TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/31 W215 2179090-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.07.2019
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Entscheidungsdatum

31.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AVG §68
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W215 2128408-2/3E

W215 2128409-2/3E

W215 2128407-2/3E

W215 2179090-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerden von XXXX , alle Staatsangehörigkeit Republik Tadschikistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2019, Zahlen

1) 1072170907-181077804, 2) 1072171000-181077863, 3) 1092082800-181077871 und

4) 1165494407-181077910, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. werden wegen entschiedener Sache als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerden gegen Spruchpunkte II. bis V. werden gemäß § 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017 und § 55 Abs. 1a FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

III. Den Beschwerden gegen Spruchpunkt VI. wird gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, stattgegeben und diese Spruchpunkte ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer (P1) ist der Ehegatte der Zweibeschwerdeführerin (P2) und beide sind die Eltern der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer (P3 und P4).

1. Erste Asylverfahren

Alle Beschwerdeführer sind tadschikischer Staatsangehörige, der tadschikischen Volksgruppe. P1 hat vor seiner Reise nach Österreich immer wieder in der Russischen Föderation gearbeitet. P1 und die XXXX P2 reisten problemlos, legal über einen internationalen Flughafen aus der Republik Tadschikistan aus und stellten am 07.06.2015 ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Nach den Geburten von P3 und P4 in Österreich wurden für diese von ihren gesetzlichen Vertretern ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz gestellt.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1) bis

3) 06.05.2016 und 4) 07.11.2017, Zahlen 1) 1072170907-150620559, 2) 1072171000-150620567,

3) 1092082800-151609600 und 4) 1165494407-170990393, wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß

§ 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Tadschikistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß

§§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt, unter einem gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Genannten jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass deren Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Tadschikistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für deren freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Nach fristgerecht eingebrachten Beschwerden fand am 09.05.2017 eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Danach wurden die Beschwerden mit Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.01.2018, Zahlen

1) W233 2128408-1/14E, 2) W233 2128409-1/12E, 3) W233 2128407-1/8E und

4) W233 2179090-1/2E, als unbegründet abgewiesen und die Revision gemäß

Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt. In diesen Erkenntnissen wurde zusammengefasst ausgeführt, dass als fluchtauslösendes Ereignis P1 und P2 vorgebracht hatten, dass sie wegen ihrer Tätigkeit des Anbringens von Wahlplakaten für die politische Partei " XXXX in Zusammenhang mit den damals bevorstehenden Wahlen im April 2014 von tadschikischen Polizisten angehalten, bedroht und misshandelt worden seien. Darüber hinaus brachten P1 und P2 vor, dass P1 wegen seiner Tätigkeit für die " XXXX " in seiner Heimat als Terrorist angesehen würde und zudem seine Mutter wegen seiner Teilnahme an einer XXXX vor die tadschikische Polizei geladen und dort verhört und unter Druck gesetzt worden wäre. P2 brachte ergänzend vor, dass ihr verboten worden wäre mit einem Kopftuch ihrer Arbeit nachzugehen sowie, dass ihre Eltern wegen P1 schikaniert würden. Insgesamt konnten damit jedoch Gründe, die eine Verfolgung im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen, von P1 und P2 nicht glaubhaft vorgebracht wurden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Tadschikistan in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären. Ebenso wenig, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr nach Tadschikistan in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Alle Beschwerdeführer verfügen in Österreich über keinen familiären bzw. verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkt. Hingegen leben die Mutter und Geschwister von P1 und die Eltern und Geschwister von P2 und darüber hinaus auch weitere Verwandte unverändert in Tadschikistan. Weder P1 noch P2 hatten fortgeschrittene Integrationsschritte im österreichischen Bundesgebiet dargelegt und im Besonderen keine Nachweise über ihre Bemühungen zur Erlernung der deutschen Sprache vorgelegt. In Bezug auf die von P1 und P2 vorgebrachten Argumente, dass sie über das Internet angebotenen Sprachkurse zur Erlernung der deutschen Sprache nutzen, wurde festgestellt, dass sie die behauptete Sprachkompetenz in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht unter Beweis stellten konnten. Die gesamte Befragung der beiden Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung war nur unter Beiziehung eines Dolmetschs für die russische Sprache möglich. P1, P2 und P4 waren gesund. Für P3 wurde laut einem im Akt einliegenden ärztlichen Entlassungsbrief des XXXX . Zum Entscheidungspunkt lagen jedenfalls keine Hinweise auf eine die Schwelle des Art. 3 EMRK überschreitende ernsthafte physische oder psychische Krankheit von P3 vor. Die Beschwerdeführer lebten seit ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet bzw. ihrer Geburt im österreichischen Bundesgebiet von der Grundversorgung und hatten P1 und P2 während ihres zum Entscheidungszeitpunt etwas mehr als zweieinhalbjährigen Aufenthaltes (zwei Jahre und sieben Monate) in Österreich keine außergewöhnlichen, besonders zu berücksichtigenden Integrationsschritte gesetzt. Dementsprechend konnte eine ausgeprägte und verfestigte Integration der Beschwerdeführer in Österreich nicht festgestellt werden. Diese Erkenntnisse wurden dem Vertreter der Beschwerdeführer nachweislich am 15.01.2018 zugestellt und fristgerecht beim Verwaltungsgerichtshof außerordentliche Revisionen erhoben.

Die Beschwerdeführer reisten zwischendurch illegal in die Bundesrepublik Deutschland, von wo sie nach Österreich abgeschoben wurden.

Mit Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofs vom 04.10.2018, 2018/18/00095 bis 0098-12, wurde die Revisionen zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführer kamen ihren Ausreiseverpflichtungen nicht nach und blieben illegal im Bundesgebiet.

2. Zweite Asylverfahren

Während ihres illegalen Aufenthaltes brachten P1 und P2 für sich sowie P3 und P4 am 12.11.2018 ihre zweiten bzw. Folgeanträge auf internationalen Schutz beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. P1 und P2 wurden noch am selben Tag niederschriftlich Erstbefragt. P1 und P2 gaben zu den Gründen für die neuerlichen Asylantragstellungen zusammengefasst an, dass P1 im XXXX XXXX . Man werfe P1 vor, zur XXXX " zu gehören, die in der Republik Tadschikistan als politische und terroristische Vereinigung gelte. XXXX . P1 gehöre dieser Vereinigung nicht mehr an, seit seine Mutter deswegen in der Republik Tadschikistan von der Polizei ständig bedroht und schikaniert worden sei. P1 werde deswegen in Österreich von Herrn XXXX , dieser hatte sich beim ersten Anruf am 01.11.2018 namentlich vorgestellt, telefonisch bedroht. P1 sei beim ersten Anruf aufgefordert worden, sich bei der Republik Tadschikistan zu entschuldigen, was P1 jedoch nicht gemacht habe. Da P1 mit Herrn XXXX per Videokonferenz telefoniert habe, habe er ein Bild gemacht, welches er nun vorlegen könne. Nach dem ersten Anruf habe es noch zwei oder drei weitere Anrufe von ihm gegeben. Herr XXXX habe behauptet, die Mutter von P1 vermisse ihn und P1 solle in seine Heimat zurückkehren. P1 habe jedoch mit seiner Mutter Kontakt und wisse daher, dass das eine Lüge sei und die Mutter massiv unter Druck gesetzt werde. Bei einem anderen Telefonat sei Herrn XXXX nicht freundlich gewesen und habe gemeint, dass man P1 holen würde, wenn er nicht freiwillig zurückkomme. Mittlerweile habe P1 die Telefonnummer von Herrn XXXX blockiert, damit er von ihm nicht mehr angerufen werden könne. P1 gehe davon aus, dass es einen Befehl gibt alle ehemaligen Parteimitglieder zu kontaktieren und zurückzuholen. Seit dem Spätwinter 2018 XXXX welche P1 in Kopie vorlege. P2 gab an, dass ihre Eltern wegen P1 schikaniert würden.

Am 19.11.2018 wurden P1 und P2 zu den Gründen für die neuerlichen Asylantragstellungen befragt. P1 gab zusammengefasst an, dass P3 aktuell nur mehr ein Medikament einnehme, um Kraft zu bekommen. Seine Angaben anlässlich der Befragung am 12.11.2018 würden der Wahrheit entsprechen. P1 sei telefonisch bedroht worden und P2 habe diese Gespräch mit ihrem Handy aufgezeichnet. P1 lebe in Österreich von der Grundversorgung. Seine Mutter, seine Geschwister und weiter Verwandte würden nach wie vor in der Republik Tadschikistan leben. P1 habe im ersten Asylverfahren zu 100 Prozent wahre Angaben gemacht. Seine damals vorgebrachten Fluchtgründe würden nach wie vor bestehen und habe sich die Lage sogar noch verschärft. XXXX . P1 sei während seines illegalen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland von seinen Freund im XXXX drüber informiert worden. P1 habe bereits im ersten Asylverfahren Fotos vorgelegt, die zeigen, dass er an XXXX habe. Die neuen Gründe, welche sich seit den rechtskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahren ergeben hätten wären, XXXX in der Republik Tadschikistan, ab dem 01.11.2018 bedroht worden sei, weil P1 Mitglied der " XXXX " war, die nach wie vor in der Republik Tadschikistan sei und sich gegen die Regierung richte. Herr XXXX habe P1 zwei oder drei weitere Male angerufen und das gleiche gesagt. Er habe P1 gesagt, dass sie den XXXX und auch P1 töten könnten. Der anwesende Dolmetscher erklärte den Inhalt von drei am Handy von P2 gespeicherten Telefonaten, was in der Niederschrift protokolliert wurde. P1 habe mittlerweile begonnen einen Deutschkurs zu besuchen, sei aber nach Erhalt der negativen Entscheidungen nach Deutschland gegangen. Derzeit habe er keine Möglichkeit Deutsch zu lernen. Er wolle in Österreich arbeiten. P1 meinte, dass seine Angaben auch für P3 und P4 gelten. P2 gab an, dass P1 bereits seit dem Jahr 2015 in Österreich telefonisch bedroht werde und die Polizei wegen P1 auch bei der Familie ihrer Eltern gewesen sei.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte noch am selben Tag Anfrage an die Staatendokumentation zum Vorbringen von P1 und P2. Die eingelangten Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation liegen im erstinstanzlichen Akt von P1 ein.

Am 18.04.2019 wurde P1 ein weiteres Mal niederschriftlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Ausreisegründen und den Ergebnisse der Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation befragt. P1 gab zusammengefasst an, dass seine Mutter seine Schwestern und sehr viele Onkel und Tanten nach wie vor in der Republik Tadschikistan leben. Diese würden arbeiten und unter normalen Verhältnissen leben. Danach wiederholte P1 im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Er legte einen Screenshot von Herrn XXXX vor und gab an, dieser habe P1 gesagt, dass gegen P1 in der Republik Tadschikistan ein Strafverfahren eingeleitet worden und P1 zur Fahndung ausgeschrieben sei. P1 solle zurückkehren, wegen seiner ehemaligen Mitgliedschaft bei der " XXXX " Reue zeigen und keine Angst haben eingesperrt zu werden.

Anschließend wurde ein Screenshot vorgelegt zu dem P1 angab, es handle sich um eine ehemaligen Aktivisten namens XXXX , mit dem XXXX zur Mutter von P1 gehe um ihr zu sagen, dass P1 bei seiner Rückkehr nichts passieren werde. Von einem Telefonat mit Herrn XXXX habe P1 diesen Screenshot gemacht, den er vorlege. Die Mutter habe Herrn XXXX die Telefonnummer von P1 in Österreich gegeben, als dieser danach gefragt habe. P1 glaube während des Telefonates mit Herrn XXXX gehört zu haben, dass im Hintergrund entweder XXXX geflüstert habe; vielleicht aber auch eine andere Person. Als P1 gehört habe, dass diese Person das Gespräch diktierte, habe er sein Handy ausgeschalten. Später habe XXXX wieder angerufen, P1 mit der Ermordung bedroht und darauf verwiesen, dass XXXX . Danach sei einige Zeit Ruhe gewesen, bis die Mutter anrief und meinte man habe in der Nacht gegen ihre Tür geklopft, heftig, wie mit einem Hammer. Die beiden hätte mit anderen die Mutter gefragt, ob P1 zurückkehre. Die Mutter verwies darauf, dass sie das nicht wisse und sie mit P1 telefonieren sollten. Die Mutter habe Bluthochdruck und Diabetes, werde aber nicht in Ruhe gelassen. Drei Mal konkret nachgefragt, konnte P1 nicht angeben, wie oft er angerufen worden war und meinte schließlich "es waren viele Anrufe", wobei der erste letzte Anruf in Österreich vor circa eineinhalb oder zwei Jahren und der letzte vor zwei Wochen gewesen sei.

Der erste Anruf sei P1 sei von einer anderen Person, Herrn XXXX , erfolgt. Gefragt, warum P1 diesen Anruf nicht schon im ersten Asylverfahren vorgebracht habe, meinte dieser, er habe diesen bewusste nicht erwähnt, da er damals nur telefonieren, aber kein Video aufnehmen habe können. P1 gab weiters an, dass ihn XXXX aufgefordert habe [Anmerkung gemeint wohl: nicht] weiter für die " XXXX " tätig zu sein, was P1 auch gemacht habe. Nach diesem Anruf habe P1 aufgehört für diese XXXX tätig zu sein. XXXX habe angegeben, dass er dennoch die Aufgabe habe, alle Aktivisten der Opposition in die Heimat zurückzubringen und es einen "Link" gebe, wo man dieses Gesetz lesen könne.

Ein Landsmann namens XXXX habe in Holland einen Pass bekommen, sei nach Russland gereist um mit tadschikischen Arbeitsmigranten zu reden, sie zu agitieren und sei in Moskau auf Interpol-Anfrage festgenommen und nach Tadschikistan überstellt worden. Zwei bis drei Wochen danach habe er nach Holland zurückkehren dürfen und habe danach ein Clip auf XXXX gestellt, aus dem hervorgehe, dass Oppositionelle nach Tadschikistan zurückkehren könnten, es werde nichts passieren. Später habe er gezeigt, dass er geschlagen und zu diesem Clip gezwungen worden sei, er habe ein blutiges Hemd gezeigt.

Zudem wolle P1 noch über eine Person sprechen, die XXXX ist, entführt und gewaltsam nach Tadschikistan gebracht wurde. Etwas später habe diese Person in einem Video gesagt, dass dieses Gesetz tatsächlich existiere, man könne zurückkehren. Er habe gesagt, er sei freiwillig zurückgekehrt, seine Söhne hätten aber das Gegenteil gesagt. Er habe gesagt, dass nach der Rückkehr nichts passiere, sitze aber jetzt 15 Jahre im Gefängnis. Es gäbe noch viele andere Beispiele, die P1 nicht alle aufzählen könne. Man wolle Leute mit Unwahrheiten zur Rückkehr bewegen und danach würden diese Personen verbannt, ins Gefängnis gesteckt oder getötet. Es gäbe auch XXXX Videos, wo ehemalige GKNB Mitarbeiter nach Europa gekommen seien und bereuen, was sie gemacht hätten. Sie seien ausgebildet worden um sich hier als Oppositionelle auszugeben und Infos in die Heimat zu schicken; würden sie von zu Hause einen Befehl bekommen, würden sie hier jemanden töten. Auf Vorhalt, dass nicht überprüfbar sei, ob diese Videos authentisch sind bzw. ob diese Personen, die das behaupten, tatsächlich jene sind, für die sie sich ausgeben und auch tatsächlich diese Funktionen innehaben, meinte P1, dass diese Personen Asyl bekommen hätten, aber ob sie tatsächlich in Europa seien und ob das stimme was sie sagen, wisse P1 nicht. Er wolle damit nur versuchen seine Argumente zu untermauern.

P1 brachte nochmals XXXX . P1 meinte, dass er bereits im ersten Asylverfahren einen XXXX -Clip vorgelegt habe, auf dem ein XXXX " zu sehen gewesen sei, bei dem er anwesend gewesen wäre, ihm aber im ersten Asylverfahren nicht geglaubt worden sei. Weder P1 noch seine Ehegattin seien jemals Mitglieder der " XXXX gewesen. Entsprechend gefragt gab P1 an, dass er die Republik Tadschikistan mit P2 problemlos über den internationalen Flughafen verlassen konnte und legal in die Republik Kasachstan flog. P1 und P2 hätten Visa in ihren echten Auslandsreisepässen über einen Freund gekauft, die Pässe aber weggeworfen, bevor sie ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz in Österreich stellten.

Mit gegenständlichen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2019, Zahlen 1) 1072170907-181077804, 2) 1072171000-181077863, 3) 1092082800-181077871 und 4) 1165494407-181077910, wurden die zweiten Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer in Spruchpunkt I. gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. In Spruchpunkt II. wurden den Beschwerdeführern Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. In Spruchpunkt III. wurden gegen die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. In Spruchpunkt IV. wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß

§ 46 FPG nach Tadschikistan zulässig ist. In Spruchpunkt V. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht und in Spruchpunkt VI. wurden gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 6 FPG gegen die Beschwerdeführer auf drei Jahre befristete Einreiseverbote erlassen.

Gegen diese Bescheide vom 06.06.2019, Zahlen 1) 1072170907-181077804,

2) 1072171000-181077863, 3) 1092082800-181077871 und 4) 1165494407-181077910, zugestellt am 12.06.2019, erhob der Vertreter am 10.07.2019 fristgerecht gegenständliche Beschwerden und wiederholten darin zu gegenständlichen Verfahren auszugsweise das bisherige Vorbringen. Es wurden weiters die Anträge gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge die Bescheide beheben und den Beschwerdeführern den Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG zuerkennen; in eventu die Bescheide beheben und die Angelegenheiten an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Durchführung der Verfahrens und Erlassung neuer Bescheide zurückverweisen (§ 66 Abs. 2 AVGT, § 28 Abs. 3 und 4 VwGVG); für den Fall der Abweisung der Beschwerdeanträge gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG feststellen, dass den Beschwerdeführern der Status des subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf ihren Herkunftsstaat zukommt; sowie festzustellen, dass die gemäß § 52 FPG erlassenen Rückkehrentscheidungen gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig sind und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gemäß § 55 AsylG vorliegen und den Beschwerdeführern daher gemäß § 58 Abs. 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) vom Amts wegen zu erteilen; sowie in eventu festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG vorliegen und den Beschwerdeführern eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 Abs. 1 AsylG zu erteilen ist; jedenfalls eine mündlich Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG durchzuführen. Der Beschwerde war die bereits in den ersten Asylverfahren vorgelegten Kopien von Fotos XXXX , sowie die Kopie des bereits in den ersten Asylverfahren vorlegten Schreiben der "

XXXX in englischer Sprache beigelegt. Zudem ein ärztlicher Entlassungsbrief bezüglich P3 vom XXXX aus dem zusammengefasst hervorgeht, dass die Vorerkrankungen (siehe dazu oben Verfahrensgang 1.) bei P3 festgestellt wurden, P3 keine Dauermedikation verordnet bekommt, bei ihm keine Allergien bekannt sind und darauf hingewiesen wird, dass die Impfung XXXX zu diesem Zeitpunkt noch ausständig war. Weites einen Ambulanzbrief vom XXXX aus dem hervorgeht, dass P3 nach wie vor an den im ersten Asylverfahren festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet, zwei Mal die Woche Fleisch gegen Eisenmangel ist und mit XXXX begonnen werden sollte.

Die Beschwerdevorlagen vom 18.07.2019 langten am 22.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein, was dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am nächsten Tag schriftlich mitgeteilt wurde.

Exkurs: Weiters wurde gegen alle Beschwerdeführer mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ebenfalls vom 06.06.2019, Zahlen 1) 1072170907-181077804,

2) 1072171000-181077863, 3) 1092082800-181077871 und 4) 1165494407-181077910, gemäß § 35 AVG Mutwillensstrafen in der Höhe von jeweils Euro 300,- verhängt. Auch gegen diese Bescheide erhob der Vertreter am 10.07.2019 fristgerecht Beschwerden. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, Zahlen

1) W215 2128408-3/2E, 2) W215 2128409-3/2E, 3) W215 2128407-3/2E und

4) W215 2179090-3/2E, wird den Beschwerden gemäß § 35 AVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 137/2001, stattgegeben und die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufgehoben. Revisionen werden gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, für nicht zulässig erklärt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:

1. Feststellungen:

1. P1 und P2 sind die Eltern der minderjährigen P3 und P4. Alle Beschwerdeführer, sind Staatsangehörige der Republik Tadschikistan, Angehörige der tadschikischen Volksgruppe und moslemischen Glaubens.

2. P1 und die XXXX P2 reisten problemlos legal mit ihren tadschikischen Auslandsreispässen über einen internationalen Flughafen aus der Republik Tadschikistan aus, zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 07.06.2015 ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Nach den Geburten von P3 und P4 in Österreich wurden für diese von P1 und P2 ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1) bis 3) 06.05.2016 und 4) 07.11.2017, Zahlen 1) 1072170907-150620559,

2) 1072171000-150620567, 3) 1092082800-151609600 und 4) 1165494407-170990393, wurden diese Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

(Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Tadschikistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt, unter einem gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm

§ 9 BFA-VG gegen die Genannten jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass deren Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Tadschikistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für deren freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Nach fristgerecht eingebrachten Beschwerden fand am 09.05.2017 eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Danach wurden die Beschwerden mit Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.01.2018, Zahlen

1) W233 2128408-1/14E, 2) W233 2128409-1/12E, 3) W233 2128407-1/8E und

4) W233 2179090-1/2E, als unbegründet abgewiesen und Revisionen gemäß

Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt. Diese Erkenntnisse wurden dem Vertreter der Beschwerdeführer nachweislich am 15.01.2018 zugestellt. Mit Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofs vom 04.10.2018, 2018/18/00095 bis 0098-12, wurde dagegen erhobene außerordentliche Revisionen zurückgewiesen.

P1 bis P4 kehrten nicht in die Republik Tadschikistan zurück und waren ohne Aufenthaltstitel in Österreich als P1 und P2 für sich, sowie für P3 und P4, am 12.11.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegenständliche zweite bzw. Folgeanträge auf internationalen Schutz stellten. P1 und P2 machten in gegenständlichen Verfahren keine neuen Gründe geltend bzw. bezogen sich auf eine inhaltliche Fortsetzung der bereits in den ersten Asylverfahren geltend gemachten und als nicht glaubhaft beurteilten Fluchtgründe und legten in den aktuellen Verfahren keine Beweismittel vor, die geeignet wären, das nicht glaubhaft Vorbringen zu den behaupteten Ausreisegründen zu unterstützen. Es kann nicht festgestellt werden, dass P1 XXXX . Es kann auch nicht festgestellt werden, dass versucht wird P1 und P2 in die Republik Tadschikistan, gegen ihren Willen, zurückzuholen, indem bezüglich P1 oder P2 Auslieferungsersuchen der Republik Tadschikistan oder internationale Haftbefehle bestehen, oder Herr XXXX der Republik Tadschikistan, immer wieder persönlich am Handy von P1 anruft um ihn zu überreden und/oder ihm zu drohen in die Republik Tadschikistan zurückzukehren.

3. P1, P2 und P4 sind gesund. P3 leidet nach wie vor an den bereits im ersten Asylverfahren im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.01.2018, Zahl 3) W233 2128407-1/8E, festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen (siehe dazu auch Verfahrensgang 1.). Diese sind, wie bereits im ersten Asylverfahren von P3 festgestellt, nicht lebensbedrohlich. P3 hat zuletzt keine Dauermedikation verordnet bekommen, bei ihm sind keine Allergien bekannt, er isst zwei Mal pro Woche Fleisch gegen Eisenmangel und es sollte mit XXXX begonnen werden.

Wie bereits in den ersten Asylverfahren festgestellt, haben P1 und P2 in der Republik Tadschikistan geheiratet. P1 hat in der Republik Tadschikistan die Schule besucht, danach den Beruf des XXXX gelernt und diesen bis XXXX ausgeübt, XXXX gearbeitet und zwischendurch in der Russischen Föderation in verschiedenen Berufen Geld verdient, so etwa in einer XXXX . P2 hat ebenso die Schule in der Republik Tadschikistan und im Anschluss daran ein XXXX besucht und in der Folge in Tadschikistan als XXXX gearbeitet, XXXX und reiste mit P2 nach Österreich. P1 und P2 sind im arbeitsfähigen Alter und beide Beschwerdeführer verfügen in der Republik Tadschikistan nach wie vor über zahlreiche familiäre und soziale Anknüpfungspunkte. Im Herkunftsstaat leben nach wie vor die Mutter, die Geschwister und zahlreiche Onkel und Tanten von P1, ebenso die Eltern und Geschwister von P2, sowie weitere Verwandte.

4. P1 bis P4 leben im gemeinsamen Haushalt in Österreich. Es leben keine Verwandten der Beschwerdeführer in Österreich, hingegen zahlreiche Verwandte in der Republik Tadschikistan. Konnten P1 und P2 bis zur Ausreise im Herkunftsstaat arbeiten und problemlos ihren Lebensunterhalt finanzieren, lebt die Familie im Gegensatz dazu, in Österreich ausschließlich von der Bundesbetreuung. P1 und P2 sind nicht Mitglieder in Vereinen und halten Kontakt zu einem weiter entfernt in Österreich lebenden Ehepaar. Mit seiner Familie im Herkunftsstaat steht P1 ca. ein bis zwei Mal pro Woche über Internet in Kontakt. P1 und P2 sprachen in den niederschriftlichen Befragungen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 18.04.2019 zwar verständlich, aber immer noch gebrochen, Deutsch und haben bis dato immer noch keine Deutschprüfungen abgelegt.

5. In Übereinstimmung mit den Feststellungen in gegenständlichen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wird zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer festgestellt:

Poltische Lage

Die Republik Tadschikistan hatte laut offizieller Statistik 2016 8,74 Millionen Einwohner, was ein Wachstum von ca. 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr ausmachte (TAJSTAT 23.05.2018). Unter dem herrschenden präsidentiellen System wird das Land seit 1994 von Emomali Rachmon (Rakhmon) streng geführt (BBC 22.04.2018). Der Einfluss des Parlaments insgesamt ist gering. Die politische Macht ist beim Präsidenten, seinen engsten Vertrauten und der Präsidialverwaltung konzentriert (AA 20.10.2017). Tadschikistan befindet sich in einer starken Abhängigkeit von Russland, sowohl ökonomisch als auch in Hinblick auf den Umgang mit Sicherheitsfragen, wie den Kampf gegen Drogenschmuggel und dem radikalen Islam (BBC 22.04.2018).

Nach der Unabhängigkeit von der UdSSR am 09. September 1991 wuchsen die Spannungen zwischen der kommunistischen Regierung unter Präsident Nabiev und oppositionellen Gruppen. In diesem Konflikt entluden sich politischen, religiösen und regionale Gegensätze. Im Zuge der gewaltsamen Eskalation 1992 verlor Nabiev seine Macht. Nach einer kurzen Übergangszeit wurde Emomali Rahmon zuerst Vorsitzender des Obersten Sowjets Tadschikistans (1992), später Staatspräsident (1994). Innertadschikische Gespräche unter russischer und iranischer Vermittlung führten am 17.09.1994 zu einem Waffenstillstand (Dokument von Teheran). Der Bürgerkrieg wurde mit Unterzeichnung des 'Allgemeinen Abkommens über Frieden und Nationale Versöhnung in Tadschikistan' durch Präsident Rahmon und Oppositionsführer Nuri am 27.06.1997 in Moskau beendet. Zum Vorsitzenden der mit der Umsetzung der Friedensvereinbarungen beauftragten Nationalen Versöhnungskommission (NVK) wurde der 2006 verstorbene UTO-Chef Nuri gewählt. Zu den wichtigsten Ergebnissen der NVK-Tätigkeit zählen die Rückführung der Mehrzahl aller tadschikischen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Afghanistan, der Austausch der Kriegsgefangenen und eine Amnestie für bürgerkriegsbedingte Straftaten. Der Opposition wurde eine 30-Prozent-Quote an hohen Regierungsämtern eingeräumt. Nach Aufhebung des Verbots der Parteien und politischen Gruppierungen der UTO am 12.08.1999 konnten sich diese und andere Parteien registrieren und am politischen Leben teilnehmen (AA 03.2018a).

Die Republik Tadschikistan ist von ihrer 1994 angenommenen Verfassung vordergründig ein eng an westlichen Vorbildern und Werten orientiertes Staatswesen - mit Gewaltenteilung, Parlament, Mehrparteiensystem und freien Wahlen, mit Presse-, Meinungs-, und Versammlungsfreiheit. Lediglich die starke, überwiegend in den Händen des Präsidenten konzentrierte Exekutive sticht bei den Bestimmungen der Verfassung ins Auge (GIZ 03.2018a).

Tadschikistan hat ein Zweikammer-Parlament mit einer Legislaturperiode von fünf Jahren. Die 34 Mitglieder der Nationalversammlung (Majlisi Milli), das Oberhaus, werden indirekt bestimmt: 25 durch lokale Körperschaften und acht durch den Präsidenten. Die Versammlung der Repräsentanten (Majlisi Namoyandagon), das Unterhaus, wird direkt gewählt, wobei 41 Mitglieder durch absolute Mehrheit in Einer-Wahlkreisen und 22 proportional unter Erreichen einer Fünf-Prozent-Hürde bestimmt werden (IFES 2016, vgl. AA 03.2018a).

Der Staatspräsident wird alle sieben Jahre gewählt. Der gegenwärtige Präsident, Emomali Rachmon, wurde infolge einer Verfassungsänderung aus dem Jahr 2003, die eine zweimalige Wiederwahl ermöglicht, im November 2013 wiedergewählt (IFES 2016, vgl. GIZ 03.2018a). Der Präsident ist laut Verfassung Staats- und Regierungsoberhaupt. Er kontrolliert die Exekutive, Legislative und Judikative, ernennt und entlässt die Provinzgouverneure und ist oberster Armeechef. Im Parlament hält seine Partei (Volksdemokratische Partei Tadschikistans) die für Verfassungsänderungen notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Alle wesentlichen Entscheidungen werden von dem parallel zu den staatlichen Strukturen agierenden Präsidialapparat getroffen. Alle Schlüsselpositionen in Politik, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen sind mit Familienangehörigen (sieben Töchter und zwei Söhne, sowie deren Ehepartner) und engen Vertrauten des Präsidenten besetzt. Diese stammen, wie der Präsident selbst, aus der Region Danghara/Kulob. Durch Ämtervergabe an Angehörige der eigenen Loyalitätsgruppe hat Rachmon seine Herrschaft bis hinunter auf die lokale Ebene gefestigt und präsentiert sich als alleinigen Stabilitätsgarant und Friedensstifter (bpb 11.02.2018).

Ende Dezember 2015 unterzeichnete Präsident Rachmon ein Gesetz, das ihn zum Führer der Nation auf Lebenszeit erhebt. Beide Parlamentskammern hatten zuvor das Gesetz ohne Gegenstimmen gebilligt (UB 29.01.2016). Das Gesetz verleiht Rachmon und seinen Verwandten überdies lebenslange Immunität. Im Jänner 2016 wurde eine Verfassungsänderung beschlossen, die eine unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten ermöglicht und das Mindestalter für das Präsidentenamt von 35 auf 30 Jahre herabsetzt. So wäre Rachmons ältester Sohn Rustam Emomali in der Lage bei der Präsidentenwahl 2020 zu kandidieren, er wäre dann 33 Jahre alt (RFE/RL 10.02.2016). Zu diesem Gesetz wurde am 22. Mai 2016 eine Volksabstimmung durchgeführt und 95 % der Wahlberechtigten stimmten für die Annahme des Gesetzes (Guardian 23.05.2016).

Bei den Parlamentswahlen vom 01.03.2015 gewann die regierende Volksdemokratische Partei Tadschikistans (PDPT) 51 der 63 zu vergebenden Sitze. Die OSZE bemängelte die Restriktionen hinsichtlich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie den Zugang zu den Medien während des Wahlkampfes. Die Chancengleichheit im Wahlkampf wurde nicht gewährleistet. Der Wahlgang inklusive die Auszählung war von zahlreichen Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet (OSCE 15.05.2015).

Während eines Auslandsaufenthalts im Juni 2015 verkündete der Vorsitzende der "Islamische Wiedergeburt" (PIW), Muhiddin Kabiri, nicht mehr nach Tadschikistan zurückzukehren. Kabiri befürchtete, verhaftet zu werden und befindet sich seither im Exil. Nach blutigen Unruhen wurde Ende September 2015 die PIW als letzte Oppositionspartei verboten und als terroristische Vereinigung eingestuft (bpb 11.02.2018, vgl. Standard 29.09.2015). Somit verlor Tadschikistan die letzte echte Oppositionspartei. Bis 2015 war Tadschikistan das einzige postsowjetische Land Zentralasiens mit einer legal agierenden "islamischen" Partei. Die derzeit fünf im Parlament vertretenen Parteien wahren nach außen hin den Schein einer funktionierenden Demokratie im De-facto-Einparteienstaat (bpb 11.02.2018). Es herrscht derzeit ein repressives Klima, das vor oppositionellem Handeln abschrecken soll (AA 20.10.2017), die Regierung unterbindet weiterhin politischen Pluralismus (USDOS 20.04.2018).

(AA - Auswärtiges Amt (03.2018a): Tadschikistan, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tadschikistan-node/-/206886, Zugriff 23.05.2018

AA - Auswärtiges Amt (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: Juni 2017), https://www.ecoi.net/en/file/local/1419912/4598_1514382414_auswaertiges-amt-bericht-tadschikistan-stand-juni-2017-20-10-2017.pdf, Zugriff 23.5.2018

BBC - British Broadcasting Corporation (22.04.2018): Tajikistan country profile, http://www.bbc.com/news/world-asia-16201032, Zugriff 7.4.2016

bpb - Bundeszentrale für politische Bildung (Deutschland) (11.02.2018): Konfliktporträt: Tadschikistan, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54708/tadschikistan, Zugriff 23.05.2018

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (03.2018a): Tadschikistan, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/tadschikistan/geschichte-staat/, Zugriff 23.05.2018

Guardian, the (23.05.2016): Tajikistan votes to allow president to rule indefinitely,

https://www.theguardian.com/world/2016/may/23/tajikistan-votes-to-allow-president-emomali-rahmon-to-rule-indefinitely, Zugriff 23.05.2018

IFES - International Foundation for Electoral Systems (2016):

Election Guide - Democracy Assistance & Election News, Republic of Tajikistan, http://www.electionguide.org/elections/id/2738/, Zugriff 23.05.2018

OSCE - Organization for Security and Co-operation in Europe (155.2015): Tajikistan, Parliamentary Elections, 1 March 2015: Final Report,

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RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (10.2.2016): Date Set For Tajik Referendum On Constitutional Changes, http://www.rferl.org/content/tajikistan-date-set-for-constitutional-referendum/27542733.html, Zugriff 23.05.2018

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TAJSTAT - Statistical agency under the President of the Republic of Tajikistan (23.05.2018): macroeconomic indicators, http://www.stat.tj/en/macroeconomic-indicators/, Zugriff 23.05.2018

UB - Universität Bremen - Forschungsstelle Osteuropa (29.1.2016):

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Sicherheitslage

Als mit dem Zerfall der Sowjetunion Subventionen aus Moskau ausblieben und Tadschikistan "unfreiwillig" die Unabhängigkeit erhielt, entwickelte sich rasch ein Konflikt um die politische und wirtschaftliche Macht entlang regionaler und ideologischer Linien. Die trennenden Gruppenloyalitäten und Solidaritäten haben durch den Bürgerkrieg zusätzlichen Auftrieb erhalten und sich weiter verfestigt. Als Sieger aus diesen Machtkämpfen ging die "Kulober" Fraktion hervor. 1994 wurde Emomali Rachmon als Repräsentant dieser Fraktion zum Präsidenten gewählt (bpb 11.02.2018).

Die Sicherheitsprobleme der jüngsten Jahre waren heimischer Natur, trotz des Versuches seitens der Regierung diese als aus dem Ausland herrührend darzustellen. Die Sicherheitslage in Afghanistan und im Nahen Osten hat wenig Wirkung auf die innere Stabilität Tadschikistans, trotz der Behauptungen der Regierung, dutzende Terroranschläge aus dem Lager der ausländischen Opposition verhindert zu haben. Die Sicherheitskräfte unterdrücken weiterhin alle Dissidentenbewegungen in den periphären Regionen des Rasht-Tales und Gorno-Badachschan (BTI 2018).

Es gibt keine bedeutenden und nachhaltig operierenden Aufständischengruppierungen oder gewalttätige Gruppierungen, die den Staat in den territorialen Enklaven herausfordern. Obwohl die Behörden häufig auf eine Bedrohung durch radikal-islamistische Gruppierungen oder den IS hinweisen, hat sich diese Bedrohung bisher noch nicht manifestiert und scheint auch weitgehend übertrieben (BTI 2018).

Gewalttätige Vorfälle mit Oppositionellen gab es 2009 und 2011 in Rasht und 2012 und 2014 in Gorno-Badachschan (ICG 09.10.2017). Im Herbst 2015 kamen bei einer von der Regierung als "Umsturzversuch" bewerteten Schießerei im Stadtzentrum von Duschanbe acht Polizisten und neun Angreifer ums Leben. Der Hauptverantwortliche, der einen Tag zuvor entlassene stellvertretende Verteidigungsminister General Abduhalim Nazarzoda, wurde wenige Tage später in der Bergregion unweit der Hautstadt von Spezialkräften aufgespürt und getötet (bpb 11.02.2018; vgl. BTI 2018) Bei der in diesem Zusammenhang durchgeführten Anti-Terror-Aktion wurden rund 40 Menschen getötet und etwa 140 festgenommen (Standard 29.09.2015).

Die Regierung konzentriert sich auf die Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus und beobachtet die mögliche Rückkehr tadschikischer Kämpfer aus dem Ausland. Gemäß Open-Source-Berichten haben sich ca. 1.000 Tadschiken dem IS und andere terroristische Gruppen in Irak und Syrien angeschlossen. Die potentielle Gefahr durch die Instabilität in Nordafghanistan ist der Regierung bewusst und aus Besorgnis, dass terroristische Gruppen aus Afghanistan die durchlässige Grenze nach Tadschikistan überqueren könnten, hat die Regierung die Militär- und Polizeipräsenz verstärkt und führt taktische Operationen durch. Die Regierung hat dafür Unterstützung von den USA und deren Partnern erbeten (USDOS 19.07.2017).

An der Grenze zu Afghanistan kommt es vereinzelt zu Schusswechseln zwischen afghanischen Drogenschmugglern und Angehörigen der tadschikischen Grenztruppen und der Drogenkontrollbehörde (AA 03.04.2018b; vgl. ICG 09.10.2017), insbesondere in Gorno-Badachschan. Bei Vorfällen im Jahr 2017 wurden einige Menschen verletzt (GOV.UK 13.03.2018). Diese Vorfälle stellen i.d.R. keine gezielten Angriffe auf das Territorium oder die Institutionen Tadschikistans dar. Die Afghanischen Taliban haben kein territoriales Interesse außerhalb der Grenzen Afghanistans (ICG 09.10.2017).

Die Grenze zwischen Tadschikistan und Kirgisistan ist umstritten (GOV.UK 13.03.2018). Nur etwa 50 Prozent der etwa 970 Kilometer langen Grenze zwischen den beiden Staaten sind eindeutig festgelegt (KAS 01.2014; vgl. TA+ 04.04.2018). Seit Anfang 2014 ist es im Grenzgebiet zwischen Tadschikistan und Kirgisistan wiederholt zu bewaffneten Auseinandersetzungen teilweise mit Todesopfern gekommen (AA 03.04.2018b). Insbesondere in der Nähe der Enklave Vorukh kommt es gelegentlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen lokalem Ausmaßes (GOV.UK 13.03.2018).

(AA - Auswärtiges Amt (03.04.2018b): Tadschikistan: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/TadschikistanSicherheit.html, Zugriff 30.05.2018

bpb - Bundeszentrale für politische Bildung (Deutschland) (11.02.2018): Konfliktporträt: Tadschikistan, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54708/tadschikistan, Zugriff 23.05.2018

BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Tajikistan Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427443/488354_en.pdf, Zugriff 24.5.2018

GOV.UK (13.3.2018): Foreign travel advice Tajikistan - Safety and security,

https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/tajikistan/safety-and-security, Zugriff 30.05.2018

ICG - International Crisis Group (09.10.2017): The Rising Risks of Misrule in Tajikistan,

https://www.crisisgroup.org/europe-central-asia/central-asia/tajikistan/86-rising-risks-misrule-tajikistan, Zugriff 30.05.2018

KAS - Konrad Adenauer Stiftung (01.2014): Gefecht im Ferganatal Tadschikistan und Kirgisistan streiten um Grenzverlauf, http://www.kas.de/wf/doc/kas_36643-1522-1-30.pdf?140122165515, Zugriff 30.05.2018

Standard, der (29.09.2015): Tadschikistan verbietet islamische Oppositionspartei,

http://derstandard.at/2000022978892/Tadschikistan-verbietet-islamische-Oppositionspartei, Zugriff 23.05.2018

TA+ - Media Group Tajikistan Asia-Plus (04.04.2018): Tajik border guards prevent mas brawl between residents of Tajik and Kyrgyz border villages, one border guard slightly injured, https://news.tj/en/news/tajikistan/incidents/20180404/tajik-border-guards-prevent-mas-brawl-between-residents-of-tajik-and-kyrgyz-border-villages-one-border-guard-slightly-injured, Zugriff 30.05.2018

USDOS (19.07.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/document/1404730.html, Zugriff 30.05.2018)

Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium ist vorrangig für die Erhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig und kontrolliert die Polizei. Die Drogenkontrollbehörde, die Antikorruptionsbehörde, die staatliche Steuer- sowie die Zollbehörden können spezifischen Straftaten nachgehen und berichten dem Präsidenten. Das Staatskomitee für Nationale Sicherheit ist für den Nachrichtendienst verantwortlich, kontrolliert den Grenzschutz und untersucht Fälle von vermeintlichen extremistischen Aktivitäten im politischen oder religiösen Bereich, sowie Fälle von Menschenschmuggel und politisch sensible Fälle. Die Generalstaatsanwaltschaft beaufsichtigt die strafrechtlichen Untersuchungen der zuständigen Behörden. Es kommt zu beträchtlichen Überlappungen bei der Zuständigkeit. Die Gesetzesvollzugsbehörden fügen sich jedoch dem Staatskomitee für Nationale Sicherheit. Die Vollzugsbehörden sind in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität nicht effizient, da kriminelle Banden über Beziehungen zu hohen Regierungskreisen und Sicherheitsbehörden verfügen (USDOS 20.04.2018; vgl. AA 20.10.2017).

Straffreiheit der Behörden stellt ein gravierendes Problem dar. Während die Behörden begrenzte Schritte gegen Straftäter unternehmen, gibt es weiterhin Berichte von Folter und Misshandlungen von Häftlingen. Die Kultur der Straflosigkeit und der Korruption schwächen die Ermittlungen und die Strafverfolgung (BTI 2018, vgl. USDOS 20.04.2018).

Die Polizei kann eine Person zwölf Stunden lang festhalten, bevor die Behörden Strafanklage erheben. Wenn letzteres nicht geschieht, muss die Person freigelassen werden. Allerdings informiert die Polizei die Festgenommenen oft nicht über die konkreten Vorwürfe. Falls die Polizei Strafanzeige erhebt, kann eine Person bis zu 72 Stunden festgehalten werden, bevor die Polizei die Anzeige einem Richter zwecks Einvernahme unterbreiten muss (USDOS 20.04.2018).

(AA - Auswärtiges Amt (03.2018a): Tadschikistan, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tadschikistan-node/-/206886, Zugriff 23.05.2018

BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): Tajikistan Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427443/488354_en.pdf, Zugriff 24.05.2018

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/document/1430381.html, Zugriff 24.05.2018)

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter. Trotz der Änderung des Strafgesetzbuches im Jahr 2012, als Folter in Übereinkunft mit dem internationalen Recht definiert wurde, gibt es Fälle von Gewalt, Folter und anderen Zwängen, um bei Verhören Geständnisse zu erpressen (USDOS 20.04.2018). Menschenunwürdige Behandlung kommt vor allem während der Untersuchungshaft vor, aber auch in den Streitkräften entsprechend sowjetischer Tradition. Sie reicht von grober Behandlung bis zu Misshandlung mit Todesfolge. Lt. IKRK ist Folter in Tadschikistan derzeit nicht als systematisch zu betrachten (AA 20.10.2017). Seit 2012 wurden die Strafen für Folter verschärft und seither wurden auch einzelne Fälle vor Gericht gebracht und abgeurteilt (AA 03.2018a); die Täter kamen aber häufig in den Genuss von raschen Amnestien (AA 20.10.2017).

Einerseits hatte Tadschikistan 2012 den Sonderberichterstatter für Folter sowie den Sonderberichterstatter für das Recht auf Gesundheit der Hochkommissarin für Menschenrechte eingeladen und gewährte ihnen im Rahmen ihrer Besuche weitgehend freien Zugang zu Haftanstalten und anderen geschlossenen Institutionen (AA 03.2018a). Andererseits schränkt das Justizministerium den Zutritt zu Haftanstalten für Vertreter der Internationalen Gemeinschaft ein. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat seit 2004 keinen Zutritt, da es kein diesbezügliches Übereinkommen mit der Regierung gibt. Die einheimische Organisation, "Koalition gegen Folter" und der Ombudsmann konnten Haftanstalten besuchen, doch wurde ihnen die Befragung von Häftlingen und Akteneinsicht verweigert (USDOS 20.04.2018).

Die NGO "Koalition gegen Folter" berichtet für das Jahr 2016 von Verbesserungen im Kampf gegen die Folter in Tadschikistan (CaT 2017). Für das Jahr 2016 wurden 57 Fälle dokumentiert (AA 20.10.2017; vgl. CaT 2017), die vermutlich nicht die Gesamtheit aller Fälle erfassen (AA 20.10.2017). Im Jahr 2016 wurden fünf Armeemitglieder wegen unmenschlicher Behandlung verurteilt, erstmals erhielt ein Bürger eine offizielle Entschuldigung wegen Polizeigewalt und 25 Personen erhielten psychosoziale Hilfe (davon zehn Folteropfer und 15 Angehörige) (CaT 2017).

(AA - Auswärtiges Amt (03.2018a): Tadschikistan, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tadschikistan-node/-/206886, Zugriff 23.05.2018

AA - Auswärtiges Amt (20.10.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: Juni 2017), https://www.ecoi.net/en/file/local/1419912/4598_1514382414_auswaertiges-amt-bericht-tadschikistan-stand-juni-2017-20-10-2017.pdf, Zugriff 23.05.2018

CaT - Civil society Coalition against torture and impunity in Tajikistan (2017): 2016 Annual Report, http://notorturetj.org/sites/default/files/articles/2017/files/annualreport2016_eng.pdf, Zugriff 24.05.2018

HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Tajikstan, https://www.ecoi.net/en/document/1422597.html, Zugriff 24.05.2018

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/document/1430381.html, Zugriff 24.05.2018)

Allgemeine Menschenrechtslage

Sämtliche Bürgerrechte sind im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsstandards in der nationalen Gesetzgebung verankert. Allerdings werden in der Praxis die Bürgerrechte regelmäßig verletzt. Willkürliche Festnahmen, lange Untersuchungshaft, Folter und Missbrauch sind systematisch. Folter und Todesfälle während der Gefängnishaft kommen weiterhin vor. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind wegen der Überbelegung, den unhygienischen Zuständen und dem hohen Niveau an Tuberkulose und HIV/AIDS lebensbedrohlich. Häusliche Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet. Speziell religiöse Gruppen, die nicht der von der Regierung propagierten Interpretation des Islam folgen, sind Zielscheiben (BTI 2018).

Die Situation der Menschenrechte verschlechterte sich 2017 weiter, als die Behörden die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit, friedliche politische Oppositionsarbeit, freie Berufsausübung und die Religionsfreiheit unterbanden (HRW 18.01.2018, AI 22.02.2018). Dutzende Mitglieder und Sympathisanten illegaler Oppositionsgruppen wie die Partei der Islamischen Wiedergeburt und die Gruppe 24 berichten, dass als Vergeltung für oppositionelle Aktivitäten im Ausland in Tadschikistan zurückgebliebene Familienmitglieder von den Behörden bedroht, verhaftet, befragt und in manchen Fällen geschlagen wurden, in einzelnen Fällen auch ältere Personen und Kinder. Die örtlichen Behörden stigmatisierten Verwandte öffentlich als "Verräter" und "Staatsfeinde" (AI 22.02.2018).

Unabhängige Rechtsanwälte stehen zunehmend im Visier der Regierung. So wurden einige Verteidiger von Angeklagten der Islamischen Wiedergeburt-Partei selbst angeklagt (IWPR 21.1.2016). Strafverteidiger, die politisch heikle Fälle übernahmen, werden im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung belästigt, eingeschüchtert und unter Druck gesetzt. Menschenrechtsanwälte sind von willkürlichen Verhaftungen, politischen Strafverfolgungen und strengen Gefängnisstrafen betroffen; viele von ihnen haben aus Sicherheitsgründen das Land verlassen (AI 22.02.2018)

USDOS gibt als schwerwiegenste Menschenrechtsverletzungen an: Folter und Missbrauch von Häftlingen, willkürliche Verhaftungen - auch von Familienmitgliedern, schlechte Haftbedingungen, politisch motivierte Verfolgungen von Menschenrechtsanwälten, Einschränkungen der Freiheiten in Bezug auf Meinung, Presse, Information und Vereinigung, schlechte Religionsfreiheit, Einschränkung der politischen Partizipation, Nepotismus und Korruption, Gewalt und Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und sexueller Orientierung, und Zwangsarbeit. Es gibt nur wenige Strafverfahren von Regierungsbediensteten wegen Menschenrechtsverletzungen. Beamte in den Sicherheitsdiensten und in anderen Regierungsorganisationen genießen Straffreiheit (USDOS 20.04.2018).

Freedom House stufte Tadschikistan Anfang 2016 hinsichtlich der politischen Rechte von sechs auf sieben herab. Das Land wird als nicht frei bezeichnet mit einem Trend zum Schlechteren (FH 2016), der Wert blieb auch 2017 auf Stufe 7; auf einer Skala von 1 bis 7 entspricht die Bewertung 1 die höchste Ebene demokratischen Fortschritts und 7 den niedrigsten (FH 2017).

Im Oktober 2017 hielten die Europäische Union und Tadschikistan einen Menschenrechtsdialog ab. Die Teilnehmer stimmten überein, dass es gute Fortschritte im Bereich der Frauenrechte, insbesondere bei der Prävention häuslicher Gewalt, gemacht wurde. Gute Fortschritte machte die Tadschikische Regierung bei der Vorbeugung von Folter und Misshandlungen. Jedoch bleiben Defizite bestehen und die EU benannte dabei bestimmte Fälle von Folter in der Armee, in Untersuchungshaft und im Strafvollzug. Die EU erwartet von den tadschikischen Behörden, sicherzustellen, dass kein Druck auf Familienmitglieder von Oppositionellen, auch jenen, die im Ausland leben, ausgeübt wird (EU 13.10.2017).

Aufgrund von Änderungen im Gesetz für Rechtsanwälte mussten alle Anwälte bis Juni 2016 eine Prüfung ablegen, um ihre Lizenz zu erneuern. Da viele Anwälte nicht in der Lage waren, diese Prüfung rechtzeitig abzulegen, sank die Zahl der Strafverteidiger im Land von ca. 2.000 auf 532 (USDOS 20.04.2018; vgl. FH 11.04.2018: von

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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