TE Bvwg Beschluss 2019/6/3 W235 2163024-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.06.2019
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Entscheidungsdatum

03.06.2019

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz 2
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §61

Spruch

W235 2163025-2/6E

W235 2163024-2/6E

W235 2188271-2/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerden der 1.

XXXX auch XXXX , geb. XXXX , 2. mj. XXXX auch XXXX , geb. XXXX und

3. mj. XXXX , geb. XXXX , 2. und 3. gesetzlich vertreten durch: XXXX auch XXXX , alle StA. Benin, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2018, Zl. 1134869200-161533708 (ad 1.), Zl. 1134869004-161533716 (ad 2.) und Zl. 1178863709-180044649 (ad 3.) beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerden werden die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheiten gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweit- und Drittbe- schwerdeführerinnen. Alle drei Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige von Benin. Die Erstbeschwerdeführerin reiste gemeinsam mit der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 13.11.2016 für sich sowie als gesetzliche Vertreterin für die Zweitbeschwerdeführerin jeweils Anträge auf internationalen Schutz.

1.2. Am Tag der Antragstellung wurde die Erstbeschwerdeführerin einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie zunächst angab, dass sich ihr Ehepartner namens XXXX , geb. XXXX , in Österreich aufhalte. Sie habe ihren Herkunftsstaat [gemeinsam mit der Zweitbeschwerdeführerin] Mitte April 2016 verlassen und habe nach Österreich gewollt, da ihr Ehegatte hier schon ein laufendes Asylverfahren habe. Von Benin aus sei sie über den Niger und Libyen auf dem Seeweg nach Italien gelangt, wo sie zwei Wochen aufhältig gewesen und erkennungsdienstlich behandelt worden sei. In Italien habe sie "nichts beachtet", da sie nach Österreich gewollt habe. Um Asyl habe sie in Italien nicht angesucht. Gegen eine Rückkehr nach Italien spreche, dass sie mit der Zweitbeschwerdeführerin bei ihrem Mann in Österreich bleiben wolle.

Mit Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG vom 13.11.2016 wurde der Erstbeschwerdeführerin mitgeteilt, dass die 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen in ihrem Verfahren nicht gilt, da das Bundesamt Konsultationen gemäß der Dublin III-VO mit Italien führt.

Weiters sind der Mitteilung folgende Bezugspersonen zu entnehmen:

* " XXXX weiblich Tochter" und

* " XXXX männlich Ehepartner"

1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 15.12.2016 ein Aufnahmege- such betreffend die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO an Italien. In diesem Aufnahmegesuch wurde unter anderem angeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin angegeben habe, dass ihr Ehemann in Österreich lebe, sie jedoch keine Heiratsurkunde oder einen andern Nachweis für die Eheschließung habe vorlegen können, und daher nicht als Familienangehörige im Sinne des Art. 2 lit. g Dublin III-VO angesehen werden könne.

Mit Schreiben vom 17.02.2017 teilte das Bundesamt der italienischen Dublinbehörde mit, dass das Aufnahmegesuch durch Unterlassen einer fristgerechten Antwort akzeptiert wurde.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom 17.02.2017 wurde der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Italien angenommen wird. Auch in der Verfahrensanordnung wurden als Bezugspersonen

* " XXXX weiblich Tochter" und

* " XXXX männlich Ehepartner"

angeführt.

1.4. Mit Stellungnahme vom 23.03.2017 brachte die Erstbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin auch für die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin im Wege ihres nunmehr ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreters zusammengefasst vor, dass Herr XXXX der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin und der Vater der Zweitbeschwerdeführerin sei, dessen Asylverfahren in Österreich bereits zugelassen sei. Bis zur Flucht des Ehegatten bzw. Vaters im Jahr 2014 hätten die Beschwerdeführerinnen mit diesem im gemeinsamen Haushalt im Herkunftsstaat gelebt und würde die Überstellung der Beschwerdeführerinnen nach Italien einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK bedeuten. Daher ha-be das Bundesamt das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO wahrzunehmen. Die Beschwerdeführerinnen und ihr Ehemann bzw. Vater hätten dieselben Fluchtgründe und wäre es daher im Sinne des Effizienzgebotes gelegen, alle Anträge von einem Staat zu prü- fen. Ferner werde darauf verwiesen, dass das Bundesamt offensichtlich vom Verwandtschaftsverhältnis der Beschwerdeführerinnen zu Herrn XXXX ausgehe, wie aus der Verfahrensanordnung durch die Anführung als Bezugsperson ersichtlich sei. Hinzu komme, dass XXXX sowohl in seiner Erstbefragung als auch in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt angegeben habe, verheiratet zu sein und die Na- men der Beschwerdeführerinnen - die im Protokoll phonetisch wiedergegeben worden sei-en - als Ehegattin und Tochter genannt habe. Ferner sei die Erstbeschwerdeführerin schwanger und sei der Vater des ungeborenen Kindes ihr Ehegatte, Herr XXXX .

Neben der Verfahrensanordnung vom 17.02.2017 waren der Stellungnahme nachstehende Unterlagen beigelegt:

* Auszügen aus den Geburtsurkunden ("Extrait d'Acte de Naissance") der Beschwerdeführerinnen und XXXX sowie

* Auszug aus dem Mutter-Kind-Pass der Erstbeschwerdeführerin vom XXXX .2017 mit dem errechneten Geburtstermin XXXX

1.5. Am 27.03.2017 fand die Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit eines Rechtsberaters im Zulassungsverfahren statt. Eingangs der Einvernahme gab die Erstbeschwerdefüh- rerin an, dass sie die gesetzliche Vertretung der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin sei. Diese habe keine eigenen Fluchtgründe. In Österreich würden ihre mitgereiste Tochter (= Zweitbeschwerdeführerin) und ihr Ehemann leben. Mit ihrem Ehemann verstehe sich die Erstbeschwerdeführerin sehr gut und wohne mit ihm im gemeinsamen Haushalt. Da ihr Ehemann Probleme im Herkunftsstaat gehabt habe, hätten sie nicht gemeinsam ausreisen können. Die Erstbeschwerdeführerin habe zunächst auch gar nicht gewusst, dass er in Österreich sei. Das habe sie erst später von ihrem Bruder erfahren. Ihr Ehegatte sei seit drei Jah- ren in Österreich. Mehr wisse sie nicht. Zur geplanten Vorgehensweise des Bundesamtes, sie nach Italien zu überstellen, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihr Ehemann hier sei, weshalb sie nicht nach Italien zurückkehren wolle.

2. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.06.2017 wurden die Anträge auf internationalen Schutz der Erstbeschwerdeführerin und der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzuläs-sig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Prüfung dieser Anträge zuständig ist (Spruchpunkte I.). Unter den jeweiligen Spruchpunkten II. der angefochtenen Bescheide wurde gegen die Beschwerdeführerinnen die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

3. Am XXXX wurde die Drittbeschwerdeführerin als Tochter der Erstbeschwerdeführe- rin und XXXX in Österreich geboren und stellte durch ihre gesetzli-chen Vertreter (Eltern) am 02.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren.

Neben der Geburtsurkunde der Drittbeschwerdeführerin wurden ein Auszug aus dem Geburtseintrag des Standesamt XXXX , eine Erklärung der gemeinsamen Obsorge der Erstbeschwerdeführerin und XXXX über die Drittbeschwerdeführerin sowie ein diese betreffender Auszug aus dem Zentralen Melderegister, alle vom XXXX 2017 vorgelegt.

Mit Schreiben vom 15.01.2018 wurde die italienische Dublinbehörde über die Geburt der Drittbeschwerdeführerin informiert und darauf verwiesen, dass gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO Italien auch zur Führung des Verfahrens der Drittbeschwerdeführerin zuständig ist.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.03.2018 wurde auch der Antrag der Drittbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO für die Prüfung dieses Antrages zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde gegen die Drittbeschwerdeführerin die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Italien zulässig ist.

4. In Erledigung der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden hat das Bundesverwaltungsgericht nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 22.03.2018 die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheiten gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Begründend wurde wörtlich ausgeführt wie folgt:

"In den gegenständlichen Verfahren ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter der Annahme, dass zwischen den Beschwerdeführerinnen und Herrn XXXX kein im Sinne des Art. 8 EMRK schützenswertes Familienleben vorliegt sowie aufgrund der erkennungsdienstlichen Behandlung der Erstbeschwerdeführerin in Italien davon aus, dass in materieller Hinsicht die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung der in Rede stehenden Anträge auf internationalen Schutz in Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO begründet ist, da die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin aus einem Drittstaat (Libyen) kommend die Seegrenze Italiens illegal überschritten haben. Die Zuständigkeit Italiens zur Führung des Asylverfahrens der in Österreich geborenen Drittbeschwerdeführerin stützte das Bundesamt auf Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO.

Allerdings liegt im vorliegenden Fall betreffend die Feststellung, dass Italien für die Führung der Asylverfahren zuständig sei, ein Ermittlungsmangel vor. Beim Treffen dieser Feststellung übersieht das Bundesamt, dass Italien lediglich aufgrund Verfristung gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig wurde, wobei darauf zu verweisen ist, dass die Entscheidung zur Nichtbeantwortung des österreichischen Aufnahmegesuches durch die italienischen Behör- den wohl aufgrund der Angaben in jenem Aufnahmegesuch vom 15.12.2016 getroffen wur- de, die sich jedoch im Gesamtzusammenhang betrachtet als fehlerhaft erweisen. In diesem Aufnahmegesuch wurde den italienischen Behörden Folgendes mitgeteilt: "Furthermore she said that her husband is living in Austria. But due to the fact that she couldn't furnish a marriage certificate or any other document which proves the marriage, they can't be considered als "familiy members" in the sense of art. 2 (g) Dublin III Regulation. Therefore we assume Italy as the responsible Member State acc.to art. 13 (1) of the Dublin III Regulation."

Sohin ist diesem Aufnahmegesuch vom 15.12.2016 zu entnehmen, dass die Erstbeschwerdeführerin einen Nachweis über eine Eheschließung mit einem in Österreich aufhältigen Mann nicht beibringen konnte und sohin das Bundesamt nicht vom Vorliegen einer Familienangehörigeneigenschaft im Sinne des Art. 2 lit. g Dublin III-VO ausgeht. Allerdings ist dem Akten- inhalt Gegenteiliges zu entnehmen, da sowohl in der (zeitlich vor dem Aufnahmegesuch liegenden) Mitteilung des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 2 AsylG vom 13.11.2016 als auch in der (zeitlich nach dem Aufnahmegesuch liegenden) Verfahrensanordnung des Bundesamtes gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom 17.02.2017 als Bezugsperson der Erstbeschwerdeführerin (ne-ben der als Tochter angeführten Zweitbeschwerdeführerin) nachstehende Person vermerkt ist: " XXXX männlich Ehepartner".

Hinzu kommt, dass auch den Ausführungen in den die Erst- und Zweitbeschwerdeführerin betreffende Bescheide nicht eindeutig entnommen werden kann, ob das Bundesamt von ei- ner Familienangehörigeneigenschaft der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin zu Herrn XXXX ausgeht. Festgestellt wird diesbezüglich im Bescheid der Erst- beschwerdeführerin: "Zudem brachten Sie einen Ehemann namens XXXX vor, welcher seit ca. drei Jahren in Österreich aufhältig wäre." Im Bescheid der Zweitbeschwerdeführerin wird Folgendes festgestellt: "Zudem brachte ihre gesetzliche Vertretung vor, dass Sie einen Vater namens XXXX haben würden, welcher seit ca. drei Jahren in Österreich aufhältig wäre." Diesen Feststellungen ist sohin lediglich zu entnehmen, dass die Erstbeschwerdeführerin im Verfahren vorbrachte, dass es sich bei Herrn XXXX um den Ehemann bzw. Vater der Erst- bzw. Zweitbeschwerdeführerin handelt; ob das Bundesamt dieses Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin allerdings für zutreffend bzw. glaubhaft erachtet, geht aus diesen Feststellungen nicht hervor. Hingegen wird im Bescheid betreffend die Drittbeschwerdeführerin die Vaterschaft des Herrn XXXX eindeutig festgestellt (vgl. Seite 5 dieses Bescheides: "Ihr Vater XXXX würde laut ihrer Mutter mit Ihnen im gemeinsamen Haushalt leben".).

Zusammengefasst kann sohin in den vorliegenden Fällen nicht erkannt werden, ob das Bundesamt in Bezug auf die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin vom Vorliegen der Famili- eneigenschaft zu Herrn XXXX ausgeht. In Bezug auf die Drittbe- schwerdeführerin ist das Bundesamt gemäß den Feststellungen in deren Bescheid vom Vor-liegen der Familieneigenschaft ausgegangen, wobei den gesamten Akteninhalten nicht zu entnehmen ist, aus welchen Gründen betreffend die Drittbeschwerdeführerin andere (näm- lich eindeutige) Feststellungen hinsichtlich der Familienangehörigeneigenschaft zu Herrn XXXX getroffen wurden als in Bezug auf die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin, in deren Bescheiden sich keine eindeutigen diesbezüglichen Feststellungen finden. Auch sind in den Bescheiden betreffend die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin keine Begründungen dahingehend ersichtlich, warum in der Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG sowie in der Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom Vorliegen der Familieneigenschaft bzw. der Ehegatteneigenschaft zwischen der Erstbeschwerdeführerin und Herrn XXXX ausgegangen wurde. Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf verwiesen, dass eine Familieneigenschaft (bzw. Vaterschaft) von Herrn XXXX zur Zweitbeschwerdeführerin leicht durch die Durchführung eines DNA-Test festgestellt hätte werden können. Dass die Erstbeschwerdeführerin ihre Zustimmung zur Durchführung eines solches Tests verweigert hätte, kann den Akteninhalten nicht entnommen werden.

Allerdings hatten die italienischen Behörden lediglich die Information, dass die Erstbeschwerdeführerin zwar angegeben habe, dass ihr Ehemann in Österreich lebe, sie jedoch keine Heiratsurkunde oder einen andern Nachweis für die Eheschließung habe vorlegen können und diese daher nicht als Familienangehörige im Sinne des Art. 2 lit. g Dublin III-VO angesehen werden könne. Dass das Bundesamt im weiteren Verlauf des Verfahrens die Frage nach einer Angehörigeneigenschaft offen gelassen bzw. nicht mehr dezidiert vom Nichtvorliegen der Familienangehörigeneigenschaft ausgegangen ist (vgl. Seite 34 des Bescheides der Erstbeschwerdeführerin: "Ein familiäres Anknüpfungsmoment zu ihrem Ehemann wird nicht ausgeschlossen."), wurde den italienischen Behörden nicht zur Kenntnis gebracht. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist es jedoch fraglich, ob die italienischen Behörden bei derartigen Unklarheiten bzw. Zweifeln am Nichtvorliegen einer Angehörigeneigenschaft die Entscheidung zur Zustimmung der Übernahme in Form der Verfristung tatsächlich getroffen hätten.

In den gegenständlichen Fällen - insbesondere der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin - ist es jedoch wesentlich zur Beurteilung der Frage, welches Land - Österreich oder Italien - gemäß den Bestimmungen der Dublin III-VO zur Führung der Asylverfahren zuständig ist, fundierte, nachvollziehbar begründete Feststellungen dahingehend zu treffen, ob die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin Familienangehörige im Sinne des Art. 2 lit. g Dublin III-VO des Herrn XXXX sind (oder nicht sind). Sollte sich nämlich herausstellen, dass die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin Ehefrau und minderjährige Tochter von XXXX sind, wäre eine Befassung mit der Frage, ob sich eine Zuständigkeit Österreich gemäß Art. 10 Dublin III-VO ergeben könnte, erforderlich. Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf verwiesen, dass sich die Anwendung des Art. 10 Dublin III-VO auf den Zeitpunkt der Antragstellung des nachkommenden Familienangehörigen bezieht und sohin eine nachfolgende Erledigung des Antrags des erstantragstellenden Familienangehörigen während des Zuständigkeitsverfahren des nachkommenden Familienangehörigen der Anwendung von Art. 10 Dublin III-VO nicht entgegensteht (vgl. hierzu "Filzwieser/Sprung: Dublin III-Verordnung Das Europäische Asylzuständigkeitssystem", Stand: 01.02.2014, K4 zu Art. 10 Dublin

III-VO").

Bei einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände der vorliegenden Verfahren kann die Frage nach der Zuständigkeit Italiens zur Führung der Asylverfahren der Beschwerdeführerinnen nicht zweifelsfrei geklärt werden und wären diesbezüglich entsprechende Erhebungen zur Beantwortung der Frage betreffend das Vorliegen einer Familienangehörigeneigenschaft im Sinne des Art. 2 lit. g Dublin III-VO der Beschwerdeführerinnen zu XXXX zu tätigen und in den jeweiligen Folgebescheiden unmissverständliche Feststellungen diesbezüglich zu treffen."

5. Im nunmehr fortgesetzten Verfahren erfolgte am 25.04.2018 eine ergänzende Einver- nahme der Erstbeschwerdeführerin unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Französisch, in welcher diese zunächst angab, dass sie sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die Befragung zu absolvieren. Sie sei gesund und habe bereits alle Dokumen-te vorgelegt. Sie habe XXXX im Jahr 2008 in XXXX , Benin traditionell geheiratet. Ihre Familie und die Familie ihres Ehemannes seien anwesend gewesen. Eine Heiratsurkunde gebe es nicht. Eine standesamtliche Eheschließung sei "bei uns" nicht üblich. Seit wann ihr Mann in Österreich sei, wisse sie nicht. Sie wisse auch nicht, wann er Benin verlassen habe, da die Erstbeschwerdeführerin in XXXX und ihr Mann in einem anderen Dorf, nämlich in XXXX , gewohnt hätten. Diese Dörfer seien ca. 115 km voneinander entfernt. Auf die Frage, ob sie von der Hochzeit bis zur Ausreise in unterschiedlichen Dörfern aufhältig gewesen seien, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihr Mann nach XXXX gekommen sei, wo sie geheiratet hätten und dann wieder in sein Dorf zurückgekehrt sei. Nach der Hochzeit sei die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Mann nach XXXX gegangen, wo er Probleme bekommen und fliehen habe müssen. Die weitere Frage, ob sie getrennt gelebt hätten, verneinte die Erstbeschwerdeführerin und gab an, dass sie nach der Hochzeit 2008 nach XXXX gegangen seien und dort gelebt hätten. Das Datum der Ausreise ihres Mannes könne sie trotzdem nicht sagen, da sie es mittlerweile vergessen habe. Nunmehr lebe sie mit ihrem Mann zusammen und er unterstütze sie. Eines Tages habe sie ihr Mann angerufen, ihr jedoch nicht gesagt, dass er in Österreich sei. Ihr Bruder habe ihr geholfen, ihren Mann wieder zu finden. Als gesetzliche Vertreterin der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen wolle sie nichts ergänzen. Ihnen gehe es gut.

6. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO (Erst- und Zweitbeschwerdeführerin) bzw. gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO (Drittbeschwerdeführerin) für die Prüfung dieser Anträge zuständig ist (Spruchpunkte I.). Unter Spruchpunkten II. der jeweils angefochtenen Bescheide wurde gegen die Beschwerdeführerinnen die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Italien zulässig ist.

Begründend wurde im Wesentlichen betreffend alle drei Beschwerdeführerinnen ausge- führt, dass diese an keinen Krankheiten leiden würden, die bei einer Überstellung eine un-zumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würden. Festgestellt wer-de, dass die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin über Italien nach Österreich gereist seien und die Erstbeschwerdeführerin dort erkennungsdienstlich behan-delt worden sei. Festgestellt werde, dass Italien für die Durchführung der Asylverfahren zuständig sei. Im Bescheid betreffend die Erstbeschwerdeführerin findet sich folgende Feststellung: "Zudem brachten Sie einen Mann namens XXXX vor, welcher seit circa drei Jahren in Österreich aufhältig und Ihr Ehemann"; im Bescheid betreffend die Zweitbeschwerdeführerin findet sich nachstehen- de Feststellung: "Zudem brachte Ihre gesetzliche Vertretung einen Mann namens XXXX vor, welcher seit circa drei Jahren in Österreich aufhältig wäre.". Betreffend die Drittbeschwerdeführerin wurde wie folgt festge- stellt: "Ihr Vater XXXX würde laut Ihrer Mutter mit Ihnen im gemeinsamen Haushalt leben.". Im Bescheid betreffend die

Erstbeschwerdeführerin wurde darüber hinaus festgestellt, dass ihre Vertretung einen An-trag auf Vornahme einer DNA-Analyse zum Beweis, dass die Zweitbeschwerdeführerin die Tochter "des Mannes" und der Erstbeschwerdeführerin sei, gestellt habe. Diesem Antrag werde nicht stattgegeben. In Österreich würden die Beschwerdeführerinnen über keine weiteren familiären Anknüpfungspunkte verfügen und habe eine besondere Integrationsverfes-tigung nicht festgestellt werden können. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass sich die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerinnen aus den eigenen Angaben der Erstbeschwerdeführerin ergeben würden. Die weiteren Feststellungen zum Konsul-tationsverfahren und zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt hätten sich aus den unbedenklichen Akteninhalten ergeben. Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerinnen seien aufgrund der nicht anzuzweifelnden Angaben der Erstbeschwerdeführerin getroffen worden. Betreffend die Zweitbeschwerdeführerin wurde be-weiswürdigend ausgeführt, dass festgestellt werde, dass diese die Tochter der Erstbe-schwerdeführerin sei. In der Folge wurden in allen drei Bescheiden die Feststellungen wie-derholt und auf die Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung verwiesen. In sei-ner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass sich aus dem Vorbringen und dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO (Erst- und Zweitbeschwerdeführerin) bzw. Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO (Drittbeschwerdeführerin) formell erfüllt sei. Betreffend die Erstbeschwerdeführerin wurde ausgeführt, dass ein familiäres Anknüpfungsmoment zu ihrem Lebenspartner nicht ausgeschlossen werde. Zudem könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass bereits in Benin ein Beziehung bestanden habe oder, dass der Lebenspartner tatsächlich der Vater der Zweitbeschwerde-führerin sei. Das Vorbringen, bereits seit 2008 mit ihrem Lebenspartner verheiratet zu sein, habe die Erstbeschwerdeführerin nicht beweisen können. Auch sei ihr das genaue Datum der Ausreise ihres Lebenspartners nicht bewusst gewesen und sei ihrem Lebenspartner auch der Name der Erstbeschwerdeführerin nicht vollständig bekannt gewesen. Seitens der er- kennenden Behörde könne sohin nicht von einer Ehe zu ihrem jetzigen Lebenspartner aus-gegangen werden. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass der Antrag ihres Lebensgefährten bereits abgewiesen worden und eine Rückkehrentscheidung nach Benin beabsichtigt sei. Momentan befinde er sich im Beschwerdeverfahren. Betreffend die Zweitbeschwerdeführe-rin wurde darauf verwiesen, dass ein familiäres Anknüpfungsmoment zu dem von der Erstbeschwerdeführerin angegebenen Mann nicht ausgeschlossen werde. Es sei jedoch anzu- merken, dass nicht ausnahmslos habe dargelegt werden können, dass es sich bei der erwähnten Person tatsächlich um den Vater der Zweitbeschwerdeführerin handle. Im Bescheid der Drittbeschwerdeführerin wurde diesbezüglich ausgeführt, dass ein familiäres Anknüp- fungsmoment zu ihrem Vater nicht ausgeschlossen werden könne. Daher könne nicht er-kannt werden, dass die Beschwerdeführerinnen jetzt dermaßen auf eine Unterstützung an-gewiesen seien oder dass ein derartiges qualifiziertes Pflege-, Unterhalts- und/oder Unter-stützungsverhältnis vorliege, dass den Beschwerdeführerinnen ein weiterer Verbleib in der Europäischen Union außerhalb Österreichs nicht zumutbar wäre. Weiters sei anzuführen, dass die Familienzusammenführung mit in Österreich befindlichen Angehörigen nicht die Aufgabe des Asylverfahrens sein könne. Da bei Berücksichtigung s ämtlicher bekannter Tat- sachen keine weiteren Hinweise auf familiäre Anknüpfungspunkte bestünden, könne das Vorliegen eines schützenswerten Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht festgestellt werden. Aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich sei daher davon auszugehen, dass auch ein schützenswertes Privatleben nicht entstanden sei.

7. Gegen diese Bescheide erhob die Erstbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin auch für die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen im Wege ihres rechtsfreundlichen Vertreters fristgerecht Beschwerde wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Nach Zusammenfas- sung des Verfahrensganges wurde begründend ausgeführt, dass sich die belangte Behörde näher mit den dargetanen Verwandtschaftsverhältnissen auseinandersetzen hätte müssen. Ferner sei der belangten Behörde als wesentlicher Verfahrensmangel anzulasten, dass sie dem Beweisantrag, den Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführerinnen als Zeugen zum Beweis für das Bestehen des Verwandtschaftsverhältnisses einzuvernehmen, nicht nachgekommen sei. Eine diesbezügliche Begründung finde sich in den angefochtenen Bescheiden nicht. Auch habe die belangte Behörde den Antrag, die Vornahme einer DNA-Analyse zum Beweis dafür zu ermöglichen, dass es sich bei der Zweitbeschwerdeführerin um die Tochter der angeführten Bezugsperson handle, ignoriert. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, sich mit den Beweisanträgen auseinanderzusetzen, den beantragten Zeugen zu befragen und die Vornahme eines DNA-Tests zu ermöglichen. Erst dann wäre ihr eine Beur-teilung der Verwandtschafts- und Abstammungsverhältnisse möglich gewesen. Nachdem die Bewertung der familiären Beziehungen zwischen den Beschwerdeführerinnen und dem Zeugen für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Anwendung der Be- stimmung der Art. 10 oder Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO entscheidend sei, würden die Beweisanträge ein für die Entscheidung der Behörde maßgebliches Sachverhaltselement betreffen. Ferner habe die Beweiswürdigung außer Acht gelassen, dass die Erstaufnahmestelle West in ihrer Verfahrensanordnung vom 17.12.2016 die Bezugsperson als Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin und als Vater der Zweitbeschwerdeführerin genannt habe. Weshalb sie nun in Abkehr von dieser gewonnenen Überzeugung das Verwandtschaftsverhältnis wieder in Abrede gestellt habe, sei nicht nachvollziehbar. Insgesamt sei zu sagen, dass die Behaup- tung in den bekämpften Bescheiden, die Erst- und Zweitbeschwerdeführerinnen hätten das behauptete Verwandtschaftsverhältnis nicht unter Beweis stellen können, angesichts der vorgelegten Beweise und der offen gebliebenen Beweisanträge nicht nachvollziehbar sei.

Im Bescheid betreffend die Drittbeschwerdeführerin habe die belangte Behörde die Feststellung getroffen, dass es sich bei der Drittbeschwerdeführerin um die Tochter der angeführten Bezugsperson handle. Daher seien die Drittbeschwerdeführerin und ihr Vater wechselseitig als Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG zu sehen. Die Bestimmungen des Familienverfahrens seien auch auf Verfahren nach der Dublin III-VO anzuwenden und dahingehend zu verstehen, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen sei. Dies habe - wenn die Zurückweisung der Anträge gemäß § 5 AsylG, etwa infolge der Zuständigkeit Österreichs für die Prüfung des Antrags eines Familienangehörigen, nicht mehr in Betracht komme, - im Hinblick auf die übrigen Familienmitglieder die Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO zur Folge. Auch in den gegenständlichen Fällen gehe es um die Frage der Zuständigkeit zur Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz von Familienangehörigen einer Bezugsperson, deren Verfahren in Österreich zugelassen worden sei. Jedenfalls bestehe zur Wahrung der Familieneinheit und zur Achtung des Familienlebens eine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz der Drittbeschwerdeführerin und dies unabhängig von der Frage, ob auch die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin Familienangehörige dieser Bezugsperson seien.

Schließlich sei auch noch zu bemerken, dass die Abwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK in Verkennung der Rechtslage erfolgt sei. Im konkreten Fall gehe es nicht um ein privates Interesse am endgültigen Verbleib der Beschwerdeführerinnen im Bundesgebiet, sondern lediglich um die Beurteilung, in welchem Mitgliedstaat die Prüfung ihrer Asylanträge stattzufinden habe. Ferner habe die belangte Behörde eine gesonderte Prüfung des Kindeswohls der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen unterlassen. Dieser Grundsatz des Vorrangs des Kindeswohls sei auch in der österreichischen Verfassung verankert. Daher komme im Rah-men der Prüfung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dem Vorrang des Kindeswohls gemäß der Judika-tur des EGMR und des VfGH eine tragende Rolle zu.

8. Mit Beschluss vom 15.06.2018 erkannte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerden die aufschiebende Wirkung gemäß § 17 BFA-VG zu.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegen- ständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestim- mungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

2. Zu A)

2.1. Gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationa-len Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers ge-legen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaats-angehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) [...]

Art. 10 Familienangehörige, die internationalen Schutz beantragt haben

Hat ein Antragsteller in einem Mitgliedstaat einen Familienangehörigen, über dessen Antrag auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun.

Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnisse, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kom-mend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Ho-heitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrich- tet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde. Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zu- ständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jeder- zeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitä- ren Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen. Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen. Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen. Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Art. 25 Antwort auf ein Wiederaufnahmegesuch

(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Wiederaufnahme der betreffenden Person so rasch wie möglich. In jedem Fall aber nicht später als einen Monat, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen.

(2) Wird innerhalb der Frist von einem Monat oder der Frist von zwei Wochen gemäß Ab-satz 1 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzu-nehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

2.3. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem ersten behebenden Beschluss ausgeführt hat, ist es erforderlich in Bezug auf die Beschwerdeführerinnen ergänzende Ermitt-lungen vorzunehmen, um eine Grundlage für die Entscheidung zu schaffen, ob eine Zuständigkeit Italiens zur Führung der Asylverfahren der Beschwerdeführerinnen gegeben ist oder ob Österreich nicht ohnehin von Anfang an - im Hinblick auf Art. 10 Dublin III-VO - der zu-ständige Staat gewesen wäre.

Allerdings ist nicht ersichtlich, dass derartige Ermittlungen auch tatsächlich durchgeführt bzw. in einer solchen Art und Weise vorgenommen wurden, dass aus dem festgestellten Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht eindeutig eine Zuständigkeit nach den Bestimmungen der Dublin III-VO abgeleitet werden konnte. Auch in den fortgesetzten Verfahren ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter der Annahme, dass zwischen den Beschwerdeführerinnen und Herrn XXXX kein im Sinne des Art. 8 EMRK schützenswertes Familienleben vorliegt sowie aufgrund der erkennungsdienstlichen Behandlung der Erstbeschwerdeführerin in Italien davon aus, dass in materieller Hinsicht die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung der in Rede stehenden Anträge auf internationalen Schutz in Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO begründet ist, da die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin aus einem Drittstaat (Libyen) kommend die Seegrenze Italiens illegal überschritten haben. Die Zustän-digkeit Italiens zur Führung des Asylverfahrens der in Österreich geborenen Drittbeschwer-deführerin stützte das Bundesamt auch in den nunmehr gegenständlichen Verfahren auf Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO.

2.3.1. Abgesehen davon, dass die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 22.03.2018 angeführten Verfahrensmängel nicht behoben bzw. ergänzende Ermittlungen nur ansatzweise durchgeführt wurden (vgl. hierzu Punkt II.2.3.2. des gegenständlichen Erkenntnisses), liegen auch in den vorliegenden Fällen betreffend die Feststellung, dass Italien für die Führung der Asylverfahren zuständig sei, Ermittlungsmängel vor.

Diesbezüglich ist zunächst auf den Bescheid betreffend die Erstbeschwerdeführerin zu ver-weisen. Hier findet sich (unter anderem) die wörtliche Feststellung: "Zudem brachten Sie einen Mann namens XXXX vor, welcher seit circa drei Jahren in Österreich aufhältig und ihr Ehemann". Alleine aus dieser Feststellung ist - mangels Vollständigkeit - nicht erkennbar, von welchem Sachverhalt die Behörde in Bezug auf Herrn XXXX ausgeht. Es macht aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes einen Unterschied, ob der angeführte Satz - und sohin die Feststellung - mit einem "ist", "war", "sein soll" oder "sein wird" endet. Aber auch die Be-weiswürdigung im Bescheid betreffend die Erstbeschwerdeführerin gibt keinen weiteren Aufschluss über diese Feststellung, da im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich die oben angeführte unvollständige Feststellung wiederholt wurde.

Aber auch im Bescheid der Zweitbeschwerdeführerin findet sich eine nicht nachvollziehbare Feststellung. In diesem Bescheid stellt das Bundesamt wörtlich fest: "Zudem brachte Ihre gesetzliche Vertretung einen Mann namens XXXX vor, welcher seit ca. drei Jahren in Österreich aufhältig wäre". Diese Feststellung birgt für sich genommen allerdings keine Aussage darüber, in welchem Verhältnis Herr XXXX zur Zweitbeschwerdeführerin steht. Erst im Rahmen der Beweiswürdigung wurde dieser Satz vervollständigt und um die Wortfolge "und Ihr Vater wäre." ergänzt. Betreffend die rechtlichen Ausführungen im Bescheid der Zweitbeschwerdeführerin "Ein familiäres Anknüpfungsmoment zu dem von Ihrer gesetzlichen Vertreterin an-gegebenen Mann wird nicht ausgeschlossen." und - demgegenüber etwas unklar - "Es ist jedoch anzumerken, dass nicht ausnahmslos dargelegt werden konnte, dass es sich bei der von Ihnen erwähnten Person tatsächlich um Ihrem Vater handelt." sowie jener im Bescheid der Erstbeschwerdeführerin "Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, [...] oder, dass Ihr jetziger Lebenspartner tatsächlich der Vater Ihrer älteren Tochter ist.", ist darauf zu verwei-sen, dass das Bundesverwaltungsgericht bereits im Beschluss vom 22.03.2018 auf die Möglichkeit, die Vaterschaft von Herrn XXXX zur Zweitbeschwerdeführerin durch die Durchführung eines DNA-Test festzustellen, hingewiesen hat. Auch von Seiten des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführerinnen wurde eine DNA-Analyse beantragt. Den angefochtenen Bescheiden ist allerdings nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen von der Vornahme eines solchen Abstammungstests Abstand genommen wurde,

der - da sich alle Beteiligten im Bundesgebiet aufhalten - leicht zu organisieren gewesen wäre.

Wenn das Bundesamt in den angefochtenen Bescheiden betreffend Herrn Moutalabi ABI- BOU KASSOUM in rechtlicher Hinsicht nunmehr ausführt, dass dessen Antrag [auf internati-onalen Schutz] bereits abgewiesen worden sei und eine Rückkehrentscheidung nach Benin beabsichtigt werde, ist zum einen darauf zu verweisen, dass diese Entscheidung nicht rechtskräftig ist, da sie im gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt nach wie vor beim Bundesverwaltungsgericht anhängig ist. Zum anderen ist - wie auch schon im Beschluss vom 22.03.2018 erwähnt - darauf zu verweisen, dass sich die Anwendung des Art. 10 Dublin III-VO auf den Zeitpunkt der Antragstellung des nachkommenden Familienangehörigen bezieht und sohin eine nachfolgende Erledigung des Antrags des erstantragstellenden Familienangehörigen während des Zuständigkeitsverfahren des nachkommenden Familienangehörigen der Anwendung von Art. 10 Dublin III-VO nicht entgegensteht (vgl. hierzu "Filzwieser/Sprung: Dublin III-Verordnung Das Europäische Asylzuständigkeitssystem", Stand:

01.02.2014, K4 zu Art. 10 Dublin III-VO").

2.3.2. Darüber hinaus verweist das Bundesverwaltungsgericht betreffend die Feststellung zur Zuständigkeit Italiens zur Führung der vorliegenden Asylverfahren der Beschwerdeführerinnen auf seine Ausführungen im Beschluss vom 22.03.2018. Insbesondere wird in Erinnerung gerufen, dass Italien lediglich aufgrund Verfristung gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO zu-ständig wurde, wobei sich die Angaben im Aufnahmegesuch vom 15.12.2016, dass die Erst-beschwerdeführerin einen Nachweis über eine Eheschließung mit einem in Österreich auf-hältigen Mann nicht beibringen konnte und sohin das Bundesamt nicht vom Vorliegen einer Familienangehörigeneigenschaft im Sinne des Art. 2 lit. g Dublin III-VO ausgeht, als fehlerhaft bzw. aktenwidrig erwiesen haben, da sowohl in der Mitteilung des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 2 AsylG vom 13.11.2016 als auch in der Verfahrensanordnung des Bundesamtes gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom 17.02.2017 als Bezugsperson der Erstbeschwerdeführerin Herr XXXX als Ehepartner angeführt ist.

Wie auch in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wurde, ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen das Bundesamt in der Mitteilung vom 13.11.2016 von der Ehegatteneigenschaft der Erstbeschwerdeführerin und Herrn XXXX ausgeht, diese in der Folge ge- genüber den italienischen Behörden am 15.12.2016 dezidiert verneint, allerdings in der Verfahrensanordnung vom 17.02.2017 Herr XXXX wieder als Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin angeführt wird. Trotz diesbezüglichen Hinweis des Bundesverwaltungsgerichtes im Beschluss vom 22.03.2018 finden sich auch in den nunmehr angefochtenen Bescheiden keine Begründungen dahingehend, warum in der Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG sowie in der Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom Vorliegen der Famili- eneigenschaft bzw. der Ehegatteneigenschaft zwischen der Erstbeschwerdeführerin und Herrn XXXX ausgegangen wurde.

Wie ebenfalls bereits im behebenden Beschluss des Bundeverwaltungsgerichtes ausgeführt, hatten die italienischen Behörden unvollständige Informationen betreffend die Beschwerdeführerinnen. Selbst wenn die Erstbeschwerdeführerin keinen Nachweis über eine Eheschließung vorlegen konnte und sohin nicht als Familienangehörige im Sinne des Art. 2 lit. g Dublin III-VO angesehen werden kann, trifft dies auf die Zweitbeschwerdeführerin (den Akteninhalten zufolge) vermutlich nicht zu. Sollte die Zweitbeschwerdeführerin tatsächlich die Tochter von Herrn XXXX sein (was - wie erwähnt - leicht durch eine DNA-Analyse festgestellt werden könnte), wäre jedenfalls eine geeignete Grundlage für die Entscheidung geschaffen, ob eine Zuständigkeit Italiens zur Führung der Asylverfahren der Beschwerdeführerinnen gegeben ist oder ob Österreich nicht ohnehin von Anfang an - im Hinblick auf Art. 10 Dublin III-VO - der zuständige Staat gewesen wäre. Hinzu kommt, dass es nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes fraglich ist, ob die italienischen Behörden bei Kenntnis sämtlicher Umstände tatsächlich der Übernahme der Beschwerdeführerinnen durch Verfristung zugestimmt hätten.

2.4. Daher wird im fortgesetzten Verfahren zunächst die Frage der Abstammung der Zweit-beschwerdeführerin von Herrn XXXX (sohin dessen Vaterschaft) mit Hilfe einer DNA-Analyse eindeutig zu klären sein. Sollte sich in der Folge die Vaterschaft von XXXX zur Zweitbeschwerdeführerin herausstellen, wird sich das Bundesamt mit der Frage der Anwendung von Art. 10 Dublin III-VO zu befassen haben.

Sollte das Bundesamt auch im fortgesetzten Verfahren vom Nichtbestehen der Familienan-gehörigeneigenschaft im Sinne des Art. 2 lit. g Dublin III-VO der Erstbeschwerdeführerin zu XXXX ausgehen, wären die im Verfahren bereits mehrfach aufge-zeigten widersprüchlichen Akteninhalte entsprechend aufzuklären und ist im Verhältnis zur Zweitbeschwerdeführerin im Fall des Vorliegens der Vaterschaft auf § 34 AsylG zu verwei- sen. Selbiges gilt für das Verfahren der Drittbeschwerdeführerin.

Sohin werden jedenfalls in Bezug auf die Beschwerdeführerinnen ergänzende Ermittlungen vorzunehmen sein, um eine Grundlage für die Entscheidung zu schaffen, ob eine Zuständig-keit Italiens zur Führung der Asylverfahren der Beschwerdeführerinnen gegeben ist oder ob Österreich nicht ohnehin von Anfang an - im Hinblick auf Art. 10 Dublin III-VO - der zustän-dige Staat gewesen wäre.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Im gegenständlichen Fall konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der Beschwerde stattzugeben und der bekämpfte Bescheid zu beheben ist. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.

4. Da sich eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG (wie die vorliegende) nicht als eine solche darstellt, die als Entscheidung in der Sache den den Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Gegenstand erledigt, hat sie gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Form eines (die Beschwerdeverfahren beendenden und nicht bloß verfahrensleitenden) Beschluss zu ergehen (vgl. VwGH vom 05.10.2016, Ra 2016/19/0208-8).

5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In den vorliegenden Fällen ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab n och fehlt es an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die vorliegende Rechtsprechung des Verwa- ltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Kern der getroffenen zurückverweisenden Entscheidung ist die mangelhafte Ermittlung von relevanten Sachverhaltselementen im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens entsprechend den insofern eindeutigen Verfahrensvorschriften durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie die daran anknüpfende Konsequenz des § 21 BFA-VG. Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage sind sohin nicht zu erblicken.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W235.2163024.2.00

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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