TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/3 95/19/0274

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Veröffentlicht am 03.04.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §45 Abs3;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1935 geborenen ZP, vertreten durch Dr. WS, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Mai 1995, Zl. 110.223/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 13. September 1994 bei der österreichischen Botschaft in Preßburg einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 20. September 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Mit Bescheid vom 4. Oktober 1994 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag gemäß § 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab.

Die dagegen erhobene Berufung, in der der Beschwerdeführer vorbrachte, polnischer Staatsangehöriger zu sein und seit zwölf Jahren ständig in Österreich zu leben, wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 4. Mai 1995 gemäß § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, es lägen drei Bestrafungen gemäß § 82 Abs. 1 Z. 4 iVm § 15 Abs. 1 FrG gegen den Beschwerdeführer vor, wonach er eine Verwaltungsübertretung begangen habe, weil er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Diese Tatsachen ergäben den eindeutigen Schluß, daß der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich den österreichischen Rechtsvorschriften anzupassen und sein weiterer Aufenthalt in Österreich eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit bedeute. Es liege daher der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vor. Da das Vorliegen des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Grundrecht darstelle, sei auf die weiteren Einwendungen des Beschwerdeführers, auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen, "angesichts dieses Sachverhaltes" nicht mehr einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Die belangte Behörde habe es unterlassen, den "Tatbestand" des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG im Bescheid darzustellen. Zwar werde auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwiesen, der Tatbestand werde allerdings nicht eindeutig wiedergegeben, weshalb eine Subsumtion des Sachverhaltes unter die genannte Gesetzesstelle nicht nachvollziehbar erscheine. Die belangte Behörde stelle fest, daß drei Bestrafungen gemäß § 82 Abs. 1 Z. 4 iVm § 15 Abs. 1 FrG vorlägen, unterlasse es aber festzustellen, wann diese Bestrafungen erfolgt seien und ob sie rechtskräftig seien. Die belangte Behörde habe weiters, obwohl sie den Versagungsgrund geändert habe, dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör gewährt. Der Sachverhalt werde vom Beschwerdeführer "vehement" bestritten. Damit läge ein relevanter Verfahrensmangel vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 10. Mai 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage vor der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

§ 5.(1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautete:

"§ 10.(1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu

versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

Wie die Begründung des angefochtenen Bescheides erkennen läßt, stützte die belangte Behörde ihre abweisende Entscheidung ausschließlich auf den Umstand, daß gegen den Beschwerdeführer "drei Bestrafungen gemäß § 82 Abs. 1 Z. 4 iVm § 15 Abs. 1 FrG" vorlägen, wonach er eine Verwaltungsübertretung begangen habe, weil er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.

Da die belangte Behörde anders als die Behörde erster Instanz ihre Abweisung auf § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG stützte, hatte sie dies der Partei vorzuhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1985, Zl. 84/07/0221). Ein derartiger Vorhalt ist jedoch, wie der Beschwerdeführer zu Recht rügt, nicht erfolgt. Da der Beschwerdeführer erstmals im angefochtenen Bescheid mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, bereits dreimal wegen einschlägiger fremdenpolizeilicher Vorschriften verwaltungsbehördlich bestraft worden zu sein, unterliegt sein Beschwerdevorbringen auch nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.

Indem die belangte Behörde es unterließ, dem Beschwerdeführer zu ihrer Sachverhaltsannahme einer bereits mehrfach erfolgten Bestrafung wegen Verwaltungsübertretungen Parteiengehör einzuräumen, hat sie Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie, wie die Bestreitung der Sachverhaltsannahme der belangten Behörde durch den Beschwerdeführer zeigt, zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995190274.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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