Entscheidungsdatum
08.11.2019Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13Spruch
W176 2198038-1/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX .2004, StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt I. der Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2018, Zl. 1102281808/160080505, beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
1. Der mj. Beschwerdeführer, der zuvor in Begleitung seiner Tante
XXXX nach Österreich eingereist war, stellte am XXXX .2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Polizeiinspektion Traiskirchen am XXXX .2016 gab er u.a. an, dass er seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemeinsam mit seinen Eltern verlassen habe, in der Türkei aber von ihnen getrennt worden sei und nicht wisse, wo sie sich derzeit aufhielten.
3. Am XXXX .2016 langte beim Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: belangte Behörde) ein an keine bestimmte Stelle adressiertes und vom gleichen Tag datierendes Schriftstück der Bezirkshauptmannschaft XXXX folgenden Inhalts ein:
"Stellungnahme - Vollmachtsbekanntgabe
Die Bezirkshauptmannschaft XXXX als regionale Organisationseinheit des Landes XXXX als Kinder und Jugendhilfeträger stellt hinsichtlich des Minderjährigen
XXXX , geboren am XXXX 2004
IFA: XXXX StA. Afghanistan
nach Rücksprache mit dem Minderjährigen und des Bevollmächtigten fest, dass
XXXX , geboren am XXXX .1984
IFA: XXXX StA. Afghanistan
durch den Obsorgeberechtigten des Minderjährigen mit Pflege und Erziehung betraut wurde.
Hinweis für den Bevollmächtigten:
Es wird empfohlen, die Übertragung der Obsorge beim zuständigen Bezirksgericht zu beantragen."
4. Nach Zulassung des Asylverfahrens wurde der Beschwerdeführer am 10.02.2016 im Rahmen der Grundversorgung nach Oberösterreich überstellt, wo er in einem Quartier des Österreichischen Roten Kreuzes in Traun untergebracht war.
5. Mit Schriftsatz vom 19.10.2016 teilte der Verein ZEIGE der belangten Behörde mit, dass XXXX ihm u.a. bezüglich des Beschwerdeführers Vollmacht, einschließlich einer Zustellvollmacht, erteilt habe und übermittelte diesbezüglich eine den Beschwerdeführer betreffende, von XXXX unterfertigte Vollmacht.
6. Nachdem er am 17.11.2017 von der belangten Behörde um Übermittlung eines allfällig vorhandenen Obsorgebeschlusses bezüglich des Beschwerdeführers ersucht worden war, übermittelte der Koordinator der Österreichischen Roten Kreuzes für die Grundversorgung Flüchtling am 22.11.2017 das unter Punkt 3. wiedergegebene Schreiben.
7. Am 02.01.2018 wurde der Beschwerdeführer zu Handen des Vereins ZEIGE sowie von XXXX für den 18.01.2018 zu einer Einvernahme vor der belangten Behörde geladen.
8. Am 18.01.2018 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde in Anwesenheit von XXXX (als "gesetzlicher Vertretung") sowie einer Vertrauensperson zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Ein Vertreter des Vereins ZEIGE nahm an der Einvernahme nicht teil.
9. Mit der angefochtenen Erledigung vom 08.05.2018, zugestellt an
XXXX (laut Zustellverfügung "gesetzlicher Vertreter"), wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).
10. Gegen Spruchpunkt I. dieser Erledigung richtet sich die vom Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ) am 01.06.2018 für den Beschwerdeführer erhobene Beschwerde. Dieser ist eine von XXXX als "gesetzliche Vertreterin" unterfertigte Vollmacht an den VMÖ beigelegt.
11. In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde sowie die Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
12. Auf telefonische Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes teilte eine Mitarbeiterin der für Jugendwohlfahrt zuständigen Einheit der Bezirkshauptmannschaft XXXX am 23.10.2019 mit, dass im Akt betreffend den Beschwerdeführer kein Obsorgebeschluss aufliege. Ein solcher komme grundsätzlich erst nach Zulassung des Asylverfahrens und Verteilung der Asylwerber in Betracht. Der Akt betreffend den Beschwerdeführer sei mit der Mitteilung von dessen Überstellung nach
XXXX geschlossen worden.
13. Eine telefonische Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes am 24.10.2019 bei der für Jugendwohlfahrt zuständigen Einheit des XXXX ergab, dass der Name des Beschwerdeführers dort nicht bekannt ist.
14. Auf telefonische Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes am 25.10.2019 teilte eine Mitarbeiterin des Bezirksgerichtes XXXX mit, dass es bezüglich des Beschwerdeführers keinen Obsorgebeschluss gebe.
15. Eine telefonische Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes bezüglich eines allfälligen tatsächlichen Zukommens der angefochtenen Erledigung an den Jugendwohlfahrtsträger als gesetzlichen Vertreter gab eine Mitarbeiterin der für Jugendwohlfahrt zuständigen Einheit der Bezirkshauptmannschaft XXXX an, dass ein solches tatsächliches Zukommen nicht in Betracht komme, da der Beschwerdeführer dort nicht aufscheine.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Entscheidung wird zum einen der unter Punkt I. dargestellte Sachverhalt zugrunde gelegt.
1.2. Zum anderen wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer von 11.02.2016 bis 11.06.2018 in XXXX (und somit im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft XXXX ) gemeldet war und seither in XXXX gemeldet ist.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der zu Punkt 1.1. festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.
2.2. Die zu Punkt 1.2. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus einer am 23.10.2019 eingeholten Auskunft aus dem Zentralen Melderegister.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.1.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
3.1.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu Spruchpunkt A):
3.2.1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnisverbunden ist.
3.2.1.2. § 158 Abs. 1 und § 160 Abs. 1 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 (ABGB), lauten wie folgt:
"Wer mit der Obsorge für ein minderjähriges Kind betraut ist, hat es zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und es in diesen sowie allen anderen Angelegenheiten zu vertreten; Pflege und Erziehung sowie die Vermögensverwaltung umfassen auch die gesetzliche Vertretung in diesen Bereichen."
bzw.
"Die Pflege des minderjährigen Kindes umfasst besonders die Wahrnehmung des körperlichen Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht, die Erziehung besonders die Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie dessen Ausbildung in Schule und Beruf."
3.2.2. Anders als offensichtlich von der belangten Behörde angenommen, kann zunächst nicht davon ausgegangen werden, dass XXXX gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers ist bzw. insbesondere dass sie dies zum Zeitpunkt der Zustellung der angefochtenen Erledigung war. Denn wie sich aus den Feststellungen ergibt, wurde die Obsorge zu keinem Zeitpunkt vom Jugendwohlfahrtsträger auf sie übertragen. Insbesondere ist das unter Punkt I.3. wiedergegebene Schriftstück der Bezirkshauptmannschaft XXXX kein derartiger Obsorgebeschluss, und zwar schon deshalb, da ein solcher vom zuständigen Pflegschaftsgericht getroffen werden müsste.
Außerdem kann das unter Punkt I.3. wiedergegebene Schriftstück nicht als Erteilung von Vollmacht an XXXX , den Beschwerdeführer im Asylverfahren zu vertreten, gewertet werden. Denn nach seinem eindeutigen Wortlaut bezieht sich die Bevollmächtigung (nur) auf eine Betrauung der Genannten "mit Pflege und Erziehung" des Beschwerdeführers. Da gemäß § 160 Abs. 1 ABGB die Pflege des minderjährigen Kindes auf die Wahrnehmung des körperlichen Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht und die Erziehung auf die Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie dessen Ausbildung in Schule und Beruf abstellt, kann nicht angenommen werden, dass davon eine Vertretung im Asylverfahren umfasst wäre.
Überdies ergibt sich aus den Feststellungen, dass die angefochtene Erledigung dem gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers - das war zum Zeitpunkt der Zustellung die Bezirkshauptmannschaft XXXX - nicht tatsächlich zugekommen ist.
Da es somit gegenständlich bereits an einem Bescheid als tauglichem Anfechtungsobjekt fehlt, war die Beschwerde schon aus diesem Grund - und ohne Prüfung der Frage, ob sie von einem rechtswirksam dazu Bevollmächtigten eingebracht wurde - als unzulässig zurückzuweisen.
Dabei ist es auch nicht von Relevanz, ob die angefochtene Erledigung dem Verein ZEIGE, dem XXXX Zustellvollmacht erteilt hatte, tatsächlich zugekommen ist; denn sie war - wie sich aus dem zuvor Ausgeführten ergibt - nicht in der Lage, bezüglich des Beschwerdeführers wirksam Vollmacht zu erteilen.
3.2.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
3.3. Zu Spruchpunkt B):
3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Bescheid, Tauglichkeit, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W176.2198038.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.05.2020