TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/11 W278 1422101-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.06.2019
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Entscheidungsdatum

11.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
BFA-VG §18
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W278 1422101-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL über die Beschwerden von XXXX , Staatsangehöriger Afghanistans, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX zu Recht:

A) I. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III., IV. und V. des

gegenständlichen Bescheides wird stattgegeben und die genannten Spruchpunkte ersatzlos behoben.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

III. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 05.08.2011 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Bei seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab er zu seinem Fluchtgrund zusammengefasst an, er habe amerikanischen Soldaten Treibstoff gebracht. Die Taliban seien dagegen gewesen, dass jemand für die Amerikaner arbeite. Vor ca. sechs Monaten hätten die Taliban seinen Bruder umgebracht und habe ihn sein Onkel deshalb nach Europa geschickt.

1.3. Am 14.09.2011 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Dabei hielt er sein Fluchtvorbringen im Wesentlichen aufrecht und gab Auskunft zu seinen Lebensumständen in Afghanistan.

1.4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.

1.5. Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 30.09.2011 fristgerecht Beschwerde.

1.6. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX von der Grundversorgung abgemeldet, da er privat ins Ausland (London) verzogen war.

1.7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.06.2015, Zl. W222 1422101-1/4E wurde das Beschwerdeverfahren gemäß § 24 AsylG 2005 eingestellt.

1.8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes XXXX wurde das Beschwerdeverfahren gemäß § 24 AsylG 2005 fortgesetzt, da der Beschwerdeführer seit dem XXXX 2016 wieder aufrecht im Bundesgebiet gemeldet war.

1.9. Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts fand am 19.04.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

1.10. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen und das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

1.11. Der Beschwerdeführer wurde am 03.04.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Graz, zur Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung niederschriftlich einvernommen. Er gab dabei Auskunft zu seinen Lebensumständen in Österreich und in Afghanistan.

1.12. Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt II.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

1.13. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 24.05.2019 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

2. Feststellungen:

Beweis wurde Erhoben durch Einsichtnahme in die vorliegenden Verwaltungsakte und den hg. Vorakt des Beschwerdeführers, die vorgelegten Dokumente und Unterlagen, das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan sowie in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS, IZR und ZMR.

Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

2.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine weitere Identität kann nicht festgestellt werden.

2.2. Der Beschwerdeführer stellte XXXX 2011 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes XXXX , sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig abgewiesen wurde. Ausgeführt wurde, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung droht und dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat zumutbar ist. Außerdem wurde ausgeführt, dass keine Gründe erkennbar sind, die den Ausspruch einer dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung nahelegen würden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich die Situation im Herkunftsstaat oder die persönliche Situation des Beschwerdeführers seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX entscheidungserheblich verändert hätte.

2.3. Der Beschwerdeführer hielt sich von 05.08.2012 bis 07.01.2014 sowie seit 24.10.2016 im Bundesgebiet auf. Die Jahre 2014 bis 2016 verbrachte er überwiegend in London, wobei er im Jahr 2016 auf Anraten der britischen Behörden nach Österreich zurückkehrte.

Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über keine Verwandte.

Der Beschwerdeführer verfügt über kein Deutschzertifikat. Er hat Deutschkurse auf dem Niveau A1 besucht.

Er ist Mitglied in einem Cricketverein und hat vom 25.03.2019 bis zum 29.03.2019 gemeinnützige Arbeit im Ausmaß von 17,5 Stunden geleistet.

2.4. Der Beschwerdeführer ist gesund.

2.5. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

2.6. Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Nangahar.

In Afghanistan leben weiterhin seine Mutter, ein Bruder, seine Ehefrau, seine Kinder und seine Schwiegereltern sowie ein Onkel und eine Tante.

Der Beschwerdeführer hat in Kabul in einem Hotel gearbeitet, in Jalalabad als Verkäufer in einem Geschäft sowie als LKW-Fahrer.

2.7. Es kann nicht festgestellt werden, dass der der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

3. Beweiswürdigung

3.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Glaubensbekenntnis des Beschwerdeführers werden - wie bereits im Verfahren zu XXXX - aufgrund der gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit den von ihm dargelegten Orts- und Sprachkenntnissen getroffen.

Die weitere Identität des Beschwerdeführers kann mangels Vorlage eines amtlichen Identitätsdokuments nicht festgestellt werden.

3.2. Die Feststellungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes sowie des hg. Aktes zu XXXX .

Nach Abgleich der im Erkenntnis zu XXXX getroffenen Feststellungen mit den vom Bundesamt getroffenen Länderfeststellungen sowie mit den aktuellen Länderinformationen zur Situation in Afghanistan kann nicht festgestellt werden, dass sich die Situation in Afghanistan seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX entscheidungserheblich verändert hätte und wurde dies auch seitens des Beschwerdeführers nicht substantiiert behauptet.

Wenn in der Beschwerde davon die Rede ist, dass sich die Sicherheitslage in ganz Afghanistan insgesamt zunehmend verschlechtert habe, die Situation im ganzen Land extrem instabil sei sowie auf die Anzahl der tödlichen Anschläge im Jahr 2016 und 2017 verwiesen wird, ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass sich diese Verschlechterung bereits vor dem Entscheidungszeitpunkt im Vorverfahren ereignet hat und in der Berichtslage, die dem Erkenntnis vom XXXX zugrunde liegt, berücksichtigt wurde. Eine Änderung der Umstände seit dem XXXX wurde nicht dargetan.

Es ist daher weiterhin davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in den Herkunftsstaat, insbesondere nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat zumutbar ist.

Es ist auch nicht nachvollziehbar, wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, dem Beschwerdeführer sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu verlängern und nicht abzuerkennen gewesen. Dies insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass dem Beschwerdeführer im Bundesgebiet der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu keinem Zeitpunkt zukam. Warum in der Beschwerde davon die Rede ist, dass der Beschwerdeführer "für den österreichischen Staat ein Verbrecher ist" (Seite 5 des Beschwerdeschriftsatzes) erschließt sich - angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Österreich strafgerichtlich unbescholten ist - ebenfalls nicht.

Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren sowie der vorgelegten Unterlagen kann auch nicht festgestellt werden, dass sich die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers seit dem Erkenntnis vom XXXX maßgeblich geändert hätten, wobei hierbei insbesondere auf die Feststellungen unter Punkt 2.3. bis 2.6. sowie die folgenden dazugehörenden beweiswürdigenden Erwägungen unter Punkt 3.3. bis 3.6. im Vergleich zu den Feststellungen im Erkenntnis zu XXXX zu verweisen ist.

3.3. Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet werden aufgrund eines amtswegig eingeholten Auszugs aus dem ZMR in Zusammenschau mit den Angaben des Beschwerdeführers getroffen.

Ebenso wird aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers festgestellt, dass dieser im Bundesgebiet über keine Verwandte verfügt.

Mangels Vorlage eins Deutschzertifikates wird im Einklang mit den Angaben des Beschwerdeführers festgestellt, dass dieser über kein Deutschzertifikat verfügt. Der Beschwerdeführer legte im gegenständlichen Verfahren Kursbesuchsbestätigungen vor (AS 348 ff) aufgrund derer festgestellt wird, dass er Deutschkurse auf dem Niveau A 1 besucht hat.

Dass der Beschwerdeführer Mitglied in einem Cricketverein ist, wird ebenfalls aufgrund der vorgelegten Bestätigung (AS 347) festgestellt. Gleichfalls basieren die Feststellungen zur geleisteten gemeinnützigen Arbeit auf der vorgelegten Bestätigung (AS 355). Aus diesen Feststellungen ergibt sich, dass eine soziale Bindung des Beschwerdeführers zwar vorhanden ist, sich diese Bindung jedoch nicht als sonderlich intensiv erweist und daher von einer entscheidungserheblichen Integration in die österreichische Gesellschaft nicht ausgegangen werden kann.

3.4. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich aufgrund der Tatsache, dass im Verfahren keine Befunde oder ärztliche Unterlagen vorgelegt wurden, die auf das Vorliegen einer chronischen oder lebensbedrohlichen Erkrankung schließen lassen würden und dass das Vorliegen einer Erkrankung seitens des Beschwerdeführers zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens behauptet wurde.

3.5. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, wird aufgrund eines amtswegig eingeholten Auszugs aus dem Strafregister getroffen.

3.6. Die Feststellungen zu den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers, seiner Berufserfahrung und seinen Familienangehörigen in Afghanistan werden aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem Bundesamt getroffen. Gegenüber den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Erkenntnis vom XXXX haben sich somit keine Änderungen hinsichtlich der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers ergeben.

3.7. Bereits mit Erkenntnis XXXX wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine existenzbedrohende Notlage droht und ihm auch nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren kein substantiiertes Vorbringen erstattet, das geeignet wäre, diese Feststellung in Zweifel zu ziehen. Wie ausgeführt, haben sich auch hinsichtlich der Lage in Afghanistan und der persönlichen Lage des Beschwerdeführers seit Rechtskraft des Vorerkenntnisses keine Änderungen ergeben.

4. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A)

4.1. Zur Rückkehrentscheidung:

4.1.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

Das Bundesamt hat außerdem gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen wird und diesem kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und des Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als auch jener des Verfassungsgerichtshofes muss der Eingriff hinsichtlich des verfolgten legitimen Ziels verhältnismäßig sein.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:

"1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- oder Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach ständiger Rechtsprechung des EGMR sowie der Höchstgerichte jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen. Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten umfasst, sondern auch entfernte verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hiefür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093).

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (EGMR, Maslov/Österreich, 23.06.2008, 1638/03, RN 63). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration der Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

4.1.2. Eine Prüfung der Angaben des Beschwerdeführers hat ergeben, dass im vorliegenden Fall seit Erlassung des Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes XXXX keine Änderungen in seinem Privat- oder Familienleben eingetreten sind, die geeignet sind, eine Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung hervorzurufen.

Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über keine Familienangehörigen und stellt eine Rückkehrentscheidung somit keinen Eingriff in sein Recht auf Familienleben dar.

Geht man im vorliegenden Fall von einem bestehenden Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich aus, fällt die gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung nach Ansicht des erkennenden Richters in Übereinstimmung mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das die Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen hat, zu Lasten des Beschwerdeführers aus und erweist sich die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vor diesem Hintergrund sohin nicht als geboten, gleichermaßen stellt die erlassene Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK dar:

Der Beschwerdeführer hielt sich von 05.08.2012 bis 07.01.2014 sowie seit 24.10.2016 im Bundesgebiet auf. Die Jahre 2014 bis 2016 verbrachte er überwiegend in London, wobei er im Jahr 2016 auf Anraten der britischen Behörden nach Österreich zurückkehrte. Von einem durchgehenden Aufenthalt im Bundesgebiet kann also erst seit 24.10.2016 und somit seit etwa zweieinhalb Jahren die Rede sein.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. jüngst VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0058, mwN). Es kann jedoch auch nicht gesagt werden, dass eine in drei Jahren erlangte Integration keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen "kann" und somit schon allein auf Grund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen wäre (vgl. ebenfalls VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0058, mwN).

Davon abgesehen findet im gegenständlichen Fall keine umfassende Integrationsverfestigung, welche die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Art. 8 EMRK als geboten erscheinen ließe und die von der jüngeren Judikatur geforderte "außergewöhnliche Konstellation" begründet.

Der Beschwerdeführer verfügt über kein Deutschzertifikat und hat bloß Deutschkurse auf dem Niveau A1 besucht. Er ist Mitglied in einem Cricketverein und hat im Zeitraum vom 25.03.2019 bis zum 29.03.2019 gemeinnützige Arbeit im Ausmaß von 17,5 Stunden geleistet. Eine soziale Integration ist daher vorhanden, jedoch nicht in außergewöhnlichem Ausmaß. Ebenso erreicht die vom Beschwerdeführer bescheinigte gemeinnützige Arbeit kein außergewöhnliches Ausmaß.

Im Gegensatz dazu ist - trotz einer Abwesenheit seit dem Jahr 2011 - nach wie vor davon auszugehen, dass eine erhebliche Bindung des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat existiert. Insbesondere leben die Ehefrau und die drei Kinder des Beschwerdeführers nach wie vor im Herkunftsstaat, ebenso wie seine Mutter und weitere Verwandte. Der Beschwerdeführer spricht die Sprache des Herkunftsstaates, wurde dort sozialisiert und hat dort Berufserfahrung gesammelt. Es kann nicht gesagt werden, dass er seinem Kulturkreis vollkommen entfremdet wäre oder sich in seiner Heimat überhaupt nicht mehr zu Recht finden würde.

Das Bundesverwaltungsgericht kann auch sonst keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan erkennen.

Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Herkunftsstaat letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiären Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.04.2010, 2009/21/0055).

Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers fällt bei der vorzunehmenden Abwägung nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht besonders ins Gewicht. Laut Judikatur bewirkt die strafrechtliche Unbescholtenheit weder eine Stärkung der persönlichen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420). Der Verwaltungsgerichtshof geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten eines Fremden ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht

(vgl. VwGH 27.02.2007, 2006/21/0164, mwN).

Die Interessen der Republik Österreich an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens als Teil der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohls des Landes durch Vermeidung unkontrollierter Zuwanderung wiegen im gegenständlichen Fall insgesamt höher als die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet. Allein ein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt kann nämlich keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber sich rechtstreu Verhaltenden führen

(VfGH 12.06.2010, U 613/10-10, vgl. idS VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007).

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet deren persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidungen eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMKR iVm § 9 Abs. 2 BFA-VG dar und ist daher zulässig iSd § 9 Abs. 1 BFA-VG.

4.1.3. Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative.

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.

Wie auch bereits im Rechtskräftig gewordenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , festgestellt, sind keine Umstände hervorgekommen, die der Abschiebung des Beschwerdeführers entgegenstehen würden und hat der Beschwerdeführer das Vorliegen solcher Umstände im gegenständlichen Verfahren auch nicht substantiiert behauptet.

Die Beschwerde gegen die Spruchpunkt I. und II. des gegenständlichen Bescheides ist somit als unbegründet abzuweisen.

4.2. Zum Einreiseverbot:

4.2.1. Das Bundesamt hat in Spruchpunkt IV. des gegenständlichen Bescheides gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

§ 53 Abs. 2 FPG besagt, dass gegen einen Drittstaatsangehörigen ein Einreiseverbot auf die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen ist, wenn dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwider läuft. Dies ist nach Z 6 leg.cit. insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.

Im Bescheid selbst finden sich zu den Gründen für die Verhängung des Einreiseverbotes weder Feststellungen noch beweiswürdigende Erwägungen und sind diese auch nicht disloziert in der rechtlichen Beurteilung zu finden.

4.2.2. In der rechtlichen Beurteilung des gegenständlichen Bescheides zitiert das Bundesamt die Bestimmungen des § 53 Abs. 1 FPG und des § 53 Abs. 3 FPG - nicht jedoch die im Spruchpunkt IV. genannte Bestimmung. In weiterer Folge führte es aus:

"Ziffer 4 ist in Ihrem Fall erfüllt:

Sie haben 2012 das Bundesgebiet verlassen und somit gegen § 57 FPG Abs. 2 Z 2 verstoßen.

In Ihrem Fall war dabei zu berücksichtigen:

Aufgrund Ihres Verhaltens, dass Sie sich 2012 den Österreichischen Behörden vorsätzlich entzogen haben ist ein neuerliches Untertauchen bzw. Entziehen aus dem Verfahren von Ihnen zu erwarten".

Dabei ist zunächst auf die Schere zwischen der im Spruch zitierten Bestimmung und den rechtlichen Ausführungen des Bundesamtes zu verweisen - die im Spruch zitierte Bestimmung findet sich in der rechtlichen Beurteilung nicht.

Darüber hinaus ist auf den Wortlaut der in der rechtlichen Beurteilung herangezogenen Bestimmung des § 53 Abs. 3 Z 4 FPG zu verweisen: Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahre zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat gemäß Z 4 leg.cit insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist.

Hierbei ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sich auch zur Erfüllung des § 53 Abs. 3 Z 4 FPG keinerlei Feststellungen oder beweiswürdigende Erwägungen im gegenständlichen Bescheid finden. Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer - wie auch vom Bundesamt und im gegenständlichen Erkenntnis festgestellt - strafgerichtlich unbescholten, sodass eine Erfüllung des Tatbestandes des § 53 Abs. 3 Z 4 FPG von vornherein ausgeschlossen erscheint.

4.2.3. Die Ausführungen des Bundesamtes in der rechtlichen Beurteilung erscheinen auch im Hinblick auf den Regelungsgehalt des vom Bundesamt zitierten § 57 Abs. 2 Z 2 FPG nicht nachvollziehbar.

Der mit "Wohnsitzauflage" zitierte § 57 FPG lautet:

(1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) [...]"

Zunächst ist der Vollständigkeit halber und im Hinblick auf die vom Bundesamt genannte Bestimmung des § 53 Abs. 3 Z 4 FPG festzuhalten, dass Verstöße gegen Wohnsitzauflagen jedenfalls nicht strafgerichtlich relevant sind.

Aber auch abgesehen davon ist - insbesondere Anhand der vom Bundesamt getroffenen Feststellungen, aber auch unter Berücksichtigung des gesamten Akteninhalts - nicht ersichtlich, warum im Falle des Beschwerdeführers die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Z 2 FPG gegeben sein sollen, zumal gegen den Beschwerdeführer bis zum Erlass des gegenständlichen Erkenntnisses noch keine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorlag und somit die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 FPG jedenfalls nicht erfüllt sein können.

4.2.4. Darüber hinaus ist auszuführen, dass die Aufzählungen des § 53 FPG demonstrativ und nicht enumerativ sind und auch weitere Verhaltensweisen, die geeignet sind, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden, ein Einreiseverbot rechtfertigen können.

Das Bundesamt hat auch zu der Frage, ob solche weiteren Verhaltensweisen vorliegen, keine Feststellungen getroffen.

Selbst bei der Annahme, dass das Bundesamt die Ausreise des Beschwerdeführers nach England in den Jahren 2012 bis 2016 als solche weitere Verhaltensweise werten wollte, ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes aufgrund des mittlerweile bereits zweieinhalb Jahre dauernden durchgehenden Aufenthaltes nicht davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer dem Verfahren erneut entziehen will und dass deshalb von ihm eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Insbesondere ist der Beschwerdeführer seit seiner Wiedereinreise durchgehend im Bundesgebiet gemeldet und ist zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie der Einvernahme vor dem Bundesamt erschienen.

4.2.5. Das Bundesamt führte in weiterer Folge aus, die Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers, seine Lebensumstände sowie seine familiären und privaten Anknüpfungspunkte hätten im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes gerechtfertigt und notwendig sei, um die vom Beschwerdeführer ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

Bei der Erstellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 und 3 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist (vgl. VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230; 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

Schlussendlich konnte das Bundesamt jedoch nicht kongruent aufzeigen, aufgrund welcher Tatsache oder Verhaltensweise des Beschwerdeführers es eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als gegeben sieht, die die Verhängung eines Einreiseverbotes als notwendig erscheinen lässt. Es hat darüber hinaus auch nicht substantiiert, welches Verhalten des Beschwerdeführers und welche Lebensumstände und familiären und privaten Anknüpfungspunkte es in seine Abwägungsentscheidung mit einbezieht und fehlt es somit der Entscheidung über die Verhängung des Einreiseverbotes an jeglicher Nachvollziehbarkeit.

4.2.6. Insgesamt ist aufgrund der Feststellungen des Bundesamtes sowie aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich, dass vom Beschwerdeführer eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, die die Verhängung eines Einreiseverbotes als notwendig erscheinen lässt. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides ist damit gemäß § 53 Abs. 1 bis 3 FPG ersatzlos zu beheben.

4.3. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:

4.3.1. Das Bundesamt hat in Spruchpunkt V. des gegenständlichen Bescheides gemäß § 18 Abs. 2 Z 3 BFA-VG einer Beschwerde gegen gegenständlichen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.

In der rechtlichen Beurteilung zitierte das Bundesamt die Bestimmung des § 18 Abs. 1 BFA-VG und führte aus, im Fall des Beschwerdeführers sei Z 2 dieser Bestimmung erfüllt, da schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen würden, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde.

Die im Spruch genannte Bestimmung des § 18 Abs. 2 Z 3 BFA-VG findet sich in der rechtlichen Begründung des Bundesamtes nicht.

4.3.2. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 3 BFA-VG ist einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt die aufschiebende Wirkung abzuerkennen Fluchtgefahr besteht.

Das Bundesamt führte in der rechtlichen Begründung - wenn auch zum Tatbestand des § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG - aus, dass der Beschwerdeführer sich dem Verfahren durch seine Ausreise nach England entzogen habe und die Behörde daher annehme, dass Gefahr bestehe, dass der Beschwerdeführer sich dem Abschluss des Verfahrens erneut entziehen würde. Das Bundesamt ging dabei nicht darauf ein, dass der Beschwerdeführer seit seiner Wiedereinreise durchgängig im Bundesgebiet gemeldet ist und seiner Mitwirkungsverpflichtung nachgekommen ist. Der Beschwerdeführer ist auch - wenn auch auf Betreiben der englischen Behörden - freiwillig in das Bundesgebiet zurückgekehrt. Nach Ansicht des erkennenden Richters ist daher im Entscheidungszeitpunkt nicht von einer aktuell bestehenden Fluchtgefahr des Beschwerdeführers auszugehen, sodass § 18 Abs. 2 Z 3 BFA-VG nicht als erfüllt anzusehen ist.

4.3.3. In seiner rechtlichen Beurteilung stützte des Bundesamt die Aberkennung der Aufschiebenden Wirkung - nicht zum Spruch passend - auf § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG. Wie bereits unter Punkt 4.2. ausführlich erläutert ist aufgrund der Feststellungen des Bundesamtes im Verfahren sowie aufgrund des Akteinhaltes nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde und war somit die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auch aus diesem Grund nicht gerechtfertigt.

Spruchpunkt V. des gegenständlichen Bescheides ist damit gemäß § 18 Abs. 1 und 2 BFA-VG ersatzlos zu beheben.

4.4. Zur Frist für die freiwillige Ausreise:

4.4.1. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Hingegen besteht gemäß § 55 Abs. 1a leg. cit. keine Frist für die freiwillige Ausreise für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

4.4.2. Im vorliegenden Fall wurde zwar seitens der belangten Behörde in Spruchpunkt V. des gegenständlichen Bescheides die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 3 BFA-VG aberkannt, jedoch wird dieser Spruchpunkt mit gegenständlichem Erkenntnis behoben, weshalb das Bundesverwaltungsgericht im Falle der Bestätigung der ausgesprochenen Rückkehrentscheidung im Spruch seines Erkenntnisses eine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen hat (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Seite 1154, K9).

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Solche Umstände wurden vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht und ergeben sich auch nicht aus dem Akteninhalt, sodass spruchgemäß zu entscheiden ist.

4.5. Zum Entfall einer mündlichen Beschwerdeverhandlung:

Im gegenständlichen Fall ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht durch die die Einvernahme des Beschwerdeführers am 03.04.2019 nachgekommen und ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren vorangegangen. Auch wurde den Feststellungen im angefochtenen Bescheid nichts Substantiiertes entgegengehalten und hat auch ein Abgleich mit den aktuellsten Länderinformationen zum Herkunftsstaat nicht ergeben, dass sich die dortige Situation entscheidungswesentlich verändert hätte.

Die Ergebnisse des behördlichen Ermittlungsverfahrens konnten hinsichtlich der Erlassung der Rückkehrentscheidung und der Zulässigkeit der Abschiebung insgesamt nicht erschüttert bzw. substantiiert bekämpft werden, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

Dass Spruchpunkt IV. des gegenständlichen Bescheides und - darauf aufbauend - die Spruchpunkte V. und VI. ersatzlos zu beheben waren, ergibt sich klar aus dem Inhalt des Bescheides in Zusammenschau mit dem Inhalt des Verwaltungsaktes.

Der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung reicht aber bei sonstigem Vorliegen der Voraussetzung des § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, nicht aus, um eine Verhandlungspflicht zu begründen (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018).

Zu Spruchteil B):

4.6. Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Bei der Beurteilung, ob die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, war eine Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen, bei der sich das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls an den oben zitierten Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes orientiert hat. Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Gefährlichkeitsprognose im Zusammenhang mit der Verhängung eines Einreiseverbotes aufgrund konkreter Feststellungen zu erfolgen hat.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Einreiseverbot, Interessenabwägung,
öffentliche Interessen, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W278.1422101.2.00

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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