Entscheidungsdatum
30.04.2019Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W239 2217794-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.04.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, wurde am 28.03.2019 beim Versuch, illegal von Österreich nach Deutschland zu reisen, aufgegriffen und es wurde über ihn wegen unrechtmäßigem Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet die Schubhaft verhängt.
Zu seiner Person liegt zu Bulgarien ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 (Asylantragstellung) vom 27.06.2016 vor.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 28.03.2019 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien. Darin nahm das BFA auf den vorliegenden EURODAC-Treffer sowie auf eine Einvernahme des Beschwerdeführers vom 28.03.2019 Bezug und führte aus, der Beschwerdeführer habe seinen Angaben nach Serbien am 27.03.2019 verlassen, sei am selben Tag schlepperunterstützt nach Österreich gekommen, habe sich ein Zugticket von Wien nach Salzburg gekauft und habe das Gebiet der Mitgliedstaaten nicht länger als drei Monate verlassen. In Bulgarien und Serbien sei er erkennungsdienstlich behandelt worden; er sei von diesen Ländern nicht in seinen Herkunftsstaat abgeschoben worden. Dem Ersuchen wurde ein Foto des Beschwerdeführers, die EURODAC-Treffermeldung, das Zugticket und die Niederschrift der Einvernahme vom 28.03.2019 beigefügt.
Die bulgarische Dublin-Behörde stimmte dem Wiederaufnahmeersuchen mit Schreiben vom 29.03.2019 ausdrücklich gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin-III-VO zu.
Aus dem Stande der Schubhaft stellte der Beschwerdeführer am 01.04.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.04.2019 gab der Beschwerdeführer an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können. Seine Eltern, drei seiner Brüder und vier Schwestern, seine Ehefrau und seine drei Töchter seien in Afghanistan aufhältig; in Österreich habe er einen Cousin und in Deutschland lebe ein Bruder und eine Tante von ihm. Der erwähnte Cousin lebe mit seiner Familie in Österreich, wo genau, das wisse der Beschwerdeführer nicht.
Zur Reiseroute führte der Beschwerdeführer aus, er habe sich vor etwa drei Jahren dazu entschlossen, Afghanistan zu verlassen, sei in den Iran geflogen und dann illegal in die Türkei weitergereist, wo er sich zwei Monate aufgehalten habe. Von dort sei er nach Bulgarien gekommen, habe dort 14 Monate gelebt und sei danach eineinhalb Jahre in Serbien gewesen. Seine Frau und seine Kinder hätten ihn bis Serbien begleitet, die Frau sei jedoch dann an Leukämie erkrankt. Leider habe ihnen keiner geholfen. Deshalb sei sie mit den Kindern zurück nach Afghanistan gegangen. Der Beschwerdeführer sei weiter nach Bosnien und Kroatien gegangen und sei von dort nach Serbien zurückgeschoben worden. In Bosnien habe er sich vier Monate aufgehalten. Letztlich sei er versteckt auf der Ladefläche eines Lkws nach Österreich gelangt. Über die Route könne er keine Angaben machen, da sie nie angehalten hätten. Leider habe seine Frau auch in Afghanistan keine medizinische Versorgung. Wenn er hier Asyl bekomme, wolle er seine Familie nach Österreich nachholen.
Der Beschwerdeführer habe einen afghanischen Reisepass, ausgestellt in Kabul. Er habe seinen Reisepass bisher nie hergezeigt, aus Angst, dass man ihn ihm wegnehme. In Bulgarien und in Kroatien seien sie von der Polizei geschlagen und zurückgeschickt worden. Er habe in Bulgarien nicht um Asyl ansuchen wollen, da es als Ausländer nicht schön sei, dort zu leben. Trotzdem sei er mit seiner Familie in Bulgarien dazu gezwungen worden, einen Asylantrag zu stellen. Sie hätten alle einen negativen Bescheid erhalten. Er sei in Bulgarien mit seiner Familie für 35 Tage in einem Lager eingesperrt gewesen und gezwungen worden, einen Asylantrag zu stellen, sonst hätten sie das Lager nicht verlassen dürfen. Danach seien sie in ein Lager verlegt worden, in dem sie sich frei bewegen hätten können. Nachgefragt, in welchem Stadium sich das Asylverfahren befunden habe, erklärte der Beschwerdeführer, die Unterlagen habe seine Frau alle nach Afghanistan mitgenommen. Die Bulgaren, auch die Polizei, seien sehr ausländerfeindlich. Dort sei es schwer, zu leben.
Nach Durchführung einer Rechtsberatung und unter Mitwirkung des Rechtsberaters erfolgte am 09.04.2019 die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA (Videoeinvernahme im Anhaltezentrum). Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er sich psychisch und physisch in der Lage sehe, die gestellten Fragen zu beantworten. Er habe keine schwerwiegenden Erkrankungen, leide aber an Zahnschmerzen.
Befragt zu etwaigen Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich bzw. der EU wiederholte der Beschwerdeführer, dass er einen Cousin mütterlicherseits (Sohn des Bruders der Mutter) hier in Österreich habe, aber es bestehe kein Kontakt zu ihm. Ein Bruder und eine Tante mit ihren Kindern würden in Deutschland leben. Außerdem gebe es noch Cousinen vom Onkel mütterlicherseits mit ihren Ehegatten. Der Beschwerdeführer sei nicht von seinen Verwandten abhängig, aber sollte er etwas Geld brauchen, so würden sie ihm helfen. Auch sonst gebe es niemanden in Österreich, von dem er abhängig wäre. Er habe nur einen guten Freund in Österreich, zu dem er derzeit leider keinen Kontakt habe.
Dem Beschwerdeführer wurde sodann zur Kenntnis gebracht, dass aufgrund der vorliegenden Zustimmung Bulgariens geplant sei, ihn dorthin außer Landes zu bringen. Dazu entgegnete der Beschwerdeführer, er wolle nicht nach Bulgarien zurück, sonst hätte er das schon gemacht. Er sei mit seiner Frau und seinen Kindern in Bulgarien gewesen. Da er Schwierigkeiten in Bulgarien gehabt habe, habe er seine Frau und seine Kinder wieder zurück nach Afghanistan geschickt. Bulgarien sei ein Mafia-Land. Er habe Geld gebraucht und habe arbeiten gehen wollen. An einem Tag, als er zur Arbeit gehen habe wollen, sei die Mafia gekommen und habe ihn geschlagen. Er wisse nicht warum, aber sie hätten ihm auf den Kopf geschlagen, er habe geblutet und sei ohnmächtig geworden. Als er wieder zu sich gekommen sei, sei er im Krankenhaus gelegen; er sei dort zwei bis drei Tage gewesen. Bulgarien wolle keine Asylwerber, also warum sollte er wieder zurück nach Bulgarien wollen? Wenn er einkaufen habe wollen und den Bus in die Stadt nehmen habe wollen, dann hätten die Leute deutlich gezeigt, dass man keine Asylwerber wolle. Egal wie freundlich man gewesen sei oder was man gemacht habe, man sei von der Bevölkerung immer schlecht behandelt worden. Man habe damit rechnen müssen, geschlagen zu werden. Er habe arbeiten wollen, habe aber keine Dokumente bekommen und so habe er nicht arbeiten gehen dürfen. Er müsse aber arbeiten, um seine Familie zu versorgen. Deshalb habe er von dort weg wollen. Er habe kein bestimmtes Ziel gehabt, als er aus Afghanistan ausgereist sei. Er habe in ein sicheres Land wollen, in dem er aufgenommen werde und keine Schwierigkeiten bekomme.
Nachgefragt, ob die Angaben zum Reiseweg bei der der Erstbefragung der Wahrheit entsprechen würden, erklärte der Beschwerdeführer, er sei von Bulgarien nach Serbien und Bosnien gegangen. Von Kroatien sei er einmal nach Bosnien und einmal nach Serbien zurückgebracht worden. In Serbien habe man festgestellt, dass seine Frau Leukämie habe und von dort habe er seine Frau mit den Kindern nach Afghanistan zurückgeschickt. In Serbien sei es abgelehnt worden, seine Frau zu behandeln. Von Serbien habe er noch vier Mal versucht, in die EU zu kommen.
Nachgefragt, ob es seine Person betreffend konkrete Vorfälle in Bulgarien gegeben habe, schilderte der Beschwerdeführer, dass ihm bei der Überquerung der Grenze von Bulgarien nach Serbien ein junger Mann öfters geholfen habe, eines der Kinder zu tragen. Sie seien eine Gruppe von 28 Personen gewesen und seien schon in Serbien gewesen. Die bulgarische Polizei sei auf serbischem Staatsgebiet gewesen und habe den Beschwerdeführer zurück nach Bulgarien gezerrt. Er habe gesagt, dass der junge Mann noch ein Kind von ihm habe, aber der Polizei sei das egal gewesen, denn sie habe gemeint, dass er gar nicht hier sein sollte und so sei das Kind für zweieinhalb Monate in Serbien gewesen. Ein Polizist habe dem Beschwerdeführer auch die Waffe an den Kopf gehalten.
Zu den aktuellen Länderfeststellungen zu Bulgarien gab der Beschwerdeführer an, er habe diese leider nicht zur Gänze lesen können. Er mache sich große Sorgen um seine kranke Frau, da er seit eineinhalb Wochen keinen Kontakt mehr zu ihr habe.
Abschließend nachgefragt, ob er alle Gründe geschildert habe, aus denen er Bulgarien verlassen habe, ergänzte der Beschwerdeführer, dass er aus dem Camp in Bulgarien nicht hinaus habe dürfen, da man gemeint habe, er könnte fliehen. Seiner Frau sei es immer schlechter gegangen. Er habe dann gesagt, dass man ihn erschießen müsse, denn er habe sein Kind in Serbien suchen und wieder zurückbringen wollen. Er sei in dem Camp in Bulgarien wie ein Gefangener gehalten worden und habe weder etwas für seine kranke Frau tun können noch sein Kind suchen können. Man habe ihn wie ein Tier behandelt. Es gebe dort keine Menschlichkeit.
Der anwesende Rechtsberater erstattete kein Vorbringen und stellte keine weiteren Fragen.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 12.04.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin-III-VO für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bulgarien zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Zur Lage in Bulgarien traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert, gekürzt):
KI vom 13.12.2017, Dublin-Charterübertstellungen (relevant für Abschnitt 3/Dublin-Rückkehrer und Abschnitt 7/Schutzberechtigte)
Im Zuge eines bilateralen Arbeitstreffens des BFA mit Bulgarien Ende November 2017 hat sich Bulgarien sehr kooperativ gezeigt und erklärt, dass aufgrund der derzeitigen Kapazitäten Charterüberstellungen nach Sofia weiterhin möglich wären. Der etablierte Prozess (individuelle Anfrage für ein bestimmtes Datum und Bestätigung durch BG) funktioniere gut (BFA 11.12.2017).
Quellen:
-
BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (11.12.2017):
Arbeitstreffen mit SAR, per E-Mail
Allgemeines zum Asylverfahren
Zuständig für das erstinstanzliche Asylverfahren ist die Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (State Agency for Refugees with the Council of Ministers, SAR). Es existiert ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:
(...)
(AIDA 2.2017; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)
99,8% der betretenen illegalen Migranten geben an, dass Bulgarien nicht ihr Zielland ist. Ende 2016 stieg die Quote der Antragsteller, die ihr Verfahren nicht zu Ende führen, auf 84%. 44% der Asylverfahren wurden eingestellt (discontinued) und 41% in Abwesenheit entschieden. Nur 15% der Asylwerber blieben lange genug im Land, um eine inhaltliche Entscheidung zu erhalten (AIDA 2.2017). Illegale Ausreise ist eine Straftat und kann zu Haftstrafen von über einem Jahr führen (AI 2.2017). In Bulgarien gab es 2017 bis 16.11.2017 3.334 Asylanträge (VB 22.11.2017).
Es gibt weiterhin Berichte über Gewalt gegen Migranten und Asylwerber durch Mitglieder ziviler "Bürgerwehren" und Beamte an den Landesgrenzen. Menschenrechtsorganisationen zufolge wendet Bulgarien Gewalt und sogenannte "Pushbacks" an, um Migranten von seinem Territorium fernzuhalten. Dabei soll in hunderten Fällen vonseiten der Polizei und Grenzwache körperliche Gewalt zum Einsatz gekommen und die Migranten bisweilen auch beraubt und erniedrigend behandelt worden sein. Im November 2016 wurde im Zuge der Niederschlagung eines gewaltsamen Aufstandes im Unterbringungszentrum Harmanli von der Polizei angeblich übertriebene Gewalt angewendet. Im Juni 2016 wurden zwei Männer wegen versuchten Mordes angeklagt, die einen Asylwerber aus fremdenfeindlichen Motiven niedergestochen hatten (USDOS 3.3.2017; vgl. BHC 25.1.2017). Die Handlungen der zivilen "Bürgerwehren", welche Migranten an den Grenzen bis zum Eintreffen der Polizei festhielten und bisweilen auch misshandelten, wurden von Teilen von Politik und Gesellschaft zunächst begrüßt. Nach formellen Beschwerden von NGOs wurden einige Mitglieder dieser Gruppen verhaftet und das bulgarische Innenministerium rief dazu auf, von der eigenmächtigen Anhaltung von Migranten Abstand zu nehmen (AI 2.2017). Die NGO Ärzte ohne Grenzen (MSF) betreibt in Serbien eine mental health clinic. MSF berichtet, dass von den verletzten Minderjährigen, die sich zwischen Jänner und Juni 2017 an diese Klinik wandten, nach Eigenangaben der Betroffenen, 48% der Verletzungen auf verschiedene bulgarische Behörden zurückgingen und ihnen in den Grenzregionen, in Lagern, Polizeistationen, Hafteinrichtungen u.a. Einrichtungen beigebracht worden seien (MSF 3.10.2017). Einzelne Übergriffe von staatlichen Organen auf Migranten und Asylwerber in Bulgarien sind - wie überall - nicht völlig auszuschließen. Ein systematisches Vorgehen von Misshandlungen und/oder herabwürdigender Behandlung durch die bulgarischen Sicherheitskräfte besteht laut Einschätzung des BM.I-Verbindungsbeamten jedoch nicht. Das Disziplinarsystem innerhalb des Innenministeriums wird strikt ausgelegt, und die Täter hätten mit sofortiger Entlassung zu rechnen (VB 31.1.2017). Asylwerber und Schutzberechtigte haben dieselben gesetzlichen Beschwerdemöglichkeiten wie bulgarische Staatsbürger. Sie können die Behörden informieren. Die Zuständigkeit ergibt sich aus dem Charakter der Beschwerde. Ansprechbar sind der Direktor der jeweiligen Institution; der Vorsitzende der SAR über den Direktor der jeweiligen territorialen SAR-Einheit oder über NGOs; UNHCR; das Bulgarische Rote Kreuz; das Bulgarische Helsinki Komitee und andere NGOs, welche reguläre Vertreter bei den territorialen Einheiten der SAR haben; der Direktor des jeweiligen Unterbringungszentrums (VB 9.7.2015).
Quellen:
-
AI - Amnesty International (2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/336454/479095_de.html, Zugriff 27.6.2017
-
AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017
-
BHC - Bulgarian Helsinki Committee et al. (25.1.2017): Pushed Back at the Door. Denial of Access to Asylum in Eastern EU Member States, http://www.helsinki.hu/wp-content/uploads/pushed_back.pdf, Zugriff 29.6.2017
-
MSF - Médecins Sans Frontières (3.10.2017): Serbia; Games of violence; Unaccompanied children and young people repeatedly abused by EU member state border authorities, https://ecoi3.ecoi.net/en/file/local/1410135/1226_1507125161_serbia-games-of-violence-3-10-17.pdf, Zugriff 24.11.2017
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/337129/479890_de.html, Zugriff 27.6.2017
-
VB des BM.I Bulgarien (9.7.2015): Auskunft SAR, per E-Mail
-
VB des BM.I Bulgarien (31.1.2017): Bericht des VB, per E-Mail
-
VB des BM.I Bulgarien (22.11.2017): Bericht des VB, per E-Mail
Dublin-Rückkehrer
Ein Verfahren ist zu suspendieren, wenn sich der Antragsteller diesem für mehr als zehn Arbeitstage entzieht oder seine Adresse ändert ohne dies zu melden. Nach weiteren drei Monaten des Nichterscheinens ist das Verfahren zu beenden (Act Art. 14f.; vgl. AIDA 2.2017; EASO 24.10.2017).
Wurde der zugrundeliegende Asylantrag bereits inhaltlich behandelt hat der Antragsteller ab Beendigung sechs Monate Zeit, triftige Gründe für sein Fernbleiben vorzubringen und somit das Verfahren wiederzueröffnen. Kann er keine triftigen Gründe vorbringen oder ist die 6-Monats-Frist verstrichen, kommt nur noch ein neuerlicher Asylantrag infrage, der jedoch neue Elemente enthalten muss um zulässig zu sein (Act Art. 77; vgl. AIDA 2.2017; EASO 24.10.2017).
Wurde der zugrundeliegende Asylantrag vor Beendigung noch nicht inhaltlich behandelt, ist das Verfahren im Falle einer Dublin-Rückkehr jedenfalls wiederzueröffnen und der Antrag inhaltlich zu behandeln (Act Art. 77; vgl. AIDA 2.2017; EASO 24.10.2017; VB 13.11.2017). Wenn in einem solchen Fall die 6-Monats-Frist verstrichen ist, kann der Rückkehrer einen erneuten Asylantrag stellen, welcher als Erstantrag gewertet wird (und nicht als Folgeantrag) (SAR 17.5.2016b).
Wurde der zugrundeliegende Asylantrag bereits rechtskräftig negativ entschieden, werden Schritte zur Außerlandesbringung des Rückkehrers gesetzt. Auch hier besteht die Möglichkeit einen neuen Asylantrag einzubringen, der jedoch neue Elemente enthalten muss um zulässig zu sein (EASO 24.10.2017; vgl. VB 13.11.2017).
Dublin-Rückkehrer haben bis zum Vorliegen einer inhaltlich rechtskräftigen Entscheidung dieselben Unterbringungsrechte wie andere Asylwerber und auch ihre Krankenversicherungen werden erneuert (EASO 24.10.2017).
Folgeantragsteller (außer Vulnerable) haben während der Zulässigkeitsprüfung ihres Folgeantrags (de jure 14 Tage) kein Recht auf Unterbringung, Sozialhilfe, Krankenversicherung/-versorgung und psychologische Hilfe (Act Art. 29 und 76b; vgl. AIDA 2.2017). Bei Antragstellern, deren suspendiertes Verfahren wiedereröffnet wird, weil es triftige Gründe für Ihr Fernbleiben gibt, ist laut Gesetz das Recht auf Krankenversicherung als fortdauernd (continuous) zu betrachten (Act Art. 29).
Bezüglich der Anschlussversorgung depressiver Dublin-Rückkehrer teilt SAR mit, dass bei vulnerablen Personen mit spezifischen Bedürfnissen, einschließlich Personen mit psychischen und psychiatrischen Problemen, deren spezifischer Zustand berücksichtigt wird. Gegenwärtig entsprechen das nationale System für internationalen Schutz in Bulgarien und die nationale Gesetzgebung im Bereich des Asyls der Gesetzgebung der EU mit sämtlichen Mindeststandards, einschließlich für die Aufnahmebedingungen. Als EU-Mitglied hält sich Bulgarien an die EU-Asylpolitik und -Gesetzgebung und folgt diesen sehr streng. Im Falle eines depressiven Dublin-Rückkehrers wird das Verfahren wieder aufgenommen und die Person hat alle in der Gesetzgebung vorgesehenen Rechte eines Asylwerbers, einschließlich das Recht auf psychologische Hilfe. Bei der Aufnahme einer Person mit speziellen Bedürfnissen werden Experten mit der jeweiligen medizinischen Qualifikation zugezogen und die betroffene Person wird von denen medizinisch, bzw. psychologisch betreut. Die Psychologen von SAR und die NGOs Zentrum "Nadya", IOM und das Bulgarische Rote Kreuz leisten selbstmordgefährdeten Dublin-Rückkehrer in Bulgarien Hilfe. Folgende Dienstleistungen werden angeboten: psychologische Beratung, Psychotherapie, psychiatrische Beratung, individuelle Einschätzung des psychologischen Verhaltens, Erstellen von Zertifikaten für psychologische und psychisch-gesundheitliche Folgen eines Traumas (VB 20.6.2017a).
Quellen:
-
Act - Asylum and Refugees Act (amend. 22.12.2015), per E-Mail
-
AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017
-
EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query.
Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail
-
SAR - State Agency for Refugees with the Council of Ministers (17.5.2016b): Auskunft SAR, per E-Mail
-
VB des BM.I Bulgarien (20.6.2017a): Auskunft SAR, per E-Mail
-
VB des BM.I Bulgarien (13.11.2017): Auskunft SAR, per E-Mail
Non-Refoulement
Schutz vor Refoulement ist eine Erwägung in der Zulässigkeitsprüfung und unerlässlich für sichere Dritt- und Herkunftsstaaten (AIDA 2.2017).
Menschenrechtsorganisationen zufolge wendet Bulgarien Gewalt und sogenannte "pushbacks" an, um Migranten von seinem Territorium fernzuhalten (USDOS 3.3.2017; vgl. BHC 25.1.2017).
Die Regierung garantiert einen gewissen Schutz vor Ausweisung oder Rückkehr von Migranten und Asylwerbern in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017
-
BHC - Bulgarian Helsinki Committee et al. (25.1.2017): Pushed Back at the Door. Denial of Access to Asylum in Eastern EU Member States, http://www.helsinki.hu/wp-content/uploads/pushed_back.pdf, Zugriff 29.6.2017
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/337129/479890_de.html, Zugriff 27.6.2017
-
27.6.2017
Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable
(...)
Versorgung
Gemäß der bulgarischen Gesetzgebung haben die Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Versorgung - Unterkunft und Verpflegung, soziale Unterstützung, Krankenversicherung, kostenlose medizinische Versorgung nach den Bedingungen und Regelungen wie bulgarische Staatsbürger, außerdem auf psychologische Unterstützung, Dolmetscher oder Dolmetsch-Hilfe (VB 13.11.2017).
Falls das Asylverfahren aus objektiven Umständen länger als 3 Monate dauert, haben die Asylwerber noch während des Asylverfahrens Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. zu Jobtrainings und Sozialleistungen im Falle von Arbeitslosigkeit. In der Praxis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Sprachbarriere, genereller Rezession und hoher Arbeitslosenzahlen aber schwierig (AIDA 2.2017; vgl. VB 13.11.2017).
Asylwerber haben laut Gesetz das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens, inklusive eines etwaigen Beschwerdeverfahrens. Die Aufenthaltsdauer in den Zentren ist gesetzlich nicht begrenzt. Wenn es für Neuankömmlinge nicht genug Unterbringungsplätze geben sollte, werden in der Praxis solche ohne eigene Mittel prioritär untergebracht. Spezifische Bedürfnisse und das Armutsrisiko (finanzielle Mittel, Arbeitsmöglichkeiten, Arbeitserlaubnis, Zahl der abhängigen Familienmitglieder, etc.) werden in jedem Fall bewertet. Mit Erhalt der Asylwerbekarte, welche die Verfahrensidentität bestätigt, ist das Recht sich in Bulgarien aufzuhalten, auf Unterbringung und Versorgung, sowie zu Sozialhilfe im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger und zu Krankenversicherung, medizinischer Versorgung, psychologischer Versorgung und Bildung gegeben. Folgeantragsteller erhalten keine Asylwerberkarte und haben auch kein Recht auf materielle Versorgung. Sie haben lediglich ein Recht auf Übersetzerleistungen während die Zulässigkeit ihres Folgeantrags im Eilverfahren geprüft wird. Wurde der Folgeantrag nur eingebracht, um die Außerlandesbringung zu verzögern, besteht auch kein Recht auf Verbleib im Land. Die Zulässigkeit muss binnen 14 Tagen geklärt werden. Im Frühjahr 2015 wurde rückwirkend mit 1. Februar 2015 beschlossen, die Sozialhilfe für Asylwerber in Höhe von BGN 65,- (EUR 33,-) nicht mehr auszubezahlen, weil die Asylwerber in den Zentren der SAR drei warme Mahlzeiten am Tag erhalten würden. Letzteres ist Berichten zufolge aber nicht immer zutreffend. Einige NGOs haben daher gegen diese Entscheidung gerichtliche Beschwerde erhoben, welche jedoch nicht zugelassen wurde. Wenn Antragsteller sich dem Verfahren entziehen, verlieren sie bei Rückkehr in der Praxis das Recht auf Versorgung (AIDA 2.2017).
Bulgarien verfügt über Unterbringungszentren in Sofia (Ovcha Kupel, Vrazhdebna und Voenna Rampa), Banya und Harmanli sowie Pastrogor. Die Kapazität der Unterbringungszentren liegt bei 5.190 Plätzen, von denen im Oktober 2017 etwa 18% belegt waren (AIDA 2.2017; vgl. FRA 11.2017).
Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren werden als ärmlich beschrieben, vor allem in Bezug auf die sanitären Anlagen, variieren aber zum Teil erheblich von Zentrum zu Zentrum. Wo immer möglich, erfolgt die Unterbringung von Familien ohne deren Trennung. Auf die Trennung der verschiedenen Nationalitäten wird geachtet. Asylwerber können mit Erlaubnis auf eigene Kosten auch außerhalb eines Zentrums leben, verlieren dann aber das Recht auf Unterbringung und soziale Unterstützung. Gegen Verweigerung der Unterbringung ist binnen sieben Tagen ein gerichtliches Rechtsmittel möglich (AIDA 2.2017). Bulgarien bietet entsprechend der Flüchtlingskonvention ausreichende Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung. Die Aufnahmezentren werden dahingehend immer wieder von NGOs auf Mindeststandards kontrolliert (VB 31.1.2017). In den meisten Aufnahmezentren gibt es weiterhin Bau- und Renovierungstätigkeiten (FRA 10.2017).
Seit Jänner 2016 können Antragsteller während ihres Asylverfahrens, in Übereinstimmung mit Art. 8 (3) (a), (b), (d) und (f) der Neufassung der Aufnahmerichtlinie, auch geschlossen untergebracht werden, etwa aus Gründen der nationalen und öffentlichen Sicherheit. Dazu wurde von SAR ein geschlossenes Unterbringungszentrum geschaffen, der sogenannte "Block 3" des Schubhaftzentrums Busmantsi (60 Plätze). Darüber hinaus sind noch die Schubhaftkapazitäten Bulgariens zu nennen. Das Land verfügt über zwei Schubhaftzentren:
Busmantsi (400 Plätze), Lyubimets (300 Plätze) und das geschlossene Verteilerzentrum Elhovo (240 Plätze). Die Haftbedingungen werden vor allem bezüglich Hygiene kritisiert. Medizinische Versorgung ist nicht in jedem Haftzentrum täglich verfügbar. Die Sprachbarriere und Mangel an Medikamenten werden kritisiert (AIDA 2.2017). Die bulgarischen Behörden verbessern weiterhin die Unterbringungsbedingungen in den beiden Schubhaftzentren (FRA 11.2017).
Das Zentrum in Pastrogor wird renoviert um es in eine geschlossene Einrichtung umzuwandeln (FRA 4.2017). Es soll Ende 2017 eröffnet werden und etwa 300 Plätze haben. Es sei für Personen gedacht sein, welche die Hausordnung offener Zentren verletzt haben (FRA 10.2017).
Derzeit sind in Bulgarien untergebracht (Stand 16.11.2017): 934 Personen in offen Zentren (18% Auslastung), 416 Personen in geschlossenen Zentren (42% Auslastung) und 348 privat (auf eigene Kosten). Das sind gesamt 1.698 Personen (VB 22.11.2017).
Wenn das Asylverfahren länger als drei Monate dauert, haben Antragsteller Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. zu Jobtrainings und Sozialleistungen im Falle von Arbeitslosigkeit. In der Praxis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Sprachbarriere, genereller Rezession und hoher Arbeitslosenzahlen aber schwierig (AIDA 2.2017).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017
-
FRA - Fundamental Rights Agency (4.2017): Monthly data collection on the migration situation in the EU. April 2017 monthly report. 1-31 May 2017,
http://fra.europa.eu/en/theme/asylum-migration-borders/overviews/april-2017, Zugriff 29.6.2017
-
FRA - Fundamental Rights Agency (10.2017): Monthly data collection on the migration situation in the EU. October 2017 monthly report. 1-30 September 2017,
http://fra.europa.eu/en/theme/asylum-migration-borders/overviews/october-2017, Zugriff 23.11.2017
-
FRA - Fundamental Rights Agency (11.2017): Monthly data collection on the migration situation in the EU. October 2017 monthly report. 1-31 October 2017,
http://fra.europa.eu/en/theme/asylum-migration-borders/overviews/november-2017, Zugriff 23.11.2017
-
VB des BM.I Bulgarien (31.1.2017): Bericht des VB, per E-Mail
-
VB des BM.I Bulgarien (13.11.2017): Auskunft SAR, per E-Mail
-
VB des BM.I Bulgarien (22.11.2017): Bericht des VB, per E-Mail
Medizinische Versorgung
Asylwerber in Bulgarien haben nach wie vor Zugang zu medizinischer Versorgung im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger, das umfasst auch den Zugang zu psychologischer/psychiatrischer Versorgung (VB 11.10.2017).
Asylwerber haben ein Recht auf dieselbe medizinische Versorgung wie bulgarische Staatsbürger. SAR ist verpflichtet Asylwerber krankenzuversichern. In der Praxis haben Asylwerber damit mit denselben Problemen zu kämpfen wie Bulgaren, da das nationale Gesundheitssystem große materielle und finanzielle Defizite aufweist. In dieser Situation ist laut AIDA spezielle Betreuung für Folteropfer und Traumatisierte nicht verfügbar. Wenn das Recht auf Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, entzogen wird, betrifft das auch das Recht auf medizinische Versorgung. Medizinische Grundversorgung ist in den Unterbringungszentren gegeben, und zwar entweder durch eigenes medizinisches Personal oder Nutzung der Notaufnahmen lokaler Hospitäler. Alle Zentren verfügen über medizinische Behandlungsräume (AIDA 2.2017).
In der Praxis ist der Zugang zu geeigneter medizinischer Versorgung eingeschränkt durch den Mangel an medizinischem Personal in den Unterbringungszentren bzw. mangelnden Zugang zu Übersetzung (HHC 5.2017).
Die Zahl qualifizierter Psychologen zur Unterstützung Vulnerabler in Bulgarien ist gemäß der Asylbehörde SAR weiterhin ungenügend (FRA 10.2017). Die NGO "Zentrum NADYA" bietet auf Projektbasis psychologische Betreuung an. Eine zweite NGO (ACET) ist seit 2017 nicht mehr aktiv, weswegen zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Örtlichkeiten psychologische Betreuung nicht oder nur reduziert möglich ist (HHC 5.2017).
Bezüglich der Anschlussversorgung depressiver Dublin-Rückkehrer teilt SAR mit, dass bei vulnerablen Personen mit spezifischen Bedürfnissen, einschließlich Personen mit psychischen und psychiatrischen Problemen, deren spezifischer Zustand berücksichtigt wird. Gegenwärtig entsprechen das nationale System für internationalen Schutz in Bulgarien und die nationale Gesetzgebung im Bereich des Asyls der Gesetzgebung der EU mit sämtlichen Mindeststandards, einschließlich für die Aufnahmebedingungen. Als EU-Mitglied hält sich Bulgarien an die EU-Asylpolitik und -Gesetzgebung und folgt diesen sehr streng. Im Falle eines depressiven Dublin-Rückkehrers wird das Verfahren wieder aufgenommen und die Person hat alle in der Gesetzgebung vorgesehenen Rechte eines Asylwerbers, einschließlich das Recht auf psychologische Hilfe. Bei der Aufnahme einer Person mit speziellen Bedürfnissen werden Experten mit der jeweiligen medizinischen Qualifikation zugezogen und die betroffene Person wird von denen medizinisch, bzw. psychologisch betreut. Die Psychologen von SAR und die NGOs Zentrum "Nadya", IOM und das Bulgarische Rote Kreuz leisten selbstmordgefährdeten Dublin-Rückkehrer in Bulgarien Hilfe. Folgende Dienstleistungen werden angeboten: psychologische Beratung, Psychotherapie, psychiatrische Beratung, individuelle Einschätzung des psychologischen Verhaltens, Erstellen von Zertifikaten für psychologische und psychisch-gesundheitliche Folgen eines Traumas (VB 20.6.2017a).
In Bulgarien besteht grundsätzlich die Möglichkeit, rezeptfreie Medikamente auch über das Internet zu erwerben (VB 26.4.2016).
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
(Anm. der Staatendokumentation: Eine Liste der Psychologen in Bulgarien (in bulgarischer Sprache) und eine Liste von Apotheken in einigen bulgarischen Städten, in denen Psychopharmaka verfügbar sind, sowie eine Liste von Krankenhäusern in einigen bulgarischen Städten, in denen psychologische/psychiatrische Behandlung verfügbar ist, ist der AFB BULG_RF_MEV_Psychologische Betreuung von Asylwerbern und Schutzberechtigten_2016_05_02_AS auf dem Koordinationsboard bzw. auf ecoi.net zu entnehmen!)
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017
-
HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2017): Unidentified and Unattended. The Response of Eastern EU Member States to the Special Needs of Torture Survivor and Traumatised Asylum Seekers, https://ecoi3.ecoi.net/en/file/local/1407070/90_1504851185_2017-05-hhc-unidentified-and-unattended.pdf, Zugriff 23.11.2017
-
MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):
Auskunft MedCOI, per E-Mail
-
VB des BM.I Bulgarien (26.4.2016): Auskunft SAR, per E-Mail
-
VB des BM.I Bulgarien (20.6.2017a): Auskunft SAR, per E-Mail
-
VB des BM.I Bulgarien (11.10.2017): Auskunft SAR, per E-Mail
Schutzberechtigte
(...)
Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin-III-VO Bulgarien für die inhaltliche Prüfung des gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei. Festgehalten wurde, dass dem Beschwerdeführer der behauptete Aufenthalt in Serbien in der Dauer von eineinhalb Jahren und der Aufenthalt in Bosnien in der Dauer von vier Monaten nicht geglaubt werde, und, dass sich der Beschwerdeführer bei seinem Vorbringen in Widersprüche verstrickt habe. Dazu führte das BFA aus: "In der Erstbefragung gaben Sie an, von der bulgarischen als auch von der kroatischen Polizei geschlagen worden zu sein. Widersprüchlich dann in der Einvernahme, denn da wären Sie von der Mafia geschlagen worden. Denn Sie wollten arbeiten gehen, aber andererseits behaupten Sie, dass dies ohne Papiere nicht möglich sein kann. Diese Widersprüche lassen die Behörde davon ausgehen, dass dies nicht so passiert sein konnte. Auch wird Ihnen Ihr eineinhalb Jahre dauernder Aufenthalt in Serbien, wie auch der viermonatige Aufenthalt in Bosnien, nicht geglaubt. Dies begründet die Behörde damit, dass Sie wiederum widersprüchliche Angaben in Ihrem Reiseweg gemacht haben. Denn wenn Sie angeben, in Serbien keinen Polizeikontakt gehabt zu haben, wie kann es dann sein, dass Sie mehrmals von der serbischen Polizei, ein anderes Mal von der kroatischen oder bosnischen Polizei wieder zurück nach Serbien gebracht wurden. Des Weiteren gaben Sie an, als Sie noch in Bulgarien waren, dass es Ihrer Gattin schon sehr schlecht ging und Sie hätten Sie dann noch nach Serbien gebracht, um Ihre Gattin mit den Kindern dann von dort nach Afghanistan zu schicken. Auch würde Bulgarien keine Zustimmung geben, wenn Sie schon so lange außerhalb der EU aufhältig gewesen wären." Die bulgarischen Behörden hätten ihrer Zuständigkeit gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin-III-VO zugestimmt. Diesbezüglich gebe es keinen Grund zur Annahme, dass die bulgarischen Behörden dem Wiederaufnahmeersuchen der österreichischen Behörden zustimmen würden, ohne vorher den Sachverhalt zu prüfen. Abgesehen davon habe der Beschwerdeführer seine Ausführungen mit keinerlei Beweismittel belegen können.
Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung des Beschwerdeführers ernstlich für möglich erscheinen ließe, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO ergeben.
3. Gegen den Bescheid des BFA vom 12.04.2019, zugestellt durch persönliche Übernahme am 15.04.2019, erhob der Beschwerdeführer durch seine Vertretung am 18.04.2019 rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde und stellte gleichzeitig den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Inhaltlich wurde darauf verwiesen, dass sich der Beschwerdeführer ausdrücklich gegen eine Überstellung nach Bulgarien ausspreche. Er habe im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA wahrheitsgemäß angegeben, dass er in Bulgarien mit seiner Ehefrau und seinen Kindern zusammen gewesen sei, dass die bulgarische und die serbische Polizei die Familie aber getrennt habe. Der Beschwerdeführer sei dabei sogar mit einer Schusswaffe bedroht worden. Die bulgarische Polizei habe den Beschwerdeführer und seine Familie aus Serbien zurückgeholt, aber ein Kind sei alleine für zweieinhalb Monate in Serbien geblieben. Die Bedingungen für eine Weiterreise der Familie seien so schlecht gewesen, dass der Beschwerdeführer sich dazu entschlossen habe, alleine weiterzureisen, und seine Frau und die Kinder nach Afghanistan zurückgeschickt habe.
Die Behörde verharmlose die aktuelle Kritik am bulgarischen Asylsystem und lasse die Berichte seitens des UNHCR und Medienberichte völlig außer Acht. Ebenso übersehe die Behörde, dass Bulgarien keinerlei Interesse am Verbleib von Flüchtlingen im Land habe, und es nicht sicher sei, ob der Beschwerdeführer im Rahmen einer Kettenabschiebung in andere EU-Länder bzw. Nicht-EU-Länder wie Serbien oder die Türkei abgeschoben werde. Bei vollständiger Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes hätte die Behörde zum Schluss kommen müssen, dass Österreich bei einer Art. 3 und Art. 8 EMRK konformen Auslegung der Bestimmungen der Dublin-III-VO die Zuständigkeit zur inhaltlichen Führung des Asylverfahrens übernehmen hätte müssen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, wurde am 28.03.2019 beim Versuch, illegal von Österreich nach Deutschland zu reisen, aufgegriffen und es wurde über ihn wegen unrechtmäßigem Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet die Schubhaft verhängt.
Zuvor war der Beschwerdeführer von der Türkei kommend über Bulgarien illegal in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingereist und hatte dort am 27.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach seiner Einreise in Bulgarien das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat.
Das BFA richtete am 28.03.2019 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien, dem die bulgarische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 29.03.2019 ausdrücklich gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin-III-VO zustimmte.
Aus dem Stande der Schubhaft stellte der Beschwerdeführer am 01.04.2019 den nunmehr gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat Bulgarien an.
Besondere, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Bulgarien sprechen, liegen nicht vor.
Der Beschwerdeführer ist gesund; er leidet an keinen äußerst schwerwiegenden oder lebensbedrohenden Krankheiten. Die Überstellbarkeit des Beschwerdeführers im Sinne der Reisefähigkeit ist gegeben.
Besonders intensiv ausgeprägte private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.
2. Beweiswürdigung: