TE Bvwg Beschluss 2019/4/29 W240 2214058-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.2019
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Entscheidungsdatum

29.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §4 Abs1
AsylG 2005 §57
BFA-VG §21 Abs3 Satz 2
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs2
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
FPG §61 Abs2

Spruch

W240 2214050-1/10E

W240 2214056-1/8E

W240 2214058-1/8E

W240 2214053-1/7E

W240 2214057-1/7E

W240 2214055-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerden von XXXX alle StA. Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 02.01.2019, Zl. 1151707401-170555620 (ad 1.), Zl. 1150935609-170526719 (ad 2.), Zl. 1150934601-170536727 (ad 3.), Zl. 1150934906-170536735 (ad 4.), Zl. 1150935108-170526751 (ad 5.), und Zl. 1202200001-180750955 (ad 6.), beschlossen:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und die bekämpften Bescheide behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer stellten - abgesehen von der Sechtsbeschwerdeführerin - jeweils am 09.05.2017 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Der Erstbeschwerdeführer zu W240 2214050-1 ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin zu W240 22145056-1, beide sind die Eltern der restlichen vier Beschwerdeführer (Dritt- bis SechstbeschwerdeführerInnen zu W240 2214058-1, W240 2214053-1, W240 2214057-1 und W240 2214055-1).

Die Sechstbeschwerdeführerin wurde am XXXX 2018 in Österreich geboren, für diese wurde in der Folge ein Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt.

Hinsichtlich den Erstbeschwerdeführer liegt ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 (Asylantragstellung) vom 05.05.2017 in Deutschland vor.

Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 03.05.2017 brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, sie habe ihren Wohnort vor zwei bis drei Monaten zu Fuß verlassen. Sie sei über Pakistan in den Iran gelangt, wo sie rund 15 Tage langt aufhältig gewesen sei. Weiter sei sie über die Türkei und unbekannte Länder nach Österreich gelangt.

Befragt zu ihren Fluchtgründen gab sie wie folgt an:

"Mein Mann arbeitete für die afghanische Nationalarmee, sowie für die Taliban. Ich weiß nicht, was passiert ist, aber er war auf einmal verschwunden. Seit 2 Jahren ist er verschollen. Sowohl die Taliban als auch Personen der Nationalarmee waren hinter ihm her. Vor etwa einen oder eineinhalb Jahren wurde mein Sohn von Unbekannten entführt. Er wurde verbrannt und misshandelt. (AW zeigte auf Narben am linken Oberarm des Sohnes und der Hand). Sie brachten ihn dann zurück. Sie drohten mir, dass sie meine Töchter nicht in Ruhe lassen werden und forderten Geld und wollten wissen, wo sich mein Mann aufhält. Seitdem mein Mann verschollen ist, bin ich mit den Kindern alleine. Meine Mutter ist auch bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen. In Afghanistan ist es als alleinstehende Frau sehr schwierig. Ich hatte es sehr schwer. Es gibt keine Frauenrechte. In Afghanistan gibt es gar keine Reche. Ich konnte nur zu Hause sein. Ich weiß nicht, wo mein Mann ist. In Afghanistan kann man als Frau nicht ohne Mann leben. Es ist unsicher und schwierig. Dort herrscht Krieg und es gibt Bombenanschläge. Ich kann in meine Heimat nicht zurück. Mein Sohn wurde entführt. Ich habe Angst, dass meine Töchter entführt werden. Wir wurden bedroht. Sie wollten meinen Sohn töten. Ich habe Angst um meine Kinder. Ich stelle hiermit den Antrag als gesetzliche Vertreterin meiner Kinder auf internationalen Schutz.

Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 09.05.2017 brachte der Erstbeschwerdeführer vor, er sei zwei Jahre im Iran aufhältig gewesen, danach sechs Monate in der Türkei sowie sechs Monate in Griechenland, er sei über unbekannte Länder nach Deutschland gelangt. Er sei auf der Suche nach seiner Familie gewesen, er habe zuletzt vor drei Jahren Kontakt zu seiner Familie gehabt. Weiters gab er zu seinem Fluchtgrund wie folgt an:

"Ich bin Ende 2003 von Schweden nach Afghanistan zurückgekehrt, da ich angenommen habe, dass sich die Sicherheitslage gebessert hätte. Ich musste zu meiner Familie, da sie mich gebraucht hat. Unsere Region wurde von den Taliban eingenommen. Schließlich haben die Taliban mich aufgefordert, mit ihnen zusammen zu arbeiten. Ich habe mich geweigert. Sie haben mich bedroht und wollten meine Familie entführen. Aus Angst um meine Familie musste ich unter Zwang 6 Monate lang mit den Taliban zusammenarbeiten. Ich konnte es nicht länger aushalten, mit ihnen zu arbeiten. Die Taliban haben einen Militärstützpunkt angegriffen, dabei wurden 2 Soldaten getötet. Deshalb habe ich den Entschluss gefasst, zu flüchten. Aus Angst um mein Leben konnte ich nicht mehr dort blieben. Die Taliban sagten mir, jeder aus dem Dorf ist verpflichtet, sie zu unterstützen. Wenn sich jemand weigert, wird er bestraft. Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin. Ich habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung. Bei einer Rückkehr in meine Heimat fürchte ich um mein Leben."

Am 26.06.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Erstbeschwerdeführers vor dem BFA. Er gab insbesondere wie folgt an:

"(...)

LA: Es ist unumgänglich, dass Sie die Wahrheit sagen, nichts verschweigen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darlegen.

VP: Ich habe das verstanden. Ich werde die Wahrheit sagen.

Anmerkung: VP legt ein Schriftstück vor, welches bestätigt, dass er bei einem Deutschkurs teilnimmt. Dies wird als Kopie als Anlage 1 zum Akt genommen.

LA: Werden Sie in diesem Verfahren rechtlich vertreten?

VP: Nein.

LA: Haben Sie ein Dokument, das Ihre Identität nachweisen könnte?

VP: Nein, aber ich hatte eine Tazkira. Ich weiß nicht, wo diese ist, habe vor drei Jahren meine Heimat verlassen. Ich habe meine Tazkira zu Hause, Provinz Laghman, Distrikt XXXX , zurückgelassen.

LA: Haben Sie bei der Erstbefragung vor der Polizeiinspektion der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

VP: Ja, ich habe die Wahrheit gesagt.

LA: Wurden Ihnen diese Protokolle rückübersetzt und korrekt protokolliert?

VP: Es wurde rückübersetzt und richtig protokolliert.

LA: Möchten sie zu den gemachten Angaben Ergänzungen machen?

VP: Nein.

LA: Wie bestreiten Sie hier in Österreich Ihren Lebensunterhalt? Werden Sie vom Staat versorgt, erhalten Sie sich selbst oder werden Sie von irgendjemandem finanziell unterstützt?

VP: Ich befinde mich in der Grundversorgung.

LA: Sind Sie hier in Österreich Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation?

VP: Nein.

LA: Haben Sie in Österreich Verwandte?

VP: Nein, nur meine Familie, die mit mir hier ist.

LA: Haben Sie in Österreich irgendwelche sozialen oder privaten Bindungen?

VP: Nein.

LA: Welcher Volksgruppe und welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?

VP: Ich bin Paschtune und sunnitischer Moslem.

LA: Geben Sie einen kurzen Lebenslauf von sich an!

VP: Ich wurde in Laghman geboren. Genauer im Distrikt XXXX . Ich habe keine Schule besucht. Eigentlich habe ich bis zur sechsten oder siebenten Klasse eine Schule besucht. Das war aber keine ordentliche Schule. Meine Familie besitzt Grundstücke. Ich war in der Landwirtschaft beschäftigt und habe auch als Verkäufer gearbeitet. Wir haben eine eigene Landwirtschaft. Wir haben Güter angebaut und weiterverkauft. 1998 bin ich nach Schweden gereist. Ich habe fünf Jahre dort gelebt. 2003 bin ich in meine Heimat zurückgekehrt. Die Sicherheitslage hat sich dort gebessert. Ich bin auf Anraten meiner Mutter in die Heimat zurückgekehrt. Sie sagte, ich solle sie in der Landwirtschaft unterstützen, da mein Vater verschollen ist und mein Bruder damals noch jung war. Ich hatte einen dauerhaften Aufenthalt für Schweden. Musste aber in die Heimat zurückkehren. 2003 bin ich zurückgekehrt. Die Sicherheitslage hatte sich gebessert. Die Taliban gab es nicht. Die Lage hat sich aber verschlechtert. 2014 habe ich unter Zwang mit den Taliban arbeiten müssen. Ich glaube das war für die Dauer von etwa sechs Monaten.

LA: Wann sind Sie geboren?

VP: XXXX

LA: Können Sie das Datum auch im afghanischen Kalender sagen?

VP: Nein. Ich habe ein niedriges Bildungsniveau, dieses Datum habe ich auch in Schweden geführt.

LA: Woher wissen Sie das Geburtsdatum?

VP: Dieses Datum kenne ich von meinem Vater, er war gebildet. Er hat sich auch mit der gregorianischen Zeitrechnung ausgekannt. Er hat mir nur das Datum genannt.

LA: Wie alt Sind Sie?

VP: 37 oder 38.

LA: Warum haben Sie das erste Mal Afghanistan verlassen?

VP: Mein Vater ist verschollen, ich war damals noch jung. Meine Mutter schickte mich weg. Sie wollte, dass ich eine Ausbildung mache und mir ein Leben aufbaue.

LA: Was haben Sie in Schweden gemacht?

VP: Ich habe zweieinhalb bis drei Jahre in einer Supermarktkette gearbeitet.

LA: Und die restlichen Jahre?

VP: Die ersten zwei Jahre war ich in einer Asylunterkunft und habe die Sprache gelernt. Nach zwei Jahren bekam ich die Dokumente.

LA: Welche Dokumente?

VP: Ich habe Asyl bekommen.

LA: Welche Dokumente?

VP: Den Reisepass.

LA: Wo ist der?

VP: Den habe ich in Afghanistan verloren.

LA: Wo?

VP: In Laghman.

LA: Wann?

VP: Nach meiner Heirat.

LA: Wann war diese?

VP: 2009. Ich möchte mich korrigieren, ich habe 2008 geheiratet.

LA: Wie lange nach der Rückkehr nach Afghanistan haben Sie geheiratet?

VP: Fünf Jahre später.

LA: Wie lange sind Sie verheiratet?

VP: Seit zehn Jahren, nein neun.

LA: Ist die Ehe registriert worden?

VP: Nein. Die Ehe wurde traditionell geschlossen.

LA: Haben Sie Kinder?

VP: Ja, zwei Töchter und einen Sohn. Mein Sohn ist sieben Jahre alt, meine Töchter sind vier und drei Jahre alt.

LA: Gingen Sie in Ihrem Heimatland einer Arbeit nach?

VP: In der eigenen Landwirtschaft und als Verkäufer.

LA: Welche Angehörigen haben Sie noch im Heimatland und wie heißen diese?

VP: Meine Mutter, Bruder und mein Onkel mütterlicherseits. Ich habe zurzeit keinen Kontakt zu denen.

LA: Sonst noch jemanden? Onkel, Tanten, Cousins?

VP: Der Onkel väterlicherseits meiner Frau, er hat eine Tochter und einen Sohn.

LA: Sonst noch Verwandte von Ihnen oder Ihrer Frau?

VP: Nein.

LA: Wo leben die genannten Verwandten?

VP: Der Onkel meiner Frau in Laghman, im Dorf XXXX . Meine Mutter lebt gemeinsam mit meinem Bruder und meinem Onkel im Heimatdorf.

LA: Wo lebten Sie, als Sie zurückgekehrt sind?

VP: In meinem Heimatdorf.

LA: Haben Sie sonst wo in Ihrer Heimat gelebt?

VP: Gelebt nur in meinem Heimatdorf, da wir dort unsere Grundstücke haben.

LA: Waren Sie schon einmal in Kabul?

VP: Ja.

LA: Wann und wie lange war das?

VP: Zuletzt war ich 2012 für zwei Nächte in Kabul.

LA: Wie lange waren Sie insgesamt in Kabul, wenn Sie alle Aufenthalte zusammenzählen?

VP: Ich war oft in Kabul. Ich habe das angebaute Gemüse nach Kabul gebracht, um es dort weiter zu verkaufen. Ich blieb immer ein bis zwei Tage dort.

LA: Kennen Sie jemanden der in Kabul lebt?

VP: Ja, ein Freund von mir lebt in XXXX . Bei ihm habe ich immer übernachtet.

LA: Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu einem Ihrer Familienangehörigen?

VP: Zuletzt vor drei Jahren.

LA: Hat Ihre Frau Kontakt zu Ihrer Familie?

VP: Nein. Ihre Mutter ist bei einem Bombenanschlag getötet worden. Ihr Bruder und ihre Schwester sind vor lange Zeit verstorben. Ich Vater verstarb, als sie noch ein Kind war.

LA: Wie haben Sie sich kennen gelernt?

VP: Ich habe sie über meine Mutter kennengelernt und meine Mutter hat bei Ihrer Familie um ihre Hand angehalten. Wir haben uns vor unserer Ehe nicht gekannt.

LA: Wann war das?

VP: 2008 haben wir geheiratet.

LA: Wann hat Ihre Mutter um die Hand angehalten?

VP: 2006 hat meine Mutter das erste Mal um die Hand meiner Ehefrau angehalten.

LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland, in Österreich oder in einem anderen Land strafbare Handlungen begangen bzw. sind Sie vorbestraft?

VP: Nein.

LA: Waren Sie in Ihrem Heimatland politisch tätig?

VP: Nein.

LA: Sie haben nunmehr die Möglichkeit, Ihre Beweggründe für das Verlassen Ihrer Heimat zu schildern. Bitte schildern Sie möglichst lebensnahe, also konkret und mit sämtlichen Details, sodass auch unbeteiligte Personen Ihre Darstellung nachvollziehen können.

VP: Ich habe sechs Monate unter Zwang mit den Taliban gearbeitet. Sie haben aus jedem Dorf eine Person verpflichtet für die Taliban zu arbeiten. Sie forderten die Leute auf für sich den Islam zu opfern und Dschihad zu betreiben. Sie sagten, wenn ich mich ihnen nicht anschließen sollte, dann würden sie meinen Bruder und meinen Sohn zwingen für sie zu arbeiten. Meinen Sohn würden sie für einen Selbstmordanschlag vorbereiten und auch mein Bruder wird solch einen Anschlag verüben. Ich wollte nicht, dass diese wilden Barbaren ein Mitglied meiner Familie entführen. Sie sind wilde Wesen. Ich wollte mich für meine Familie opfern, da ich nicht wollte, dass meinem Kind oder meinem Bruder etwas passiert. Ich musste alles für die Taliban unter Zwang machen. Zuletzt wollten sie einen Stützpunkt der Amerikaner angreifen. Sie haben sich immer in der Moschee versammelt, das waren die ältesten der Taliban und haben beschlossen, von welchen Dörfern sie Leute sammeln, damit sie am nächsten Tag einen Angriff starten können. Das war zwischen 18 und 19 Uhr am Abend. Als die Taliban diesen Stützpunkt angegriffen haben. Die Kämpfe dauerten ungefähr zwei Stunden an. Ich weiß nicht, wie viele Personen von der anderen Seite verletzt worden sind. Von unserer Seite wurden zwei Personen verletzt. Es wurde heftig gekämpft. Die Amerikaner haben Raketen abgefeuert. Ich sah dem Tod in die Augen. Ich war überzeugt davon, dass ich getötet werde. Ich wollte nicht mehr, ich wollte weder für den Islam sterben, noch für irgendwen Dschihad betreiben. Ich wollte nicht getötet werden. Ich wollte wie ein normaler Mensch leben. Uns wurde befohlen, dass wir uns zurückziehen, das taten wir auch. Wir sind geflohen und gingen zu unserem Stützpunkt zurück. Zwei Nächte blieb ich noch am Stützpunkt. Es hat mir gereicht. Ich konnte nicht mehr zusehen, wie Leute getötet werden. Das sind wirklich wilde Menschen. Ich ging dann nach Hause und sagte meiner Mutter, dass ich nicht wie ein wilder Mensch leben möchte und auch nicht wie Wilde, Leute töten will. Es war 2014. Ich sagte meiner Mutter, dass ich meine Familie, sie und meinen Bruder, zurücklassen werde. Ich werde von hier weggehen, ich kann nicht mehr mitansehen, dass ein Bruder den anderen Bruder tötet und der Meinung ist, dass er Dschihad betrieben hat. Das ist doch nicht Dschihad, wenn ich zur Waffe greife und Menschen töte. Das ist alles eigensinnig und Trotz, der bei Paschtunen herrscht. Ich habe den Entschluss gefasst, dass ich nicht mehr in der Heimat laben kann und so ein Leben auch nicht führen will. 2014 habe ich meine Heimat verlassen, nachdem ich etwa sechs Monat für diese Leute gearbeitet hatte.

LA: Haben Sie dem Vorbringen zur Gefährdungslage etwas hinzuzufügen? Haben Sie noch Details Ihrer Schilderung hinzuzufügen?

VP: Nein, das war alles. Mein Sohn wurde entführt. Man hat ihn am Oberarm verbrannt. Diese Leute haben ständig nach mir gefragt. Meine Frau wurde grausam behandelt. Sie wurde ungerecht behandelt. Die Taliban haben meine Familie, meine Ehefrau grausam behandelt. Deshalb möchte ich nicht mehr in diesem Land leben. Das war alles. Sie werden mich überall finden, da ich die Stützpunkte der Taliban kenne. Wenn man eine Feindschaft mit den Taliban hat, wird man überall gefunden, da diese Leute mit der eigenen Regierung des Staates zusammenarbeiten. Ich fühle mich in Afghanistan gefährdet, hier fühle ich mich wohl. Ich möchte eine Ausbildung machen und hier leben.

LA: Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?

VP: Nein.

LA: Wann ist Ihre Frau aus Afghanistan ausgereist?

VP: Das weiß ich nicht. Meine Frau erzählte mir, dass sie vor fünf Monate ausgereist und sei und drei Monate auf der Reise war.

LA: Hatten Sie die drei Jahre, vom Beginn der Arbeit bei den Taliban bis nach Österreich Kontakt mit Ihrer Frau?

VP: Während der sechs Monat bin ich regelmäßig nach Hause gegangen. Ich wurde drei Mal im Monat abgeholt und nach Hause gebracht. Manchmal blieb ich sogar eine Woche zu Hause. Ich musste für die Taliban Tee kochen, Essen vorbereiten oder Wache halten.

LA: Nachdem Sie von den Taliban weg sind, bis Sie nach Österreich kamen, hatten Sie da Kontakt mit Ihrer Frau?

VP: Nein.

LA: Wann haben Sie erfahren, dass Ihre Frau in Österreich ist?

VP: Als ich in Deutschland von der Polizei angehalten wurde, habe ich erfahren, dass meine Familie in Österreich ist.

LA: Hat Ihre Familie dieselben Fluchtgründe?

VP: Nein, meine Familie, hat auch andere Probleme.

LA: Welche?

VP: Das müssen Sie meine Frau fragen. Ich war drei Jahre von meiner Familie getrennt, sie wird Ihnen genau erzählen, welche Grausamkeiten, sie erleiden musste.

LA: Ich will es von Ihnen wissen?

VP: Ich hatte drei Jahre keinen Kontakt mit ihr.

LA: Dann haben Sie sicher geredet!

VP: Sie wurde von meinem Onkel mütterlicherseits misshandelt, geschlagen. Man wollte sie wieder verheiraten. Da es im Dorf üblich ist, wenn der Mann mehr als sechs Monate weg ist, musst die Ehe dieser Frau mit einem anderen geschlossen werden.

LA: Was meinen Sie mit misshandelt?

VP: Sie wurde geschlagen, sie wurde vergewaltigt.

Anmerkung: Die Einvernahme wird abgebrochen, da der Leiter der Amtshandlung, die Frau nicht einvernehmen darf, da es ein Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung darstellen würde. Somit wird die gesamte Familie von einem anderen Referenten bearbeitet und die Einvernahme heute abgebrochen und verschoben.

LA: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?

VP: Sehr gut.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Ich möchte hinzufügen, dass der Stützpunkt, welcher von den Taliban angegriffen wurde, der afghanischen Armee gehört hat.

(...)"

Am 26.06.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin vor dem BFA. Er gab insbesondere wie folgt an:

"(...)

LA: Haben Sie bei der vorangegangen Befragungen und Einvernahmen der Wahrheit entsprechenden Angaben gemacht und wurden Ihnen diese Angaben rückübersetzt und richtig protokolliert?

VP: Ja.

LA: Sind Ihre Kinder gesund?

VP: Ja.

LA: Haben Ihre Kinder eigene Fluchtgründe? Eigene Rückkehrbefürchtungen?

VP: Meine Kinder haben keine eigenen Fluchtgründe und befragt, das Leben meiner Kinder ist wegen mir in Gefahr und sie sind wegen mir einer Gefahr ausgesetzt und man wollte meinen Sohn entführen.

LA: Sind Sie gesund?

VP: Ja.

LA: Beschreiben Sie Ihr Leben hier in Österreich. Haben Sie Verwandte in Österreich? Welche sozialen Kontakte haben Sie in Österreich? Sind Sie in Vereinen oder sonstigen Organisationen tätig? Besuchen Sie einen Deutschkurs?

VP: Ich habe keine Verwandte in Österreich und habe auch keine sozialen Kontakte. Ich besuche zurzeit keinen Deutschkurs, da ich meine Kinder beaufsichtigen muss. Der Deutschkurs ist 40 km entfernt und ich muss täglich die Kinder in den Kindergarten bringen und deshalb geht sich der Deutschkurs nicht aus.

LA: Was machen Sie in Ihrer Freizeit in Österreich?

VP: Ich verbringe die Zeit mit meinen Kindern, befragt sonst mache ich nichts. Ich koche und kümmere mich um die Kinder, so vergeht der Tag.

LA: Gehen Sie mit Ihren Kindern irgendwo hin?

VP: Ja ich gehe mit ihnen in den Park und nehme auch Proviant mit. Danach bringe ich sie nach Hause, sie werden gebadet und um neun müssen sie ins Bett.

LA: Warum tragen Sie einen Schleier und haben Ihre Fingerspitzen braun gefärbt?

VP: Den Schleier trage ich gelegentlich, manchmal trage ich den Schleier und manchmal auch nicht. Meine Füße haben gejuckt und bei uns ist es üblich und es wird gesagt, wenn man das hat, kann man das mit Henna verringern. Deshalb habe ich meine Füße und meine Fingerspitzen mit Henna gefärbt.

LA: Warum sind Sie nicht zum Arzt gegangen?

VP: Der Arzt ist weit weg und mit Henna hat sich der Juckreiz gelindert. Es geht mir schon besser. Daher ist es nicht notwendig, den Arzt aufzusuchen.

LA: Möchten Sie irgendwelche Papiere/Dokumente/ etc. vorlegen? Haben Sie irgendwelche Dokumente bei sich? Ein Identitätsdokument?

VP: Nein. Befragt wir sind geflüchtet und konnten keine Dokumente mitnehmen.

LA: Warum konnten Sie keine Dokumente mitnehmen?

VP: Ich bin illegal ausgereist, ich war alleine mit meinen drei Kindern auf der Reise. Ich konnte nicht einmal Kleidung für meine Kinder mitnehmen. Ich hatte nur ein paar Kleidung, die auch die Kinder getragen haben. Ich habe die Kleidung in der Nacht gewaschen und am nächsten Tag den Kindern angezogen.

LA: Erklären Sie mir die Situation, warum Sie kein Dokument einstecken konnten?

VP: Ich habe in Laghman gelebt. Ich hatte nie eine Tazkira, mein Onkel hat mich von Laghman bis zur Grenze nach Pakistan gebracht und hat mich dort dem Schlepper übergeben.

LA: Warum haben Sie keine Tazkira besessen?

VP: Am Land haben die Frauen keine Tazkira. Befragt mein Vater war Analphabet und er hat für uns keine Tazkira beantragt.

LA: Sind Sie hier in Österreich mit dem Afghanischen Kultur Verein in Kontakt?

VP: Nein.

LA: Und Ihr Gatte?

VP: Auch nicht.

LA: Nennen Sie mir die Distrikte von Laghman?

VP: Ich kenne die Distrikte von Laghman nicht. Ich bin Analphabetin. Man hat mich verkauft und wurde dann nach der Heirat nach Laghman gebracht. Ich wurde in XXXX geboren, das ist in der Nähe von Jalalabad und wurde dann nach Laghman gebracht.

LA: Was heißt, Sie wurden verkauft?

VP: Mein Onkel väterlicherseits schuldete dem Onkel mütterlicherseits meines Mannes Geld. Ich wurde in diese Familie eingeheiratet, damit die Schulden beglichen sind.

LA: Sie wurden also zwangsverheiratet oder wie soll ich das verstehen?

VP: Ja, ich wurde unter Zwang verheiratet, ich wurde verkauft, als Ausgleich der Schulden verheiratet. Ich wurde in " XXXX " verheiratet. Das ist eine Kompensation.

LA: Warum sind Sie Ihrem Gatten nachgereist?

VP: Ich war gezwungen, von dort wegzugehen, mein Mann war geflüchtet. Ich wusste nicht, dass mein Ehemann in Österreich ist. Das Leben meiner Kinder und mein eigenes war in Gefahr. Man hat meinen Sohn entführt und verbrannt. Mein ältester Onkel war ein schlechter Mann, aber der jüngere war gut zu mir. Er sagte mir, er würde mich in ein Land schicken, wo ich auch als alleinstehende Frau gut behandelt werde. Dort wurde ich ungerecht behandelt, misshandelt und vergewaltigt.

LA: Wollen Sie sich von Ihrem Mann scheiden lassen?

VP: Nein, mein Mann ist gut zu mir. Aber seine Familie ist nicht gut zu mir.

LA: Welche Familie meinen Sie nun konkret und wo wohnt diese Familie?

VP: Seine Mutter und sein Onkel mütterlicherseits haben mir sehr viel Schlechtes angetan. Sie wohnen in der Provinz Laghman, im Distrikt XXXX .

LA: Warum wissen Sie nun auf einmal diesen Distrikt?

VP: Ich habe das von dem Onkel mütterlicherseits meines Mannes gehört. So viel habe ich das verstanden, dass ich mir den Namen des Dorfes und den Distrikt gemerkt habe. Der vollständige Name des Dorfes lautet XXXX .

LA: Welche Verwandten hat Ihr Mann noch in Afghanistan und wo halten sich diese auf?

VP: Sein Vater ist vor längerer Zeit verstorben, seine Mutter, sein Bruder sowie der Onkel mütterlicherseits und dessen Frau leben noch in Afghanistan. Sie haben keine Kinder. Befragt sonst gibt es keine Verwandten.

LA: Wie alt waren Sie nun, als Sie zwangsverheiratet wurden bzw. in welchem Jahr wurden Sie nun verheiratet?

VP: Das weiß ich nicht. Ich kann mich nur erinnern, dass ich sehr jung war, als ich verkauft wurde.

LA: Was können Sie mir über die Provinz Nangarhar sagen?

VP: Ich hatte keinen Vater und war die einzige Tochter meiner Mutter. Ich habe nichts im Leben gelernt. Ich bin Analphabetin.

LA: Wie weit ist XXXX von Jalalabad entfernt?

VP: Das weiß ich nicht. Ich bin nach Jalalabad gefahren und habe auch nie mein Haus verlassen, bis ich verheiratet wurde. Ich wurde dann von XXXX nach Laghman gebracht.

LA: Geben Sie einen Lebenslauf an.

VP: Ich wurde in XXXX geboren. Ich kenne mein Geburtsdatum nicht, auch meine Mutter kennt mein Geburtsdatum nicht, sie konnte es mir nicht sagen. Ich habe einen Bruder und eine Schwester und beide waren jünger als ich und beide sind erkrankt, da es in XXXX keine medizinische Behandlung gab, sind sie drei Monate nach der Erkrankung verstorben. Mein Vater ist verstorben, als ich noch klein war, meine Mutter war die Witwe. Ich habe gemeinsam mit meinen beiden Onkeln väterlicherseits und dessen Familien gelebt. Mein ältester Onkel väterlicherseits hatte zwei Kinder, der andere hatte keine Kinder. Es gab dort keine Schule und ich war mit dem Haushalt beschäftigt. Ich durfte nicht das Haus verlassen, meine Mutter war eine Witwe, sie durfte nicht einmal nach ihrem Willen einen weißen Schleier tragen, weil ich eine Halbwaise war, durfte mir nicht gestattet, aus dem Haus zu gehen. Ich wollte immer schon etwas lernen und in die Schule gehen oder zumindest das Schreiben lernen, aber mein Onkel väterlicherseits hat mich unterdrückt und hat es mir nicht erlaubt. Dort werden Mädchen schlecht behandelt, wenn eine Frau eine Tochter gebärdet, wird entweder die Tochter getötet oder man nimmt sich eine Zweitfrau. Meine Mutter war eine Witwe und hatte kein Mitspracherecht. Ich sagte ihr immer, dass ich gerne zur Schule gehen möchte. Sie hat mir immer gesagt, ich solle still sein, damit mein Onkel väterlicherseits, das nicht mitbekommt, da ansonsten er meine Mutter und mich töten wird. Befragt meine Mutter ist verstorben, ich glaube vor drei Jahren, das war zu jenem Zeitpunkt, als mein Mann verschollen ist, sie hatte Krebs.

LA: Wie haben Sie geheiratet?

VP: Plötzlich hat sich das Verhalten meines Onkels mir und meiner Mutter gegenüber verändert. Er wurde freundlich, aber ich wusste nicht warum. Ich war damals noch sehr jung. Die Mutter meines jetzigen Mannes ist ca. ein Jahr lang regelmäßig zu uns nach Hause gekommen. Ich wusste aber den Grund nicht. Mein Onkel hatte mich bereits verkauft und ich bekam neue Kleidung und man hat mir die ganzen Hände mit Henna gefärbt. Ich habe mich umgezogen und musste dann eine Burka tragen. Ich wurde in ein Auto gesetzt und wir sind losgefahren. Man sagte mir, dies wäre meine Hochzeit. Ich hatte viele Träume und Wünsche. Die Ehe wurde nicht im Haus meiner Mutter geschlossen. Bei meiner Schwiegerfamilie kam ein Mullah, mein Gesicht war verdeckt, der Mullah fragte mich, ob ich mit der Ehe einverstanden bin. Ich habe gar keine Antwort gegeben. Meine Schwiegermutter saß neben mir und zwickte mich und sagte, dass ich ja sagen muss. Sie hat mich mehrere Male gezwickt und das hat sehr weh getan. Ich war damals noch sehr jung und war in einem fremden Haus und in einer fremden Umgebung.

LA: Wurde die Ehe behördlich registriert?

VP: Nein. Befragt der Mullah war da, mein Gesicht war verdeckt, er hat einen Vers aus dem Koran aufgesagt, was noch passiert ist, das weiß ich nicht, da ich es nicht gesehen habe. Man wollte eigentlich gar nicht die Eheschließung, weil sie behaupteten, dass ich bestimmt ein schlechtes Mädchen bin und ich deswegen auch verkauft wurde. Ich wurde aber als Kompensation für die Schulden meines Onkels verkauft.

LA. Wie hat Ihr Gatte Sie in den Ehejahren behandelt?

VP: Die ersten zwei Wochen nach der Eheschließung hat meine Schwiegermutter meinem Ehemann nicht erlaubt, sich in meiner Nähe aufzuhalten. Ich habe vorhin erwähnt, dass meine Schwiegermutter ein Jahr lang regelmäßig zu uns gekommen ist. Der Grund dafür war, dass sie mich mit ihrem Bruder, der ein alter Mann war, verheiraten wollte, weil er keine Kinder hatte. Deswegen wollte sie auch nicht, dass mein jetziger Mann sich nach der Eheschließung mir nähert. Alle haben mich gehasst, ich wurde wie eine schlechte Frau, die verkauft wurde, behandelt. Nach der Eheschließung habe ich zwei Wochen lang meinen Ehemann nicht gesehen. Ich habe immer ein Tuch über den Kopf gezogen bekommen. Jeder aus dem Dorf ist gekommen, um mich zu sehen und hat sich gewundert, dass ich noch so jung bin. Sie haben versucht, mich aufzubauen und mir gesagt, dass die Familie gut sei. Am nächsten Tag nach der Eheschließung ist meine Schwiegermutter zu mir ins Zimmer gekommen, ich musste mit anderen Kindern dieses Zimmer teilen. Sie hat mich an den Haaren genommen und gezerrt und sagte mir "Du schmutzige Frau, du schläfst noch immer, steh auf und bereite das Essen vor". Ich musste Feuer machen, ich konnte jedoch kein Feuer machen, da ich es auch zu Hause nie bei meiner Mutter gemacht habe, denn meine Mutter machte Feuer und ich habe dann gekocht.

LA. Wie hat Ihr Gatte Sie in den Ehejahren behandelt?

VP: Mein Ehemann war gut zu mir. Ich habe ihm leid getan. Er konnte jedoch nichts dagegen unternehmen, denn seine Mutter und der Onkel mütterlicherseits hatten alles im Griff. Mein Ehemann hatte selbst kein Geld und deshalb musste er unter der Hand des Onkels und der Mutter leben.

LA: Was konnte Ihr Mann nicht verhindern?

VP: Er hat seiner Mutter gesagt, dass sie nachsichtig sein soll. Ich sei noch jung und würde alles lernen. Außerdem sei ich noch neu in dem Haus und soll Geduld haben und solle mit mir nicht schlecht umgehen. Seine Mutter sagte, ich sei bestimmt eine schlechte Frau und deshalb wurde ich auch verkauft und man hätte viel zu viel Geld für mich verlangt.

LA: Was war nun mit den Plänen Ihrer Schwiegermutter bzgl. Ihres Bruders?

VP : Nachdem meine Mutter viel geweint hat und nicht wollte, dass ich den alten Mann heirate, hat der Onkel meines Mannes gesagt, dass ich den Neffen heiraten soll und so würde er seine Schulden erlassen.

LA: Haben Sie sich jemals außerhalb von Afghanistan aufgehalten, abgesehen von Ihrer Reise hierher?

VP: Nein.

LA: Was hat Ihr Mann beruflich gemacht?

VP: Er hat Gemüse verkauft. Er hat auf den Feldern seines Vaters und Onkels gearbeitet, er war mit der Landwirtschaft beschäftigt. Er war immer für zwei oder drei Tage unterwegs gewesen und ist dann nach Hause gekommen.

LA: Wo hat er das Gemüse verkauft?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Hat Ihr Mann noch andere Beschäftigungen gehabt?

VP: Davor war er glaublich einmal schon in Europa, das hat er einmal erwähnt.

LA: Hat Ihr Mann Ihnen erlaubt, sich weiterzubilden?

VP: Mein Ehemann wollte das, weil er in Europa gelebt hatte, aber dort ist es anders. Das was die Ältesten sagen, das wird auch so gemacht. Er hat das gemacht, was die Mutter gesagt hat.

LA: Waren oder sind Sie im Heimatland Mitglied einer politischen Partei oder irgendeiner sonstigen Gruppierung?

VP: Nein. Ich war eine Hausfrau.

LA: Gehörten Sie jemals einer bewaffneten Gruppierung an?

VP: Nein.

LA: Welche Volksgruppe/Religion gehören Sie an?

VP: Ich bin Paschtunin und Sunnitin.

LA: Hatten Sie wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Probleme im Heimatland bzw. hatten Sie wegen Ihrer Religion/Religionsausübung Probleme im Heimatland?

VP: Nein.

Einvernahme unterbrochen von 10.30 Uhr bis 10.45 Uhr

Anmerkung der Dolmetscherin: Die Ausdrucksweise der VP ist sehr einfach, weshalb auch glaubhaft ist, dass sie keine schulische Bildung hat.

LA: Können Sie nochmals schildern, was die ausschlaggebenden Gründe für Ihre Ausreise waren? Schildern Sie die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge und so detailreich, dass sich ein Außenstehender ein Bild Ihrer Situation machen kann. Sie sollen die Situation so detailreich erzählen, dass von einer selbst erlebten Situation auszugehen ist.

VP: Die Probleme hatten begonnen, weil ich verkauft wurde. Der Onkel mütterlicherseits meines Mannes hat mich immer verprügelt, wenn ich etwas falsch gemacht habe. Er hat mich dann geschlagen, er hat mit einem Glas auf mich geworfen. Er hat mit allem, was er zufällig in der Hand hielt, auf mich geworfen. Bei Stallarbeiten, wenn ich was falsch gemacht habe, wurde ich auf den Rücken getreten, es wurde mir vorgeworfen, warum ich das nicht in meinem Elternhaus gelernt habe. Wenn mein Kochen das Essen leicht verbrannt war, hat meine Schwiegermutter ihren Bruder geholt und ihm gesagt, schau dir diese schlechte Frau an, sie kann nicht einmal kochen. Bestimmt hatte sie eine Affäre, dass sie so teuer an uns verkauft wurde. Ich musste Mehl kneten und Brot backen und wenn das Brot verbrannt ist, wurde es sowohl von der Schwiegermutter und dem Bruder und dessen Ehefrau beschimpft. Sie beschimpften nicht nur mich, sondern auch meine Mutter. Sie meinten, wir wären schlechte Frauen.

LA: Zusammenfassend es ging Ihnen schlecht der der Schwiegerfamilie. Ich wurde von meiner Schwiegerfamilie unterdrückt. Vor drei Jahren haben die Taliban meinen Ehemann unter Zwang mitgenommen. Er war sechs Monate bei den Taliban.

LA: Warum können Sie auf einmal Zeitangaben angeben?

VP: Genau, weiß ich es nicht, aber ich schätze, es war vor zwei oder drei Jahren. Meine Tochter XXXX war ein Monat alt, als mein Mann aus Afghanistan geflüchtet ist.

LA: Wie war die Zeit, als Ihr Mann bei den Taliban war?

VP: Es war keine gute Zeit. Die Taliban haben meinen Mann gezwungen, für sie zu arbeiten.

LA: Woher wissen Sie das?

VP: Anfänglich habe ich nichts davon gewusst. Er hat sich immer in einem Zimmer versteckt. Letztlich habe ich von der Frau des Onkels erfahren, dass die Taliban hinter meinen Mann her sind und ihn auffordern, für sie zu arbeiten. Es war an einem Abend, als die Taliban ins Haus gekommen sind und meinen Mann gezwungen haben, mitzugehen. Alle habe geweint, auch mein Mann weinte. Nach einiger Zeit ist er wieder zurückgekommen. Innerhalb von diesen sechs Monaten ist er drei oder vier Mal zu Hause gewesen. Nachdem mein Mann mitgenommen wurde, hat mich meine Schwiegermutter verantwortlich gemacht, sie hat mich und meine Kinder unterdrückt. Sie meinte, ich sei schmutzig und unrein. Als erstes sei ich in das Haus gekommen und hätte Probleme gemacht und nun sei wegen mir ihr Sohn entführt worden. Sie wollen mich und meine Kinder nicht, was soll sie mit uns machen. Ich war in der Küche, als plötzlich mein Ehemann ins Haus gekommen ist. Er ist in das Zimmer seiner Mutter gestürmt, wo auch sein Onkel war. Dann ist er wieder hinausgekommen, mein Sohn war am Gang, er hat meinen Sohn abgebusselt und ist weggelaufen. Er hat das Haus verlassen, ich konnte ihn nicht sprechen, ich bin zu meiner Schwiegermutter gegangen und habe gefragt, was los ist. Erst zwei Tage später fragte ich meine Schwiegermutter, wo mein Mann hingegangen ist. Sie sagte mir, dass mein Ehemann von hier weggegangen ist, weil er mich nicht mag. Ich solle keine Hoffnung mehr haben, dass er zurückkommt. Er sei jetzt weg und würde auch nicht mehr kommen. Meine Tochter XXXX war damals einen Monat alt. Meine Schwiegermutter hat mich auch wegen meinen Töchtern schlecht behandelt. Als ich meinen Sohn geboren hatte, wurde sie etwas freundlicher zu mir. Aber nach der Geburt der zweiten Tochter war sie schlecht zu mir. Sie wollte meine Tochter auf den Müllplatz wegwerfen. Sie meinte, die anderen schwangeren aus dem Dorf, hätten alle Söhne geboren, warum ich eine Tochter geboren. Ein bis eineinhalb Jahre, nachdem mein Mann weg war, haben die Taliban meinen Sohn, der auf der Straße gespielt hat, entführt. Die Kinder haben auf der Straße gespielt, es war am Abend. Die Dorfkinder sind ins Haus gekommen und sagten mir, dass XXXX von zwei Männern entführt wurde. Diese zwei Männer hätten lange Bärte und ihre Gesichter konnte man nicht sehen. Ein bis eineinhalb Wochen war mein Sohn verschwunden. Keiner hat sich um mich gekümmert und mir geholfen, meinen Sohn zu finden. Ein bis eineinhalb Wochen später wurde mein Sohn nach Hause gebracht, sein Oberarm war verbrannt. Dorfbewohner haben den Onkel meines Mannes Nachrichten überbracht, dass die Taliban der Meinung sind, dass ich Kontakt zu meinem Mann habe und auch wissen muss, wo sich mein Ehemann aufhält und wenn ich es nicht sage, werden sie meinen Sohn töten.

LA: Wie alt war Ihr Sohn, als er entführt worden ist?

VP: Er war ca. vier oder fünf Jahre alt.

LA: Wer brachte Ihren Sohn zurück? Wohin zurück?

VP: Es war am Abend, als es an der Türe geklopft hat. Ich machte die Türe auf und sah meinen Sohn. Er hatte ein schmutziges Tuch über seinen Oberarm. Ich dachte, er hätte eine leichte Verletzung. Nachdem ich ihn gesehen habe, hatte er Verbrennungen am Daumen, am Unterarm und sein gesamter Oberarm war verbrannt.

LA: Wie entstand diese Verletzung? Was wissen Sie darüber?

VP: Das weiß ich nicht. Ihm ging es sehr schlecht. Ich habe angenommen, dass man ihm mit Säure übergossen hat. Aber die anderen sagten, dass er verbrannt wurde.

LA: Was hat Ihr Sohn Ihnen erzählt?

VP: Mein Sohn hat mir nichts erzählt. Er sagte, er hat Angst. Mitten in der Nacht ist er aufgestanden und hat geweint und wollte, dass ich ihn festhalte.

LA: Wer hat nun Ihren Sohn gebracht?

VP: Das weiß ich nicht. Es war am Abend, als es an der Türe geklopft hat. Mein jüngerer Schwager ist zur Eingangstüre gegangen, denn dort machen die Frauen die Eingangstüre nicht auf. Ich stand in der Küche und habe dann von dort ausgesehen, dass mein Sohn ins Haus gekommen ist. Nachdem ich meinen Sohn gesehen habe, bin ich ohnmächtig geworden. Ich kam dann wieder zu mir, als meine Schwiegermutter mir einen Faustschlag verpasst hat. Sie sagte mir, steh auf, nimm deinen Sohn und simuliere nicht. Sie hat mir vorgeworfen, hätte ich den Taliban den Aufenthaltsort meines Mannes bekannt gegeben, dann hätten sie das mit meinem Sohn nicht gemacht.

LA: Warum gaben Sie vorhin widersprüchlich an, dass Sie die Türe geöffnet hätten?

VP: Es tut mir leid, ich habe mich geirrt, denn dort machen die Frauen nicht die Eingangstüre auf.

LA: Was heißt, Sie haben sich geirrt?

VP: Ich bin gerade in Gedanken in der Situation, die ich erlebt habe und die Unterdrückungen, die ich durchmachen musste.

LA: Was meinen Sie damit, dass Ihnen die Schwiegermutter vorgeworfen hat, dass Sie den Taliban den Aufenthaltsort Ihres Mannes bekannt geben hätten sollen. Wann hätten Sie denn den Aufenthaltsort den Taliban bekannt geben können?

VP: Meine Schwiegermutter und ihr Bruder haben geglaubt, dass ich heimlichen Kontakt zu meinem Mann habe. Der Bruder hatte heimliche Kontakte zu den Taliban und ich glaube, dass er das was zu Hause gesprochen wurde, den Taliban weitergesagt hat. Denn als mir die Nachrichten überbracht wurden, dass man meinen Sohn umbringt, wenn ich nicht sage, wo mein Mann ist, habe ich zu Hause gesagt, dann sollen sie ihn umbringen, denn ich weiß nicht wo mein Mann ist. Sie haben geglaubt, dass ich das mit Absicht sage und meinen Mann beschütze und sogar das Leben meiner Kinder nicht wichtig ist.

LA: Wie hätten Sie mit Ihrem Mann Kontakt aufnehmen können, wenn Sie nicht einmal das Haus verlassen durften?

VP. Das weiß ich nicht. Meine Schwiegerfamilie wollte mich zwingen, wieder zu heiraten. Sie sagten, mein Mann ist verschwunden und es sind eineinhalb Jahre vergangen und ich solle wieder heiraten.

LA: Was meinen Sie mit folgender Aussage: Denn als mir die Nachrichten überbracht wurden, dass man meinen Sohn umbringt. Wer hat Ihnen wann welche Nachricht überbracht?

VP: Der Onkel meines Mannes hat mir die Nachricht überbracht, als sie meinen Sohn entführt hatten. Drei Tage, nachdem er mitgenommen wurde, sagte er mir, dass man meinen Sohn umbringt.

LA: Hatte die Schwiegerfamilie irgendwelche Probleme mit den Taliban, als Ihr Mann weggegangen war?

VP: Nein. Die Taliban haben von jedem Haushalt einen jungen Mann mitgenommen. Sie haben sie unter Zwang mitgenommen. Was sie mit ihnen machen wollten, das weiß ich nicht.

LA: Antworten Sie auf die gestellte Frage. Hatte die Schwiegerfamilie irgendwelche Probleme mit den Taliban, als Ihr Mann weggegangen war?

VP: Nein.

LA: Warum nicht? Warum hätten Sie Probleme aber die Schwiegerfamilie nicht?

VP: Wegen meinem Mann hatte ich Probleme mit den Taliban. Sie wollten ihn zu einer Arbeit zwingen, aber er wollte es nicht. Er hat auch in Europa gelebt.

LA: Warum hatten Sie mit den Taliban Probleme, nach dem Ihr Mann davongelaufen ist und nicht Ihre Schwiegerfamilie. Immerhin war der Hausvorstand Ihr Onkel und der hatte das Sagen. Laut Ihren Angaben hatten Sie als Frau keine Rechte, also warum sollten sich die Taliban an Sie wenden und nicht an den Hausvorstand, also dem Bruder Ihrer Schwiegermutter?

VP: Die Taliban wollten mich unter Druck setzen, weil mein Ehemann seine Kinder sehr geliebt hat. Sie dachten, so könnten sie, wenn sie mich bedrohen, Informationen über meinen Mann bekommen, wo er sich aufhält.

LA: Wann fingen die ersten Bedrohungen an?

VP: Zwei oder drei Wochen, nachdem mein Mann weg war. Der Onkel meines Mannes sagte mir, nachdem mein Mann weggelaufen ist, hat er das Leben meiner Kinder und mein Leben in Gefahr gebracht und er hat nichts Gutes damit getan.

LA: Schildern Sie konkret diese ersten Bedrohungen?

VP: Bevor mein Sohn entführt wurde, sagte mir der Onkel meines Mannes, dass ich auf der Stelle sagen soll, wo mein Mann hingegangen ist. Ansonsten wird man meinen Sohn töten. Sie dachten, dass mein Mann in der Umgebung ist und ich weiß, wo er ist. Es ist viel Zeit vergangen, dann kam wieder der Onkel meines Mannes und sagte mir, dass die Taliban sehr verärgert sind und sie darauf gewartet haben, dass sich mein Mann stellt.

LA: Wie oft fanden nun Bedrohungen bis zur Entführung Ihres Sohnes statt? Schildern Sie diese konkret.

VP: Zwei Mal wurde ich bedroht. Die erste Bedrohung war zwei oder drei Wochen, nachdem mein Ehemann verschwunden war. Zu dem Zeitpunkt wurde mir vom Onkel meines Mannes vorgeworfen, dass ich weiß, wo mein Ehemann ist und ich nicht sage, wo er ist. Dann ist viel Zeit vergangen, dann hat der Onkel mich zu sich gerufen und mir gesagt, dass mein Ehemann nichts Gutes damit gemacht hat, dass er weggelaufen ist und auch ich hätte den Fehler gemacht, nicht zu sagen, wo mein Mann ist. Wenn dem Sohn was passiert, dann übernimmt er die Verantwortungen nicht.

LA: Wie lange nach der zweiten Bedrohung wurde Ihr Sohn entführt?

VP: Ich glaube drei Monate nach der zweiten Bedrohung.

LA: Wie ging es weiter. Ihr Sohn wurde zurückgebracht.

VP: Die familiären Probleme hatten sich nicht verändert. Ich wurde geschlagen und die Schwiegermutter hat mir vorgeworfen, dass mein Sohn wegen mir entführt wurde und diesen Zustand hat. Ich musste jede Nacht über meine Töchter wachen, weil der Onkel gesagt hat, dass ich Angst um meine Töchter haben soll, denn es könnte sein, dass sie mir weggenommen werden. Ich hatte wenig Milch. Wenn meine Schwiegermutter es mir erlaubt hat, Kuhmilch zu trinken, habe ich es in der Nacht meiner Tochter gegeben. Viel Zeit ist vergangen, dann ist mein Onkel väterlicherseits gekommen, er wollte mich besuchen. Er hat gesehen, dass es mir sehr schlecht geht. Mein Onkel hat meine Schwiegermutter ersucht, mir zu erlauben, für zwei Tage ihn und seine Familie zu besuchen und würde mich dann nach zwei Tagen wieder nach Hause bringen. Seit meiner Heirat durfte ich nicht einmal in mein Elternhaus. Schließlich hat meine Schwiegermutter meinem Onkel erlaubt, mich mitzunehmen. Er hat sie um Erlaubnis angefleht. Es war zu Mittag, als mein Onkel mich mitgenommen hat. Ich wollte Sachen von meinen Kindern mitnehmen. Er sagte, das sei nicht notwendig, es gäbe bei ihm alles. In der Nacht hat mein Onkel mit mir gesprochen. Mir ging es sehr schlecht, ich hatte ein geschwollenes Auge, da der Onkel meines Mannes mir mit der Faust ins Gesicht geschlagen hatte. Mein Onkel väterlicherseits hat mir gesagt, dass er mich nun in ein Land schicken wird, wo ich mir keine Sorgen um meine Kinder machen muss und auch ohne Mann leben könne. Mein Onkel brachte mich nach Pakistan. Ich dachte, dass mein Ehemann gefunden wurde und in Pakistan sei und ich nun zu ihm gebracht werde.

LA: Warum sollte Ihr Onkel Ihnen auf einmal helfen und relativ viel Geld ausgeben?

VP: Dieser Onkel von mir hatte keine Kinder und sagte, dass ich wie ein Kind für ihn bin. Er hat sein sehr weiches Herz und war immer sehr gut zu mir. Mein älterer Onkel der war nicht gut zu uns.

LA: Woher sollte der Onkel nun auf einmal so viel Geld haben, zumal der Onkel aufgrund von Schulden Sie verkaufen musste?

VP: Es gab Grundstücke, wo mein Vater auch einen Anspruch darauf hatte. Dieser Onkel hat sich wegen den Grundstücken wegen meines älteren Onkels zerstritten. Letztendlich wurden die Grundstücke aufgeteilt und jeder Onkel hat seinen Anteil bekommen. Da ich keinen Bruder hatte und meine Mutter verstorben war, hat mein guter Onkel meinen Anteil mir gegeben bzw. für mich ausgegeben.

LA: Warum gaben Sie in der ersten Einvernahme an, dass ein Dorfbewohner Ihnen geholfen hätte?

VP: Ich war in einem Gefängnis, ich war verängstigt, es war eine schlimme Situation für mich, deshalb habe ich gesagt, dass es ein Dorfbewohner war, eigentlich war es mein Onkel.

LA: Es ist nicht glaubhaft nachvollziehbar, dass Sie nicht Ihren Onkel, den Sie namentlich nicht erwähnen mussten nicht angeführt haben.

VP: Es kann sein, dass es ein Fehler des Dolmetschers ist, es kann aber auch sein, dass ich es so gesagt habe. Irren ist menschlich.

LA: Gab es zwischen der Entführung Ihres Sohnes und Ihrer Ausreise irgendwelche Vorfälle oder Bedrohungen?

VP: Nein.

LA: Möchten Sie etwas zu Ihrem Vorbringen ergänzen?

VP: Nein.

LA: Haben Sie mit Ihrem Sohn wegen seiner Verbrennungen einen Arzt in Österreich aufgesucht?

VP: Nein, sie k

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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