Entscheidungsdatum
10.07.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W109 2140652-2/3E
W109 2140652-1/34Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. BÜCHELE über den Antrag von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.08.2018, W109 2140652-1/22E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens:
A) I. Der Antrag auf Wiederaufnahme wird hinsichtlich Spruchpunkt I.
des angefochtenen Bescheides gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG abgewiesen.
II. Hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides wird dem Antrag auf Wiederaufnahme stattgegeben und das Verfahren gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG wiederaufgenommen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Am 15.06.2015 stellte der nunmehrige Antragsteller, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach Erstbefragung des Antragsstellers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 15.06.2015 und niederschriftlicher Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.09.2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 07.11.2016 den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte dem nunmehrigen Antragsteller keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkte III. bis IV.).
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.04.2018 mit dem im Kopf angeführten Erkenntnis vom 27.08.2018, W109 2140652-1/22E, dem Beschwerdeführer zugestellt am 31.08.2018, als unbegründet abgewiesen. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, der Beschwerdeführer habe eine konkret gegen ihn gerichtete asylrelevante Bedrohung nicht glaubhaft machen können, nämlich einerseits aufgrund mangelnder Aktualität und andererseits, weil der Beschwerdeführer sein Vorbringen gesteigert habe. Aufgrund der bestehenden Sicherheitsprobleme könne der Beschwerdeführer zwar nicht in seine Herkunftsprovinz zurückkehren, ihm stehe jedoch in Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.
Am 30.08.2018 wurden aktualisierte UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender veröffentlicht.
Die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.01.2019, Ra 2018/18/0517, zurückgewiesen.
2. Am 13.09.2018 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Wiederaufnahme und brachte im Wesentlichen vor, dass die am 30.08.2018 veröffentlichen aktuellen UNHCR-Richtlinien - seinem Rechtsvertreter am 31.08.2018 zur Kenntnis gelangt - als neu entstandenes Beweismittel bereits für den Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses belegen würden, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul generell ausgeschlossen sei. Das Bundesverwaltungsgericht aber gehe im wiederaufzunehmenden Verfahren davon aus, dass sich aus dem Länderinformationsblatt zweifelsfrei ergebe, dass exzeptionelle Umstände in Kabul nicht anzunehmen seien und gründe darauf seine Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul. Diese Tatsachen würden die neuen UNHCR-Richtlinien in Zweifel ziehen. Beantragt wurde außerdem die Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht, nämlich die Gewährung eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts bzw. die Hintanhaltung der Abschiebung.
3. Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akt zum gegenständlichen Verfahren sowie aus dem Akt zum Verfahren W109 2140652-1.
4. Rechtliche Beurteilung:
4.1. Zum Zeitpunkt der Entscheidung:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage auszurichten (jüngst etwa VwGH 26.03.2019, Ra 2018/05/0165). Den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.04.2016, Ra 2015/05/0069 dahingehend präzisiert, dass bei Kollegialorganen der Zeitpunkt der Willensbildung (Beschlussfassung) und bei monokratischen Organen jener der Erlassung (Zustellung oder mündliche Verkündung) der Entscheidung maßgeblich ist (siehe auch Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 29 VwGVG [Stand 15.2.2017, rdb.at], Rz 17). Für das gegenständliche Verfahren bedeutet dies, dass, nachdem das Erkenntnis, dass das Verfahren abgeschlossen hat, dessen Wiederaufnahme begehrt wird, durch einen Einzelrichter im Wege der Zustellung erlassen wurde, auf den Zeitpunkt der Zustellung - in concreto den 31.08.2018 - als Entscheidungszeitpunkt abzustellen ist. Damit ist auch die Sach- und Rechtslage in diesem Zeitpunkt maßgeblich.
4.2. Zum Antrag auf Wiederaufnahme:
Nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG ist dem Antrag einer Partei eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichts abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.
Nach § 32 Abs. 2 VwGVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat.
Angesichts der Veröffentlichung der UNHCR-Richtlinien am 30.08.2018, der (behaupteten) Kenntnisnahme durch den Rechtsvertreter am 31.08.2018 sowie der Antragstellung am 13.09.2018 wurde Antrag zweifellos fristgerecht gestellt.
4.2.1. Zum Vorliegen neuer Tatsachen oder Beweismittel:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen. Gleiches gilt für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht ebenfalls erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen. Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, rechtfertigen hingegen keinen Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ist ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf Basis des geänderten Sachverhalts gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Entscheidungen nicht entgegensteht (zuletzt VwGH 20.03.2019, Ra 2019/20/0096).
Der gegenständliche Wiederaufnahmeantrag zielt darauf ab, das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.08.2018, W109 2140652-1/22E, zugestellt am 31.08.2018, rechtskräftig abgeschlossene Verfahren aufgrund neuer Tatsachen bzw. Beweismittel i. S.d. § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG wiederaufzunehmen. Die UNHCR-Richtlinien seien ein neu entstandenes Beweismittel, das eine Tatsache belege, die bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses vorgelegen habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass sich die UNHCR-Richtlinien Afghanistan vom 30.08.2018 auf die Lage in Afghanistan im Zeitpunkt der Publikation der Richtlinien beziehen (VwGH 25.02.2019, Ra 2018/19/0611). Demnach beziehen sich die UNHCR-Richtlinien auf Tatsachen (die Lage in Afghanistan), die im Zeitpunkt der Entscheidung am 31.08.2018 bereits vorlagen. Die eben zitierte Rechtsprechung fortsetzend folgert der Verwaltungsgerichtshof, dass die UNHCR-Richtlinien grundsätzlich keinen tauglichen Grund für eine Wiederaufnahme nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG hinsichtlich vor ihrer Veröffentlichung abgeschlossener Verfahren darstellen (VwGH 14.03.2019, Ra 2019/01/0074). Dass die UNHCR-Richtlinien hinsichtlich nach ihrer Veröffentlichung abgeschlossener Verfahren einen Wiederaufnahmegrund nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG darstellen können, ist damit nicht ausgeschlossen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dokumentiert sich eine Lageänderung im Herkunftsstaat regelmäßig in neuen Länderberichten und vermögen diese, sofern sie sich auf schon vor Abschluss des Erstverfahrens entstandene Tatsachen beziehen, allenfalls eine Wiederaufnahme zu rechtfertigen (VwGH 24.01.2019, Ro 2018/21/0011 m.w.N.). Auch ist den UNHCR-Richtlinien nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"), wobei der Verwaltungsgerichtshof diese "Indizwirkung" dergestalt charakterisiert, dass den Empfehlungen des UNHRC nicht insofern entsprochen werden müsse, als internationaler Schutz gewährt werden müsste. Jedoch müsse eine Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlung des UNHCR erfolgen und sei begründet darzulegen, warum und auf Grundlage welcher entgegenstehenden Berichte die Lage im Herkunftsstaat anders eingeschätzt werde. Diese Verpflichtung finde ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533). In Fortsetzung dieser zitierten Rechtsprechung sieht der Verwaltungsgerichtshof die Rechtswirkungen der UNHCR-Richtlinien als geklärt an (VwGH 03.04.2019, Ra 2019/18/0032).
Aus dieser Judikatur ergibt sich, dass die UNHCR-Richtlinien neben Informationen zur Lage im Herkunftsstaat auch Schlussfolgerungen und Empfehlungen enthalten. Diese mögen in der Frage, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht, einem "Rechtsgutachten" gleichkommen. Insbesondere handelt es sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Annahme einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative um eine rechtliche Beurteilung (VwGH 11.02.2019, Ra 2018/20/0479), die letztendlich dem Bundesverwaltungsgericht obliegt. Allerdings enthalten die UNHCR-Richtlinien neben ihren Schlussfolgerungen auch jene länderkundlichen Informationen, die ihrer Einschätzung, der zufolge eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul im Allgemeinen nicht zur Verfügung steht. Auch hat der Verwaltungsgerichtshof auch im Zusammenhang mit den vom Revisionswerber in das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingebrachten UNHCR-Richtlinien klargestellt, dass das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise auch die Pflicht hat, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Es dürfe sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (VwGH 26.03.2019, Ra 2019/19/0043 m.w.N.). Daraus ergibt sich, dass der Verwaltungsgerichtshof die UNHCR-Richtlinien - ungeachtet dessen, dass es sich bei der Annahme einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative um eine rechtliche Beurteilung handelt (VwGH 11.02.2019, Ra 2018/20/0479) - nicht als bloßes Rechtsgutachten qualifiziert, sondern auch als Beweismittel bzw. Länderbericht. Die UNHCR-Richtlinien konnten im gegenständlichen Verfahren bedingt durch ihre Veröffentlichung am 30.08.2018 - damit zwischen dem Zeitpunkt der Willensbildung des Zuständigen Einzelrichters am 27.08.2018 und dem Entscheidungszeitpunkt am 31.08.2018 (Zustellung) - keine Berücksichtigung finden.
4.2.2. Zum Verschulden:
Weitere Voraussetzung für das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG ist, dass die Partei daran, dass die neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel nicht geltend gemacht werden konnten, kein Verschulden trifft. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 69 Abs. 1 Z 2 AVG - dem § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG beinahe wortgleich nachgebildet ist und auf die der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG regelmäßig verweist (vgl. etwa VwGH 20.03.2019, Ra 2019/20/0096) - ist unter Verschulden im Sinne der Bestimmung Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB zu verstehen. Richtmaß für die Beurteilung des Verschuldens ist der Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann (Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 [Stand 1.4.2009, rdb.at], Rz 37). Angesichts der zeitlichen Zusammenhänge - Veröffentlichung der UNHCR-Richtlinien am 30.08.2018 und Zustellung des Erkenntnisses am 31.08.2018 ist offenkundig, dass den Antragsteller kein Verschulden daran trifft, dass die UNHCR-Richtlinien nicht schon im das wiederaufzunehmenden Verfahren geltend gemacht wurden.
4.2.3. Zur (abstrakten) Eignung, ein im Hauptinhalt des Spruches ein anders lautendes Erkenntnis herbeizuführen:
Das dritte Tatbestandselement des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG bildet die Eignung der neuen Tatsache oder des neuen Beweismittels, allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeizuführen.
Dieses Tatbestandsmerkmal hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung dahingehend konkretisiert, dass die Frage, ob diese Eignung vorliegt, eine Rechtsfrage ist, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist. Ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären. Tauglich ist ein Beweismittel dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welchen das Verwaltungsgericht entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0197 m.w.N.).
Fallgegenständlich begehrt der Antragsteller die Wiederaufnahme des Verfahrens, weil sich aus den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 ergebe, dass dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul nicht zur Verfügung stehe.
Hinsichtlich Spruchpunkt I. des ursprünglich angefochtenen Bescheides (§ 3 AsylG) begründete das Bundesverwaltungsgericht im das Verfahren, dessen Wiederaufnahme gegenständlich begehrt wird, abschließenden Erkenntnis seine Abweisung der Beschwerde im Wesentlichen damit, dass das Aussageverhalten (Änderung bzw. Steigerung des Vorbringens) des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens in Zweifel ziehe (angefochtenes Erkenntnis S. 43 - 44). Auch beschränken sich die Ausführungen im Wiederaufnahmeantrag im Wesentlichen darauf, dass sich aus den UNHCR-Richtlinien ergebe, dass dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul nicht zur Verfügung stehe. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des ursprünglich angefochtenen Bescheides wurde allerdings nicht wegen des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative (§§ 8 Abs. 3 Z 1 und 11 AsylG) für den Beschwerdeführer in Kabul abgewiesen.
Hinsichtlich Spruchpunkt I. des ursprünglich angefochtenen Bescheides war der Antrag auf Wiederaufnahme daher spruchgemäß abzuweisen.
Hinsichtlich Spruchpunkt II. des ursprünglich angefochtenen Bescheides (§ 8 AsylG) begründet das Bundesverwaltungsgericht seine beschwerdeabweisende Entscheidung damit, dass eine Rückführung des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz wegen der dortigen Sicherheitsprobleme für diesen mit einer Gefahr für Leib und Leben verbunden sei. Ihm stehe jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul zur Verfügung. Beweiswürdigend stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation und setzt sich mit den vom Beschwerdeführer bis dahin in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen auseinander.
Der Verwaltungsgerichtshof hebt in seiner ständigen Judikatur Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, wenn das Bundesverwaltungsgericht die UNHCR-Richtlinien, wenn es eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul annimmt, außer Acht lässt, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Bundesverwaltungsgericht andernfalls zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können (VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0500). Demnach muss den UNHCR-Richtlinien auch als neues Beweismittel im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG die abstrakte Eignung im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat (VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0197 m. w.N.) zukommen und ist ihre Tauglichkeit als Beweismittel, ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeizuführen, damit unvorgreiflich der Frage tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt - die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären sein wird - zu bejahen.
Zur mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 17.01.2019 zurückgewiesenen außerordentlichen Revision gegen jenes Erkenntnis, mit dem das Verfahren, dessen Wiederaufnahme gegenständlich begehrt wird, abgeschlossen wurde, ist auszuführen, dass die außerordentliche Revision des nunmehrigen Antragstellers in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht vorbringt, dass die UNHCR-Richtlinien keine Berücksichtigung gefunden haben. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet sich in seiner ständigen Rechtsprechung allerdings nicht als berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt viel mehr ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (zuletzt VwGH 02.04.2019, Ra 2017/17/0328).
Im Ergebnis war das Beschwerdeverfahren daher hinsichtlich Spruchpunkte II. (§ 8 AsylG) sowie der damit verbundenen Spruchpunkte III. und IV. des ursprünglich angefochtenen Bescheides wiederaufzunehmen.
4.2. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes die Sicherung der vollen Wirksamkeit der Entscheidung in der Hauptsache. Hauptsache ist jene, in der die Entscheidung ergeht, deren volle Wirksamkeit durch eine einstweilige Anordnung gesichert werden soll. Ist die endgültige Entscheidung in der Hauptsache bereits ergangen, so kommt auch deren Sicherung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nicht mehr in Betracht und stellt sich ein solches Verfahren als gegenstandslos geworden dar (VwGH 25.02.2019, Ra 2018/19/0611 m.w.N.).
Damit erübrigt sich mit der Abweisung des gegenständlichen Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens ein Abspruch über den "Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht".
4.3. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG und § 24 VwGVG unterbleiben. Die Sachlage erschien aufgrund der Aktenlage geklärt und war die zu beantwortende Frage, ob ein Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG vorliegt, rechtlicher Natur, weswegen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, um einen persönlichen Eindruck zu gewinnen oder Zeugen zu hören nicht erforderlich war. Ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde auch nicht gestellt und fällt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Verfahren über die Wiederaufnahme eines Verfahrens selbst grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC (VwGH 29.05.2017, Ra 2017/16/0070).
5. Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. Die aufgeworfenen Rechtsfragen wurden in der unter A) zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits eindeutig beantwortet. Das Bundesverwaltungsgericht folgt dieser Rechtsprechung mit gegenständlicher Entscheidung.
Schlagworte
Glaubwürdigkeit, mangelnder Anknüpfungspunkt, Voraussetzungen,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W109.2140652.2.00Zuletzt aktualisiert am
14.05.2020