TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/6 W187 2207713-1

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Veröffentlicht am 06.11.2019
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Entscheidungsdatum

06.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W187 2207713-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hubert REISNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geboren am XXXX Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dem Antrag vom XXXX auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von zwei Jahren erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein, wo er am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

2. Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) vom XXXX , XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Jedoch wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG bis zum XXXX erteilt (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde stellte im Bescheid vom XXXX fest, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat aufgrund der allgemein prekären Sicherheitslage einer Gefährdung ausgesetzt sei. In der Beweiswürdigung führte sie dazu aus, die Feststellungen zur Situation im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat seien anhand der aktuellen Länderinformationen insbesondere zur Sicherheitslage in Afghanistan getroffen worden. In der rechtlichen Beurteilung dieses Bescheides begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Zuerkennung von subsidiärem Schutz wie folgt:

"[...] In Ihrem Fall ging die Behörde von einer realen Gefahr einer solchen Bedrohung aus: Den aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan ist nämlich zu entnehmen, dass Sie im Fall einer Rückkehr als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung Ihres Lebens oder Ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt aufgrund der derzeitigen Sicherheitslage in Afghanistan ausgesetzt wären.

Hinzu kommt, dass Sie in Afghanistan über keine tragfähigen familiären Anknüpfungspunkte verfügen. Sie lebten vor Ihrer Ausreise nach Österreich mit der Familie, welche Sie nach einem familiären Streit aus dem Haushalt verwiesen. Aufgrund der mangelnden Kontakte und des fehlenden Unterstützungsnetzes in Ihrer Heimat wären Sie damit konfrontiert, sich dort keine neue Existenz aufbauen zu können. Dies deckt sich mit den vorliegenden Länderfeststellungen, aus denen hervorgeht, dass die soziale Absicherung in Afghanistan traditionell bei den Familien und Stammesverbänden liegt und Afghanen auf große Schwierigkeiten stoßen, welche über keine notwendigen sozialen und familiären Netzwerke verfügen.

Es ist daher davon auszugehen, dass Sie im Fall der Rückkehr nach Afghanistan mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Existenzsicherung konfrontiert wären und somit nicht mit der nötigen Gewissheit ausgeschlossen werden kann, dass Sie im Fall der Rückkehr in eine existenzielle Notlage geraten würden. [...]"

Für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid vom XXXX keine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, weshalb dieser in Rechtskraft erwuchs.

4. Mit Schreiben vom XXXX stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs 4 AsylG.

5. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich zur Prüfung der Verlängerung des subsidiären Schutzes bzw zur Prüfung eines Aberkennungsverfahrens einvernommen. Befragt zu seinem Leben in Österreich gab der Beschwerdeführer hier im Wesentlichen an, dass er einen Integrationskurs des ÖIF besucht und den Pflichtschulabschluss zum Teil absolviert habe. Es fehle ihm hier lediglich die Englisch-Prüfung, welche am XXXX stattfinde. Deutsch lerne er in der Flüchtlingsunterkunft, da dort ein Lehrer vorbeikomme. Einer Arbeit sei er in Österreich - bis auf zwei Schnuppertage - bislang nicht nachgegangen. Verwandte habe er in Österreich nicht. Nach privaten Bindungen gefragt, gab er an, er habe Freunde in der Schule, außerdem sei er mit einer Lehrerin und einem Lehrer befreundet. Weiter habe er Freunde in der Kirche, die er bislang drei bis vier Mal im Jahr besucht habe. Nach seinem Pflichtschulabschluss wolle er eine Lehre machen. Hinsichtlich seiner Familienangehörigen in Afghanistan gab er an, dass er keinen Kontakt zu seinen Eltern habe. Aufgrund seiner außerehelichen Beziehung zu einem Mädchen in Afghanistan lehne der Vater jeglichen Kontakt ab. Der Beschwerdeführer wisse auch nicht, wo sich seine Eltern derzeit aufhalten würden. Lediglich mit seinem Onkel väterlicherseits, der in Kuwait lebe, stehe der Beschwerdeführer in Kontakt. Er habe eine Tante im Iran und einen Onkel mütterlicherseits. Wo sich die restliche Familie, insbesondere seine Geschwister und seine Gattin, aufhielten, wisse er nicht. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Beschwerdeführer darauf hin, dass sich seine subjektive Lage im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als ihm subsidiärer Schutz gewährt worden sei, geändert hätte. Es bestünde keine reale Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Beschwerdeführers, auch drohe ihm als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts. Eine Rückkehr nach Afghanistan sei ihm zumutbar.

6. Für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

7. Mit Schreiben vom XXXX erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung fristgerecht vollumfängliche Beschwerde gegen den spruchgegenständlichen Bescheid wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

8. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde zur Entscheidung vorgelegt. Unter einem erklärte die belangte Behörde schriftlich, auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zu verzichten.

9. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden den Parteien einschlägige Länderinformationen zu Afghanistan übermittelt.

10. Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, im Zuge derer der Beschwerdeführer im Beisein seines Rechtsvertreters und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari vom erkennenden Richter zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes zu seinen Beschwerdegründen einvernommen wurde. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung fern.

Die Verhandlungsschrift lautet auszugsweise:

"[...]

Richter: Verstehen Sie die Dolmetscherin gut?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen? Liegen Gründe vor, die Sie daran hindern?

Beschwerdeführer: Ja, ich bin vollkommen bereit.

Richter: Nehmen Sie regelmäßig Medikamente, befinden Sie sich in medizinischer Behandlung?

Beschwerdeführer (auf Deutsch): Nein, ich bin ganz gesund.

[...]

Richter: Können Sie sich an Ihre Aussage vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erinnern? Waren diese richtig, vollständig und wahrheitsgetreu?

Beschwerdeführer: Zur Gänze, ich hatte die Wahrheit angegeben.

Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?

Beschwerdeführer: Ich bin am XXXX in Afghanistan, in Bamiyan geboren.

Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

Beschwerdeführer: Dari ist meine Muttersprache, Farsi, (auf Deutsch:) auch Pashtu kann ich sprechen. Ein wenig Arabisch, Deutsch kann ich auch nicht so schlecht, Englisch spreche ich wie Deutsch. (In gebrochenem Deutsch:) Ich kann in allen Sprachen lesen und schreiben.

Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.

Beschwerdeführer: Ich bin verheiratet, ich gehöre der Volksgruppe der Hazara an und bin Schiite.

Richter: Haben Sie Kinder?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich in Afghanistan aufgehalten haben.

Beschwerdeführer: Nur in der Provinz Bamiyan.

Richter: Wie haben Sie in Afghanistan gewohnt?

Beschwerdeführer: Wir haben in einem Eigentumshaus gelebt, unsere finanzielle Situation war gut. Ich habe in XXXX die Universität besucht.

Richter: Was haben Sie in Afghanistan gemacht, gearbeitet, gelernt oder etwas Anderes?

Beschwerdeführer: Ich habe mich in Afghanistan nicht nur um meine Ausbildung gekümmert, darüber hinaus habe ich ca. ein Jahr als Lehrer gearbeitet und etwas weniger als ein Jahr als Elektriker.

Richter: Welche Schulbildung - im Sinne von Abschluss - haben Sie erhalten?

Beschwerdeführer: Ich habe zwölf Jahre die Schule besucht und vier Jahre die Universität. Ich habe den Grad eines Bachelor of Science.

Richter: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

Beschwerdeführer: Zurzeit lebt meine Familie im Iran. Im Iran leben sie in einer Mietunterkunft, Afghanen können dort kein eigenes Haus kaufen.

Richter: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel)?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Haben Sie in Afghanistan Verwandte oder sonstige wichtige Kontaktpersonen und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?

Beschwerdeführer: Ich habe nur Kontakt zu meinen ehemaligen Studienkollegen, er hat mir all diese Dokumente zukommen lassen.

Richter: Will Ihre Familie auch nach Österreich kommen?

Beschwerdeführer: Ich habe nur Kontakt zu meiner Mutter, mein Vater führt keine Gespräche mit mir. Laut den Erzählungen meiner Mutter, besteht Gefahr, dass sie nach Afghanistan zurückgeschoben werden, daher überlegt meine Familie, in ein anderes Land zu ziehen, vermutlich nach Österreich oder woanders.

Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?

Beschwerdeführer: Unmittelbar nach meiner Einreise habe ich erfahren, dass ich hier nicht die Schule besuchen darf, da ich mich nicht im schulpflichtigen Alter befinde. Ich habe damals mit der Diakonie gesprochen, mir wurde dann eine Arbeit im Krankenhaus von der Gemeinde vermittelt, gegeben, insgesamt habe ich ca. acht bis neun Monate dort gearbeitet. Danach habe ich den Pflichtschulabschluss gemacht. 100 Personen sind zur Prüfung angetreten, ich habe zu 15 Personen gezählt, die die Prüfung auch bestanden haben. Ich habe dann Arbeit gefunden, allerdings wurde mir mein subsidiärer Schutz, mein ‚Visum' so zu sagen, nicht verlängert.

Rechtsvertreter: Es gibt nach wie vor die Zusage der Stelle, wenn dies geklärt ist.

Beschwerdeführer: Ich habe auch zwei Monate in XXXX gearbeitet, obwohl mir die ‚positive Entscheidung' entzogen wurde, diese Arbeit durfte ich machen, ich habe mich mit meinem Vertreter beraten. Die Firma hat mir dann mitgeteilt, dass sie eine zweimonatige Pause einlegen werden, so zu sagen Urlaub machen. Ich habe dann in XXXX eine andere Firma gefunden, bei dieser Firma hätte ich die Möglichkeit in der Zukunft Arbeit zu finden. Diese Firma XXXX . (Kopie wird der Verhandlungsschrift beigefügt.)

Richter: Haben Sie Freunde in Österreich?

Beschwerdeführer: Ja, ich habe viele Freunde hier.

Richter: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

Beschwerdeführer: Ich habe keine Vereinsmitgliedschaft, ich verbringe Zeit mit meinen österreichischen Freunden. Wir führen Diskussionen (in gebrochenem Deutsch) über Mathematik und Physik. Ich hatte die letzten zwei Wochen Nachhilfe bei meiner Lehrerin, sie möchte ein Buch schreiben und hat mich um Hilfe gebeten, ich habe zugestimmt und wir haben einen sehr engen Kontakt.

Richter: Hatten Sie Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Schildern Sie den Vorfall, der zu Ihrer Flucht geführt hat!

Beschwerdeführer: Während der Schulzeit habe ich ein Mädchen kennengelernt, wir haben uns gegenseitig geliebt. Das Mädchen hieß XXXX . Als ich in der Universität war, hatte ich nach wie vor Kontakt zu ihr. Mein Vater hat mir eine Frau ausgesucht, ich wurde zwangsverheiratet, weil ich dieses Mädchen geliebt habe, hatte ich Kontakt zu ihr. Sie hat zuletzt zu mir gesagt, dass ihre Eltern nicht zu Hause sind, sie wollte mich bei sich wiedersehen. Ich bin dann zu ihr nach Hause gegangen. Wir sind zusammengesessen und haben gesprochen. Sie hat zu mir gesagt, dass es ihr persönlich gleichgültig ist, dass sie zu der Volksgruppe der Sayed gehört und ich Hazara bin. An dem Tag hatten wir auch sexuellen Kontakt zueinander. Ihre Mutter ist nach Hause gekommen und hat uns zusammen erwischt, ich bin über das Fenster nach draußen geflüchtet. Ich bin aus der Heimat geflüchtet. Ihr Vater hat meinen Vater aufgesucht, um mich zu töten. Er hat erfahren, dass ich geflüchtet bin. Dann haben die ‚Weißbärtigen', die Ältesten, geäußert, dass ich diese Straftat begangen habe und es nicht die Schuld meines Vaters sei. Mein Vater hat dann öffentlich gesagt, dass er mich nicht mehr als meinen Sohn sieht, sollte ich von jemanden gefasst werden, kann man mit mir vorgehen, wie man möchte. Er hat auch gesagt, dass, was die Scharia beschließt, dagegen wird er keine Beschwerde einbringen. Es war mir bewusst, was die Scharia dazu sagt, was die Gelehrten wollen, das wäre mein Todesurteil in Form von Steinigung. Ich bin aus der Heimat geflüchtet. Meine damals 17-jährige Schwester, sie konnte mit der Schule nicht weitermachen. Sie wurde tagtäglich gequält und belästigt. Die Angehörigen des Mädchens wollten sich dadurch an mir rächen. Obwohl die ‚Weißbärtigen' entschieden hatten, dass meine restliche Familie nichts für mein Verhalten kann, wurde auch mein Vater bedrängt und bedroht. Er hat dann auch entschieden, aus der Heimat zu flüchten. Mein Vater hat das Gesicht in der Gesellschaft verloren. Die Menschen in der Umgebung haben ihn beleidigt und diskriminiert. Mein Vater weigert sich nach wie vor mit mir zu sprechen. Seit ca. zwei Monaten weiß ich über meine Mutter, dass sie sich im Iran aufhalten. Meine Mutter hat mir auch erzählt, dass mein Vater vermutlich niemals bereits sein wird, mir zu vergeben. Dass, was ich gemacht habe hat dazu geführt, dass er sein gutes Leben, das Haus, das Auto, aufgeben musste. Das hat dazu geführt, weswegen ich aus meiner Heimat geflüchtet bin.

Richter: Sind Sie jemals persönlich bedroht oder angegriffen worden?

Beschwerdeführer: Andere Personen, die zum Stamm oder Volksgruppe der Sayed angehört haben, wobei der Vater des Mädchens das Oberhaupt des Clans war, herausgefunden haben, dass wir uns lieben. Sie haben mich persönlich bedroht. Das war während der Schulzeit, die Angriffe und Diskriminierungen haben dazu geführt, dass ich die Schule wechseln musste. Ich habe dann bestanden und dann mit der Universität weitergemacht. Auch sie war für die Universität in XXXX zugelassen, weil Familienangehörige von ihr erfahren haben, dass ich auch in XXXX zugelassen wurde, haben ihr verboten, die Universität dort zu besuchen.

Richter: Wodurch sind Sie aktuell in Afghanistan bedroht?

Beschwerdeführer: Meiner Meinung nach habe ich keinen Fehler begangen, ich habe das Recht dazu, mit der Person, die ich liebe zusammenzuleben. Laut der Scharia im islamischen Recht habe ich eine Sünde begangen, ich habe Schande über sie gebracht und muss dementsprechend bestraft werden.

Richter: Wie sind Sie nach Österreich gekommen?

Beschwerdeführer (in gebrochenem Deutsch): Von Afghanistan bin ich zuerst in den Iran gekommen, dann Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und dann über Ungarn nach Österreich. (auf Dari): Ich wollte in ein Land, wo die Menschrechte gewahrt werden, bedauerlicher Weise wurde ich in den Ländern zuvor von Polizisten äußerst schlecht behandelt. Nachdem ich die ungarische Grenze nach Österreich passiert habe, wurde ich von einem österreichischen Kommando aufgegriffen, die Umgangsweise war überwältigend freundlich. Ich bin dem österreichischen Staat und der Bevölkerung sehr dankbar und glücklich darüber, dass ich hier ein Leben mit meinen österreichischen Freunden führen darf.

Richter: Wie haben Sie die Reise bezahlt?

Beschwerdeführer: Mein Onkel väterlicherseits (vs.), der in Kuwait lebt, hat meine gesamte Reise finanziert.

Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!

Beschwerdeführer: Ich möchte, dass über mich entschieden wird. Ich bin in Afghanistan in Gefahr und kann nicht zurückkehren. Es war eine Notsituation, die mich zur Flucht getrieben hat. Meine Heimat hat XXXX Jahre lang in meine Person investiert, ich hätte dort einen Beruf ausüben können und ein gutes Leben führen können.

Richter: Was würde passieren, wenn Sie jetzt nach Afghanistan zurückkehren müssten?

Beschwerdeführer: Im Falle einer Rückkehr hätte ich niemanden, der mir Unterstützung bieten könnten, mich beschützen könnte. Ich müsste Afghanistan erneut verlassen oder ich müsste mich einer Gruppierung anschließen, um mich so selbst zu beschützen.

Rechtsvertreter: Was ist der Familie Ihrer Freundin und aus ihr geworden?

Beschwerdeführer: Laut den Erzählungen meiner Mutter wurde das Mädchen von der eigenen Familie gefoltert, ihr Bruder wollte sie sogar töten. Ich weiß nichts, was aus ihr geworden ist.

Rechtsvertreter: Was ist mit Ihr Frau, mit Sie zwangsverheiratet wurden?

Beschwerdeführer: Sie lebt bei ihrem eigenen Vater. Ein Jahr waren wir zusammen, während dieser Zeit haben wir uns ständig gestritten. Sie wollte mich nicht und ich wollte sie nicht.

Rechtsvertreter: Wollte die Familie der Ehefrau Sie auch bestrafen?

Beschwerdeführer: Auch ihre Familie ist gegen mich. In Afghanistan ist es eine normale Angelegenheit, dass die Eltern über die Kinder entscheiden. Es geht ihnen nur darum, dass sie zufrieden sind, nicht ob die Kinder mit dieser Entscheidung zu Recht kommen.

Rechtsvertreter: Der Onkel in Kuwait hat die Flucht finanziert, warum hat er sich danach im Streit wieder getrennt?

Beschwerdeführer: Wir haben uns im Streit getrennt, weil er gesagt hat, dass er mir in einer Notlage geholfen hat, weil ich mich jetzt in Europa aufhalte, erwartet er, dass ich ihm das Geld wiedergebe. Ich habe ihm erklärt, dass ich zuerst eine Ausbildung machen muss, um Geld verdienen zu können.

Rechtsvertreter: Keine weiteren Fragen an den Beschwerdeführer.

[...]

Beschwerdeführer: Ich möchte, dass das klar ist, dass die Familie meiner Freundin mich während der Schulzeit diskriminiert und verfolgt hat, weswegen ich auch die Schule wechseln musste. Nachdem ich die Universität abgeschlossen habe und gearbeitet habe, hat sie zu mir Kontakt aufgenommen, damit wir uns wiedersehen können. Das hat dann schlussendlich dazu geführt, dass ich direkt aus der Heimat flüchten müsste.

[...]

Richter: Haben Sie die Dolmetscherin gut verstanden?

Beschwerdeführer: Ja."

Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers legte im Rahmen der mündlichen Verhandlung Unterlagen betreffend die Bildung des Beschwerdeführers in Afghanistan sowie Integrationsunterlagen vor, welche in Kopie zum Akt genommen wurden.

11. Mit Schriftsatz vom XXXX , beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am XXXX , nahm der Beschwerdeführer vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx zu den durch das Bundesverwaltungsgericht ins Verfahren eingebrachten Länderberichten Stellung.

12. Mit Schreiben vom XXXX übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der belangten Behörde die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom

XXXX und gab ihr Gelegenheit, sich dazu binnen 14 Tagen zu äußern.

13. Am XXXX langte eine Stellungnahme des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl zur Stellungnahme des Beschwerdeführers vom

XXXX sowie zur Verhandlungsniederschrift vom XXXX ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und den Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts betreffend den Beschwerdeführer, insbesondere durch Einsicht in die vorgelegten Dokumente und Integrationsunterlagen, sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die ins Verfahren eingeführten Länderberichte.

1. Feststellungen

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, ist volljährig und afghanischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht nicht fest. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Dari. Weiter spricht er Farsi, Paschtu, ein wenig Arabisch, Deutsch und Englisch. Er kann diese Sprachen lesen und schreiben. Der Beschwerdeführer ist traditionell verheiratet und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde in der afghanischen Provinz Bamyan geboren und wuchs dort im afghanischen Familienverband mit seinen Eltern, seinen beiden Schwestern und zwei Brüdern im familieneigenen Haus auf. Der Beschwerdeführer lebte an keinem anderen Ort in Afghanistan.

Er besuchte in Bamyan zwölf Jahre die Schule und studierte anschließend Physik an der XXXX Universität. Im Jahr XXXX schloss er sein Studium mit dem akademischen Grad Bachelor of Science ab. Zusätzlich arbeitete er ungefähr ein Jahr lang als Lehrer und etwas weniger als ein Jahr als Elektriker.

Die Kernfamilie des Beschwerdeführers hält sich derzeit im Iran auf. Der Beschwerdeführer hat lediglich mit seiner Mutter Kontakt, nicht jedoch mit der restlichen Kernfamilie. Ein Onkel väterlicherseits, mit dem der Beschwerdeführer ebenfalls in Kontakt steht, lebt in Kuwait. In Afghanistan verfügt der Beschwerdeführer abgesehen von einem ehemaligen Studienkollegen über kein soziales Netzwerk.

1.2 Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX seinen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet und hält sich seit XXXX durchgehend in Österreich auf.

Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Tragende Gründe für die Gewährung des subsidiären Schutzes waren die seinerzeitige prekäre Sicherheitslage in Afghanistan und das Fehlen tragfähiger familiärer Anknüpfungspunkte bzw. eines Unterstützungsnetzwerkes im Herkunftsstaat.

Der Beschwerdeführer nahm seit seiner Einreise an Deutschkursen in seiner Flüchtlingsunterkunft teil und besuchte zwei Basisbildungskurse XXXX sowie umweltbezogene Veranstaltungen wie zB den Kurs "Umweltfreundlich waschen und reinigen" der XXXX . Weiter nahm er an einem Werte- und Orientierungskurs des ÖIF teil. Der Beschwerdeführer erbrachte im Jahr XXXX ab Jänner für ungefähr acht bis neun Monate gemeinnützige Tätigkeiten für das Landesklinikum XXXX Er verrichtete gartenbauliche Pflegearbeiten am Klinikgelände, übernahm Hilfsarbeiten im Bereich der Jungpflanzenzucht sowie Transporttätigkeiten oder Aushilfsarbeiten beim Hauspersonal. Anschließend widmete er sich seinem Pflichtschulabschluss und besuchte den Kurs "Hurry up! Nachholen des Pflichtschul- / Hauptschulabschlusses" des XXXX von XXXX bis XXXX . Am XXXX bestand der Beschwerdeführer erfolgreich die Pflichtschulabschluss-Prüfung. Der Beschwerdeführer möchte in Österreich eine Lehre zum Elektroinstallationstechniker machen und hat hierfür bereits eine Einstellungszusage der Firma XXXX aus XXXX vom XXXX .

Der Beschwerdeführer hat in Österreich soziale Kontakte - auch zu österreichischen Staatsbürgern - geknüpft. In seiner Freizeit trifft er sich gerne mit seinen Freunden und diskutiert mit ihnen über Mathematik und Physik. Weiter hilft er seiner Lehrerin beim Schreiben eines Buches. Einige Male pro Jahr besucht der Beschwerdeführer mit einem Freund auch die Kirche.

In Österreich leben keine Verwandten oder sonstige wichtige Bezugspersonen des Beschwerdeführers. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Er ist im Wesentlichen gesund und arbeitsfähig.

1.3 Zur Änderung der Umstände seit der Gewährung von subsidiärem Schutz

Seit dem Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , mit welchem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ist es weder zu einer nachhaltigen maßgeblichen Änderung seiner subjektiven bzw persönlichen Situation noch zu einer Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan gekommen. Die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes mit Bescheid vom XXXX geführt haben, haben sich seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten insgesamt nicht wesentlich und nachhaltig verändert bzw verbessert.

1.4 Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers

Es werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen:

1.4.1 Staatendokumentation (Stand 29.6.2018, außer wenn anders angegeben)

1.4.1.1 Neueste Ereignisse

1.4.1.1.1 Kurzinformation vom 23.11.2018

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

1.4.1.1.2 Kurzinformation vom 29.10.2018

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:

davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).

1.4.1.1.3 Kurzinformation vom 19.10.2018

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptstädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokoll V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Wahlen

Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Millionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).

Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichnet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).

Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).

1.4.1.1.4 Kurzinformation vom 11.9.2018

Anschläge in Nangarhar

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demonstration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheliegenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan, nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i- Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

1.4.1.1.5 Kurzinformation vom 22.8.2018

Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn

Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz- Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).

IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul

Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vgl. RFE/RL 17.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vgl. Reuters 16.8.2018b).

Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab

Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet (Repubblica 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden (AB 15.8.2018; vgl. Xinhua 15.8.2018). Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (DS 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018).

Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vgl. Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).

Auch im Distrikt Ghormach der Provinz Faryab wurde gekämpft: Die Taliban griffen zwischen 12.8.2018 und 13.8.2018 einen Stützpunkt des afghanischen Militärs, bekannt als Camp Chinaya, an und töteten ca. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte (ANSA 14.8.2018; vgl. CBS 14.8.2018, Tolonews 12.8.2018). Quellen zufolge kapitulierten die Sicherheitskräfte nach dreitägigen Kämpfen und ergaben sich den Aufständischen (CBS 14.8.2018; vgl. ANSA 14.8.2018).

IS-Angriff auf schiitische Moschee in Gardez-Stadt in Paktia

Am Freitag, dem 3.8.2018, kamen bei einem Selbstmordanschlag innerhalb der schiitischen Moschee Khawaja Hassan in Gardez-Stadt in der Provinz Paktia, 39 Personen ums Leben und weitere 80 wurden verletzt (SI 4.8.2018; vgl. Reuters 3.8.2018, FAZ 3.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag (SI 4.8.2018).

IS-Angriff vor dem Flughafen in Kabul

Am Sonntag, dem 22.7.2018, fand ein Selbstmordanschlag vor dem Haupteingangstor des Kabuler Flughafens statt. Der Attentäter sprengte sich in die Luft, kurz nachdem der afghanische Vizepräsident Rashid Dostum von einem einjährigen Aufenthalt in der Türkei nach Afghanistan zurückgekehrt und mit seinem Konvoi vom Flughafen abgefahren war (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018). Es kamen ca. 23 Personen ums Leben und 107 wurden verletzt (ZO 15.8.2018; vgl. France24). Der Islamische Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018).

1.4.1.2 Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 20.4.2018, USDOS 15.8.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casoli

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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