TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/3 97/19/1023

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Veröffentlicht am 03.04.1998
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ARB1/80 Art6;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §7;
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §12 idF 1995/351;
AufG 1992 §12;
AufG 1992 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1997 §4 Z3;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1997 §4 Z4;
MRK Art8 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/19/1065 97/19/1066

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerden 1.) des 1976 geborenen BA in Wien, vertreten durch Dr. ML, Rechtsanwalt in Wien, 2.) der 1955 geborenen NA und 3.) der 1980 geborenen EA, beide in ML, beide vertreten durch Mag. AE, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 18. Februar 1997, Zlen. 1.) 113.778/5-III/11/96,

2.) 113.778/6-III/11/96 und 3.) 113.778/7-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Türkei. Die Zweitbeschwerdeführerin ist die Mutter der beiden anderen Beschwerdeführer.

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 18. Februar 1997 wurden der Antrag des Erstbeschwerdeführers vom 22. März 1996 sowie die Anträge der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin vom 29. August 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 (in Ansehung des Erstbeschwerdeführers auch gemäß § 13) des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Erstbeschwerdeführer sei während der Dauer seines Asylverfahrens bis 20. September 1995, die beiden anderen Beschwerdeführerinnen bis 26. Jänner 1995 vorläufig in Österreich aufenthaltsberechtigt gewesen. Wie sich aus § 13 Abs. 2 AufG ergebe, komme eine Verlängerung einer derartigen Berechtigung durch einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Bestimmungen nicht in Betracht. Die Anträge der Beschwerdeführer seien daher an § 6 Abs. 2 AufG zu messen gewesen. Die Beschwerdeführer hätten sie vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen gehabt. Eine Ausnahme hievon sei ausschließlich im Fall des Verlustes des Asyls und in anderen hier nicht in Betracht kommenden Fällen vorgesehen. Mit der gegenständlichen Antragstellung vom Inland aus sei § 6 Abs. 2 AufG nicht Genüge getan. Die Anträge seien daher abzuweisen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 1 Abs. 3 Z. 6, § 2 Abs. 3 Z. 4, § 6 Abs. 2 und § 13 AufG lauteten auszugsweise:

"§ 1. ...

...

(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie

1. auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts, eines Staatsvertrages, unmittelbar anwendbarer Rechtsakte der Europäischen Union oder anderer bundesgesetzlicher Vorschriften Niederlassungsfreiheit genießen;

...

6. auf Grund des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind.

§ 2. ...

...

(3) Die Bundesregierung kann in dieser Verordnung insbesondere

...

4. in Österreich geborene Kinder von Fremden (§ 3 Abs. 1 Z 2), Angehörige österreichischer Staatsbürger (§ 3 Abs. 1 Z 1), Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 aufenthaltsberechtigt sind oder waren, sowie Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, einer Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines und deren Familienangehörige im Sinne des § 3, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten, insoweit von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen ausnehmen, als dadurch das Ziel der Zuwanderungsregelung nicht beeinträchtigt wird, und ...

§ 6. ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z 1; ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.

(2) Abs. 1 findet auf die in § 1 Abs. 3 und 4 genannten Fremden keine Anwendung. Für diese kommt eine Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nur nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 in Betracht."

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung der angefochtenen Bescheide (7. März 1997 in Ansehung des erstangefochtenen, 17. März 1997 in Ansehung der beiden anderen Bescheide) ist für deren Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, maßgeblich.

§ 4 Z. 4 dieser Verordnung lautete:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

3. Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 des Aufenthaltsgesetzes auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder eines Staatsvertrags aufenthaltsberechtigt sind oder waren und ...

4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."

Der Erstbeschwerdeführer vertritt die Auffassung, er sei gemäß § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG zur ausnahmsweisen Antragstellung im Inland berechtigt, weil der Fall eines Verlustes einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz dem Verlust des Asyls selbst gleichzuhalten sei. Eine sachliche Rechtfertigung für eine unterschiedliche Regelung dieser Fälle bestehe nicht, zumal auch bei einer bloß vorläufigen Aufenthaltsberechtigung während der Dauer eines Asylverfahrens eine starke Integration in Österreich vorliegen könne. Dies sei beim Erstbeschwerdeführer, der seit 1991 in Österreich aufhältig sei, der Fall. Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, vertritt der Erstbeschwerdeführer die Auffassung, ein gegenteiliges Interpretationsergebnis stünde im Widerspruch mit Art. 8 MRK. Im übrigen sei der Erstbeschwerdeführer auch nach den gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG ergangenen Verordnungen der Bundesregierung zur ausnahmsweisen Antragstellung im Inland berechtigt, weil sein Vater eine Arbeitserlaubnis besitze und er selbst eine Aufenthaltsbewilligung (gemeint: eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz) hatte. Darüber hinaus stehe ihm als türkischem Staatsbürger aufgrund des Assoziierungsabkommens zwischen der EWG und der Türkei ein "Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung" zu, zumal sein Vater über eine Arbeitserlaubnis verfüge.

Auch die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin verweisen darauf, als türkische Staatsangehörige im Jahr 1991 nach Österreich eingereist zu sein. Sie behaupten, daß der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin und Vater der Drittbeschwerdeführerin über eine gültige Beschäftigungsbewilligung verfüge. Darüber hinaus wird auf die Integration der Beschwerdeführer in Österreich durch Arbeitstätigkeit des Familienvaters und Schulbesuch der Kinder verwiesen. Rechtlich vertreten die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin unter Hinweis auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995 die Auffassung, ihr Fall sei jenen, in denen ausnahmsweise eine Antragstellung im Inland zulässig sei, "per Analogie" gleichzustellen. Dies entspreche auch der regelmäßigen Behördenpraxis sowie einem Rundschreiben des Bundesministers für Inneres vom 6. April 1994. Die ihnen während der Dauer ihres Asylverfahrens zuerkannte vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz sei einer "Aufenthaltsbewilligung" im Sinne des § 4 Z. 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, gleichzuhalten. Ein sachlich gerechtfertigter Grund, zwischen Familienangehörigen, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten, und solchen, die eine (vorläufige) Aufenthaltsberechtigung hatten, bestehe nicht. In beiden Fällen bestehe eine Integration im Inland. Schließlich verweisen auch die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin darauf, aufgrund des Assoziierungsabkommens zwischen der EWG und der Türkei im Bundesgebiet aufenthaltsberechtigt zu sein. Auch hiedurch bestehe eine Integration in Österreich.

Nach Auffassung dieser Beschwerdeführerinnen wäre eine Berücksichtigung ihres behaupteten Aufenthaltsrechtes nach dem in Rede stehenden Assoziationsratsbeschluß (auch) im Zuge der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus Gründen der Vermeidung mehrerer parallel laufender Verwaltungsverfahren wünschenswert.

Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Die Beschwerdeführer verfügten niemals über Bewilligungen gemäß § 1 Abs. 1 AufG. Die belangte Behörde wertete ihre Anträge daher zutreffend nicht als Verlängerungsanträge. Zwar waren die Beschwerdeführer nach den Bescheidfeststellungen bis 20. September 1995 bzw. 26. Jänner 1995 gemäß § 7 AsylG 1991 zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Eine solche Aufenthaltsberechtigung ist jedoch - wie aus der Übergangsbestimmung des § 13 Abs. 2 AufG unzweifelhaft hervorgeht - einer "Verlängerung" durch einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften nicht zugänglich.

Wenn die Beschwerdeführer meinen, in Ansehung von nach § 7 AsylG 1991 vorläufig aufenthaltsberechtigten Personen bestehe eine Gesetzeslücke, verkennen sie nicht nur den Inhalt des § 13 Abs. 2 AufG, sondern auch jenen des § 6 Abs. 2 AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995. Nach dem dritten Satz dieser Bestimmung ist eine Antragstellung im Inland nur in den dort taxativ aufgezählten Fällen ausnahmsweise zulässig. Da § 6 Abs. 2 AufG nach seinem klaren Wortlaut keine Ausnahmebestimmung für Fremde enthält, die nach § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG aufgrund des AsylG 1991 während der Anhängigkeit ihres Asylverfahrens zum Aufenthalt in Österreich berechtigt waren oder sind, sind im Inland gestellte Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auch in denjenigen Fällen abzuweisen, in denen eine Berechtigung zum vorläufigen Aufenthalt im Sinne des § 7 AsylG 1991 vorgelegen ist oder noch vorliegt. Da § 6 Abs. 2 AufG nur den Verlust des Asyls ausdrücklich als Ausnahmetatbestand anführt, fehlt jedes Indiz für eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes hinsichtlich der nach § 7 AsylG 1991 vorläufig aufenthaltsberechtigten Personen. Die vom Beschwerdeführer vorausgesetzte Lücke liegt daher nicht vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 96/19/0593). Der Fall der Beschwerdeführer ist - im Gegensatz zu der in den Beschwerden vertretenen Auffassung - auch nicht mit jenen Fällen vergleichbar, in denen die Antragsteller sich seit vielen Jahren rechtmäßig aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung in Österreich aufgehalten haben, weshalb im Lichte der von den Beschwerdeführern zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in solchen Fällen die Annahme einer Verpflichtung zur Antragstellung im Ausland geradezu schikanös wäre und allenfalls auch mit Art. 8 MRK in Konflikt geriete.

Einer der hier vertretenen Interpretation zuwiderlaufende Behördenpraxis könnte den Verwaltungsgerichtshof ebensowenig binden wie ein nicht im Bundesgesetzblatt kundgemachtes Rundschreiben des Bundesministers für Inneres.

Auch können sich die Beschwerdeführer nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 4 Z. 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, stützen, weil sie nie eine Aufenthaltsbewilligung hatten. § 4 Z. 4 dieser Verordnung kommt nur solchen Angehörigen von Personen zugute, für die eine Arbeitserlaubnis ausgestellt wurde, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten.

Mit "Aufenthaltsbewilligung" im Sinne dieser Bestimmung ist die in § 1 Abs. 1 AufG vorgeschriebene besondere Bewilligung gemeint. Diese - im AufG "Bewilligung" genannte - Berechtigung ist Gegenstand des Antrages nach § 6 Abs. 2 AufG. § 4 der genannten Verordnung bezeichnet diesen als "Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung". Die Verordnung bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Begriff "Aufenthaltsbewilligung" in § 4 erster Satz etwas anderes bedeuten soll als jener in Z. 4 leg. cit. Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung während der Dauer eines Asylverfahrens zählt nicht dazu (vgl. das zur gleichlautenden Bestimmung des § 4 Z. 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, ergangene hg. Erkenntnis vom 28. November 1997, Zlen. 96/19/2291, 2790).

Aus Anlaß des Beschwerdefalles sind auch keine Bedenken entstanden, daß die Ausnahmebestimmungen des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG bzw. des - die Ermächtigung des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG voll erschöpfenden - § 4 Z. 4 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, zu eng wären. Gegen die in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG vorgenommene Einschränkung des Rechtes nach dem AsylG 1991 aufenthaltsberechtigter Personen zur Inlandsantragstellung nur auf den Fall des Verlustes des Asyls bestehen aus folgenden Erwägungen keine Bedenken aus dem Grunde des Art. 8 MRK:

Die aus den Erläuternden Bemerkungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP) ersichtliche Zielvorstellung dieses Gesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung von Asylanträgen (darunter sind auch bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes gestellte Asylanträge zu verstehen) zu verhindern, welche zum Schutze der öffentlichen Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbietet es, abgewiesene Asylwerber in Ansehung ihrer privaten Interessen im Inland besser zu stellen als einen Fremden, der erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragt. Eine Einschränkung eines gedachten, durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechtes auf Neuzuwanderung zur Wahrung familiärer Interessen im Inland durch die in Rede stehende Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG wäre - ebenfalls aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung - aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt.

Da die oben dargestellte Gefahr der Umgehung von Einwanderungsvorschriften bei berechtigten Asylanträgen ebensowenig gegeben ist, wie bei Fremden, die die Frist für die rechtzeitige Stellung eines Antrages auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung versäumten, bestehen keine Bedenken des Verwaltungsgerichthofes dahin, daß die - in bezug auf die Zulässigkeit der Inlandsantragstellung - unterschiedliche Behandlung solcher Personen gegen Art. 14 MRK oder gegen das bundesverfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung Fremder untereinander verstieße (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1998, Zl. 96/19/3520).

Soweit sich die Beschwerdeführer auf ein ihnen als türkische Staatsbürger behauptetermaßen zustehendes Recht aufgrund des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschaffenen Assoziationsrates, somit auf einen unmittelbar anwendbaren Rechtsakt der Europäischen Union berufen, stünde ihnen ein solches Recht im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG unabhängig von einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. zu. In ein danach allenfalls bestehendes Aufenthaltsrecht wäre durch den bekämpften Bescheid nicht eingegriffen worden. Andererseits zeigt schon die Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG, welche die Bundesregierung berechtigt, Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG aufenthaltsberechtigt sind, unter näher umschriebenen Voraussetzungen von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen auszunehmen, daß auch für Personen, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG erfüllen, eine Aufenthaltsbewilligung ausgestellt werden kann. Daher war die Frage, ob den Beschwerdeführern eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt werden durfte, allein danach zu beurteilen, ob die Voraussetzungen nach diesem Gesetz vorlagen oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/19/1549).

Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 95/19/0897, mit näherer Begründung darlegte, fielen türkische Staatsangehörige, die die Voraussetzungen des in Rede stehenden Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 erfüllten, nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 3 Z. 2 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, weil sie nicht aufgrund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder eines Staatsvertrags aufenthaltsberechtigt sind. Die gleichen Erwägungen haben auch für die gleichlautende Bestimmung des § 4 Z. 3 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, Gültigkeit.

An diesem, nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 Z. 1 und des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG sowie des § 4 Z. 3 der in Rede stehenden Verordnung der Bundesregierung gebotenen Interpretationsergebnis vermag auch der von der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin ins Treffen geführte Umstand nichts zu ändern, daß es aus verwaltungsökonomischen Gründen wünschenswert wäre, die Frage des Bestehens einer Aufenthaltsberechtigung nach dem in Rede stehenden Assoziationsratsbeschluß auch bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit zu berücksichtigen. Da § 4 Z. 3 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, ausdrücklich keine ausnahmsweise Antragstellung im Inland für Personen vorsieht, die aufgrund eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes der Europäischen Union aufenthaltsberechtigt sind, verbietet sich auch eine Berücksichtigung der aufgrund eines solchen Aufenthaltes bestehenden Integration bei einer auf § 6 Abs. 2 AufG gestützten Entscheidung. Anderes könnte gemäß § 6 Abs. 2 dritter Satz, dritter Fall, AufG dann gelten, wenn der türkische Staatsangehörige seines Aufenthaltsrechtes nach dem in Rede stehenden Assoziationsratsbeschluß verlustig geriete.

Die in den Beschwerden erhobenen Rügen der Verletzung von Verfahrensvorschriften vermögen diesen schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil über das bereits wiedergegebene Vorbringen, welches nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung der Sache führen konnte, hinaus nicht dargelegt wird, zu welchen sonstigen Ergebnissen die belangte Behörde bei Vermeidung der ihr vorgeworfenen Verfahrensmängel gelangt wäre.

Aus diesen Erwägungen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997191023.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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