliche Diskriminierung ihrer Person, Übergriffe oder eine Gefährdung in Afghanistan gegen ihre Person sei nicht zu erwarten bzw. zu befürchten. Diese Schlussfolgerung kann von Seiten des BVwG allerdings nicht nachvollzogen werden, als diese in ihrer Stellungnahme vom XXXX dazu u.a. ausführt, dass die BF 1 sich als Frau in Afghanistan nicht so wie in Österreich auf die Straße traue und dies völlig ausgeschlossen sein würde, als sie dort von Männern, die mehrere Ehefrauen haben dürften, verfolgt, entführt, missbraucht, geschlagen oder mit Steinen getötet werden würden. Frauen würden gegenüber Männern in Afghanistan keine Rechte haben und diese ihnen befehlen zu Hause zu bleiben. In den vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen wurde diesbezüglich ausgeführt, dass Frauen noch immer Strömungen des islamischen Konservativismus ausgesetzt sein würden, indem die Mobilität von Frauen ohne männliche Erlaubnis oder Begleitung durch soziale Traditionen eingeschränkt sein würde. Unbegleitete Frauen würden gemeinhin nicht gesellschaftlich akzeptiert sein. Insofern sind auch die Ausführungen, wonach es der BF 1 auch zumutbar sei, wenig attraktive Arbeiten anzunehmen bzw. unter Anbietung der Arbeitskraft der BF 1 als Gegenleistung anzubieten nicht nachvollziehbar, als den herangezogenen Länderfeststellungen nach Frauen oft schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung scheitern würden. Diesbezüglich hat es das BFA beispielsweise völlig unterlassen sich mit der Führung der alltäglichen Lebensweise der BF 1 in Österreich zum Vergleich einer solchen in Afghanistan entsprechend ausreichend auseinanderzusetzen und wurden diese Umstände weder mit der BF 1 bzw. noch mit dem BF 2 erläutert. Erst die genauen Beweg-, und Hintergründe, die entsprechend zu hinterfragen sein werden, lassen eine entsprechende Beurteilung dessen zu und mögen auch bei der Beurteilung einer entsprechenden Lebensweise Einfluss haben. Umso wichtiger wäre es im gegenständlichen Fall gewesen die Lebensführung der BF 1 und des BF 2 näher zu hinterfragen und zu beleuchten, um beurteilen zu können, inwieweit die Lebensweise der BF 1, die Anerkennung, Inanspruchnahme oder die Ausübung der Grundrechte zum Ausdruck bringt bzw. von dieser auf Grund ihrer geführten Lebensweise nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und /oder religiösen Normen zu entgehen.

Insofern konnte im gegenständlichen Verfahren auch gar nicht auf Basis konkreter Feststellungen zur aktuellen Lebensweise der BF1 bzw. des BF 2 - unter Heranziehung aktueller Länderberichte - die zu erwartende Reaktion in Afghanistan auf eine von ihr u.U. angestrebte Lebensweise geprüft (etwa VwGH, Zlen Ra 2014/20/0017 und 0018-9, 28.05.2014). Wenn das BFA in Hinblick der Ausführungen der BF 1 hinsichtlich der Unterdrückungen der Frauen in Afghanistan sich auf die herangezogenen Länderfeststellungen beruft, wonach sich die Situation der Frauen nach der Herrschaft der Taliban erheblich verbessert hat, so übersieht das BFA, wie bereits oben ausgeführt, dass die BF 1 in der Stellungnahme vom XXXX vor dem BFA von massiven Problemen als Frau bzw. Mädchen in Afghanistan gesprochen hat. Ihren Ausführungen nach geht es dabei offenbar auch um die allgemeine Sicherheit dieser, als diese etwaige Befürchtung äußert, dass es diesen gegenüber in Afghanistan zu Missbräuchen und Entführungen kommen könnte. Wenn in den vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen zu entnehmen ist, dass die Verteidigung der Rechte der Frauen in einem Land, indem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt ist, offenbar nur eingeschränkt möglich sei bzw. Frauen, die danach streben würden sich ins öffentliche Leben einbringen, oftmals als "sittenwidrig" verurteilt werden würden und gezielt eingeschüchtert, belästigt und ihnen Gewalt angedroht werden würde, so übersieht das BFA, dass dieses bei offensichtlichen Zweifeln der Angaben der BF 1 an dieser Situation aufgrund seiner Ermittlungspflicht noch entsprechende Nachforschungen und Nachfragen in Verfahren zu tätigen gehabt hätte.

Bereits im erstinstanzlichen Verfahren ist zu ermitteln und festzuhalten, inwieweit aus insbesondere solcherart Aussagen, aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes und eines Ausbildungswunsches eine verfahrensrelevante fundierte westliche Gesinnung oder ein relevanter westlicher Lebensstil abzuleiten ist. Das Unterlassen jeglicher weiterer hierauf bezogenen Abklärungstätigkeit stellt im gegenständlichen Verfahren einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Das BFA wird somit die oben angeführten Ermittlungen nachzuholen haben.

Die Vornahme solcherart verfahrenswesentlicher Abklärungen kann nicht gänzlich zur erstmaligen bzw. vollständigen Ermittlung im Beschwerdeverfahren an das BVwG delegiert werden. Eine solcherart gänzliche erstmalige Vornahme in den angeführten Punkten verfahrenswesentlich durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine solcherart auch darauf aufbauende erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann jedenfalls nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dies insbesondere auch unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und eine sämtliche verfahrensrelevanten Aspekte abdeckende Prüfung des Antrages nicht erst beim BVwG beginnen und zugleich enden soll.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteiverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes- nicht ersichtlich.

Da der maßgebliche Sachverhalt in den gegenständlichen Verfahren somit nach wie vor in verfahrensrelevant wesentlichen Punkten nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen den Anträgen der Beschwerdeführer die angefochtenen Bescheide zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen stattzugeben.

Auf Grundlage der neuen Ermittlungsergebnisse wird das BFA nach Vornahme von entsprechenden Abklärungen und unter Zugrundelegung von aktuellen, die oben angeführten Punkte abklärenden Länderfeststellungen, neue Bescheide zu erlassen haben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil der gegenständliche Fall rein tatsachenlastig ist und keinerlei Rechtsfragen - schon gar nicht von grundsätzlicher Bedeutung - aufwirft. Der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass die Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG in ihrem Kernbereich auf § 28 Abs. 3 VwGVG anzuwenden ist und diesbezüglich seit jeher Einheitlichkeit gegeben ist.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W124.2142726.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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