TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/30 W259 2208882-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.08.2019
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Entscheidungsdatum

30.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W259 2208882-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Iran, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VI. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. wird stattgegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 11.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er beim Fischen von der Polizei erwischt worden sei. Das Fischen sei dort verboten gewesen, aber er habe dies trotzdem getan. Er befürchte bei einer Rückkehr, dass er ins Gefängnis komme (AS 9).

3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz "BFA") am 12.07.2018 gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er ungewollt in eine Demonstration in XXXX hineingezogen worden sei. Zwei Monate danach sei ein Unbekannter in seine Werkstätte gekommen und der Beschwerdeführer habe sein Auto repariert. Eine Woche danach sei dieser wieder gekommen und habe dem Beschwerdeführer ein Foto und ein Video gezeigt, dass der Beschwerdeführer an der Demonstration teilgenommen habe. Damit der BF nicht in das Gefängnis komme habe er dieser Person monatlich 100.000 bis 200.000 Toman über vier Jahre bezahlt. Danach sei er nach XXXX umgezogen. Zwei Jahre später habe ihn dieser Mann wieder gefunden, er wisse jedoch nicht wie und habe gedroht, den Beschwerdeführer dem Geheimdienst zu verraten und ihn auf die schwarze Liste zu setzen. Der Beschwerdeführer habe dann innerhalb von 48 Stunden seine Ausreise organisiert (AS 114).

4. Mit Bescheid vom 10.10.2018 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 1 Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. In der Beschwerdebegründung wurde insbesondere ausgeführt, dass das BFA keine nachvollziehbare Würdigung vorgenommen habe. Der Beschwerdeführer sei im Iran aufgrund einer ihm zumindest unterstellten politischen Gesinnung gegen das iranische Regime mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt. Eine innerstaatliche Fluchtalternative ergebe sich aufgrund seines Vorbringens eindeutig nicht. Der Beschwerdeführer wäre im Falle einer Rückkehr einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Im Iran komme es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischen Hintergrund. Zudem sei die vorgenommene Beweiswürdigung des BFA, dass das Einreiseverbot aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erlassen werde, da das Verhalten des Beschwerdeführers als Gefährdung einzustufen sei, nicht nachvollziehbar (AS 421 f).

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.07.2018 in Anwesenheit einer beeideten Dolmetscherin für die Sprache Farsi und im Beisein des rechtskundigen Vertreters des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.

7. Mit Stellungnahme vom 29.07.2019 legte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer besitzt die iranische Staatsangehörigkeit, gehört der türkischen Volksgruppe an und ist schiitischer Moslem. Er ist im erwerbsfähigen Alter. Der Beschwerdeführer ist geschieden und hat eine erwachsene Tochter.

Er leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Bereits in Iran litt er an einer Sehschwäche und trug eine Brille. Er nahm in Iran deshalb halbjährlich eine Kontrolluntersuchung wahr. In Österreich hat sich seine Sehschwäche am linken Auge verschlechtert und er erhält in Österreich Avastin-Injektionen. Vom 05.05.2019 bis 08.05.2019 wurde der Beschwerdeführer stationär im Krankenhaus wegen epigastrischen Schmerzen und einmaligen Erbrechen aufgenommen. Als Diagnose wurden antrumbetonte Pangastritis, Narbenbulbus, Ulcus am Bulbus - Ausgang, Hp-Gastritis mit Duodenalulcus Beginn der Eradikation am 08.05.2019, Gute LV- und RV-Funktion ohne regionale Kinetikstörungen, minimale TI, gering vergrößerte Vorhöfe, Prostatahyperplasie und Pankreaslipomatose angeführt. Als empfohlene Medikation wurden Pantoloc (Pantoprazol) 40 mg 2 Tabletten täglich für 14 Tage und danach 1 Tablette sowie Anaerobex, Ospamox und Clarithromycin für jeweils 14 Tage verordnet. Derzeit nimmt der Beschwerdeführer jeden dritten Tag das Medikament "Pantoprazol" ein, um seine Magenschmerzen zu behandeln. Darüber hinaus nimmt der Beschwerdeführer Parkemed gegen seine Bein- und Rückenschmerzen ein. Als vorbekannte Diagnosen in Iran wurden ein Magenpolyp, chronischer Nikotinkonsum, Doppelbild bei Batterie Acid Unfall sowie Allergien gegen Pollen und Staubmilben festgehalten.

Der Beschwerdeführer ist am XXXX alias XXXX geboren.

Er ist in der Stadt XXXX in XXXX geboren und aufgewachsen. Zu seiner Familie zählen seine Mutter, seine drei Schwestern und seine drei Brüder. Darüber hinaus hat er eine Tante väterlicherseits sowie eine Tante mütterlicherseits. Seine Familie und seine Verwandten leben in der Heimatstadt. Der Beschwerdeführer pflegt nur mit einer Schwester Kontakt und telefoniert mit ihr ungefähr einmal im Jahr. Zwei Brüder arbeiten auf Baustellen. Ein dritter Bruder ist ausgebildeter Mechaniker, aber nicht berufstätig. Bis auf seinen jüngsten Bruder besitzen alle Familienmitglieder jeweils ein Eigentumshaus und unterstützen sich gegenseitig. Seine Tochter ist verheiratet und er hat keinen Kontakt zu ihr. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Farsi. Er spricht auch Türkisch und besitzt Englischkenntnisse.

Der Beschwerdeführer hat in Iran mehrere Jahre die Schule besucht, jedoch nicht mit Matura abgeschlossen. Danach hat er als Mechaniker in einer Werkstatt in XXXX gearbeitet. Im Monat hat der Beschwerdeführer mindestens 1 Mio. Toman verdient. Zuletzt hat er in XXXX eine Werkstätte eröffnet und dort bis zu seiner Ausreise aus Iran gelebt und gearbeitet. In dieser Zeit ist er einmal zurück nach XXXX gefahren, um Motorräder zu reparieren und mehrmals in seine Heimatstadt XXXX gefahren, um die Fahrzeuge seiner Familie zu reparieren. Ersatzteile hat er während dieser Zeit in XXXX besorgt.

Der Beschwerdeführer kann im Falle einer Rückkehr nach Iran bei seiner Familie in XXXX wohnen und von dieser unterstützt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Im Juli 2017 wurde über den Beschwerdeführer ein Betretungsverbot verhängt. Ein Verfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 SMG wurde mit 16.10.2017 von der zuständigen Staatsanwaltschaft eingestellt. Er ist in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatte darüber hinaus keine Probleme mit Behörden. Er ist kein Mitglied von politischen Parteien und war bisher auch sonst politisch nicht aktiv.

1.2. Zum Fluchtgrund:

Der Beschwerdeführer war in Iran nie einer individuellen konkreten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt. Der Beschwerdeführer wurde in Iran auch nicht aufgrund einer unbeabsichtigten Teilnahme an einer Demonstration in XXXX von einem iranischen Beamten erpresst und bedroht.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Der Beschwerdeführer hat keine konkrete Verfolgung oder Bedrohung im Falle seiner Rückkehr nach Iran zu befürchten. Im Falle einer Rückkehr nach Iran wäre der Beschwerdeführer nicht psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer wäre im Falle einer Rückkehr nach Iran aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter nicht bedroht.

Eine Rückkehr in seine Heimatstadt XXXX ist möglich. Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in seine Heimatstadt kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Es kann ausgeschlossen werden, dass eine allfällige Rückführung des Beschwerdeführers in seine Heimatstadt XXXX ausgehend von der Hauptstadt XXXX mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden ist.

XXXX verfügt über einen internationalen Flughafen.

Der Beschwerdeführer läuft im Falle der Rückkehr in die Stadt XXXX nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimatstadt XXXX ausschließen, konnten nicht festgestellt werden. Er kann dort seine Existenz- zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Seine Familie kann ihn im Falle einer Rückkehr in die Heimatstadt unterstützen, sodass ihm eine Unterkunft und Versorgung zur Verfügung stehen.

1.4. Zum Leben in Österreich:

Der Beschwerdeführer hält sich seit Dezember 2015 in Österreich auf. Der Beschwerdeführer hat bereits Deutschkurse besucht. Er verfügt über kein Deutschzertifikat und kann noch nicht auf Deutsch kommunizieren. Da der Beschwerdeführer keine Arbeitserlaubnis hat, war er bisher in Österreich nicht erwerbstätig. Der Beschwerdeführer hat in seinen Unterkünften in Österreich freiwillige Tätigkeiten in Form von einfachen Elektriker-, Fliesenleger- und Installateurarbeiten übernommen und hilft seit einem Jahr einem Mann, der im Rollstuhl sitzt. Für diese Unterstützung erhält er im Gegenzug Zigaretten. Er lebt mit dieser Person nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Er pflegte in Österreich einen Freundeskreis, mit dem er an Treffen der Zeugen Jehovas teilnahm. Diese Treffen besucht er derzeit nicht mehr. Er lebt in Österreich von der Grundversorgung. Ferner verfügt er über keine Einstellzusage in Österreich. Der Beschwerdeführer ist nicht Mitglied in einem Verein. In seiner Freizeit fährt er Rad. Es konnten keine substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens festgestellt werden. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer ein besonderes Abhängigkeits- oder Naheverhältnis in Österreich pflegt. Es leben keine nahen Angehörigen des Beschwerdeführers in Österreich.

1.5. Das Bundesverwaltungsgericht trifft aufgrund der im Beschwerdeverfahren eingebrachten aktuellen Erkenntnisquellen folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

1.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 03.07.2018:

Sicherheitslage:

Auch wenn die allgemeine Lage insgesamt als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land. Sie haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 20.6.2018).

In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht. Am 7. Juni 2017 ist es nichtsdestotrotz in Teheran zu Anschlägen auf das Parlamentsgebäude und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini gekommen, die Todesopfer und Verletzte forderten (AA 20.6.2018b).

Ethnische Minderheiten

Iran gehört mit etwa 80 Millionen Einwohnern zu den 20 bevölkerungsreichsten Ländern der Erde . Das Bevölkerungswachstum beträgt etwa 1,3%. Dabei ist die iranische Gesellschaft weit heterogener als die offizielle Staatsdoktrin glauben machen will. Nur etwa 51% der Iraner sind Perser. Dazu kommt die Volksgruppe der Aseris mit 24% der Gesamtbevölkerung, etwa 8% Gilakis und Mazanderanis, 7% Kurden, 3% Araber und je etwa 2% Turkmenen, Luren und Balutschen. Die diesbezüglich genannten Zahlen variieren teils beträchtlich. Zudem leben viele Flüchtlinge im Land, von denen die afghanischen mit etwa zwei Millionen weiterhin die größte Gruppe stellen, gefolgt von irakischen. Insgesamt ist Iran im Moment das viertgrößte Aufnahmeland für Flüchtlinge weltweit. Die ethnischen Minderheiten des Iran leben eher in den Grenzregionen des Landes zu seinen Nachbarn, die Kurden etwa im Nordwesten, die Araber in der Region um den Persischen Golf. Dennoch sind Entwicklungen wie etwa im Irak oder Afghanistan in Iran nicht zu erwarten. Abseits eines gern gepflegten Patriotismus zur eigenen Ethnie sind separatistische Bewegungen ethnischer Minderheiten kein vielen Nachbarstaaten vergleichbares Problem. Sie beschränken sich auf einige Gruppierungen in Balutschistan und Kurdistan, wobei gerade hier die Regierung immer wieder gern selbst Separatismus unterstellt, um diesem mit Gewalt zuvorzukommen (GIZ 3.2018c).

Es sind keine Rechtsverletzungen gegen Mitglieder ethnischer Minderheiten aus rein ethnischen Gesichtspunkten bekannt. Von Diskriminierungen im Alltag (rechtlich, wirtschaftlich und/oder kulturell, z.B. Zugang zu Wohnraum, Wasser und Bildung) wurde jedoch betreffend u.a. Angehöriger der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aseris, Belutschen, Kurden und Turkmenen berichtet. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Behörden und Schulen ist weiterhin verboten, trotz entsprechender Zusagen von Präsident Rohani während seines Wahlkampfes im Jahr 2013. Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzten, wurden bedroht, festgenommen und bestraft (ÖB Teheran 9.2017).

Der Vielvölkerstaat Iran verfolgt gegenüber ethnischen Minderheiten grundsätzlich eine auf Ausgleich bedachte Politik, v.a. die Aseri sind in Staat und Wirtschaft sehr gut integriert (AA 2.3.2018). Die Infrastruktur von Regionen, wo Minderheiten wohnen, sind allerdings zum Teil stark vernachlässigt (BMI 2015). In der Provinz Sistan und Belutschistan berichteten viele Dorfbewohner, dass es ihnen an Wasser, Elektrizität, Schulen und Gesundheitseinrichtungen mangele. In der verarmten Provinz sind die Analphabetenquote bei Mädchen und die Kindersterblichkeit sehr hoch. Angehörigen ethnischer Minderheiten, die die Verletzung ihrer Rechte kritisieren, drohen willkürliche Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen, grob unfaire Gerichtsverfahren, Gefängnisstrafen und die Todesstrafe. Geheimdienste und Sicherheitsorgane beschuldigten Aktivisten, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, sie würden "separatistische Strömungen" unterstützen, die Irans territoriale Integrität bedrohten (AI 22.2.2018).

Grundversorgung

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 9,3 Mio. IRR im Monat (ca. 200 Euro). Das durchschnittliche Monatseinkommen pro Kopf liegt bei ca. 400 Euro (AA 2.3.2018).

Seit dem Amtsantritt der Regierung Rohani 2013 konnte sich die iranische Wirtschaft etwas erholen. Der Abschwung der Wirtschaft (-6,6 % im Jahr 2012; -1,9 % im Jahr 2013) konnte 2014 gestoppt werden. Im Jahre 2016 konnte die Regierung schon ein Wirtschaftswachstum von 4,6% verzeichnen. Das weitere Wachstum ist wesentlich von den Sanktionserleichterungen abhängig und ohne einen stark zunehmenden Außenhandel nicht realistisch. Seit Anfang 2014 ist es der iranischen Regierung gelungen, den Abwärtstrend des Rial zu stoppen. Im iranischen Jahr 1394 (2014/2015) betrug die durchschnittliche Inflation 14,7%; derzeit liegt sie bei ca. 10%. Es ist abzusehen, dass sich die Währung durch die positiven Impulse des Atomabkommens auf die iranische Wirtschaft auch zukünftig stabil halten wird. Die Aufhebung der Sanktionen hat nur sehr langsam Konsequenzen für den Durchschnittsiraner. Kritiker warten ungeduldig auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und ein Wirtschaftswachstum, das nicht nur in der Ölwirtschaft, sondern auch in der Privatwirtschaft, etc, zu spüren ist. In seiner zweiten Amtszeit setzt Präsident Rohani daher verstärkt auf den weiteren Ausbau der Wirtschaft. Ausländische Investoren sollen für den iranischen Markt gewonnen werden, um Arbeitsplätze zu schaffen. Eine nachhaltige Erholung der iranischen Wirtschaft wird nämlich auch davon abhängen, ob es der Regierung gelingt, die Devisenknappheit und das Inflationsproblem langfristig unter Kontrolle zu bringen. Devisenreserven befinden sich Großteils im Ausland und können von der iranischen Regierung nur eingeschränkt verwendet werden. Beide Problembereiche sind eng mit dem Zugang zu ausländischen Devisenquellen und Investitionen aus dem Ausland verbunden. Gegenwärtig halten sich sowohl einheimische als auch ausländische Investoren aufgrund der derzeit noch nicht absehbaren politischen Risiken mit Investitionen zurück (ÖB Teheran 9.2017).

Aufgrund der im Vergleich zu Europa extrem jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr viele Berufseinsteiger auf den Arbeitsmarkt. Um diesen Menschen Arbeit zu geben, wäre die Schaffung von rund 1 Mio. Arbeitsplätzen pro Jahr erforderlich. Die Arbeitslosenrate in Iran betrug im Juni 2016 nach offiziellen Statistiken 10,7% mit Tendenz nach oben. Inoffiziellen Zahlen zufolge ist der Wert jedoch fast doppelt so hoch. Neben Arbeitslosigkeit spielt in Iran auch Unterbeschäftigung eine Rolle. Ausgebildete Arbeitskräfte (Facharbeiter, Uni-Absolventen) finden oft keine ihrer Ausbildung entsprechenden Jobs. Daraus folgen soziale Spannungen aber auch ein gewaltiger "brain drain", der die iranische Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigen wird (ÖB Teheran 9.2017). Ende Dezember 2017 entstanden Proteste aufgrund der schlechten ökonomischen Lage in einigen Städten (FH 1.2018).

Die iranische Wirtschaft ist weitestgehend zentralisiert und steht fast komplett unter staatlicher Kontrolle. So haben viele iranische Unternehmen neben wirtschaftlichen, auch politische Ziele zu erfüllen. Durch regelmäßige staatliche Eingriffe über Preisregulierungen und Subventionen, die in aller Regel politische Ursachen haben, konnte sich bisher kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln. Privatwirtschaft gibt es vor allem auf dem Basar, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe. Erst in den letzten Jahren wurden, vor allem durch die 2001 gegründete Iranian Privatization Organization, vermehrt Anstrengungen zur Privatisierung weiterer Teile der Wirtschaft unternommen. Der wichtigste Sektor der iranischen Wirtschaft ist die Erdöl- und Erdgasproduktion. Die Ölförderung ist durch die National Iranian Oil Company monopolisiert, 80-85% der staatlichen Einnahmen stammen aus dem Ölverkauf. Da zudem etwa 60% dieses Budgets in die Finanzierung staatlicher Unternehmen und Institutionen fließen, ist Iran nahezu komplett von den Einnahmen aus dem Ölexport abhängig. Nicht nur die Wirtschaft, auch der Lebensstandard vieler Iraner hängt vom Ölpreis ab. Hindernisse bei der Modernisierung iranischer Förderanlagen und Raffinerien führten nicht zuletzt dazu, dass in den letzten Jahren immer wieder große Mengen an Benzin importiert werden mussten, um den heimischen Bedarf zu decken. Da Benzin staatlich subventioniert ist, kostete dies den Staat in den letzten Jahren etwa 11% des BIP. Hob er den Benzinpreis an oder begrenzte die ausgegebenen Rationen, führte das immer wieder zu teils gewaltsamen Ausschreitungen. Vor diesem Hintergrund darf man davon ausgehen, dass der Modernisierung der Infrastruktur des Erdölsektors nach dem Ende der Sanktionen eine hohe Priorität eingeräumt werden wird (GIZ 3.2018b).

Ein wichtiger, in nicht wenigen Bereichen sogar zentraler Faktor der iranischen Wirtschaft sind die halbstaatlichen religiösen Stiftungen, die Bonyads. Heute gibt es etwa 120 davon. Hier verschmelzen Religion, Politik und Wirtschaft am deutlichsten. Entsprechend islamischer Grundsätze ist die Hauptaufgabe einer religiösen Stiftung die öffentliche Wohlfahrt, etwa in Form des Erhalts von Straßen oder der Pflege eines Pilgerzentrums. Daneben sind viele der Stiftungen heute jedoch international agierende Großkonzerne. Die größte Stiftung des Landes ist die Ostan-e Qods-e Rezavi, die Imam Reza Stiftung, die sich der Instandhaltung des religiösen Zentrums in Maschhad widmet. Daneben ist die Stiftung jedoch im (Teil-)Besitz zahlreicher Industrieunternehmen, wie etwa der Teheraner Busgesellschaft, und setzt jährlich geschätzte 14 Milliarden Dollar um. Zudem ist sie der größte Grundbesitzer des Landes. Die Bonyad-e Mostazafan wa Dschanbazan, die Stiftung der Unterdrückten und Kriegsveteranen, offiziell zuständig für die Versorgung der Kriegsversehrten und Armen, steht hingegen hinter der National Iranian Oil Company (GIZ 3.2018b).

Sozialbeihilfen

Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Einzahlungsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch i.H.v. 800.000 IRR (ca. 20 Euro) pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld i.H.v. 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 11 Euro, sog. Yarane). Dabei handelt es sich jedoch um ein auslaufendes System, das keine Neuaufnahmen zulässt. Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 2.3.2018).

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber angeboten werden (IOM 2017).

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialversicherung sichert allen Arbeitnehmern einen Schutz bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter und Berufsunfällen zu. Von 15.000 Obdachlosen in Iran im Jahr 2015 waren 5.000 Frauen. Arbeitnehmer im Alter von 18 bis 65 Jahren werden vom Sozialversicherungssystem erfasst. Die Finanzierung ist zwischen Arbeitnehmer (7% des Lohns), Arbeitgeber (20-23%) und dem Staat, welcher den Beitrag des Arbeitnehmers um weitere 3% erhöht, aufgeteilt. Das Sozialversicherungssystem ist für Selbständige zugänglich, sofern diese zwischen 12% und 18% ihres Einkommens freiwillig zahlen. Beamte, Soldaten, Polizisten und die Revolutionsgarden (IRGC) haben ihre eigenen Rentensysteme (IOM 2017).

Es gibt einige NGOs, die gezielt in Not geratene Personen unterstützen. Dazu zählt zum Beispiel BEHZISTI, welche beispielsweise Drogensüchtigen, alleinerziehenden Müttern, Personen mit Einschränkungen etc. hilft. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem Sozial-psychologische Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen etc. Der Zugang ist für alle Bürger gleich, dennoch gibt es zusätzliche Unterstützungen, die von den Communities/Organisationen getragen werden: Z.B. The Imam Khomeini Relief Foundation eine gemeinnützige Organisation, die im März 1979 gegründet wurde und ärmliche Familien unterstützt (IOM 2017).

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die sadeqe, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, dass der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2018b).

Medizinische Versorgung

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Zwar ist es fast flächendeckend - laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung (100% in Städten, 95% auf dem Land), aber die Qualität schwankt. Die medizinische Versorgung ist in Teheran und anderen großen Städten ausreichend bis gut (GIZ 3.2018c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 18.6.2018a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Chorasan sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 9.2017).

Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität. Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs. Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird. Dank eines Entwicklungsprogrammes für die Erweiterung der prä-stationären kostenlosen Notfalldienste konnte die Anzahl dieser von weniger als 600 zur Zeit der Revolution auf nahezu 2000 im Jahr 2013 vergrößert werden. Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 9.2017).

Die medizinische Grundversorgung basiert auf ca. 19.000 ländlichen Gesundheitshäusern, die von jeweils einem männlichen und einer weiblichen "Behvarz" (Gesundheitspersonal, dass nach der regulären elfjährigen Schulbildung zwei Jahre praktisch und theoretisch ausgebildet wird) geleitet werden. Jedes dieser Gesundheitshäuser ist für Gesundheitsvorsorge (u.a. Impfungen, Betreuung von Schwangerschaften) und für durchschnittlich 1.500 Personen zuständig, wobei die Qualität der Versorgung als zufriedenstellend beurteilt wird, und mehr als 85% der ländlichen Bevölkerung in dieser Weise "nahversorgt" werden (In Städten übernehmen sog. "Gesundheitsposten" in den Bezirken die Aufgabe der ländlichen Gesundheitshäuser). Auf der nächsten Ebene sind die ländlichen Gesundheitszentren (ca. 3.000 landesweit) anzufinden, die jeweils von einem Allgemeinmediziner geleitet werden. Sie überwachen und beraten die Gesundheitshäuser, übernehmen ambulante Behandlungen und übergeben schwierigere Fälle an ca. 730 städtische, öffentliche Krankenhäuser, die in jeder größeren Stadt zu finden sind (ÖB Teheran 9.2017).

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten "Hohen Versicherungsrat" (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die "Organisation für Sozialversicherung" (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen. Viele Kliniken und Spitäler dieser Organisation befinden sich in städtischen Gegenden. Die "Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste" (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Dadurch stieg die Anzahl an Versicherten in Iran von 40% in 1994 auf 90% in 2010. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die "Imam Khomeini Stiftung", um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge (ÖB Teheran 9.2017). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, indem die Versorgung des Kranken mit Dingen des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 3.2018c).

Obwohl primäre Gesundheitsdienstleistungen kostenlos sind, und die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen erheblich zugenommen haben, müssen durchschnittlich 55% der Gesundheitsausgaben von den versicherten Personen in bar direkt an die Gesundheitsdienstleister entrichtet werden ("Out-of-pocket expenditure" ohne staatliche oder von Versicherungen unterstützte Hilfeleistungen), sei es bei staatlichen oder größtenteils privaten sekundären oder tertiären Einrichtungen (ÖB Teheran 9.2017).

Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten. Es gibt zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI genannt: www.tamin.ir/. Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern gedeckt (IOM 2017).

Versicherung durch Arbeit:

Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter.

Private Versicherung:

Mit Ausnahme von Regierungsangestellten müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten, sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig.

Salamat Versicherung:

Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html (IOM 2017).

Zugang speziell für Rückkehrer

Anmeldeverfahren: Alle iranischen Bürger einschließlich Rückkehrer können beim Tamin Ejtemaei eine Krankenversicherung beantragen, http://www.tamin.ir/. Notwendige Dokumente: Eine Kopie des iranischen Geburtszertifikats, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können jedoch noch verlangt werden (IOM 2017).

Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2017).

In den zahlreichen Apotheken [Persisch: daru-khane] sind die meisten auch in Europa gebräuchlichen Medikamente zu kaufen und nicht sehr teuer (GIZ 3.2018c). Trotz kürzlicher Sanktionen gegen Iran, die zu einer vorläufigen Knappheit bestimmter Medikamentengruppen geführt haben, gibt es generell keinen Mangel an Medikamenten, Spezialisten sowie Behandlungsmöglichkeiten. Pharmazeutische Produkte werden unter der Aufsicht des Gesundheitsministeriums ausreichend importiert. "The Red Crescent" ist die zentrale Stelle bezüglich des Imports von speziellen Medikamenten, die für Patienten in bestimmten Apotheken erhältlich sind. Generell sind alle Medikamentengruppen in Iran erhältlich, welche üblicherweise in kleinen Mengen ausgeteilt werden, um den Weiterverkauf auf dem Schwarzmarkt zu unterbinden. Darüber hinaus gibt es vor allem in größeren Städten mehrere private Kliniken, die für Privatpatienten Gesundheitsdienste anbieten. In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind, Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitszentrum kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2017).

Rückkehr

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren (AA 2.3.2018).

Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Fluchtgründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehrhilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an Rückkehrern in Teheran in Euro aus (ÖB Teheran 9.2017).

Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein (DIS/DRC 23.2.2018).

In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen berichtet der FFM-Bericht, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie in Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird wohl nichts geschehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (AA 2.3.2018). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden (AA 2.3.2018).

Zurückgeführte unbegleitete Minderjährige werden vom "Amt für soziale Angelegenheiten beim iranischen Außenministerium" betreut und in Waisenheime überführt, wenn eine vorherige Unterrichtung erfolgt (AA 2.3.2018).

Die offizielle Registrierungsbehörde nimmt alle iranischen Staatsangehörigen in ihre Datenbank auf. Auslandsvertretungen sind nicht ermächtigt, Auskünfte einzuholen. Ein formales Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren ist nicht bekannt (AA 2.3.2018).

1.5.2. Auszug aus einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Iran, Trockene AMD (Netzhauterkrankung), vom 08.10.2018:

Injektionen mit dem Inhaltsstoff von Avastin (Bevacizumab) sind in Iran verfügbar, es wird auch eine Alternative genannt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem BFA, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Farsi. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor dem BFA, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburts- und Aufenthaltsort, seinem Familienstand, seinen Familienangehörigen und deren Aufenthaltsort und deren Eigentums- und Vermögensverhältnissen sowie zu seinem beruflichen und schulischen Werdegang und seinen Sprachkenntnissen sind chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen in Iran plausibel. Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang getätigten Angaben waren im Wesentlichen gleichbleibend und widerspruchsfrei. Zudem konnte der Beschwerdeführer insbesondere zu seiner Tätigkeit als Mechaniker gleichbleibende und ausführliche Angaben über die Art der Tätigkeit sowie den Ort, an dem er diese durchgeführt hat, anführen. Des Weiteren weichen seine diesbezüglichen Angaben nicht von seinen Angaben vor dem BFA ab (AS 1, 109, 112 ff; Seite 6 bis 10 des Verhandlungsprotokolls). Insoweit der Beschwerdeführer vor dem BFA noch seinen Geburts- und Wohnort mit " XXXX " anführte ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung wiederholt seinen Geburts- und Wohnort als " XXXX " bezeichnet, weshalb diese Bezeichnung festgestellt wurde (AS 111 und Seite 6 ff des Verhandlungsprotokolls). Der festgestellte Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen Angaben vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung sowie den vorgelegten Unterlagen (AS 111 und 137 ff; Seite 3 ff des Verhandlungsprotokolls; Stellungnahme vom 04.07.2019 zu OZ 9 und vom 29.07.2019 zu OZ 11). In diesem Zusammenhang führte der Beschwerdeführer auch nachvollziehbar in der mündlichen Verhandlung an, dass er nur Kontakt zu seiner Schwester habe und dass sich seine Familienangehörigen in Iran gegenseitig unterstützen würden (Seite 8 f des Verhandlungsprotokolls).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer unbescholten ist und keine Probleme mit den österreichischen Behörden hatte, ergibt sich durch Einsichtnahme in einen aktuellen Strafregisterauszug. Der Beschwerdeführer gab auch nachvollziehbar an, dass er nicht Mitglied einer Partei oder politisch aktiv gewesen sei und im Herkunftsstaat nicht strafrechtlich verurteilt worden sei (Seite 7 und 8 des Verhandlungsprotokolls). Zudem geht aus dem zweifelsfreien Akteninhalt hervor, dass gegen den Beschwerdeführer im Jahr 2017 ein Betretungsverbort erlassen und ein Verfahren wegen § 27 Abs. 1 SMG eingestellt wurde. Somit konnten die entsprechenden Feststellungen getroffen werden (AS 73 ff).

2.2. Zum Fluchtgrund und zur Rückkehr:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Iran nie einer individuellen Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt war und auch nicht im Falle einer Rückkehr nach Iran eine konkrete Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten hätte, ergibt sich aus seinem diesbezüglichen Vorbringen in Zusammenschau mit den Länderfeststellungen. Der Beschwerdeführer vermochte weder in seiner Einvernahme vor dem BFA noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Bedrohung oder Verfolgung seiner Person in Iran nachvollziehbar und schlüssig darzulegen.

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, dass er beim Geheimdienst nun bekannt sei und man ihn bereits am Flughafen identifizieren und festnehmen werde. Begründend führte er allgemein an, dass viele Leute mit den iranischen Behörden Probleme hätten und aufgrund dieser nach Europa flüchten würden. Er gehöre ebenfalls zu diesen Leuten und er habe bereits vor dem BFA gesagt, weshalb er verfolgt werde (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls).

Der Beschwerdeführer vermochte jedoch insgesamt kein einheitliches Vorbringen zu seinem Fluchtgrund vorzubringen. So führte der Beschwerdeführer vor dem BFA noch aus, dass er von XXXX nach XXXX gefahren sei. Es sei kein Taxi und auch kein Bus gefahren, dass ihn wo anders hingebracht hätte und er sei dann ungewollt in eine Demonstration hineingezogen worden. Nachgefragt, mit welcher Absicht er an dem Tag der erwähnten Demonstration nach XXXX gereist sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er in XXXX gewesen sei und er nach XXXX reisen habe wollen. Er habe über XXXX reisen müssen, wegen der Verbindung (AS 114 und 115).

In der mündlichen Verhandlung führte er im Gegenteil dazu wiederum aus, dass er aufgrund eines Arbeitsauftrages nach XXXX gefahren sei. Ergänzend gab er an, dass er nachdem er in XXXX angekommen sei, in eine bestimmte Straße gefahren sei und dort bestimmte Autoteile habe besorgen müssen. Somit konnte der Beschwerdeführer bereits vor diesem Hintergrund keine einheitliche Darstellung über den Grund seiner Fahrt nach XXXX vorbringen. Dieses Aussageverhalten setzte sich in der mündlichen Verhandlung weiter fort. Brachte der Beschwerdeführer vor dem BFA noch vor, dass ihn in XXXX kein Taxi und kein Bus woanders hingebracht hätten, führte er in der mündlichen Verhandlung wiederum aus, dass er sich nachdem er die Autoteile besorgt habe in ein Taxi gesetzt habe und zum nördlichen Busterminal habe fahren wollen. Der Taxifahrer habe ihm nichts über die Demonstrationen gesagt und als sie zu einer Straße gekommen seien, die zum Busterminal geführt habe, sei diese gesperrt worden. Er habe dem Taxifahrer sein Geld gegeben und sich zu Fuß zum Busterminal gemacht (Seite 10 und 12 des Verhandlungsprotokolls). Stellte der Beschwerdeführer vor dem BFA die Situation in Teheran noch so dar, dass kein Taxi und kein Bus ihn woanders hätten hinbringen können, gab er in der mündlichen Verhandlung wiederum an, problemlos Autoteile in Teheran besorgt zu haben und dann zumindest eine Teilstrecke mit einem Taxi gefahren zu sein. Bereits diese Angaben begründen erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers.

Auch die weitere Darstellung über seinen Fluchtgrund konnte der Beschwerdeführer nicht widerspruchsfrei widergeben. Vor dem BFA erklärte er die erste Kontaktaufnahme mit einem Beamten noch so, dass dieser ca. zwei Monate später (Anm: nach seinem Aufenthalt in XXXX ) mit seinem Auto in seine Werkstätte gekommen sei und der Beschwerdeführer dessen Auto repariert habe. Dann sei diese Person wieder weg gewesen. Ca. eine Woche später sei diese Person wiedergekommen und habe ihm gesagt, dass er etwas von ihm habe und habe ihm am Handy ein Foto und einen Film gezeigt, dass der Beschwerdeführer an der Demonstration teilgenommen habe. Diese Person habe gesagt, dass er ein Beamter sei (AS 114). In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer im Gegensatz dazu vor, dass ca. zwei Monate nach dem Vorfall in XXXX jemand zu seiner Werkstatt gekommen sei und gewollt habe, dass er dessen Auto repariere. Nachdem sie ein bisschen miteinander gesprochen hätten, habe er dem Beschwerdeführer erzählt, dass er den Beschwerdeführer kenne. Diese Person habe dann erzählt, dass er von der Teilnahme des Beschwerdeführers an der Demonstration wisse und dass er Fotos und Videos über den Beschwerdeführer habe (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Somit konnte der Beschwerdeführer bereits in diesem Zusammenhang keine einheitliche Darstellung über die erste Kontaktaufnahme mit dem Beamten nachvollziehbar darstellen.

Auch in weiterer Folge war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, ein schlüssiges Vorbringen über eine Bedrohungssituation vorzubringen. Gab er vor dem BFA noch ausdrücklich an, dass dieser Beamter ihm eine Lösung vorgeschlagen habe, indem der Beschwerdeführe ihm monatlich 100. bis 200.000 Toman bezahlen solle, damit er den Beschwerdeführer nicht melde und der Beschwerdeführer dies vier Jahre lang bezahlt habe (AS 114), führte er in der mündlichen Verhandlung aus, dass er über vier Jahre verschiedene Autos für diesen Polizisten reparieren habe müssen und im zweitweise Geld habe geben müssen, nämlich manchmal in der Höhe von 400.000 Toman. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung wiederum an, dass diese Person manchmal in die Werkstätte gekommen sei und ihm gesagt habe, dass der Beschwerdeführer ihm in ein oder zwei Tagen 200.000 bis 300.000 Toman organisieren solle. Auf konkrete Nachfrage, wie oft diese Geldübergaben stattgefunden hätten, konnte der Beschwerdeführer jedoch keine genauen Angaben machen, sondern führte aus, dass er sich nicht genau erinnern könne, wie oft er ihm Geld gegeben habe. Er schätze, dass er ihm über die vier Jahre mindestens einmal im Monat Geld habe geben müssen (Seite 10 und 13 des Verhandlungsprotokolls).

Dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Aussage nicht immer bei der Wahrheit blieb lässt sich auch daran erkennen, dass er in der mündlichen Verhandlung erstmals vorbrachte, dass ihm die Person, die ihn erpresst habe, die Fotos und die Videos nicht gezeigt habe. Er habe dem Beschwerdeführer aber den Tag und den Ort genau genannt und habe ihm auch einen Straßennamen gesagt (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer jedoch ausdrücklich an, dass ihm diese Person ein Foto und ein Video am Handy gezeigt habe. Dies konkretisierte er in weiterer Folge dahingehend, dass er anführte, dass diese Person den Film auf seinem Privathandy gehabt habe (AS 114 und 115). Der Beschwerdeführer war somit insgesamt nicht in der Lage, eine individuelle Verfolgungs- oder Bedrohungssituation in Iran schlüssig und nachvollziehbar vorzubringen. Vielmehr vermittelte er durch seine inkonsistente Darstellung den Eindruck, dass er das Erzählte nicht selbst erlebt hat, weshalb sein diesbezügliches Vorbringen nicht als glaubhaft gewertet werden konnte.

Des Weiteren gab er vor dem BFA noch ausdrücklich an, dass er nach seinem Umzug nach XXXX nie wieder in seine Heimatstadt gereist sei. In der mündlichen Verhandlung führte er jedoch auf die Frage, ob er in den letzten beiden Jahren als er in XXXX gelebt habe jemals wieder nach XXXX oder nach XXXX gegangen sei an, dass er einmal nach XXXX , um dort Motorräder zu reparieren, und er auch mehrmals nach XXXX gefahren sei, um seine Familie und Freunde zu treffen und ihre Fahrzeuge unentgeltlich zu reparieren. Des Weiteren sei er auch ab und zu nach XXXX gefahren, wenn er ein bestimmtes Ersatzteil gesucht habe (AS 114; Seite 17 f des Verhandlungsprotokolls). Die Ausführungen des Beschwerdeführers, dass er einerseits nach XXXX gezogen sei, um sich dem Einfluss des Beamten zu entziehen, und andererseits, dass er wiederholt in seine Heimatstadt und auch an seinen Arbeitsort reist und somit auch wieder an den Ort zurückkehrt, an dem er mehrere Jahre erpresst worden sei, kann eine Bedrohungssituation in der vom Beschwerdeführer geschilderten Intensität nicht nachvollziehbar darstellen.

Des Weiteren beantwortete er die Frage, ob seine Kernfamilie in Iran irgendwelche Probleme habe, mit: "Nein, sie haben keine Probleme."

(Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auch der Umstand, dass seine Familie nach seiner Ausreise noch im Heimatort leben konnte, macht zudem deutlich, dass die übrige Familie keine Verfolgung zu gewärtigen hatte und auch keine Kontaktaufnahme von der iranischen Regierung im Zusammenhang mit dem Beschwerdeführer erfolgte. Demgegenüber ist es unplausibel, dass die Familie über mehrere Jahre in der Heimatstadt leben hätte können, ohne dass auch sie mit einer Kontaktaufnahme durch die iranische Regierung konfrontiert gewesen wären, wenn eine Verfolgungsgefahr in der geschilderten Intensität bestanden hätte bzw. drohen würde.

Auf die konkrete Frage in der mündlichen Verhandlung, ob der Beschwerdeführer nun alle Bedrohungssituation geschildert habe oder ob es noch weitere Vorfälle gegeben habe führte er an: "Ich habe dazu alles vorgebracht, ich hatte nur Probleme mit dieser einen Person, sonst habe ich alles gesagt." In weiterer Folge führte er aus, dass bevor er in Iran geschickt werde, er in Österreich Selbstmord begehe, denn er wolle nicht mehr dorthin zurückkehren. Seine diesbezügliche Aussage, dass er Selbstmord begehen werde, konnte jedoch nur als Schutzbehauptung gewertet werden, um seine Situation in Iran schlimmer darzustellen, als sie tatsächlich ist. Aus den vorgelegten medizinischen Befunden ergibt sich kein diesbezüglicher Hinweis und gab er auf die weitere Frage, warum er nicht mehr in Iran zurückkehren wolle, nunmehr ausweichend an, dass er zu seinen Problemen etwas Neues hinzuzufügen habe. Zusammengefasst führte der Beschwerdeführer erstmals aus, dass er mehrere E- Mails erhalten habe, in denen er aufgefordert worden sei, seine Adresse in Österreich sowie die Adressen seiner Familie in Iran mitzuteilen. Im Gegenzug seien ihm 2,5 Mio USD versprochen worden. In diesem Zusammenhang konnte der Beschwerdeführer jedoch keine konkreten Absender nennen und begründet seine Darstellungen, dass ihn die Cyberpolizei aus Iran kontaktieren habe wollen, vielmehr auf Vermutungen und Spekulationen. Eine konkrete Bedrohungs- oder Verfolgungssituation konnte der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang jedoch nicht nachvollziehbar anführen (Seite 14 f des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung aufgefordert, den vorgebrachten E-Mailverkehr an das Gericht zu übermitteln. Mit Schreiben vom 27.07.2019 legte der Beschwerdeführer vier Fotografien von einem Handy-Display, die zwei Mailinhalte wiedergeben, vor. Ein konkreter Hinweis darauf, dass es sich um eine Mail der iranischen Regierung, insbesondere der Cyberpolizei handelt, konnte den übermittelten Unterlagen jedoch nicht entnommen werden. Zudem wird dort von einer Summe in der Höhe von 16,5 Mio USD gesprochen, die mit der Angabe des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung nicht übereinstimmen, weshalb diese Unterlagen zu keiner anderen Bewertung führen können.

Hinsichtlich einer Rückkehr in den Iran führte der Beschwerdeführer aus, dass er Angst habe, dass dieser Geheimdienstbeamte seinen Namen weitergegeben habe (AS 116, Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Wie bereits oben ausgeführt, konnte eine individuelle Verfolgungs- oder Bedrohungssituation des Beschwerdeführers durch einen Beamten der iranischen Regierung nicht festgestellt werden.

Für eine existenzielle Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr in seine Heimatregion bestehen ebenfalls keine Hinweise. Der Beschwerdeführer war vor der Ausreise aus Iran in der Lage, einer Arbeit nachzugehen und hatte sowohl in XXXX als auch in XXXX eine Werkstätte, in denen er als Mechaniker arbeitete. In diesem Zusammenhang führte er auch aus, dass sein jüngerer Bruder ebenfalls ein ausgelernter Mechaniker sei und derzeit lediglich nicht arbeiten wolle und daher von einer Schwester versorgt werde (Seite 8 und 10f des Verhandlungsprotokolls). Es gibt keinen Anhaltspunkt, wieso der Beschwerdeführer in seinem Heimatort nicht in der Lage sein sollte, seine Existenz - etwa auch durch Gelegenheits- und Hilfsarbeiten oder mit Unterstützung seines Bruders im Rahmen seiner Tätigkeit als Mechaniker - zu sichern und eine einfache Unterkunft zu finden. Zudem verfügen - trotz der vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung angeführten schlechten Wirtschaftslage - alle seine Geschwister bis auf seinen jüngsten Bruder über ein Eigentumshaus und somit über eine Unterkunft und Vermögen, weshalb eine Unterstützung des Beschwerdeführers durch die Familienangehörigen möglich ist. Auch ergibt sich unter Zugrundelegung der Länderberichte unter dem Aspekt der Sicherheitslage in Iran keine besondere Gefährdungssituation für den Beschwerdeführer. In diesem Zusammenhang gab der Beschwerdeführer auch selbst an, dass er nur mit der oben angeführten Person im Iran Probleme gehabt habe (Seite 14 des Verhandlungsprotokolls). Es konnten somit die entsprechenden Feststellungen getroffen werden.

Insoweit der Beschwerdeführer an einer Augenerkrankung und Magenproblemen leidet geht aus den festgestellten Länderberichten hervor, dass in den zahlreichen Apotheken [Persisch: daru-khane] die meisten auch in Europa gebräuchlichen Medikamente zu kaufen und nicht sehr teuer sind. Trotz kürzlicher Sanktionen gegen Iran, die zu einer vorläufigen Knappheit bestimmter Medikamentengruppen geführt haben, gibt es generell keinen Mangel an Medikamenten, Spezialisten sowie Behandlungsmöglichkeiten. Pharmazeutische Produkte werden unter der Aufsicht des Gesundheitsministeriums ausreichend importiert. "The Red Crescent" ist die zentrale Stelle bezüglich des Imports von speziellen Medikamenten, die für Patienten in bestimmten Apotheken erhältlich sind. Generell sind alle Medikamentengruppen in Iran erhältlich, welche üblicherweise in kleinen Me

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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