TE Bvwg Beschluss 2019/8/29 W204 2163843-2

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Veröffentlicht am 29.08.2019
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Entscheidungsdatum

29.08.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2

Spruch

W204 2163843-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Dr. Malena STÜRZENBECHER, Rechtsanwältin in 1080 Wien, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 17.06.2019 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zu W204 2163843-1/15E:

A)

Der Antrag auf Wiederaufnahme wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der nunmehrige Wiederaufnahmewerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in die Republik Österreich ein und stellte am 26.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde letztlich durch das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 17.06.2019 zu W204 2163843-1/15E abgewiesen.

Dagegen hat der Wiederaufnahmewerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben sowie unter einem einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenshilfe gestellt. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 04.07.2019, E 2402/2019-6, wurde dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, Folge gegeben.

I.2. Mit Eingabe vom 08.07.2019 stellte der Wiederaufnahmewerber durch die im Spruch genannte Vertreterin einen Antrag auf Wiederaufnahme dieses Verfahrens.

Zur Begründung seines Antrages brachte der Wiederaufnahmewerber vor, es seien nach Abschluss des Verfahrens neue Tatsachen beziehungsweise Beweismittel hervorgekommen, welche im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptteil des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten. Konkret wurde ausgeführt, dass dem Wiederaufnahmewerber das Ausmaß und die konkrete Erkrankung am Herzen erst nach Vorlage von ärztlichen Befundberichten am 27.06.2019 - sohin nach rechtskräftiger Beendigung des Asylverfahrens - bekannt geworden sei. Bei dieser Herzerkrankung handle es sich daher um eine Tatsache, die schon vor rechtskräftiger Beendigung des Asylverfahrens bestanden habe, aber ohne Verschulden des Wiederaufnahmewerbers nicht vorgebracht werden konnte.

Aufgrund dieser Herzerkrankung in Zusammenhang mit dem bereits festgestellten Asthma bronchiale und seiner Sinusitis sei der Wiederaufnahmewerber nicht arbeitsfähig beziehungsweise sei dessen Arbeitsfähigkeit zumindest erheblich eingeschränkt, weshalb ihm eine Rückkehr nach Afghanistan einschließlich Kabul, Herat und Mazar-e Sharif nicht möglich und zumutbar sei. Darüber hinaus bestehe aufgrund der Erkrankungen die Gefahr, dass der Wiederaufnahmewerber in starken Stresssituationen einen Herzinfarkt erleide, weshalb schon allein deshalb die Abschiebung und das Leben in Afghanistan eine erhebliche Gefahr für sein Leben darstelle. Bei der Herzerkrankung handle es sich um eine Erkrankung, die mit zunehmendem Alter fortschreite und früher oder später medikamentös behandelt werden müsse. In Afghanistan hätte der Wiederaufnahmewerber jedoch weder Zugang zu ärztlicher Behandlung noch zu den notwendigen Medikamenten.

Es wurde ein Antrag auf Einholung eines Gutachtens aus dem Fachbereich der Kardiologie sowie der Pulmologie und HNO-Heilkunde unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen dieser Erkrankungen aufeinander gestellt. Darüber hinaus wurde beantragt, die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.06.2019, W204 2163843-1/15E, abgeschlossenen Verfahrens zu bewilligen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, dem Antragsteller den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, die Rückkehrentscheidung für unzulässig zu erklären, in eventu festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 oder § 57 AsylG vorliegen, sowie die Ausweisung aus dem Bundesgebiet aufzuheben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Zugrunde liegender Sachverhalt

II.1.1. Sachverhaltsfeststellungen bzw. Stand des Verfahrens zu W204 2163843-1

Der Wiederaufnahmewerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, dessen Identität nicht feststeht, stellte am 26.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 21.06.2017 in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde durch das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis zu W204 2163843-1/15E vom 17.06.2019, das dem Vertreter am selben Tag zugestellt wurde, als unbegründet abgewiesen. Zur gesundheitlichen Situation des BF wurde im Erkenntnis auf Basis der Angaben des Wiederaufnahmewerbers und der vorgelegten Befunde festgestellt, dass er an Asthma bronchiale und Sinusitis leide. An Asthma leide er seit seinem Aufenthalt in Österreich, während die Sinusitis bereits im Iran diagnostiziert und behandelt worden sei. Gegen seine Beschwerden nehme der Wiederaufnahmewerber täglich SULTANOL Spray, SERETIDE, Montelukast 10mg und Mefenam 500mg ein. Der BF könne die Medikamente, wie dies auch bereits sein Vater getan habe, aus dem Iran, nicht zuletzt über die dortigen Familienmitglieder beziehen. Der Wiederaufnahmewerber sei trotz seiner gesundheitlichen Beschwerden arbeitsfähig. Zudem könne er durch seine zahlreichen Familienangehörigen in Afghanistan, die die familieneigene Landwirtschaft bewirtschaften, über Grundstücke verfügen und zudem teilweise in Kabul wohnen, sowie durch jene im Iran und in Österreich unterstützt werden.

Zur medizinischen Versorgung in Afghanistan wurde auszugsweise Folgendes festgestellt:

"Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen (MPI 27.1.2004; Casolino 2011). Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 5.2018).

In den letzten zehn Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen (WHO o.D.). Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht (TWBG 10.2016; vgl. USAID 25.5.2018). Gründe dafür waren u. a. eine solide öffentliche Gesundheitspolitik, innovative Servicebereitstellung, Entwicklungshilfen usw. (TWBG 10.2016). Einer Umfrage der Asia Foundation (AF) zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert (AF 11.2017).

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Strategieplan für den Gesundheitssektor (2011-2015) und eine nationale Gesundheitspolicy (2012-2020) entwickelt, um dem Großteil der afghanischen Bevölkerung die grundlegende Gesundheitsversorgung zu garantieren (WHO o.D.).

[...]

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS), die im Jahr 2003 eingerichtet wurden (MoPH 7.2005; vgl. MedCOI 4.1.2018). Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die Kosten nicht ausreichend decken (MedCOI 24.2.2017). Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten. Die Kosten dafür müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden (IOM 5.2.2018).

Medizinische Versorgung wird in Afghanistan auf drei Ebenen gewährleistet: Gesundheitsposten (HP) und Gesundheitsarbeiter (CHWs) bieten ihre Dienste auf Gemeinde- oder Dorfebene an; Grundversorgungszentren (BHCs), allgemeine Gesundheitszentren (CHCs) und Bezirkskrankenhäuser operieren in den größeren Dörfern und Gemeinschaften der Distrikte. Die dritte Ebene der medizinischen Versorgung wird von Provinz- und Regionalkrankenhäusern getragen. In urbanen Gegenden bieten städtische Kliniken, Krankenhäuser und Sonderkrankenanstalten jene Dienstleistungen an, die HPs, BHCs und CHCs in ländlichen Gebieten erbringen (MoPH 7.2005; vgl. AP&C 9.2016). 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden dennoch nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (AA 5.2018).

[...]

Krankenhäuser in Afghanistan

Theoretisch ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern kostenlos. Dennoch ist es üblich, dass Patienten Ärzte und Krankenschwestern bestechen, um bessere bzw. schnellere medizinische Versorgung zu bekommen (IOM 5.2.2018). Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich (RFG 2017). In öffentlichen Krankenhäusern in den größeren Städten Afghanistans können leichte und saisonbedingte Krankheiten sowie medizinische Notfälle behandelt werden. Es besteht die Möglichkeit, dass Beeinträchtigungen wie Herz-, Nieren-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen, die eine komplexe, fortgeschrittene Behandlung erfordern, wegen mangelnder technischer bzw. fachlicher Expertise nicht behandelt werden können (IOM 5.2.2018). Chirurgische Eingriffe können nur in bestimmten Orten geboten werden, die meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen (RFG 2017). Wenn eine bestimmte medizinische Behandlung in Afghanistan nicht möglich ist, sehen sich Patienten gezwungen ins Ausland, meistens nach Indien, in den Iran, nach Pakistan und in die Türkei zu reisen. Da die medizinische Behandlung im Ausland kostenintensiv ist, haben zahlreiche Patienten, die es sich nicht leisten können, keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung (IOM 5.2.2018).

Beispiele für Nichtregierungsinstitutionen vor Ort

Ärzte ohne Grenzen (MSF)

Médecins sans Frontières (MSF) ist in verschiedenen medizinischen Einrichtungen in Afghanistan tätig: im Ahmad Shah Baba Krankenhaus und im Dasht-e Barchi Krankenhaus in Kabul, in der Entbindungsklinik in Khost, im Boost Krankenhaus in Lashkar Gah (Helmand) sowie im Mirwais Krankenhaus und anderen Einrichtungen in Kandahar (MSF o. D.).

Das Komitee des internationalen Roten Kreuz (ICRC)

Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung. Für den Zeitraum von Dezember 2017 bis März 2018 wurden Berichten zufolge insgesamt 48 Zwischenfälle in 13 Provinzen registriert. Nach mehreren Angriffen mit Todesfolge auf Mitarbeiter des ICRC, hat das Internationale Komitee des Roten Kreuzes 2017 einen erheblichen Teil seines Personals im Land abgezogen (AA 5.2018). Trotzdem blieb im Laufe des Jahres 2017 das ICRC landesweit aktiv. Tätigkeiten des Komitees zur Förderung der Gesundheitsfürsorge waren z.B. der Transport von Kriegsverwundeten in nahe liegende Krankenhäuser für weitere medizinische Versorgung, die Bereitstellung von Medikamenten und medizinischer Ausstattung zur Unterstützung einiger staatlicher Krankenhäuser, die Bereitstellung von medizinischer Unterstützung für das Mirwais Krankenhauses in Kandahar, die Unterstützung von Gesundheitsdienstleistungen in zwei Gefängnissen (Kandahar und Herat) usw. (ICRC 28.1.2018).

[...]

Weitere Projekte

Das Telemedizinprojekt des Mobilfunkanbieters Roshan, verbindet Ärzte in ländlichen Gegenden mit Spezialisten im französischen Kindermedizininstitut in Kabul und dem Aga Khan Universitätskrankenhaus in Pakistan. Durch eine Hochgeschwindigkeits-Videoverbindung werden mittellose Patienten auf dem Land von Fachärzten diagnostiziert. Unter anderem bietet die von Roshan zur Verfügung gestellte Technologie afghanischen Ärzten die Möglichkeit, ihre medizinischen Kenntnisse zu erweitern und auf den neuesten Stand zu bringen (GI 17.12.2016; vgl. NCBI 23.3.2017)."

Gegen dieses Erkenntnis hat der Wiederaufnahmewerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der mit Beschluss vom 04.07.2019, E2402/2019-6 aufschiebende Wirkung gewährt wurde.

II.1.2. Sachverhalt aus dem Vorbringen im Wiederaufnahmeantrag

Laut der mit dem Wiederaufnahmeantrag vorgelegten ärztlichen Stellungnahme vom 24.06.2019 leidet der Wiederaufnahmewerber in den letzten Wochen zusätzlich zum oben Festgestellten unter Stenokardien, weswegen eine kardiologische Abklärung empfohlen wurde. Durch einen Facharzt für Innere Medizin wurde beim Wiederaufnahmewerber am 27.06.2019 ein pathologisches EKG, eine konzentrische linksventrikuläre Hypertrophie, eine Mitralklappeninsuffizienz und eine Relaxationsstörung diagnostiziert. Der BF benötigt derzeit keine Therapie.

II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt, insbesondere aus dem Antrag auf Wiederaufnahme und den diesem beigelegten Unterlagen, denen vom Bundesverwaltungsgericht gefolgt wird, sowie aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.06.2019, W204 2163843-1/15E.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgericht mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geregelt (§ 1 leg. cit.)

II.3.2. Der hier relevante § 32 VwGVG lautet soweit wesentlich:

"(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen."

In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 der Beilagen, XXIV. GP) wurde festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen aufgrund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs. 1 bis 3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind beziehungsweise die bisherigen Judikaturlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.

In diesem Sinne sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 28.06.2016, Ra 2015/10/0136, aus, dass die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet sind und daher auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmegründe zurückgegriffen werden kann.

II.3.3. Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Verfahrens ist, dass die das seinerzeitige Verfahren abschließende Entscheidung mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar, also formell rechtskräftig ist. Die Zulässigkeit und auch die Erhebung von Rechtsmitteln bei den Höchstgerichten hindern, selbst wenn der Beschwerde oder der Revision die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, nicht den Eintritt der formellen Rechtskraft (VwGH 16.09.1980, 1079/79; 23.02.2012, 2010/07/0067; 28.02.2012, 2012/05/0026), vielmehr werden Entscheidungen eines Verwaltungsgerichts bereits mit ihrer Erlassung rechtskräftig (vgl. VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0050; 23.05.2017, Ra 2016/10/0148).

Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.06.2019 wurde folglich durch die Zustellung am selben Tag rechtskräftig, sodass die erste Voraussetzung des § 32 Abs. 1 VwGVG erfüllt ist.

Die ärztliche Stellungnahme und der Befund datieren vom 24.06.2019 beziehungsweise vom 27.06.2019 und der Wiederaufnahmewerber erlangte nach seinen eigenen Angaben an diesen Tagen Kenntnis davon. Der vorliegende am 08.07.2019 eingebrachte Antrag erweist sich daher jedenfalls als rechtzeitig. Er ist jedoch nicht begründet:

Nach ständiger - auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG übertragbare - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nur auf solche Tatsachen d.h. Geschehnisse im Seinsbereich (vgl. VwGH 15.12.1994, 93/09/0434; 04.09.2003, 2000/17/0024) oder Beweismittel, d.h. Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen (vgl. VwGH 16.11.2004, 2000/17/0022; 24.04.2007, 2005/11/0127), gestützt werden, die erst nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten.

Es muss sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" beziehungsweise "nova causa superveniens").

Sowohl die ärztliche Stellungnahme als auch der Befundbericht waren beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens noch nicht vorhanden, sondern sie sind vielmehr erst nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens entstanden. Es handelt sich somit grundsätzlich um nova producta, die eine Wiederaufnahme nicht rechtfertigen können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können jedoch auch neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - das heißt nicht ebenfalls erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen. Hingegen ist bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegensteht (VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0510, 25.02.2019, Ra 2018/19/0611).

Nachdem aus der ärztlichen Stellungnahme hervorgeht, dass der Wiederaufnahmewerber bereits "in den letzten Wochen" an Stenokardien litt, und auch nicht davon auszugehen ist, dass sich die im Befundbericht diagnostizierten Erkrankungen in der Zeit zwischen der Erlassung des Erkenntnisses und dem nur eineinhalb Wochen danach erstellten Befundbericht ausgebildet haben, handelt es sich im gegenständlichen Fall um ein Beweismittel im oben beschriebenen Sinn, sodass der Antrag nicht bereits aus diesem Grund abzuweisen ist.

II.3.4. Die Wiederaufnahme des Verfahrens setzt die Eignung der neuen Tatsachen oder Beweismittel voraus, dass diese allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Ergebnis herbeigeführt hätten. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist. Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das BVwG entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. zu alldem VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0197, mwN).

Diese abstrakte Eignung ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben:

Was die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigen anbelangt, ist auszuführen, dass sich das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.06.2019 tragend auf eine fehlende Glaubhaftmachung der behaupteten Verfolgung stützte (Pkt. II.2.5. und II.3.2.1. des Erkenntnisses vom 17.06.2019 zu W204 2163843-1), weshalb eine allenfalls bestehende innerstaatliche Fluchtalternative nicht maßgeblich für die Entscheidung war (vgl. etwa VwGH 24.01.2017, Ra 2016/01/0338). Dazu wurde im Wiederaufnahmeantrag zudem auch nichts vorgebracht, was eine andere Beurteilung erfordern würde.

Betreffend die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.06.2019 nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage und der dazu ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung auszugsweise Folgendes ausgeführt:

"II.2.6. Der BF ist jung, hinreichend gesund und arbeitsfähig. Er ist in der Lage für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass dem BF in Afghanistan im Rahmen seines Familienverbandes jedenfalls zu Beginn durch seine in Afghanistan lebende Familie eine finanzielle Unterstützung gewährt wird, wie sie ihm durch die Cousine seines Vaters in Kabul bereits einmal gewährt wurde. Warum diese den BF nicht noch einmal zumindest vorübergehend beherbergen sollte, ist nicht ersichtlich und wurde vom BF auch nicht dargetan. Der BF könnte überdies durch seine in Österreich und in Deutschland sowie im Iran lebenden Familienangehörigen finanziell unterstützt werden. Daraus folgt, dass beim BF bei einer Rückkehr in die Städte Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif nicht die Gefahr besteht, dass er in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation geraten würde.

[...]

Wie festgestellt, sind im Heimatdistrikt des BF Aufständische aktiv. Zudem gilt sie als Hochburg der Taliban. In Gardez wurden Angriffe auf Sicherheitskräfte durchgeführt, wobei auch Zivilisten ums Leben gekommen beziehungsweise verletzt worden sind. Eine Rückkehr dorthin ist ihm daher derzeit nicht möglich, da ihm dort eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohen würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Diese Gefahr geht von Akteuren im Sinne des Art. 6 Statusrichtlinie aus und die staatlichen Organe können in der Provinz dagegen keinen wirksamen Schutz leisten (siehe zu dieser Voraussetzung ausführlich VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

Vor dem Hintergrund der individuellen Situation des BF ist diesem jedoch die Rückkehr in die Stadt beziehungsweise die Provinz Kabul, nach Herat oder Mazar-e Sharif aus folgenden Gründen möglich und zumutbar:

Nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens wird - wie oben bereits dargestellt - davon ausgegangen, dass der BF weder aus "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" aus einem der in der GFK angeführten Asylgründe Afghanistan verlassen hat noch er im Falle seiner Rückkehr einer "realen Gefahr" im Sinne der Art. 2, 3 EMRK ausgesetzt wäre, die die Gewährung subsidiären Schutzes notwendig machen würde. Auch die familiären Probleme wurden diesem nicht geglaubt, weshalb er auf das familiäre Netzwerk zurückgreifen kann.

Auch unabhängig vom individuellen Vorbringen des BF sind keine außergewöhnlichen, exzeptionellen Umstände hervorgekommen, die ihm im Fall seiner Rückkehr in die genannten Städte drohen könnten und die ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 8 AsylG darstellen könnten, wie etwa eine dramatische Versorgungslage (z.B. Hungersnöte), eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v. United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 133699/03).

Es handelt sich beim BF um einen arbeitsfähigen, hinreichend gesunden jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Insbesondere aufgrund seiner Schulbildung und seiner Berufserfahrung ist es dem BF möglich und zumutbar, in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif eine berufliche Tätigkeit zu finden, um ein für seinen Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Der BF beherrscht eine Landessprache Afghanistans und gehört zudem auch keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Aufgrund seines Zusammenlebens mit einer afghanischen Familie im Iran und seinem Aufenthalt in Afghanistan ist er überdies mit den kulturellen Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut. Es ist daher vor diesem Hintergrund anzunehmen, dass es dem BF möglich ist, in den genannten Städten ein Leben zu führen, wie es auch andere Landsleute führen. Nicht zuletzt könnten ihn auch seine zahlreichen Verwandten in Afghanistan, im Iran, aber auch in Europa zumindest finanziell unterstützen. Der BF hat überdies angegeben, vor seiner Ausreise bereits in Kabul gewesen zu sein, wo er bei der Cousine seines Vaters übernachtete. Deshalb ist für Kabul ergänzend festzuhalten, dass er dort auch über Familienangehörige verfügt, bei denen er zumindest anfänglich Wohnraum und die Dinge des täglichen Bedarfs erhalten kann. Diese können ihm auch durch ihr Netzwerk bei der Arbeitssuche behilflich sein. Ergänzend ist auch eine Unterstützung durch seine Volksgruppe für alle genannten Städte anzunehmen.

Außerdem kann der BF durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in den genannten Städten das Auslangen finden. Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende beziehungsweise wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte.

[...]

Hinsichtlich der beim BF vorliegenden gesundheitlichen Probleme ist ergänzend zunächst auf die allgemeine höchstgerichtliche Rechtsprechung hinzuweisen: Im Erkenntnis vom 21.02.2017, Ra 2017/18/0008, führte der Verwaltungsgerichtshof aus: "Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder suizidgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland (einer Abschiebung oder Überstellung) nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind (Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff)."

Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 23.03.2017, Ra 2017/20/0038, mwN).

Eine derart gravierende, lebensbedrohliche Erkrankung kann beim BF nach den vorliegenden Unterlagen und dem Vorbringen nicht erkannt werden und brachte dieser auch nicht vor, sondern betonte selbst seine Arbeitsfähigkeit. Das bestehende Krankheitsbild ist überdies in Afghanistan behandelbar. Zudem ist darauf zu verweisen, dass der BF seine länger bestehende Sinusitis bereits früher in Afghanistan behandeln lassen konnte. Während der BF Asthma erst in Österreich bekam, litten andere Familienmitglieder bereits in Afghanistan darunter und konnten sich die notwendigen Medikamente (wenn auch teils aus dem Iran) ebenfalls besorgen. Die Krankheit erreicht zusammengefasst bei weitem nicht die Schwelle des Art. 3 EMRK, sodass sich die vom VwGH im Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, aufgeworfene Rechtsfrage, ob die nationale Rechtslage mit Unionsrecht vereinbar ist, im vorliegenden Fall nicht stellt."

Wie bereits im Erkenntnis vom 17.06.2019 festgehalten, hat nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH und des EGMR ein Fremder im Allgemeinen kein Recht darauf, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder suizidgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (siehe etwa auch VwGH 05.06.2019, Ra 2019/18/0192 mwN).

Nach den auf Basis des Befundberichts getroffenen Feststellungen bedarf der Wiederaufnahmewerber trotz seiner im Gutachten - unter Berücksichtigung seiner Vorerkrankungen - festgestellten Herzerkrankungen keinerlei Therapie bzw. medizinische Behandlung. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Erkrankungen bei Fehlen einer angemessenen Behandlung zu einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands führen, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führen könnte. Wäre dem nämlich so, ist wohl davon auszugehen, dass der Wiederaufnahmewerber auch im Bundesgebiet auf irgendeine Art diesbezüglich behandelt werden würde. Folglich war kein ergänzendes Gutachten einzuholen.

Die Behauptung des Wiederaufnahmewerbers, es bestehe in Stresssituationen die Gefahr eines Herzinfarkts steht überdies dem vorgelegten Befundbericht entgegen. Der Wiederaufnahmewerber, der schlepperunterstützt bis nach Österreich gelangen konnte, zeigt mit seinem nicht im Gutachten abgebildeten Vorbringen nicht auf, dass die vorgebrachte Krankheit jene vom EGMR in der Rechtssache Paposhvili gegen Belgien beschriebene Schwere und Intensität aufweist, welche dazu führen könnte, dass bei einer Abschiebung die hohe Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten würde. Auf das Krankheitsbild des BF wäre lediglich im Vollzug des ergangenen Erkenntnisses Rücksicht zu nehmen.

Darüber hinaus verkennt der Wiederaufnahmewerber in seinem nunmehrigen Antrag, dass das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren, dessen Wiederaufnahme mit dem gegenständlichen Antrag angestrebt wird, zwar mangels gegenteiliger Angaben davon ausgegangen ist, dass der nunmehrige Wiederaufnahmewerber arbeitsfähig ist und daher auch selbst in der Lage wäre, seinen Lebensunterhalt zu sichern, gleichzeitig ist das Bundesverwaltungsgericht jedoch ebenso davon ausgegangen, dass der Wiederaufnahmewerber über Grundstücksbesitz in Afghanistan in seiner Heimatprovinz sowie über familiären Anschluss in seiner Heimatprovinz wie auch in Kabul verfügt sowie dass ihn seine zahlreiche Familienmitglieder in Afghanistan wie auch aus dem Ausland bei einer Rückkehr nach Afghanistan unterstützen können und werden. Dazu bringt der Wiederaufnahmewerber in seinem Antrag nichts vor, sodass weiterhin davon auszugehen ist, dass er über Grundstücksbesitz und familiären Anschluss in Afghanistan und in Kabul bzw. weitere Familienmitglieder im Ausland verfügt. Selbst wenn daher die Angaben im Wiederaufnahmeantrag, wonach der Wiederaufnahmewerber nicht beziehungsweise nur eingeschränkt arbeitsfähig sei, zuträfen, wäre der Wiederaufnahmewerber nicht in einer Situation, die die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen würde, zumal ihm eine sofortige Wohnmöglichkeit und eine finanzielle und organisatorische Unterstützung sowohl in Bezug auf seinen Lebensunterhalt als auch in Bezug auf die notwendigen Medikamente - neben der Behandelbarkeit in Afghanistan - durch die Familie zuteilwerden wird. Es ist daher nicht anzunehmen, dass er in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation gerät. Das vom Wiederaufnahmewerber beantragte Gutachten zur Arbeitsfähigkeit war daher nicht einzuholen, da dieses selbst wenn es zum Ergebnis kommen würde, dass der Wiederaufnahmewerber nicht arbeitsfähig sei, voraussichtlich kein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätte.

II.3.5. Das zum Beweis der fortschreitenden Integration vorgelegte Zertifikat beziehungsweise das Empfehlungsschreiben datiert wie die vorgelegten ärztlichen Bestätigungen ebenfalls nach Abschluss des Verfahrens und beschreibt nur teilweise einen vor Erlassung des Erkenntnisses verwirklichten Sachverhalt und ist bereits deswegen unbeachtlich. Zudem geht aus den Dokumenten nur hervor, dass der Wiederaufnahmewerber einen A2-Deutschkurs besuchte, was im Erkenntnis vom 17.06.2019 bereits festgestellt wurde. Auch diese Dokumente sind daher nicht geeignet, ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeizuführen.

II.3.6. Aus den dargelegten Erwägungen sind die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG nicht erfüllt, weshalb der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens spruchgemäß abzuweisen ist.

II.3.7. Da die Sachlage aufgrund der Aktenlage als geklärt erscheint, konnte eine mündliche Erörterung der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben. Im vorliegenden Fall liegen keine widersprechenden prozessrelevanten Behauptungen vor, die es erforderlich machen würden, dass sich das Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen beziehungsweise Parteien verschafft. Vielmehr ist die hier zu beurteilende Frage, ob ein Wiederaufnahmegrund vorliegt, rechtlicher Natur und es wurde dem Vorbringen im Wiederaufnahmeantrag gefolgt. Dem Entfall der Verhandlung stehen im Ergebnis weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen (vgl. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).

II.3.4. Zu B) zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053). Im Übrigen ergeht die vorliegende Entscheidung in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den maßgeblichen Bestimmungen des § 69 AVG bzw. § 32 VwGVG.

Schlagworte

mangelnder Anknüpfungspunkt, Voraussetzungen, Wiederaufnahmeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W204.2163843.2.00

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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