Entscheidungsdatum
06.06.2019Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W 175 2219589-1/3E
W175 2219587-1/3E
Beschluss
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Neumann über die Beschwerde 1.) der XXXX , geboren am XXXX , und 2.) des XXXX , geboren am XXXX , afghanische Staatsangehörige, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.05.2019, Zahlen: 1.) 1227867710-190434479 und 2.) 1227867808-190434444, beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG idgF stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) ist die Mutter des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers (BF2) und stellte für sich und den BF2 am 29.04.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einen Antrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, (AsylG).
Eine Eurodac-Abfrage ergab, dass hinsichtlich der BF von den griechischen Behörden am 23.02.2017 und von den schweizerischen Behörden am 31.10.2018 eine erkennungsdienstliche Behandlung aufgrund der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gespeichert wurde.
I.2. Im Rahmen der Erstbefragung am 29.04.2019 gab die BF1 an, den Iran 2016 verlassen zu haben und über die Türkei, Griechenland und die Schweiz nach Österreich gereist zu sein. Ihre minderjährige Tochter halte sich in Österreich auf und habe hier einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt; sie habe zu ihrer Tochter wollen, die vor zwei Jahren von Griechenland nach Österreich gekommen sei.
Die BF1 habe in Griechenland zweimal um Familienzusammenführung ersucht, dies sei jedoch abgelehnt worden. Danach habe sie es in der Schweiz versucht, habe von den schweizerischen Behörden allerdings keine Antwort hinsichtlich einer Familienzusammenführung bekommen. Der Status ihres Verfahrens in der Schweiz sei ihr nicht bekannt. Sie wolle jedenfalls in Österreich bei ihrer Tochter bleiben.
I.3. Das BFA richtete an die Schweiz am 03.05.2019 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmeersuchen betreffend die BF. Ausgeführt wurde, dass die BF1 angegeben habe, Anträge auf Familienzusammenführung mit ihrer in Österreich leben Tochter gestellt zu haben. Dass diese noch minderjährig ist, fand hingegen keine Erwähnung.
I.4. Mit Schreiben vom selben Tag stimmte die schweizerische Dublin-Behörde der Wiederaufnahme beider BF gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO ausdrücklich zu.
I.5. Am 14.05.2019 führte die BF2 niederschriftlich unter anderem aus, dass ihre Tochter seit zwei Jahren in Österreich sei, sie habe regelmäßig telefonischen Kontakt. Die Tochter werde in vier Monaten 18 Jahre alt, sie sei jünger als der BF2. Daten könne sie nicht nennen, sie kenne sich nicht aus.
Vorgelegt wurde der Bescheid des BFA vom 31.05.2017, Zahl:
1141725107-170135595, mit dem der Tochter der BF1 subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, die Aufenthaltsberechtigung wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG zwischenzeitlich bis 30.05.20120 verlängert.
I.5. Das BFA wies mit den beschwerdegegenständlichen Bescheiden vom 16.05.2019, zugestellt am 09.05.2019, die Anträge der BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass "Schweiz" für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Die Außerlandesbringung der BF wurde gemäß § 61 Abs. 1 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF (FPG), angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der BF "nach Schweiz" gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Ausgeführt wurde, dass eine Abhängigkeit oder enge Beziehung zu der in Österreich aufhältigen Tochter nicht festgestellt werden könne, wodurch kein relevanter Eingriff in das Familien- und Privatleben der BF entstehe. Der Aufenthaltsstatus der Tochter in Österreich fand keine Erwähnung.
I.6. Mit 28.05.2019 brachten die BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein, mit dem die Bescheide gesamtinhaltlich wegen Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurde.
Moniert wurde, dass sich die Tochter noch im Asylverfahren befände. Die BF1 wolle mit ihrer Tochter zusammen sein, verwiesen wurde auf Art. 6 und Art. 17 Dublin III-VO.
I.8. Die Beschwerdevorlage an die zuständige Gerichtsabteilung des BVwG iSd § 16 Abs. 4 BFA-VG erfolgte am 04.06.2019.
II. Das BVwG hat erwogen:
Zu A) Aufhebung des angefochtenen Bescheides:
1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:
"§ 5. (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) [..]
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3.-5. [...]
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
(2)-(3) [...]"
1.2. § 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."
1.3. § 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:
"§ 61. (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. [...]
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."
1.4. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:
"KAPITEL II
ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN
Art. 3
Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
KAPITEL III
KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS
Artikel 6
Garantien für Minderjährige
(1) Das Wohl des Kindes ist in allen Verfahren, die in dieser Verordnung vorgesehen sind, eine vorrangige Erwägung der Mitgliedstaaten.
(2) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass ein unbegleiteter Minderjährige in allen Verfahren, die in dieser Verordnung vorgesehen sind, von einem Vertreter vertreten und/oder unterstützt wird. Der Vertreter verfügt über die entsprechenden Qualifikationen und Fachkenntnisse, um zu gewährleisteten, dass dem Wohl des Minderjährigen während der nach dieser Verordnung durchgeführten Verfahren Rechnung getragen wird. Ein solcher Vertreter hat Zugang zu dem Inhalt der einschlägigen Dokumente in der Akte des Antragstellers einschließlich des speziellen Merkblatts für unbegleitete Minderjährige.
Dieser Absatz lässt die entsprechenden Bestimmungen in Artikel 25 der Richtlinie 2013/32/EU unberührt.
(3) Bei der Würdigung des Wohl des Kindes arbeiten die Mitgliedstaaten eng zusammen und tragen dabei insbesondere folgenden Faktoren gebührend Rechnung:
a) Möglichkeiten der Familienzusammenführung;
b) dem Wohlergehen und der sozialen Entwicklung des Minderjährigen unter besonderer Berücksichtigung seines Hintergrundes;
c) Sicherheitserwägungen, insbesondere wenn es sich bei dem Minderjährigen um ein Opfer des Menschenhandels handeln könnte;
d) den Ansichten des Minderjährigen entsprechend seinem Alter und seiner Reife.
(4) Zum Zweck der Durchführung des Artikels 8 unternimmt der Mitgliedstaat, in dem der unbegleitete Minderjährige einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, so bald wie möglich geeignete Schritte, um die Familienangehörigen, Geschwister oder Verwandte des unbegleiteten Minderjährigen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu ermitteln, wobei er das Wohl des Kindes schützt.
Zu diesem Zweck kann der Mitgliedstaat internationale oder andere einschlägige Organisationen um Hilfe ersuchen und den Zugang des Minderjährigen zu den Suchdiensten dieser Organisationen erleichtern.
Das Personal der zuständigen Behörden im Sinne von Artikel 35, die unbegleitete Minderjährige betreffende Anträge bearbeiten, haben eine geeignete Schulung über die besonderen Bedürfnisse Minderjähriger erhalten und werden weiterhin geschult.
(5) Zur Erleichterung geeigneter Maßnahmen zur Ermittlung der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats lebenden Familienangehörigen, der Geschwister oder der Verwandten eines unbegleiteten Minderjährigen gemäß Absatz 4 dieses Artikels erlässt die Kommission Durchführungsrechtsakte, einschließlich der Festlegung eines Standardformblatts für den Austausch einschlägiger Informationen zwischen den Mitgliedstaaten. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 7
Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Artikel 9
Familienangehörige, die Begünstigte internationalen Schutzes sind
Hat der Antragsteller einen Familienangehörigen - ungeachtet der Frage, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat -, der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt ist, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun."
1.5. Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zugelassen, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
2. Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Verfahrens beziehungsweise der Zuständigkeit der Schweiz ist eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.6.2012, U462/12); dies freilich, sofern maßgeblich, unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich, vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-63/15, Mehrdad Ghezelbash/Niederlande sowie vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-155/15, Karim.
Im Rahmen der Entscheidung C-63/15, Mehrdad Ghezelbash/Niederlande, wurde insbesondere ausgesprochen, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO dahingehend auszulegen ist, dass ein Antragsteller auf internationalen Schutz im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III der Dublin III-VO festgelegten Zuständigkeitskriteriums sowie einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO geltend machen könne und sich die korrekte Anwendbarkeit der Kriterien der Dublin III-VO sohin als im Rechtsweg überprüfbar erweise (siehe auch VwGH 23.6.2016, Ra 2016/20/0069, Rz 17). Der EuGH erwog, dass die Kontrolle der richtigen Anwendung der Zuständigkeitskriterien in dem Rahmen vorzunehmen ist, der durch Art. 22 Abs. 4 und 5 vorgegeben ist. Diese Bestimmung sieht vor, dass das Beweiserfordernis nicht über das für die ordnungsgemäße Anwendung der Verordnung erforderliche Maß hinausgehen sollte und in Ermangelung förmlicher Beweismittel der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit anerkennt, wenn die Indizien kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, um seine Zuständigkeit zu begründen.
Im vorliegenden Fall erfolgte eine Konsultation der Schweiz offensichtlich ohne Auseinandersetzung mit den Angaben der BF1 zum Aufenthalt ihrer Tochter in Österreich. Da den schweizerischen Behörden lediglich mitgeteilt wurde, dass sich eine Tochter der BF1 in Österreich aufhalte, ohne jedoch zu erwähnen, dass diese nach wie vor minderjährig ist oder dass ihr subsidiärer Schutz in Österreich gewährt wurde, stimmten die schweizerischen Behörden einer Wiederaufnahme gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b (wohl iVm Art. 13 Abs. 1) Dublin III-VO zu.
Im gegenständlichen Fall wäre jedoch zuvor eine mögliche Anwendung des Art. 9 iVm Art. 7 Dublin III-VO zu prüfen gewesen. Hinweise, dass dies geschehen ist, und ob die Voraussetzungen etwa nicht erfüllt werden, ergeben sich weder aus dem Akteninhalt noch aus den angefochtenen Bescheiden. Festgehalten wird in letzteren lediglich, dass nach Ansicht der Behörde keine enge Beziehung zwischen den BF und der in Österreich lebenden Tochter bestehe. Der Aufenthaltsstatus der Tochter, ihre Minderjährigkeit und etwaige erfolgte oder auch nicht erfolgte Versuche einer Familienzusammenführung finden auch hier keine Erwähnung.
Im Hinblick darauf, dass eine Ergänzung des vorliegenden Sachverhaltes und damit verbunden gegebenenfalls die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, war gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG den Beschwerden stattzugeben und der bekämpfte Bescheid zu beheben.
3. Gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht im Ergebnis weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen trifft § 21 Abs. 3 BFA-VG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W175.2219587.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.05.2020