TE Bvwg Beschluss 2019/7/17 W164 2165139-2

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Veröffentlicht am 17.07.2019
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Entscheidungsdatum

17.07.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W164 2165139-2/3E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2019, Zl. 1098292108-190671411 erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 AsylGesetz 2005 nicht rechtmäßig. Der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2019 wird aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 07.11.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich seiner Erstbefragung vom 09.12.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei am XXXX im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , in der Provinz Baghlan geboren, wo er bis zu seiner Ausreise mit seiner Familie (seinen Eltern, seiner Ehefrau und seinen fünf Kindern) gelebt habe. Er sei Paschtune sunnitischen Glaubens und spreche Paschtu sowie ein wenig Dari. Schule habe er keine besucht, er sei Analphabet. Der BF sei seit seinem achten Lebensjahr in der eigenen Landwirtschaft tätig gewesen. Mit seiner Frau sei er traditionell verheiratet. Die Familie lebe weiterhin in der Heimat. Als Fluchtgrund gab der BF an, dass die Sicherheitslage in Afghanistan sehr schlecht sei und vor allem in seiner Heimatprovinz die Taliban sehr aktiv seien. Die Taliban hätten den Vater des BF aufgefordert, seinen Sohn - den BF - in den Dschihad zu schicken. Nach längeren Gesprächen habe der BF den Entschluss zur Flucht gefasst. Der BF legte zwei Drohbriefe und seinen Personalausweis vor.

Bei seiner Einvernahme am 16.03.2017 vor dem BFA, Regionaldirektion Wien, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu, bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben. Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der BF an, dass seine Verwandten weiterhin in der Provinz Baghlan im Heimatdorf leben würden, in Kabul habe er keine Verwandten. Mit seiner Familie stehe er weiterhin in Kontakt. Wirtschaftlich gehe es der Familie sehr gut. Sie besitze Grundstücke, die vom Vater unter Mithilfe der Brüder des BF, bewirtschaftet und den Unterhalt der Familie sichern würden. Zum Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er aufgrund des Erhalts eines Drohbriefes das Land verlassen habe. Zuerst sei er persönlich von den Taliban rekrutiert worden und habe er sich geweigert, sich diesen anzuschließen und mit ihnen zu kämpfen, woraufhin er ca. zehn Tage später einen Drohbrief erhalten habe. Darin sei der BF aufgefordert worden, sich vor dem islamischen Gericht einzufinden. Da der BF Analphabet sei habe ihm der Mullah den Inhalt des Briefes vorgelesen. Ca. fünf bis sieben Tage später sei der BF aus Afghanistan ausgereist. Während dieser Tage sei es zu keinen weiteren Zwischenfällen gekommen. Andere Familienmitglieder seien nicht bedroht worden. Der Vater sei zu alt und die anderen Geschwister noch minderjährig gewesen.

Mit Bescheid vom 14.06.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 07.11.2015 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG. Ferner wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde, mit dem der Bescheid gesamtinhaltlich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurde.

Am 23.03.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein der Rechtsvertreterin des BF sowie eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu durchgeführt, zu der der BF persönlich erschien. Der BF wurde zu seiner Identität, Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, zu seinen Fluchtgründen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt. Er brachte während der Verhandlung und nachfolgend am 07.05.2018 weitere Unterlagen zum Beweis seiner Integration in Vorlage.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis W151 2165139-1/15E vom 22.08.2018 die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde dem BF am 29.08.2018 nachweislich durch Hinterlegung zugestellt. In der Begründung des genannten Erkenntnisses wurde zusammengefasst ausgesprochen, dass dem BF in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung keine Verfolgung drohe. Der BF habe eine asylrelevante Verfolgung aus den von ihm monierten Gründen nicht glaubhaft gemacht. Er habe widersprüchliche und ausweichende Angaben gemacht. Es sei davon auszugehen, dass der BF Afghanistan aufgrund der allgemeinen schlechten Sicherheitslage verlassen habe, eine individuelle Bedrohung des BF aber nicht vorliege. Im Verfahren hätten sich auch keine sonstigen Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen. Aus den Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan allein könne nicht darauf geschlossen werden, dass gleichsam jede Person, die sich in Afghanistan aufhält oder dorthin zurückkehrt, in asylrechtlich relevanter Weise Verfolgung zu gewärtigen hätte. Zusammenfassend sei keine Verfolgung des BF dargelegt bzw. glaubhaft gemacht worden, die auf einem der in Art. 1 A Z 2 GFK genannten Konventionsgründe - nämlich Verfolgung aufgrund der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - beruhe.

Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 seien nicht gegeben. Zwar sei dem BF eine Rückkehr in seine Heimatprovinz Baghlan nicht zumutbar. Jedoch sei ihm die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul sowohl unter dem Aspekt der Sicherheit als auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände zumutbar.

Für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan reiche es nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen, sondern es müssten vom Betroffenen auch individuelle Umstände glaubhaft gemacht werden, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 3 EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen. Solche Umstände habe der BF im Verfahren jedoch nicht darzulegen vermocht:

Der 27-jährige BF sei mobil, gesund sowie arbeitsfähig. Er verfüge über mehrjährige Berufserfahrung in der Landwirtschaft und weise Sprachkenntnisse in Paschtu und Dari auf. Des Weiteren sei er mit den kulturellen Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut. Seine Familie lebe weiterhin unbehelligt in der Heimatprovinz, wo sie ein Grundstück besitze. Der BF stehe weiterhin in Kontakt mit seiner Familie. Der BF habe passable Chancen, sich am Arbeitsmarkt in Kabul zu integrieren und dort eine Unterkunft zu finden. Er habe keine Umstände vorgebracht, die gegen seine Rückkehr nach Kabul sprechen:

Für eine existenzielle Gefährdung des BF im Falle einer Niederlassung in der Stadt Kabul bestünden keine Hinweise. Der BF sei in Afghanistan auch nie einer existenziellen Notlage ausgesetzt gewesen. Es gebe keinen Anhaltspunkt, wieso er in Kabul nicht in der Lage sein sollte, seine Existenz - etwa auch durch Gelegenheits- und Hilfsarbeiten - zu sichern.

Die Grundversorgung der afghanischen Bevölkerung sei zumindest grundlegend gesichert. Zudem könne der BF durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden. Deshalb sei auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Zudem könne der BF mit (zumindest geringfügiger) finanzieller Hilfe seiner Familie, insbesondere durch die Erträge aus der eigenen Landwirtschaft, rechnen. Mit dieser Unterstützung sei ihm der Aufbau einer Existenzgrundlage in Kabul möglich. Im Ergebnis sei aufgrund des ausreichend guten Gesundheitszustandes des BF, seiner Berufserfahrung, seiner Arbeitsfähigkeit aber auch Arbeitswilligkeit von seiner Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen.

Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führe daher im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem BF eine Rückkehr in die Stadt Kabul jedenfalls möglich und auch zumutbar sei (vgl. dazu VwGH 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3). Die Rückverbringung des BF nach Afghanistan stehe nicht im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005, weshalb dem BF nach den genannten Bestimmungen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuzuerkennen sei.

Der BF reiste am 12.10.2018 in Frankreich ein und stellte dort am 23.10.2018 einen Asylantrag. Am 24.8.2018 erging ein Wiederaufnahmeersuchen Frankreichs gem. Art 18 Abs 1 lit b Dublin-VO bei der belangten Behörde ein, dem Österreich zustimmte.

Am 02.05.2019 wurde der BF gemäß dem Dublin-Übereinkommen von Frankreich nach Österreich rücküberstellt und stellte am selben Tag einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag beantwortet er die Fragen warum er neuerlich einen Asylantrag stellen würde und was sich konkret seit der Rechtskraft gegenüber dem bereits entschiedenen Verfahren geändert habe, damit, dass seine alten Fluchtgründe aufrecht seien. Sein Leben sei nach wie vor durch die Taliban in Gefahr. Neu sei, dass seine Frau und seine Kinder nun nicht mehr im Heimatdorf des BF leben würden, sondern in der Stadt Mazar-e-Sharif beim Schwiegervater des BF. Sie seien von den Taliban belästigt worden. Außerdem sei in Gegend des Heimatdorfes Krieg.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 16.05.2019 Zl. 1098292108-190445560/BMI-EAST_WEST, gem. § 68 Abs 1 AVG sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gem. § 57 AsylG nicht erteilt. Gem. § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen. Gem. § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und dass gem. § 55 Abs 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Gem. §53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gem. § 15b Abs 1 AsylG wurde dem BF aufgetragen, Unterkunft in einem namentlich genannten Quartier (Schubhaft) zu nehmen.

Am 03.07.2019 stellte der BF einen zweiten Folgeantrag auf internationalen Schutz. Befragt, warum er einen neuerlichen Asylantrag stelle, gab der BF an, er halte die Aussagen seiner vorherigen Einvernahme aufrecht, möchte aber ergänzen, dass er sich zu keiner Religion bekenne. Hier in Österreich könne sich jeder die Religion selbst aussuchen und auch darüber sprechen. Würde er in Afghanistan sagen, dass er sich zu keiner Religion zugehörig fühle, so würde er verfolgt und getötet werden. Der BF könne nicht nach Afghanistan zurückkehren.

Bei seiner Einvernahme vor dem BFA vom 10.07.2019 gab der BF an, er habe Geld von Frankreich mitgebracht. Davon bestreite er seinen Lebensunterhalt. Die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren seien aufrecht. Befragt nach neuen Fluchtgründen gab der BF an, er würde in Freiheit leben wollen. Er sei nicht mehr religiös und bete nicht mehr. Diese Geisteshaltung wäre in Afghanistan nicht möglich und würde mit dem Tod bedroht. Bisher sei er Moslem gewesen. In der Schubhaft habe er sich vor etwa einem Monat entschlossen, nicht mehr an seine Religion zu glauben. Die Religion habe ihm nicht geholfen. Außerdem gebe es wegen der Religion immer nur Krieg. Seine Familie sei streng religiös.

Nach der mündlichen Verkündung des Bescheides erklärte der BF, dass er mit der Entscheidung nicht einverstanden sei, eine Beschwerde gegen diese Entscheidung einbringen möchte und zur Begründung dieser Beschwerde auf sein heutiges Vorbringen verweise.

Die Bezug habenden Verwaltungsakten sind am 15.07.2019 bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt. Am selben Tag erging eine Mitteilung gem. § 22 Abs 2 BFA-VG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Weder das AsylG 2005 noch das FPG 2005 sehen eine Entscheidung durch Senate vor, sodass im gegenständlichen Beschwerdefall Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.

Zur anzuwendenden Rechtslage:

§ 12a Abs. 1 und 2 sowie § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 lauten:

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach

einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

§ 22. (10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

§ 22 BFA-Verfahrensgesetz lautet:

§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische

Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Zu Spruchpunkt A):

Im Fall einer Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG (dies ist hier der Fall) müssen sämtliche Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sein.

§ 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 verlangt gemäß seinem Wortlaut, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.

§ 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 verlangt eine Prognoseentscheidung über eine vorausssichtliche Antragszurückweisung; die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand des Verfahrens (vgl. die in Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, S 284, angeführte Gesetzesmaterialie zu § 22BFA-VG).

Im vorliegenden Fall ist somit eine Prognoseentscheidung darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis Ra 2017/18/0451 vom 19.12.2017 ausgeführt hat, genießt ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, gemäß § 12 AsylG 2005 grundsätzlich bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 nicht mehr zulässig ist, faktischen Abschiebeschutz; das bedeutet, dass er weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden darf. Durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I Nr. 122/2009, wurden für Folgeanträge auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 Sonderregelungen geschaffen, die in bestimmten Fällen Ausnahmen vom faktischen Abschiebeschutz vorsehen. Sie haben - nach den Gesetzesmaterialien (RV 330 BlgNR 24. GP 11)

-"unter Wahrung der notwendigen rechtsstaatlichen Garantien ... das

Ziel, jene Fälle, in denen ein berechtigtes Interesse an einem neuerlichen Asylverfahren besteht, möglichst früh von klar missbräuchlichen Antragstellungen zu unterscheiden und diese in weiterer Folge als Mittel zur Hintanhaltung fremdenpolizeilicher Maßnahmen unbrauchbar zu machen." Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern. Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Verfahrensrichtlinie - etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte.

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:

Der verfahrensgegenständliche Antrag vom 03.07.2019 bildet zwar bereits den zweiten Folgeantrag des BF, was isoliert betrachtet gegen ihn sprechen müsste. Allerdings liegen dem verfahrensgegenständlichen Antrag substantiell neue und eine andere Beurteilung rechtfertigende Sachverhaltselemente zugrunde. Der BF bringt vor, dass er sich von einer dem Islam verpflichteten Religiosität abgewendet hat. Dieses Vorbringen und die Behauptung, dass die genannte Abkehr von einer bis dahin dem Islam zugewendeten inneren Haltung erst im Zuge der Schubhaft erfolgte, lässt eine genauere Überprüfung seines neuen Vorbringens notwendig erscheinen. Jedoch kann nicht von vorn herein und ohne Hinterfragung der Umstände des Einzelfalls vorausgesetzt werden, dass die Antragstellung rechtsmissbräuchlich und ausschließlich zu dem Zweck erfolgt wäre, fremdenpolizeiliche Maßnahmen unbrauchbar zu machen. Denn dass der BF die von den Taliban in Afghanistan vertretene Wertehaltung und die dort unter Berufung auf die Religiosität im Gange befindlichen kriegerischen Handlungen ablehnt, hat er von Anfang an klar dargelegt. Sein nun vorgebrachter Entschluss, vom islamischen Glauben Abstand zu nehmen und ein atheistisches, nicht religiöses Leben führen zu wollen, erscheint vor diesem Hintergrund nicht von vorn herein lebensfremd. Der Umstand allein, dass eine spätere Zurückweisung wegen entschiedener Sache gem. § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt nicht schon zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes.

Zusammenfassend ergibt sich: Das vom BF im verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz gemachte neue Vorbringen weist darauf hin, dass ein geänderter Sachverhalt betreffend die persönliche Situation des BF vorliegen könnte, der Auswirkungen auf die Situation im Falle der Rückkehr des BF haben könnte. Im derzeitigen Verfahrensstadium und aufgrund der hier lediglich vorzunehmenden Grobprüfung kann nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Antrag vom 03.07.2019 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. Somit ist jedenfalls eine der drei Voraussetzungen, unter denen der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben werden darf, derzeit nicht erfüllt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Mit Aufhebung des vorliegenden Bescheides kommt dem BF faktischer Abschiebeschutz iSd § 12 Abs. 1 AsylG 2005 zu.

Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung
nicht rechtmäßig, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W164.2165139.2.00

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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