TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/2 W102 2132706-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.12.2019
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Entscheidungsdatum

02.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W102 2132706-1/25E

W102 2132706-2/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 13.07.2016, Zl. XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.10.2017 und am 28.10.2019 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet

abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 18.07.2019, Zl. XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.10.2019 zu Recht:

A) I. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und IV. bis VII.

des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 stattgegeben und diese ersatzlos behoben.

II. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend geändert, dass dem Antrag vom 06.06.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 01.07.2021 erteilt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der damals minderjährige Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 02.01.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 03.01.2015 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, in Afghanistan würden Jugendliche oft von den Taliban getötet und vergewaltigt, sie hätten ihn auch schon attackiert, er habe flüchten können. Sie würden in der Nacht kommen und denjenigen töten, der die Tür öffne. Sein Onkel sei mit seiner Tochter zur Tür gegangen und die Taliban hätten gesagt, sie würden ihn wegen seiner Tochter am Leben lassen.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 16.04.2016 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, es gebe viele Vergewaltigungen, Kinder würden entführt und schöne Jungen müssten tanzen. Man würde dann jeglichen Ruf verlieren. Er sei am Schulweg von Männern angehalten und zum Mitgehen aufgefordert worden, habe Angst gehabt, begonnen zu weinen und flüchten können. So etwas sei im Dorf öfter passiert, es seien vermehrt Jungs mitgenommen worden. Das ganze Dorf hätte Bescheid gewusst. Die Dorfältesten und die Arbaki hätten nichts machen können. Deshalb sei er geflüchtet.

Am 21.04.2016 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein, in der ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei von der kulturellen Praxis des "Bacha Bazi" bzw. von sexuellem Missbrauch asylrelevant bedroht.

2. Mit Bescheid vom 13.07.2016 (in der Folge Zuerkennungsbescheid), zugestellt am 20.07.2016, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 01.07.2017 (Spruchpunkt III.). Begründend führte die belangte Behörde hinsichtlich Spruchpunkt I. aus, das Vorbringen sei nicht glaubhaft, weil sich die Angaben in der Einvernahme jenen in der Erstbefragung widersprechen würden. Auch sei nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer nicht wisse, wer die Personen seien, die die behaupteten Vorfälle verübt hätten. Auch gehöre der Beschwerdeführer nach seinem Alter nicht mehr der gefährdeten Personengruppe an. Zu Spruchpunkt II. führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe sich bis zu seiner Ausreise ausschließlich in der Herkunftsprovinz aufgehalten. Die Sicherheitslage dort sei äußerst angespannt und gefährlich und eine Rückkehr dorthin daher nicht möglich. Eine innerstaatliche Schutzalternative etwa in Kabul stehe nicht zur Verfügung, weil der Beschwerdeführer dort nie gelebt habe, mit den dortigen Gegebenheiten nicht vertraut sei und über keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte dort verfüge. Seine Verwandten seien in Logar aufhältig. Die Versorgungslage sei schlecht, die Arbeitslosenrate hoch und es würden Ausbildungsmöglichkeiten fehlen.

3. Am 11.08.2016 langte die gegen Spruchpunkt I. des Zuerkennungsbescheides gerichtete Beschwerde bei der Behörde ein, in der ausgeführt wird, die Beweiswürdigung der Behörde sei nicht nachvollziehbar und würde sich im Wesentlichen auf zwei vermeintliche Widersprüche stützen. Die Minderjährigkeit und der niedrige Bildungsgrad des Beschwerdeführers seien bei der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt worden. Das Vorbringen sei glaubhaft und drohe dem Beschwerdeführer Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der von massivem sexuellen Missbrauch bedrohten afghanischen männlichen Jugendlichen im Alter von zehn bis 18 Jahren. Im Heimatort hätte er auch Racheakte der damaligen Täter zu befürchten, weil er weggelaufen sei und die Täter eine Strafanzeige des Beschwerdeführers oder seiner Familie fürchten würden. Diese Gefahr bestehe unabhängig vom Lebensalter. Staatlicher Schutz sei nicht zu erwarten.

Mit Bescheid vom 21.06.2017 (in der Folge Verlängerungsbescheid), dem damals minderjährigen Beschwerdeführer übergeben am 28.06.2017, seinem gesetzlichen Vertreter zugestellt am 23.03.2018, wurde auf dem Beschwerdeführer auf seinen Antrag vom 10.04.2017 hin gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 01.07.2019 erteilt. Begründend führt die Behörde aus, die Voraussetzungen würden vorliegen.

Am 13.10.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund schilderte, drei fremde Männer hätten ihn auf dem Schulweg angesprochen und zum Mitgehen aufgefordert. Sie hätten ihm ihre Waffen gezeigt und gemeint, sie würden ihn zwingen. Der Beschwerdeführer habe Angst bekommen, begonnen zu weinen und sei weggelaufen. Zuhause habe ihm seine Mutter nicht geglaubt und gedacht, er wolle lediglich nicht zur Schule gehen. Am nächsten Tag beim Hinausgehen hätte er die drei Männer wiedergesehen. Sie seien in ihr Haus gekommen und hätten gesagt, sie wollten den Beschwerdeführer mitnehmen. Der Vater habe mit ihnen gesprochen, sie seien bewaffnet gewesen und hätten zum Vater gesagt, sie würden den Beschwerdeführer entführen, wenn er ihn nicht freiwillig hergebe. Der Vater habe um Zeit gebeten und dann in kürzester Zeit die Ausreise des Beschwerdeführers organisiert. Die Familie habe seit der Flucht noch immer Probleme, den jüngeren Bruder habe der Vater in den Iran geschickt. Er könne auch nicht ins Herkunftsdorf zurückkehren, weil es im Talibangebiet liege und die Taliban Rückkehrer nach einem mehrjährigen Aufenthalt im Ausland mitnehmen und töten würden.

Mit am 13.10.2017 mündlich verkündetem und am 15.01.2018 schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab.

Am 18.09.2018 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer möglichen Familienzusammenführung mit seinem minderjährigen Bruder und dabei auch zu seinen Familienverhältnissen und seiner aktuellen Lebenssituation befragt.

Am 06.06.2019 beantragte der Beschwerdeführer abermals die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.06.2019 wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.10.2017 aufgehoben.

Am 03.07.2019 wurde der Beschwerdeführer zu seiner Rückkehrsituation und zu seinen Lebensverhältnissen in Österreich niederschriftlich einvernommen.

4. Mit angefochtenem Bescheid vom 18.07.2019 (in der Folge Aberkennungsbescheid), zugestellt am 27.07.2019, wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.), der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt III.), dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt IV.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt V.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt VI.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VII.). Begründend führte die belangte Behörde aus, die Entscheidung hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei auf die damalige Minderjährigkeit des Beschwerdeführers und auf die daraus resultierende Unzumutbarkeit, in die Herkunftsprovinz zu gelangen, gestützt worden. Dieser Sachverhalt liege nicht mehr vor. Der Beschwerdeführer sei alleinstehend, jung, arbeitsfähig und gesund, mittlerweile volljährig und habe sich im Bundesgebiet wertvolle Kenntnisse und Berufserfahrung aneignen können. Eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif sei ihm daher zumutbar. Er verfüge über Verwandte im Heimatland, die ihn unterstützen könnten. Auch aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit sei weitere soziale Unterstützung gegeben. Dass der Beschwerdeführer nicht über hinlängliche Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten verfüge, reiche für die Annahme einer Unzumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative nicht aus. Der Beschwerdeführer könne auf ansässige Hilfsorganisationen und die islamische Glaubensgemeinschaft zurückgreifen und Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Weiter zitiert die Behörde umfassend aktuelle Judikatur zur Frage der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative.

Am 20.08.2019 langte die vollumfängliche gegen den Aberkennungsbescheid gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers beim der Behörde ein, in der ausgeführt wird, die tatsächliche Situation des Beschwerdeführers habe sich nicht verändert. Unter Verweis auf zahlreiche aktuelle Länderberichte wird außerdem ausgeführt, die Sicherheits- und Versorgungslage habe sich nicht verbessert.

Am 28.10.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, eine Vertrauensperson des Beschwerdeführers und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

Am 25.11.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse, Workshops, Freizeitangebote, etc.

* Teilnahmebestätigung für Werte- und Orientierungskurs

* Schulzeugnisse

* Schulbesuchsbestätigungen

* Medizinische Unterlagen

* Einige Empfehlungsschreiben

* Lebenslauf des Beschwerdeführers

* Dienstverträge des Beschwerdeführers

* Praktikumsbestätigungen

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde spätestens am XXXX geboren, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er verfügt auch über gute Deutschkenntnisse.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Logar, wo die Familie im eigenen Haus lebte. Der Vater arbeitete als Taxifahrer und die Familie hatte landwirtschaftliche Grundstücke gepachtet und verkaufte Obst. Der Beschwerdeführer lebte bis zur Ausreise nach Europa im Herkunftsdorf, half in der Landwirtschaft mit und besuchte die Schule.

Die Familie des Beschwerdeführers bestehend aus seinen Eltern, vier Schwestern und zwei Brüdern, lebt noch im Herkunftsdorf von der Landwirtschaft und wird zudem gelegentlich vom Beschwerdeführer unterstützt. Der Vater des Beschwerdeführers ist erkrankt und nicht arbeitsfähig.

Ein jüngerer Bruder des Beschwerdeführers ist mittlerweile in Griechenland aufhältig.

Eine Schwester des Beschwerdeführers lebt in Pakistan, eine lebt in München.

Schon im Zeitpunkt der Antragstellung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet lebte ein Onkel des Beschwerdeführers in London und ein Onkel in Deutschland. Der ältere nunmehr wieder im Herkunftsdorf aufhältige Bruder des Beschwerdeführers lebte im Antragszeitpunkt in London und kehrte vor der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.10.2017 in den Herkunftsstaat zurück.

Zu den Angehörigen besteht Kontakt.

Der Beschwerdeführer hat im Schuljahr 2015/16 eine Neue Mittelschule und im Anschluss bis etwa Februar 2017 eine Polytechnische Schule. Von Juni bis Oktober 2017 besuchte der Beschwerdeführer außerdem einen Vorbereitungslehrgang für die Pflichtschulabschlussprüfung und von Februar 2017 bis Dezember 2018 einen Lehre-Vorbereitungskurs. Weiter hat der Beschwerdeführer in den Jahren 2015 und 2016 an einigen Deutschkursen teilgenommen und einen Werte- und Orientierungskurs besucht.

Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet keinen Schulabschluss erworben und auch keine Berufsausbildung abgeschlossen.

Seit Mai 2018 war der Beschwerdeführer wiederholt, allerdings nicht durchgehend erwerbstätig. Er hat als Hilfsarbeiter bei einem Personalüberlassungsunternehmen gearbeitet, als Security und als Küchenhilfe.

Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet den Kran- und den Staplerführerschein, beide ausgestellt am 26.04.2018, gemacht.

Er lebt mit einem Freund in einer privaten Mietwohnung und ist verlobt. Ein gemeinsamer Wohnsitz mit seiner Verlobten besteht nicht.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat ist nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer entführt und vergewaltigt oder als Tanzjunge missbraucht würde. Der Beschwerdeführer wurde nicht als Tanzjunge missbraucht.

Im Fall der Rückkehr ist der Beschwerdeführer nicht von Zwangsrekrutierung bedroht. Ihm drohen auch keine Übergriffe durch die Taliban, weil er sich der Zwangsrekrutierung entzogen hätte.

Übergriffe gegen den Beschwerdeführer, weil er nach einem Aufenthalt im Ausland zurückkehrt oder wegen einer geänderten Denkweise und Lebenseinstellung, sind nicht zu erwarten.

Übergriffe gegen den Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam sind nicht zu erwarten.

1.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen. Die Provinz Logar gehört zu den volatilen Provinzen des Herkunftsstaates und im Jahr 2017 zu den Provinzen mit den höchsten Anschlagszahlen. Im Vergleich zum Jahr 2016 ist im Jahr 2017 die Anzahl ziviler Opfer um 35 % zurückgegangen. Im Jahr 2018 kam es im Vergleich zu 2017 zu einem Rückgang ziviler Opfer um 3 %. In Logar sind in allen Distrikten regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv. Es werden Luftangriffe und Bodenoffensiven durchgeführt. Eine Verbesserung der Sicherheitslage ist nicht ersichtlich.

Hinsichtlich der Hauptstadt Kabul ist ein negativer Trend in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten deutlich erkennbar. Die Stadt ist vom innerstaatlichen Konflikt und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans, die insbesondere aus Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte resultieren. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Die Konfliktsituation ist geprägt von asymmetrischer Kriegsführung.

In Balkh hat sich die Sicherheitslage - nachdem die Provinz lange zu den relativ ruhigen Provinzen gezählt wurde - ebenso verschlechtert. In Mazar-e-Sharif ist es zu einem Anstieg krimineller Aktivitäten wie Raub, Mord, Entführung etc. gekommen. Im Jahr 2018 ist die Anzahl ziviler Opfer in Balkh im Vergleich zu 2017 um 76 % angestiegen. Hauptursachen sind Bodenkämpfe, unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen und gezielte Tötungen. Insbesondere sind die Todesfälle infolge von Bodenoffensiven um 296 % angestiegen. UNOCHA stuft Mazar-e-Sharif hinsichtlich der Schwere des Konfliktes in der zweithöchsten Kategorie ein.

Die Sicherheitslage im Distrikt Herat und in Herat (Stadt) hat sich nicht verbessert.

Es gab bereits vor dem 23.03.2018 Rückkehrhilfeangebote für Rückkehrer nach Afghanistan.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu Identität, Herkunftsort, Staatsangehörigkeit, Lebenswandel und Lebensverhältnisse im Herkunftsstaat, Volksgruppen- und Religionsangehörigkeit und Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen gleichbleibenden Angaben im Verfahren. Auch die belangte Behörde legte diese Angaben des Beschwerdeführers ihrer Beurteilung in den angefochtenen Bescheiden als Feststellungen zugrunde. Die Feststellung zu den Deutschkenntnissen beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers. Zwar hat er kein Sprach-Zertifikat in Vorlage gebracht. Allerdings erscheinen die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund dessen, dass er im Bundesgebiet einige Deutschkurse und andere Bildungsangebote besucht hat und zumindest kleine berufliche Erfolge aufweist, sowie unter Berücksichtigung seiner Sozialkontakte - wie sie sich aus den vorgelegten Empfehlungsschreiben ergeben - plausibel. Weiter konnte etwa die Einvernahme vor der belangten Behörde am 03.07.2019 bereits teilweise in Deutsch geführt werden konnte, wie sich aus deren Protokoll ergibt (Einvernahmeprotokoll S. 5, AS 691).

Das festgestellte spätestmögliche Geburtsdatum ergibt sich aus dem schlüssigen und widerspruchsfreien medizinischen Sachverständigengutachten zur forensischen Altersschätzung vom 15.03.2016 (AS 177 ff.), dem der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist. Auch erklärte sich der Beschwerdeführer diesbezüglich niederschriftlich einvernommen am 12.07.2016 mit der Korrektur des Geburtsdatums einverstanden (AS 230) und verwendete es in der Folge im Verfahren.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass ein anderslautendes Vorbringen nicht erstattet und im Lauf des Verfahrens auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zum Verbleib der Angehörigen des Beschwerdeführers und deren Versorgung ergeben sich aus den plausiblen Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 03.07.2019 und fügen sich konsistent an die Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren an.

Dass ein jüngerer Bruder des Beschwerdeführers in Griechenland aufhältig ist, ist aktenkundig. So wurde der Beschwerdeführer etwa am 18.09.2018 niederschriftlich zu einer möglichen "Dublin-Zusammenführung" mit seinem damals minderjährigen Bruder einvernommen (AS 439).

Dass zu den Angehörigen Kontakt besteht, hat der Beschwerdeführer durchgehend im Verfahren - wenn auch meist implizit - angegeben.

Die Feststellungen zu Schul- und Kursbesuch des Beschwerdeführers ergeben sich aus den diesbezüglich (Großteils mehrfach) in Vorlage gebrachten Teilnahme- und Besuchsbestätigungen, wobei in Zusammenschau mit den ebenso stets vorgelegten Lebensläufen ein konsistentes Bild vom Werdegang des Beschwerdeführers im Bundesgebiet entsteht und Gründe für Zweifel an seinen Angaben nicht bestehen.

Dass der Beschwerdeführer keinen Schulabschluss erworben und keine Berufsausbildung abgeschlossen hat, ist als Feststellung Folge der vom Beschwerdeführer gesetzten Aktivitäten. So hat er etwa den Pflichtschulabschlusslehrgang nicht abgeschlossen und auf den diesbezüglichen Vorbereitungslehrgang hin eine Lehre oder ähnliches nicht begonnen und auch nicht abgeschlossen. Nachdem der Beschwerdeführer sich von der Vorlage seiner Unterlagen unter anderem auch einen günstigen Einfluss auf seinen Verfahrensgang hinsichtlich der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung erhofft, geht das Bundesverwaltungsgericht auch davon aus, dass der Beschwerdeführer seine Fortbildungsbemühungen und seinen beruflichen Werdegang weitgehend vollständig vorgebracht und alle Dokumente in Vorlage gebracht hat.

Die Feststellung zur Berufstätigkeit des Beschwerdeführers ab Mai ergibt sich aus seinem Lebenslauf, seinen gleichbleibenden diesbezüglichen Angaben und den vorgelegten Dienstverträgen. Aus dem aktuellen im Akt einliegenden Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem ergibt sich allerdings, dass der Beschwerdeführer immer wieder zumindest teilweise Grundversorgung bezogen hat, wobei er auch angegeben hat, etwa als Security nur geringfügig zu arbeiten. Weiter weisen die kurzen Zeiträume zwischen den Datierungen der vorgelegten Dienstverträge auf einen jeweils nur kurzzeitigen Einsatz des Beschwerdeführers hin.

Die Feststellungen zu den Wohnverhältnissen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.10.2019, wobei der Beschwerdeführer nicht angegeben hat, mit seiner Verlobten gemeinsam zu leben. Dass der Beschwerdeführer dennoch verlobt ist, konnte aufgrund der diesbezüglichen widerholten Angabe des Beschwerdeführers festgestellt werden, sowie aufgrund der Teilnahme der Verlobten als Vertrauensperson an der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.10.2019, wobei auch ein Empfehlungsschreiben von deren Mutter in Vorlage gebracht wurde.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer bringt zu seinen unmittelbaren Ausreisegründen im Wesentlichen vor, fremde Männer hätten ihn mitnehmen und als Tanzjungen missbrauchen oder zwangsrekrutieren wollen. Das vom Beschwerdeführer geschilderte Bedrohungsszenario sowie seine diesbezüglichen Rückkehrbefürchtungen erachtet das Bundesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der belangten Behörde als nicht glaubhaft.

So treten bei den Schilderungen des Beschwerdeführers mehrere Widersprüche auf, wodurch sich keine stringente und gleichbleibende Erzählung ausmachen lässt.

Zunächst gab der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 15.04.2016 an, er sei unterwegs zum Nebenhaus, wo er unterrichtet worden sei, gewesen und sei von drei erwachsenen Personen aufgehalten worden, die ihn aufgefordert hätten, mitzugehen. Einer habe ihm seine Waffe gezeigt und der Beschwerdeführer habe zu weinen begonnen. Die Person hätte gesagt, der Beschwerdeführer werde jetzt mitgehen, oder sie würden ihn zwingen. Dann sei der Beschwerdeführer davongelaufen und habe seiner Mutter von dem Vorfall erzählt. Im Dorf seien bereits zuvor vermehrt Jungen mitgenommen und vergewaltigt worden. Im Herkunftsstaat gebe ist viele Vergewaltigungen, schöne Jungs müssten dort tanzen. Die Familie habe daraufhin beschlossen, den Beschwerdeführer aus dem Heimatland zu bringen (Einvernahmeprotokoll S. 4, AS 112).

Unerwähnt bleibt in der gesamten Einvernahme vor der belangten Behörde dagegen, dass die Männer - wie der Beschwerdeführer schließlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.10.2017 angab (Verhandlungsprotokoll S. 3) - am nächsten Tag zum Haus der Familie gekommen seien, mit dem Vater gesprochen und ihm gesagt hätten, sie würden den Beschwerdeführer entführen, wenn er ihn nicht freiwillig hergebe. Weiter ergänzte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 13.10.2017, die Männer seien mehrmals zum Haus der Familie gekommen, um nach dem Beschwerdeführer zu fragen (Verhandlungsprotokoll S. 6). Auch dies hatte in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 15.04.2016 keine Erwähnung gefunden und wurde vom Beschwerdeführer überdies erst auf Nachfrage preisgegeben. Weiter adaptiert der Beschwerdeführer die Gründe, aus denen er hätte mitgenommen werden sollen dahingehend, dass die Männer Kinder mitnehmen würden, die von klein auf erzogen würden, um in den Krieg zu ziehen, bzw. ein Attentat zu verüben (Verhandlungsprotokoll S. 4). Damit reichert der Beschwerdeführer seine Fluchterzählung um eine bis dahin unerwähnt gebliebenes Fluchtvorbringen hinsichtlich einer drohenden Gefahr der Zwangsrekrutierung an.

Im Übrigen bleibt der in der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 03.01.2015 geschilderte Vorfall, demzufolge der Onkel des Beschwerdeführers den Taliban mit seiner Tochter am Arm geöffnet habe und die Taliban gesagt hätten, sie würden den Onkel wegen seiner Tochter nicht töten (Erstbefragungsprotokoll S. 5, AS 51) im weiteren Verfahren völlig unerwähnt. Zwar dient die Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz AsylG insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen. Naturgemäß werden daher in der Erstbefragung keine umfangreichen Angaben zu den Fluchtgründen gemacht. Fallgegenständlich erfolgte allerdings eine auffallend umfangreiche und detaillierte Protokollierung der Fluchtgründe in der Erstbefragung und fand die hinsichtlich des Onkels protokollierte Taliban-Tür-Szene später im Verfahren nie wieder Erwähnung. Zwar kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ein Widerspruch zwischen in der Erstbefragung protokollierten Fluchtgründen und späteren Angaben für sich genommen nicht ausreichen, um das Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft zu qualifizieren. Allerdings darf ein solcher Widerspruch in einer Gesamtbetrachtung der Angaben und des Aussageverhaltens des Beschwerdeführers Berücksichtigung finden.

Somit ergibt sich aus den bloßen Angaben des Beschwerdeführers bereits kein im Kern gleichbleibender Ereignisablauf, der ihn zur Ausreise motiviert haben soll. Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der geschilderten Ereignisse (mindestens) 14 Jahre alt gewesen sein müsste, was sich aus dem festgestellten spätestmöglichen Geburtsdatum des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit seinen Angaben zu Reiseroute und -dauer ergibt. So verlangt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung eine besondere Berücksichtigung der Minderjährigkeit eines Asylwerbers bei der Beweiswürdigung und Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen. Insbesondere ist die Dichte des Vorbringens nicht mit "normalen Maßstäben" zu messen und muss aus der Entscheidung erkennbar sein, dass darauf und auch auf den Blickwinkel, aus dem die Schilderung der Fluchtgründe erfolgt, Bedacht genommen wurde. Demnach bedarf es zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung (zuletzt VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0150 mwN). Jedoch ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auch von einem im Zeitpunkt der Ereignisse 14-jährigen zu erwarten, dass er im Kern stets in etwa die gleiche Geschichte erzählt.

Es lässt sich weiter dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019 (in der Folge Länderinformationsblatt), zum Themenkreis "Bacha Bazi" entnehmen, dass diese Form der Kinderprostitution ist, bei der Buben von reichen oder mächtigen Männern zur Unterhaltung, insbesondere Tanz und sexuelle Handlungen ausgebeutet werden. In weiten Teilen Afghanistans bleibe der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ein großes Problem, das Thema sei gesellschaftlich tabuisiert und werde gewöhnlich unter dem Deckmantel kultureller Gepflogenheiten verschwiegen oder verharmlost. Üblicherweise wären die Buben zwischen zehn und 18 Jahre alt, viele von ihnen würden weggebeben, sobald sie erste Anzeichen eines Bartes hätten. Die Jungen würden vom sozialen Umfeld verstoßen (Kapitel 17.1. Kinder, Abschnitt Bacha Bazi (Bacha Bazi) - Tanzjungen). Auch die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien), die der Beschwerdeführer mit Beschwerde gegen den Aberkennungsbescheid vom 18.07.2019 in das Verfahren eingebracht hat, definieren ein kinderspezifisches Risikoprofil zu sexueller Gewalt, wo berichtet wird, dass Jungen im Kindesalter durch "Bacha Bazi" gefährdet sein könnten, ein Brauch, bei dem Jungen von einflussreichen Personen gehalten werden, die sie in weiblicher Kleidung vor einem männlichen Publikum tanzen lassen und sie für sexuelle Zwecke missbrauchen. Wenn Opfer Fälle sexuellen Missbrauchs melden würden, würden sie als Schande für die Familie angesehen und bestraft (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 10. Kinder mit bestimmten Profilen oder Kinder, die unter bestimmten Bedingungen leben, Buchstabe b) Gewalt gegen Kinder, einschließlich sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, S. 93-94).

Nun erweist sich vor dem Hintergrund der Länderberichte, dass das vom Beschwerdeführer geschilderte Risiko für Jungen im Herkunftsstaat grundsätzlich abstrakt besteht. Allerdings ist der Beschwerdeführer mittlerweile mindestens 19 Jahre alt und zeigt - wie etwa auf seinen Fotos auf den ins Verfahren eingebrachten Lebensläufen ersichtlich - bereits deutliche Anzeichen von Bartwuchs. Folglich erscheint im Fall der Rückkehr vor dem Hintergrund der Länderberichte ausgeschlossen, dass er gefährdet ist, als Tanzjunge missbraucht zu werden.

Weiter erweisen sich die Ausführungen des Beschwerdeführers, Tanzbub gewesen zu sein, bedeute, dass die Ehre verletzt wäre sowie Scham und eine Schande für die Familie zwar vor dem Hintergrund der Länderberichte als wahr. Allerdings hat der Beschwerdeführer nicht behauptet, selbst Tanzbub gewesen zu sein. Die nachteiligen Folgen, mit denen ehemalige Tanzbuben konfrontiert sind, wären für den Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr sohin nicht zu erwarten.

Entsprechend wurde festgestellt, dass im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht zu erwarten ist, dass der Beschwerdeführer entführt und vergewaltigt oder als Tanzjunge missbraucht würde, sowie, dass er nicht als Tanzjunge missbraucht wurde.

Zum weiteren Fluchtvorbringen, dass der Beschwerdeführer - neben dem Handlungsstrang "Bacha Bazi" - an seine Erzählung vom unmittelbar ausreiseauslösenden Ereignis knüpft, nämlich, diese Männer hätten ihn ausgesucht, weil sie Kinder mitnehmen, weil sie diese besser beeinflussen könnten. Sie würden von klein auf dazu erzogen, eines Tages in den Krieg zu ziehen bzw. ein Attentat zu verüben (Verhandlungsprotokoll S. 4), ist den UNHCR-Richtlinien grundsätzlich zu entnehmen, dass es im Herkunftsstaat zu Zwangsrekrutierungen gegen Kinder durch alle Konfliktparteien kommt (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, S. 59-62). Im Speziellen zur Rekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte wird berichtet, dass diese verschiedenen Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang anwenden würden. Personen, die sich widersetzen würden, seien Berichten zufolge ebenso wie ihre Familienmitglieder gefährdet, getötet oder bestraft zu werden (ebd. Buchstabe a) Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs), S. 59-60). Der Beschwerdeführer hat allerdings - abgesehen von der einmaligen Behauptung, diese Männer seien zum Haus der Familie gegangen und hätten nach dem Beschwerdeführer gefragt und die Eltern hätten den jüngeren Bruder in den Iran geschickt (Verhandlungsprotokoll vom 13.10.2017, s. 6) - keinerlei Andeutungen gemacht, dass seine Angehörigen im Herkunftsdorf Repressionen ausgesetzt wären. Viel mehr gab der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 03.07.2019 an, seine Eltern, zwei Brüder und drei Schwestern würden im Herkunftsdorf leben. Die Familie würde von der Landwirtschaft leben, auch der Beschwerdeführer schicke gelegentlich Geld. Der Vater sei krank (Einvernahmeprotokoll S. 2-3). Nichts deutet hier darauf hin, dass die Familie des Beschwerdeführers Repressionen ausgesetzt wäre. Angesichts der Berichtslage hinsichtlich zu erwartender Repressionen im Fall dessen, dass sich eine Person der Zwangsrekrutierung verweigert, erscheint der vom Beschwerdeführer im Verlauf der mündlichen Verhandlung am 13.10.2017 an seine Erzählung geknüpfte zusätzliche Handlungsstrang betreffend Zwangsrekrutierung als nicht plausibel. Nachdem sich aber andere Anhaltspunkte für eine besondere Betroffenheit des Beschwerdeführers von möglichen Zwangsrekrutierungshandlungen für den Fall der Rückkehr nicht ergeben haben und sich aus den zitierten Berichten nicht entnehmen lässt, dass jeder junge Mann im Herkunftsstaat automatisch zwangsrekrutiert würde, wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nicht von Zwangsrekrutierung bedroht ist sowie, dass der Beschwerdeführer sich in der Vergangenheit nicht der Zwangsrekrutierung entzogen hat.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, ihm würden wegen seines Auslandsaufenthaltes sowie wegen seiner geänderten Denkweise und Lebenseinstellung im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe drohen, ist auszuführen, dass das Länderinformationsblatt in seinem Kapitel 23. Rückkehr keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass es im Herkunftsstaat zu systematischen Übergriffen gegen Rückkehrer kommt. Die UNHCR-Richtlinien erwähnen zwar Fälle von Rückkehrern, die von Aufständischen bedroht, gefoltert und ermordet worden seien (Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel A. Riskoprofile, Unterkapitel 1. Personen die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regirung und der internationalen Gemeinschaft einfschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vemeintlich unterstützen, Buchstabe i) Als "verwestlicht" wahrgenommene Personen [S. 52 f.]), belegen aber nicht, dass systematisch Übergriffe gegen Rückkehrer stattfinden. Inwiefern eine konkrete Gefahr, dass sich eines der abstrakt geschilderten manche Rückkehrer treffenden Risiken gerade für den Beschwerdeführer aufgrund seiner spezifischen individuellen Umstände verwirklichen könnte, wurde allerdings nicht substantiiert dargetan und ist auch nicht ersichtlich. Eine entsprechende Feststellung wurde folglich getroffen.

Hinsichtlich der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam ist den UNHCR-Richtlinien zu entnehmen, dass es zwar noch zu offener Diskriminierung der Schiiten komme und insbesondere regierungsfeindliche Kräfte sie als "Ungläubige", "Abtrünnige" oder "Halb-Muslime" bezeichnen würden. Auch komme es zu Angriffen gegen die schiitische Bevölkerung, etwa durch Verschleppungen, Entführungen, gezielte Tötungen oder Angriffe auf Schiiten an Gebetsstätten oder in Dörfern sowie komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, a) Religiöse Minderheiten, Unterabschnitt Schiiten, S. 69). Auch das Länderinformationsblatt berichtet, dass es zu lokalen Diskriminierungsfällen kommt, sowie das Schiiten Opfer von Angriffen würden. Andererseits seien sie in der nationalen Versammlung der Religionsgelehrten vertreten und könnten ihre Feste öffentlichen feiern (Kapitel 15. Religionsfreiheit, Unterkapitel 15.1. Schiiten). Der Beschwerdeführer selbst hat allerdings hinsichtlich seiner Religionszugehörigkeit keinerlei Rückkehrbefürchtungen geäußert und somit eine konkrete und individuelle Betroffenheit seiner Person von der nach der Berichtslage manche Schiiten treffenden Risiken nicht dargetan. Dagegen ergibt sich eine automatische Betroffenheit jedes Schiiten von Übergriffen nur aufgrund seiner Anwesenheit im afghanischen Staatsgebiet aus der zitierten Berichtslage eindeutig nicht. Dementsprechend wurde festgestellt, dass Übergriffe gegen den Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam nicht zu erwarten sind.

2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt, dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation. von Juni 2019 sowie den UNHCR-Richtlinien.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Logar basieren auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel

3.21. Logar, sowie auf dem mit Beschwerde gegen den Aberkennungsbescheid vom 18.07.2019 in das Verfahren eingebrachten EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019, Kapitel 2.22. Logar (S. 206 ff.).

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul beruhen im Wesentlich auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul, den UNHCR-Richtlinien und dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019, Kapitel 2.1 Kabul city, S. 67 ff. So berichten Länderinformationsblatt und UNHCR-Richtlinien von einer Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul sowie von einer Zunahme der zivilen Opfer. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien berichten von negativen Trends hinsichtlich der Sicherheitslage und bestätigen, dass Kabul wiederholt die höchste Zahl ziviler Opfer verzeichnet und diese insbesondere auf Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe regierungsfeindliche Kräfte zurückgehen, die zahlreiche Zivilisten auf ihren täglichen Wegen das Leben kosten. Die Gefahr, Opfer eines solchen Angriffes zu werden, sei bei sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten allgegenwärtig, etwa auf dem Arbeits- oder Schulweg, auf dem Weg zu medizinischen Behandlungen, beim Einkaufen, auf Märkten, in Moscheen oder an anderen Orten, wo viele Menschen zusammentreffen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 4. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in Kabul, Buchstabe a) Die Relevanz von Kabul als interner Schutzalternative, S. 127 f.). Insbesondere ergibt sich aus dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019 auch keine Trendumkehr in Bezug auf die Sicherheitslage in Kabul, weswegen eine Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul festgestellt wurde.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Balkh und Mazar-e Sharif basieren auf dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019, Kapitel 3.5. Balkh, S. 108 ff.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage im Distrikt Herat und in Herat (Stadt) beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.13. Herat, wo berichtet wird, dass Herat zu den relativ ruhigen Provinzen gehört, obgleich sich die Situation in den abgelegenen Distrikten in den letzten Jahren verschlechtert habe. Es komme zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen. Ähnlich berichtet auch der EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019 in seinem Kapitel 3.13. Herat (S. 149 ff.), dass es weiterhin Talibanaktivitäten und Kämpfe gibt. Hinsichtlich Herat (Stadt) wird von einem Anstieg der Kriminalität berichtet. Allerdings lässt sich den Berichten ein klarer Trend hinsichtlich der Sicherheitslage weder in Richtung einer Verbesserung noch in Richtung einer Verschlechterung entnehmen.

Die Feststellung von Rückkehrhilfe bereits vor dem 23.03.2018 für Rückkehrer nach Afghanistan ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr, Abschnitte Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig und Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung.

Zur Plausibilität, Seriosität und Aktualität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, in der Fassung der Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019, zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und auch EASO in den vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Normen durch explizite Nennung als Quelle für Herkunftslandinformationen besonders hervorgehoben wird. Folglich stützt sich das Bundesverwaltungsgericht auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Zuerkennungsbescheides (Asyl)

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

3.1.1. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr "Bacha Bazi"

Die Frage, ob eine Verfolgungsgefahr durch staatliche oder private Stellen aufgrund eines Missbrauches als "Bacha Bazi" (Tanzjunge) bei einer Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention - allenfalls unter dem Anknüpfungspunkt der sozialen Gruppe der (ehemaligen) Tanzjungen - darstellt, wurde bereits mehrmals an den Verwaltungsgerichtshof herangetragen. Bisher hat der Verwaltungsgerichtshof eine Auseinandersetzung damit, ob es sich bei der Gruppe der (ehemaligen) Tanzjungen um eine soziale Gruppe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention handelt, unterlassen. Begründend verweist er stets auf einen mangelnden kausalen Zusammenhang zwischen der behaupteten (ehemaligen) Zugehörigkeit zu dieser Gruppe mit einer Verfolgung, wenn nach Erreichen der Volljährigkeit keine weitere Verfolgung drohe (zuletzt VwGH 03.05.2018, Ra 2018/19/0171).

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer weder glaubhaft machen, dass im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat zu erwarten wäre, dass er entführt und vergewaltigt oder als Tanzjunge missbraucht würde, noch, dass er in der Vergangenheit als Tanzjunge missbraucht wurde. Weiter ist der Beschwerdeführer mittlerweile 19 Jahre alt, damit volljährig und ist sohin für eine künftige Gefahr, im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat ein kausaler Zusammenhang im Sinne der oben zitierten Judikatur ebenso wenig gegeben. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich bei der Gruppe der (ehemaligen) Tanzjungen um eine soziale Gruppe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention handelt, konnte daher unterbleiben.

3.1.2. Zu einer möglichen Verfolgungsgefahr wegen der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeine Gefahr eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", so hat jedes einzelne Mitglied schon aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten. Diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (zuletzt VwGH 28.03.2019, Ra 2018/14/0428 mwN).

Der Beschwerdeführer konnte seine Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam glaubhaft machen, was nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ein Merkmal im Sinne der oben zitierten Judikatur darstellt, weswegen einer daran Anknüpfenden Gruppenverfolgung unter dem unter dem GFK-Anknüpfungspunkt der Religion potenziell Asylrelevanz zukommt. Allerdings wurde umfassend beweiswürdigend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam im Fall der Rückkehr nicht zu erwarten hat.

3.1.3. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr als "Rückkehrer" nach langjährigem Auslandsaufenthalt bzw. wegen der geänderten Denkweise und Lebenseinstellung des Beschwerdeführers

Da es wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt im Herkunftsstaat nicht gleichsam systematisch zu Übergriffen gegen Personen kommt, die - wie es auch beim Beschwerdeführer der Fall wäre - aus dem westlichen Ausland nach Afghanistan zurückkehren bzw. sich dadurch eine geänderte Denkweise und Lebenseinstellung angeeignet haben, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass ihm Aufgrund seiner Eigenschaft als "Rückkehrer" automatisch Verfolgung droht. Eine konkrete und individuelle Betroffenheit des Beschwerdeführers von Übergriffen, wie sie gegen manche "Rückkehrer" vorkommen können, konnte dieser - wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt - nicht glaubhaft machen. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, unter welchen GFK-Gesichtspunkt die behauptete Verfolgungsgefahr allenfalls zu subsumieren wäre, erübrigt sich damit.

3.1.4. Zum Fluchtvorbringen hinsichtlich Zwangsrekrutierung

Der Verwaltungsgerichtshof differenziert in ständiger Judikatur zwischen der per se nicht asylrelevanten Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei von der Verfolgung, die an die tatsächliche oder unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Auf das Auswahlkriterium für die Zwangsrekrutierung kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist daher, mit welcher Reaktion durch die Milizen aufgrund einer Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, gerechten werden muss und ob in ihrem Verhalten eine (unterstellte) politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (19.04.2016, VwGH Ra 2015/01/0079 mwN).

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer weder glaubhaft machen, dass er im Fall der Rückkehr von Zwangsrekrutierung bedroht wäre, noch, dass ihm im Fall der Rückkehr Übergriffe durch die Taliban drohen, weil er sich der Zwangsrekrutierung entzogen hat. Damit konnte der Beschwerdeführer eine ihm drohende Verfolgungsgefahr im Fall der Rückkehr im Sinne der oben zitierten Judikatur nicht glaubhaft machen und konnte eine Auseinandersetzung, unter welchem GFK-Anknüpfungspunkt derartige Verfolgungshandlungen allenfalls asylrelevant sein könnten, unterbleiben.

Im Ergebnis war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Zuerkennungsbescheides daher spruchgemäß abzuweisen.

3.2. Zum Aberkennungsbescheid

3.2.1. Zur ersatzlosen Behebung von Spruchpunkt I. des Aberkennungsbescheides (Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten)

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amtswegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) nicht oder nicht mehr vorliegen.

§ 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG erfasst die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, während § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall jene Konstellationen betrifft, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005 m. w.N.).

Die belangte Behörde stützt sich in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides lediglich auf § 9 Abs. 1 AsylG ohne explizit zu erkennen zu geben, auf welchen konkreten Aberkennungstatbestand sie Bezug nimmt. Die Behörde schreibt allerdings in ihren Feststellungen:

"Festgestellt wird, dass der Sachverhalt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes nun nicht mehr vorliegt." (Aberkennungsbescheid S. 8) und zitiert in ihrer rechtlichen Beurteilung den Norminhalt von § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG (Aberkennungsbescheid S. 127). Hieraus ergibt sich klar, dass die belangte Behörde sich auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG stützt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkung von Bescheiden nicht zulässig ist, die Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung nicht geändert hat (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353). Auch der Verfassungsgerichtshof hat zu § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG bereits ausgesprochen, dass diese Bestimmung keine Neubewertung eines rechtskräftigen Entschiedenen Sachverhaltes erlaubt, sondern eine Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG lediglich in Frage kommt, wenn sie die Umstände nach der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich geändert haben (VfGH 24.09.2019, E 2330/2019).

In seiner Judikatur zum Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG zeichnet der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen das Prüfschema vor, dass zunächst zu ermitteln ist, ob, seit dem Beschwerdeführer zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG erteilt wurde, neue Umstände hinzugetreten sind. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist eine erneute Gesamtbeurteilung vorzunehmen, bei der alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, auch wenn sie sich vor der letzten Verlängerung ereignet haben (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).

Zur unionsrechtskonformen Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG zieht der Verwaltungsgerichtshof das Erforderlichkeitskalkül des Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in der Folge Statusrichtlinie) heran (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie sieht vor, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr hat, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Nach Abs. 2 leg. cit. berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei Anwendung des oben zitierten Abs. 1, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorrübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Eine solche Änderung der Umstände kann sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus einer Änderung der tatsächlichen Umstände im Herkunftsstaat ergeben, aber auch in der persönlichen Situation des Fremden gelegen sein, wobei es regelmäßig nicht auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses ankommt (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Fallgegenständlich ist folglich zunächst zu prüfen, ob sich, seit dem Beschwerdeführer mit Verlängerungsbescheid vom 21.06.2017 zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter nach § 8 Abs. 4 AsylG zuerkannt wurde, entweder die Umstände im Herkunftsstaat oder die persönliche Situation des Beschwerdeführers wesentlich und nicht nur vorrübergehend geändert haben.

Die Frage des Alters ist im Berufungsverfahren (nunmehr Beschwerdeverfahren) nach der Rechtsprechung dann relevant, wenn der Asylwerber unter Zugrundelegung des von ihm angegebenen Geburtsdatums zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides noch minderjährig gewesen ist. In diesem Fall habe die Zustellung des Bescheides an den Asylwerber persönlich keine Rechtswirkung entfaltet, was zur Folge hat, dass der Bescheid rechtlich nicht existent geworden sei (VwGH 21.01.2010, 2008/20/0042).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet die Zustellung eines Bescheides an einen in diesem Zeitpunkt Minderjährigen und damit Prozessunfähigen keine Rechtswirkungen zu entfalten (VwGH 25.02.2019, Ra 2017/19/0361). Den Zeitpunkt der Entscheidung eines monokratischen Organes hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass ihm der Zustellungszeitpunkt (und nicht der Zeitpunkt der Willensbildung) entspricht (VwGH 27.04.2016, Ra 2015/05/0069). Folglich ist auch die Sach- und Rechtslage in diesem Zeitpunkt entscheidungsmaßgeblich.

Für das gegenständliche Verfahren bedeutet das, dass der Verlängerungsbescheid vom 21.06.2017 (rechtskräftig) über die Sachlage im Zeitpunkt seiner Zustellung an den gesetzlichen Vertreter am 23.03.2018 abspricht und damit auch alle (möglichen) Sachverhaltsänderungen bis zu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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