TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/12 W196 2119949-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

12.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W196 2119949-1/4E

W196 2119950-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX alias XXXX , geb. am XXXX und 2. XXXX , alias XXXX , geb. am XXXX , beide StA. Ukraine, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 04.12.2015, Zl. 723310407-150519335 (ad 1.), Zl. 277088700-150519432 (a d 2.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.11.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Vorangegangenes Verfahren:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin, Staatsangehörige der Ukraine und Zugehörige der ukrainischen Volksgruppe, reisten illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte der Erstbeschwerdeführer am 14.11.2002 und die Zweitbeschwerdeführerin am 14.08.2003 einen Asylantrag gemäß § 3 AsylG 1997 (idF BGBl I Nr. 101/2003). Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin.

Mit Bescheiden des Bundesasylamtes wurden die Asylanträge der Beschwerdeführer gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt. Unter Spruchpunkt III. dieser Bescheide wurden die Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer am fristgerecht Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes wurden die Berufungen der Beschwerdeführer gegen die Spruchpunkte I. der Bescheides gemäß § 7 AsylG 1997 sowie gemäß § 8 AsylG abgewiesen und wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführer in die Ukraine zulässig ist. Diese Entscheidungen erwuchsen im Fall des Erstbeschwerdeführers am 04.09.2008 und im Fall der Zweitbeschwerdeführerin am 15.10.2008 in Rechtskraft.

Gegenständliches Verfahren über die Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005:

Am 18.05.2015 stellten die Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 17.09.2015 wurde den Beschwerdeführern mitgeteilt, dass deren Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK iVm mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung abgewiesen würden und wurde den Beschwerdeführern die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Frist von 14 Tagen, eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Schreiben vom 05.10.2015 durch den bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführer wurde eine Stellungnahme und ein Antrag gemäß § 51 Abs. 2 FPG eingebracht. Dabei wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer gemeinsam nach Österreich eingereist seien, da in ihrem Heimatland seit 2014 Bürgerkrieg herrsche, wobei auf einen Bericht des UNHCR betreffend die Menschenrechtslage in der Ostukraine hingewiesen wurde. In Österreich hätten sich die Beschwerdeführer bereits ein ruhiges Leben in Frieden aufgebaut und die deutsche Sprache erlernt. Für den Fall der Antragstattgebung hätten die Beschwerdeführer auch bereits eine Arbeitsstelle in Aussicht. Der Erstbeschwerdeführer sei bereits seit 2002 und die Zweitbeschwerdeführerin seit 2003 bis 2008 als Asylwerber legal im Bundesgebiet aufhältig. Innerhalb dieses Zeitraumes hätten sie sich integriert, Freunde gefunden und vor allem ein Familienleben als Paar aufgebaut.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 23.10.2015 wurde den Beschwerdeführern mitgeteilt, dass deren im Zuge der Stellungnahme vom 05.10.2015 gestellten Anträge gemäß § 51 Abs. 2 FPG unzulässig seien und in weiterer Folge zurückgewiesen würden, sofern dieser nicht aus Eigenem zurückgezogen werde. Zudem wurde auf die Gebührenpflicht der Anträge hingewiesen. Betreffend deren Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründe des Art. 8 EMRK wurde auf einem der Verständigung beiliegenden Auszuge der Staatendokumentation, insbesondere bezüglich der Menschenrechtslage, der Folter und unmenschlicher Behandlung, den Sicherheitsbehörden, der medizinischen Versorgung und Behandlung nach Rückkehr hingewiesen, und wurde den Beschwerdeführern eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt, wobei sie diese Möglichkeit nicht wahrnahmen.

Mit Bescheiden vom 14.12.2015 wurden die Anträge der Beschwerdeführer vom 05.10.2015 auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftstaat Ukraine gemäß § 52 Abs. 9 FPG als unzulässig zurückgewiesen. Gemäß § 78 AVG wurde den Beschwerdeführern die Entrichtung einer Bundesverwaltungsabgabe in der Höre von jeweils Euro 6,50 innerhalb einer Frist von vier Wochen auferlegt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 18.05.2015 gemäß § 55 AsylG abgewiesen und gegen die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkte I.). Unter Spruchpunkt II. wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist. Weiters wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkte III).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte jener Entscheidung umfassende Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer zugrunde und hielt dabei fest, dass diese den Beschwerdeführer im Rahmen eines Parteiengehörs übermittelt worden seien, wobei keine diesbezügliche Stellungnahme eingelangt sei. Zur Person der Beschwerdeführer wurde festgestellt, dass sie ukrainische Staatsangehörige, verheiratet seien und keine Sorgepflichten aus der Aktenlage hervorgekommen sei. In Österreich habe das Paar zeitgleich einen Antrag auf humanitären Aufenthaltstitel gestellt. Dabei führte die Behörde aus, dass der Erstbeschwerdeführer unter der Aliasidentität XXXX für den Zeitraum vom 10.12.2002 bis 07.01.2009 an verschiedenen Adressen in Wien gemeldet gewesen sei. Unter den Namen XXXX habe er sich am 14.10.2013 wieder angemeldet und sei er seit dem 16.05.2014 in Wien XXXX . behördlich gemeldet. Die Zweitbeschwerdeführerin sei ebenfalls unter einer Aliasidentität XXXX , für den Zeitraum vom 12.12.2003 bis 09.09.2008 an verschiedenen Adressen in Wien gemeldet und habe sie sich unter denselben Namen, wie der Erstbeschwerdeführer, unter den Namen XXXX am 28.03.2011 wieder angemeldet und sei sie seit dem 04.03.2015 in Wien XXXX behördlich gemeldet. Eine Anfrage der Versicherungsdaten (Nr. XXXX ) habe ergeben, dass der Erstbeschwerdeführer seit dem 01.04.2014 bis 10.04.2014 und vom 26.05.2015 bis 08.08.2015 sowie seit dem 03.08.2015 einer Beschäftigung als Arbeiter im Baugewerbe, vermutlich ohne Arbeitserlaubnis, unrechtmäßig nachgehe. Im Zeitraum zwischen den 01.05.2004 und dem 28.02.2009 wäre er als Asylwerber grundsätzlich sozialversichert. Im Fall der Zweitbeschwerdeführerin hätten keine beruflichen Bindungen zum Bundegebiet festgestellt werden können. Eine Anfrage bei der Sozialversicherung habe ergeben, dass sie über keine Versicherungszeiten und über keine Beitragsgrundlagen, ausgenommen die Zeit als Asylwerberin, verfüge. Sie habe einen Nachweis für Sprachkenntnisse in der Deutsche Sprache, Niveau A2, vorgelegt. Der Erstbeschwerdeführer habe keinen Nachweis etwaiger Sprachkenntnisse erbracht. Die Beschwerdeführer hätten einen ukrainischen Reisepass vorgelegt, weshalb deren Identität feststehe. Obwohl die Beschwerdeführer Erstanträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens" eingebracht hätten, habe im Zuge des Ermittlungsverfahrens weder ein aufrechtes Familienleben mit der Kernfamilie, noch ein ausreichendes Privatleben zu in Österreich Aufenthaltsberechtigten festgestellt werden können. Zur Situation im Falle einer Rückkehr führte die Behörde aus, dass mittels der Länderinformationsblatt Ukraine festgestellt werde, dass im Fall der Beschwerdeführer keine Gefährdung im Falle einer Rückkehr vorliege. Es werde erkannt, dass in der Ostukraine ein Bürgerkrieg herrsche und Menschenrechtsverletzungen stattfinden würden, wobei die Beschwerdeführer in der Westukraine gelebt und geheiratet hätten und habe nahe der polnischen Grenze kein erhöhtes Gefahrenpotenzial erkannt werden können. Auch die Beschwerdeführer, die zum Sachverhalt verständigt worden seien, hätten keine weitere Stellungnahme diesbezüglich abgegeben. Festgestellt wurde, dass die Beschwerdeführer- vor dem Hintergrund ihres zeitlich kurzen Aufenthaltes in Österreich - daher der ukrainischen Landessprache mächtig seien, und im arbeitsfähigen Alter. Der Erstbeschwerdeführer arbeite nahezu durchgängig seit dem 01.04.2014 als Arbeiter in Österreich, was ihm auch bei einer Reintegration in der Ukraine helfen werde. Die sozialen Gegebenheiten (Grundversorgung, medizinische Versorgung, Sozialhilfe usw.), welche durch die ukrainische Regierung zu Verfügung gestellt würden, seien mit dem österreichischen Standard nicht vergleichbar, werden jedoch für einen Neuanfang als ausreichend beurteilt. Es sei daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer ohne Probleme zurückkehren und ihr Leben in der Ukraine weiterführen könnten. Erkrankungen oder Beeinträchtigungen hätten sie nicht vorgebracht. Demnach hätten nach Prüfung der Staatendokumentation keine Bedenken festgestellt werden können, warum sie nicht wieder in die Ukraine zurückkehren könnten. In Österreich lebe das Ehepaar gemeinsam und hätten sie gleichzeitig die gegenständlichen Anträge auf humanitären Aufenthaltstitel gestellt. Sie hätten laut eigenen Angaben bis 2014 in der Ukraine gelebt und würden daher auch Anknüpfpunkte im Heimatland besitzen. Ein aufrechtes Familienleben zu weiteren Familienangehörigen habe bei den Beschwerdeführern nicht festgestellt werden können. Aus Sicht der Behörde würden die vorgebrachten Gründe für ein schutzwürdiges Privatleben als nicht ausreichend beurteilt und stelle auch keine Grundlage für einen unbedingten weiteren Verbleib im Bundesgebiet dar. Rechtlich folgerte die Behörde, dass kein im Sinne des Art 8 EMRK schützenswertes Privat- und Familienleben festgestellt werden habe können, weshalb deren Anträge abgewiesen wurden.

Gegen die oben angeführten Bescheide wurde durch den gewillkürten Vertreter der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 04.01.2016 die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht, in welcher begründend zusammengefasst ausgeführt wurde, dass die Beschwerdeführer ausschließlich in Österreich enge familiäre Bindungen hätten, in ihrem Heimatland gebe es niemanden zu dem die Beschwerdeführer einen engeren Bezug hätten und habe es die Behörde unterlassen diesbezügliche Ermittlungen zu tätigen. Auch die Zeiträume, in denen wie von der Behörde festgestellt, die Beschwerdeführer in Österreich gemeldet seien, sei kein ausreichendes Indiz dafür, dass sich die Beschwerdeführer auch in diesem Zeitraum im Bundesgebiet aufgehalten hätten. Die Erstbehörde habe zu den getroffenen Feststellungen keine ausreichenden Beweise erhoben und willkürlich entschieden. Ferner wurde erneut darauf hingewiesen, wonach einer Bekannten der Beschwerdeführer, bei einem vergleichbaren Sachverhalt, bereits im Frühsommer 2015 der Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG erteilt worden sei.

Mit Verfahrensanordnung vom 28.10.2019 wurden die Beschwerdeführer zur mündlichen Verhandlung geladen. Dabei wurden ihnen vorläufige Länderinformationen zur maßgeblichen Lage in der Ukraine übermittelt und dazu die Möglichkeit eingeräumt eine schriftliche Stellungnahme einzubringen. Zudem wurden sie aufgefordert, alle Nachweise ihrer erfolgten Integration bzw. alle Unterlagen ihrer absolvierten Deutschkurse schriftlich einzubringen, wobei keine Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht einlangte.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.11.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Ukrainisch und im Beisein der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Im Zuge des Verfahrens wurden folgende Unterlagen in Vorlage gebracht:

Betreffend den Erstbeschwerdeführer:

* Kopie des Reisepasses;

* Bestätigung der Meldung vom 16.05.2014;

* Mietvertrag vom 14.10.2010;

* Kopie der Geburtsurkunde inkl. Übersetzung;

* ÖSD Zertifikat, Niveaustufe A1, ausgestellt am 09.11.2015

Betreffend die Zweitbeschwerdeführerin

* Kopie Ihres Reisepasses;

* Bestätigung der Meldung vom 04.03.2015;

* ÖSD Zertifikat, Niveaustufe A1, ausgestellt am 11.05.2015;

* ÖSD Zertifikat, Niveaustufe A2, ausgestellt am 19.05.2015;

* Kopie Ihrer Geburtsurkunde inkl. Übersetzung

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer, Staatsangehörige der Ukraine, welche die im Spruch ersichtlichen Personalien führen, stellten infolge illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 14.11.2002 im Fall des Erstbeschwerdeführers und am 14.8.2003 im Fall der Zweitbeschwerdeführerin einen Asylantrag. Mit Bescheiden des Bundesasylamtes wurden die Anträge der Beschwerdeführer sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Gewährung subsidiären Schutzes in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen und die Ausweisung der Genannten in den Herkunftsstaat verfügt. Eine gegen diese Bescheide fristgerecht eingebrachte Berufung wurde mit rechtskräftigen Erkenntnissen des Asylgerichtshofes als unbegründet abgewiesen. Diese letztinstanzlichen Entscheidungen wurden im Fall des Erstbeschwerdeführers am 04.09.2008 im Fall der Zweitbeschwerdeführerin am 15.10.2008 rechtkräftig.

Die Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführer in Österreich nach Abschluss der rechtskräftig negativen Asylentscheidung kann nicht festgestellt werden. Fest steht, dass der Erstbeschwerdeführer seit 14.10.2013 und die Zweitbeschwerdeführerin von 28.03.2011 bis 29.09.2014 und ab 04.03.2015 in Österreich gemeldet sind. Die Beschwerdeführer kamen ihren rechtskräftigen Ausreiseverpflichtungen nicht nach, verblieben illegal im Bundesgebiet und stellte am 18.05.2015 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführer an keiner lebensbedrohlichen oder sonstigen schwerwiegenden psychischen oder physischen Krankheit leiden.

Die Beschwerdeführer haben den überwiegenden und prägenden Teil ihres bisherigen Lebens in der Ukraine verbracht, sprechen Ukrainisch auf muttersprachlichem Niveau und verfügen über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat. Neben deren beiden volljährigen Kindern leben die Eltern der Zweitbeschwerdeführerin in einem Einfamilienhaus in der Ukraine. In der Ukraine lebten die Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt mit ihren Kindern. Der Erstbeschwerdeführer ist Dachdecker. Der Erstbeschwerdeführer ging in den Jahren 2014 und 2015 einer Beschäftigung als Arbeiter im Baugewerbe nach. In Österreich gehen die Beschwerdeführer derzeit keiner Beschäftigung nach.

Die Beschwerdeführer liefen nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in die Ukraine in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. In der Ukraine ist die Grundversorgung der Bevölkerung jedenfalls gewährleistet.

Nicht festgestellt werden kann, dass eine ausgeprägte und verfestigte Integration der Beschwerdeführer in Österreich vorliegt.

Die Beschwerdeführer waren während der gesamten Dauer ihres Aufenthalts nicht legal erwerbstätig und bestritten ihren Lebensunterhalt zum Teil aus Mitteln der Grundversorgung. Die Beschwerdeführer haben nie über einen Aufenthaltstitel verfügt, der sich nicht auf deren Asylanträge gestützt hat.

Die Beschwerdeführer haben sich Deutschkenntnisse angeeignet und der Erstbeschwerdeführer eine Deutschprüfung auf dem Niveau A1 und die Zweitbeschwerdeführerin eine Deutschprüfung auf dem Niveau A1 und A2 absolviert. Die Beschwerdeführer haben diese Integrationsschritte nach rechtskräftigem Abschluss ihrer Asylverfahren und Missachtung der gegen sie vorliegenden rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung gesetzt und konnte zu keinem Zeitpunkt auf die Möglichkeit eines weiteren Aufenthalts im Bundesgebiet vertrauen. Darüber hinaus haben sie keine Kurse oder Aus- oder Fortbildungen noch ehrenamtliche Tätigkeiten ausgeübt. Im Bundesgebiet hält sich eine Schwester der Zweitbeschwerdeführerin. Darüber hinaus liegen keine sonstigen Hinweise auf eine besonders ausgeprägte und verfestigte Integration hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich vor. Es können keine nennenswerten Anknüpfungspunkte sozialer, sprachlicher oder wirtschaftlicher Natur zu Österreich festgestellt werden.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Ein weiterer Aufenthalt der Beschwerdeführer würde angesichts ihres, seit jedenfalls 2013 im Fall des Erstbeschwerdeführers und von 2011 bis 2014 und seit März 2015 im Fall der Zweitbeschwerdeführerin, beharrlich rechtswidrigen Verbleibs im Bundesgebiet und der dadurch gezeigten Gleichgültigkeit gegenüber fremdenrechtlichen Normen eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellen.

Nicht festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung der Beschwerdeführer in die Ukraine eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Ukraine gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

Bezüglich der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer wird auf die im getroffenen Länderfeststellungen verwiesen, die den Beschwerdeführern im Rahmen der Ladung zur Kenntnis gebracht wurde.

1.2. Zur Lage in der Ukraine:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 23.07.2019 (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Die Partei "Sluha Narodu" (Diener des Volkes) von Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die ukrainische Parlamentswahl vom 21.07.19 gewonnen. Noch liegt das amtliche Endergebnis nicht vor, aber nach Auszählung von etwa 70% der Stimmen steht fest, dass die Partei auf rund 42,7% kommt. Es folgen die russlandfreundliche Oppositionsplattform mit etwa 13%, die Partei "Europäische Solidarität" des früheren Präsidenten Petro Poroschenko mit etwa 8,4%, die Vaterlandspartei der Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko mit 7,4% und die Partei "Holos" (Stimme) des Rocksängers Swiatoslaw Wakartschuk mit 6,2%. Dies sind die fünf Parteien, die die 5%-Hürde überwinden konnten. Die Wahlbeteiligung war mit knapp 50% geringer als vor fünf Jahren. Die OSZE sprach trotz des klaren Ergebnisses von einer fairen Konkurrenz. Zwar bemängelte sie fehlende Transparenz bei der Finanzierung des Wahlkampfs, insgesamt registrierten die Wahlbeobachter bei der Abstimmung allerdings keine gröberen Verstöße (BAMF 22.7.2019, DS 22.7.2019).

Zusammen mit den gewonnenen Sitzen aus den Direktwahlkreisen kommt Selenskyjs Partei auf knapp 250 der insgesamt 450 Sitze im Parlament. Das gute Ergebnis über die Parteiliste war vorausgesagt worden, jedoch überrascht der Gewinn von mehr als 120 Direktmandaten , da die Kandidaten durchwegs Polit-Neulinge sind und über keinerlei Erfahrung im Parlament verfügen. Die enorme Wählerzustimmung für Selenskyjs Partei bedeutet, dass das erste Mal in der Ukraine eine politische Kraft die absolute Mehrheit der Sitze in der Rada erreicht hat. Damit entfallen die komplizierten Koalitionsverhandlungen, mit denen im Vorfeld der Wahl viele Experten gerechnet hatten. Offenbar wurde auch Selenskyj selbst davon überrascht, denn noch am Wahlabend hatte er Wakartschuks "Holos", auch diese eine erst vor kurzem gegründete Partei mit ausschließlich politisch unerfahrenen Kandidaten und radikaler Antikorruptions-Agenda, Koalitionsverhandlungen angeboten. Dies dürfte nun unnötig geworden sein (BAMF 22.7.2019, DS 22.7.2019).

Quellen:

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (22.7.2019): Briefing Notes, per E-Mail

-

DS - Der Standard (22.7.2019): Diener des Volkes werden Kiew regieren,

https://www.derstandard.at/story/2000106566433/diener-des-volkes-werden-kiew-regieren, Zugriff 23.7.2019

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 5 von 48

2. Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Staatsoberhaupt ist seit 20.05.2019 Präsident Wolodymyr Selensky, Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman.

Das ukrainische Parlament (Verkhovna Rada) wird über ein Mischsystem zur Hälfte nach Verhältniswahlrecht und zur anderen Hälfte nach Mehrheitswahl in Direktwahlkreisen gewählt (AA 20.5.2019). Das gemischte Wahlsystem wird als anfällig für Manipulation und Stimmenkauf kritisiert. Auch die unterschiedlichen Auslegungen der Gerichte in Bezug auf das Wahlrecht sind Gegenstand der Kritik. Ukrainische Oligarchen üben durch ihre finanzielle Unterstützung für verschiedene politische Parteien einen bedeutenden Einfluss auf die Politik aus. Die im Oktober 2014 abgehaltenen vorgezogenen Parlamentswahlen wurden im Allgemeinen als kompetitiv und glaubwürdig erachtet, aber auf der Krim und in von Separatisten gehaltenen Teilen des Donbass war die Abstimmung erneut nicht möglich. Infolgedessen wurden nur 423 der 450 Sitze vergeben (FH 4.2.2019). Der neue Präsident, Wolodymyr Selensky, hat bei seiner Inauguration im Mai 2019 vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).

Nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 verfolgte die Ukraine unter ihrem Präsidenten Petro Poroschenko eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Zu den Schwerpunkten seines Regierungsprogramms gehörte die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassungs- und Justizreform. Dennoch wurden die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen nicht erfüllt. Die Parteienlandschaft der Ukraine ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ und nationalistisch über rechtsstaats- und europaorientiert bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Der Programmcharakter der Parteien ist jedoch kaum entwickelt und die Wähler orientieren sich hauptsächlich an den Führungsfiguren (AA 22.2.2019).

Der ukrainische Schauspieler, Jurist und Medienunternehmer Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj gewann am 21. April 2019 die Präsidentschaftsstichwahl der Ukraine gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko mit über 73% der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 61,4%). Poroschenko erhielt weniger als 25% der Stimmen (RFE/RL 30.4.2019). Beobachtern zufolge verlief die Wahl im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019). Selenskyj wurde am 20.5.2019 als Präsident angelobt. Er hat angekündigt möglichst bald parlamentarische Neuwahlen ausrufen zu lassen, da er in der Verkhovna Rada über keinen parteipolitischen Rückhalt verfügt und demnach kaum Reformen umsetzen könnte. Tatsächlich hat er umgehend per Dekret vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).

Es ist ziemlich unklar, wofür Präsident Selenskyj politisch steht. Bekannt wurde er durch die beliebte ukrainische Fernsehserie "Diener des Volkes", in der er einen einfachen Bürger spielt, der eher zufällig Staatspräsident wird und dieses Amt mit Erfolg ausübt. Tatsächlich hat Selenskyj keine nennenswerte politische Erfahrung, ist dadurch jedoch auch unbefleckt von politischen Skandalen. Eigenen Aussagen zufolge will er den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes wiederbeleben und strebt wie Poroschenko einen EU-Beitritt an. Über einen Nato-Beitritt der Ukraine soll jedoch eine Volksabstimmung entscheiden (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019). Selenskyj hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf seine Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019).

Kritiker sehen Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj, dessen weitgehende Macht unter Präsident Poroschenko stark beschnitten wurde, und auf dessen Fernsehsender 1+1 viele von Selenskyjs Sendungen ausgestrahlt werden. Diesen Vorwurf hat Selenskyj stets zurückgewiesen (UA 27.2.2019; CNN 21.4.2019; Stern 23.4.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

-AA - Auswärtiges Amt (20.5.2019): Ukraine, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/ukraine/201830, Zugriff 27.5.2019

-

CNN - Cable News Network (21.4.2019): Political newcomer Volodymyr Zelensky celebrates victory in Ukraine's presidential elections, https://edition.cnn.com/2019/04/21/europe/ukraine-election-results-intl/index.html, Zugriff 24.4.2019

-

DS - Der Standard (21.4.2019): Politikneuling Selenski wird neuer Präsident der Ukraine,

https://derstandard.at/2000101828722/Politik-Neuling-Selenski-bei-Praesidenten-Stichwahl-in-der-Ukraine-vorn, Zugriff 24.4.2019

-

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

-

KP - Kyiv Post (22.4.2019): Election watchdog Opora: Presidential election free and fair,

https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/election-watchdog-opora-presidential-election-free-and-fair.html, Zugriff 24.4.2019

-

Stern (23.4.2019): Ihor Kolomojskyj, der milliardenschwere Strippenzieher hinter der Sensation Selenskyj, https://www.stern.de/politik/ausland/ukraine--ihor-kolomojskyj--der-strippenzieher-hinter-der-sensation-selenskyj-8678850.html, Zugriff 24.4.2019

-

UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail

-

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (23.5.2019): Zelenskiy's Decree On Disbanding Ukrainian Parliament Enters Into Force, https://www.rferl.org/a/zelenskiy-s-decree-on-disbanding-ukrainian-parliament-enters-into-force/29958190.html, Zugriff 27.5.2019

3. Sicherheitslage

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).

Durch die Besetzung der Krim, die militärische Unterstützung von Separatisten im Osten und die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gegen die Ukraine, kann Russland seinen Einfluss auf den Verlauf des politischen Lebens in der Ukraine aufrechterhalten. Menschen, die in den besetzten Gebieten des Donbass leben, sind stark russischer Propaganda und anderen Formen der Kontrolle ausgesetzt (FH 4.2.2019).

Nach UN-Angaben kamen seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 10.000 Menschen um; es wurden zahlreiche Ukrainer innerhalb des Landes binnenvertrieben oder flohen ins Ausland. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt. Die Sicherheitslage hat sich seither zwar deutlich verbessert, Waffenstillstandsverletzungen an der Kontaktlinie bleiben aber an der Tagesordnung und führen regelmäßig zu zivilen Opfern und Schäden an der dortigen zivilen Infrastruktur. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt die im Minsker Maßnahmenpaket vorgesehene Autonomie für die gegenwärtig nicht kontrollierten Gebiete, die u.a. aufgrund der Unmöglichkeit dort Lokalwahlen nach internationalen Standards abzuhalten, noch nicht in Kraft gesetzt wurde. Dennoch hat das ukrainische Parlament zuletzt die Gültigkeit des sogenannten "Sonderstatusgesetzes" bis Ende 2019 verlängert (AA 22.2.2019).

Ende November 2018 kam es im Konflikt um drei ukrainische Militärschiffe in der Straße von Kertsch erstmals zu einem offenen militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. Das als Reaktion auf diesen Vorfall für 30 Tage in zehn Regionen verhängte Kriegsrecht endete am 26.12.2018, ohne weitergehende Auswirkungen auf die innenpolitische Entwicklung zu entfalten. (AA 22.2.2019; vgl. FH 4.2.2019).

Der russische Präsident, Vladimir Putin, beschloss am 24.4.2019 ein Dekret, welches Bewohnern der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft im Eilverfahren erleichtert ermöglicht. Demnach soll die Entscheidung der russischen Behörden über einen entsprechenden Antrag nicht länger als drei Monate dauern. Internationale Reaktionen kritisieren dies als kontraproduktiven bzw. provokativen Schritt. Ukrainische Vertreter sehen darin die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für den offiziellen Einsatz der russischen Streitkräfte gegen die Ukraine. Dafür gibt es einen historischen Präzedenzfall. Als im August 2008 russische Truppen in Georgien einmarschierten, begründete der damalige russische Präsident Dmitrij Medwedjew das mit seiner verfassungsmäßigen Pflicht, "das Leben und die Würde russischer Staatsbürger zu schützen, wo auch immer sie sein mögen". In den Jahren zuvor hatte Russland massenhaft Pässe an die Bewohner der beiden von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien ausgegeben (FAZ 26.4.2019; vgl. SO 24.4.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

-

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.4.2019): Ein Signal an Selenskyj,

https://www.faz.net/aktuell/politik/putin-verteidigt-russische-staatsbuergerschaft-fuer-ukrainer-16157482.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0, Zugriff 26.4.2019

-

FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

-

SO - Spiegel Online (24.4.2019): Putins Provokation, https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-wladimir-putin-kuendigt-an-russische-paesse-im-besetzten-donbass-auszuteilen-a-1264280.html, Zugriff 29.3.2019

-

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 10.4.2019

3.1.Halbinsel Krim

Auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).

Im Feber 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim militärisch. Im März wurde die Krim nach einem Scheinreferendum schließlich annektiert und zum Teil der Russischen Föderation erklärt. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Schritt und riefen dazu auf, dies nicht anzuerkennen. Auf der Krim gilt seither de facto russisches Recht, es wurde eine russische Regierung installiert, die von Sergey Aksyonov als "Premierminister" des "Staatsrats der Republik Krim" geführt wird. Der "Staatsrat" ist für die tägliche Verwaltung und andere Regierungsfunktionen zuständig. Es werden unverhältnismäßig repressive Gesetze verhängt und angewendet. Die russischen Sicherheitsbehörden auf der Krim schränken die Menschenrechte ein. Die schwerwiegendsten Probleme beinhalten: Verschwindenlassen; Folter, einschließlich strafweise psychiatrische Einweisung; Misshandlung von Inhaftierten als Strafe oder zur Erpressung von Geständnissen; harte Haftbedingungen und Überführung von Gefangenen nach Russland; willkürliche Festnahme und Inhaftierung, auch aus politischen Gründen; allgegenwärtige Missachtung der Privatsphäre; schwerwiegende Einschränkungen der Meinungsfreiheit und der Medien einschließlich Schließungen und Gewalt gegen Journalisten; Beschränkungen des Internets; grobe und weit verbreitete Unterdrückung der Versammlungsfreiheit; starke Einschränkung der Vereinigungsfreiheit, einschließlich Verbot der Selbstverwaltung (Mejlis) der Krimtataren; Einschränkung von Bewegungsfreiheit und Teilnahme am politischen Prozess; systemische Korruption; und systematische Diskriminierung von Krimtataren und ethnischen Ukrainern. Die russischen Behörden unternehmen kaum Schritte, um Menschenrechtsverletzungen strafrechtlich zu verfolgen, wodurch eine Atmosphäre der Straflosigkeit und Gesetzlosigkeit geschaffen wurde (USDOS 13.3.2019b).

Die Einwohner der Krim wurden pauschal in die Russische Föderation eingebürgert und es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Auslandsreisepässen, auszustatten. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit aufgrund politisch motivierter Vorwürfe inhaftiert werden, verschwinden, nicht mehr auf die Krim zurückreisen dürfen bzw. vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren wird von den de-facto-Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft, ihre Mitglieder verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg. Unabhängige Medien werden unterdrückt, dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Religiöse Literatur gilt den Behörden als extremistisch. Auch jüngste Berichte von UNHCR, Amnesty International sowie des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reichen. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert. Die Einwohner der Krim werden von der Russischen Föderation, wenn sie nicht ihr Widerspruchsrecht genutzt und damit u. a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren haben, als russische Staatsangehörige behandelt (AA 22.2.2019).

Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim häufen sich Berichte über den Versuch der systematischen Einschränkung der Versammlungsfreiheit durch die russischen Behörden unter dem Vorwand sicherheitspolitischer Erwägungen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Aktivitäten der Krimtataren, jedoch auch auf Vertreter der ukrainischen Minderheit aus (ÖB 2.2019; vgl. HRW 17.1.2019).

Seit 2014 sind konstant Menschenrechtsverletzungen seitens der russischen Behörden zu beobachten: Gefangene legen Geständnisse ab, die durch Misshandlung und Folter erlangt wurden. Individuen bestimmter Gruppen werden in psychiatrische geschlossene Anstalten zwangseingewiesen. Anwälte können nicht uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen. Menschen, die keinen russischen Pass haben, wird der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verwehrt. Weiters besteht Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität. Menschen mit abweichender politischer Meinung werden verhaftet und unter Bezugnahme auf russische Antiterror-Gesetzgebung zu Haftstrafen verurteilt. Auch werden Personen entführt oder verschwinden plötzlich. Wenige bis keine dieser Fälle werden ausreichend strafverfolgt. Besonders die ethnische Gruppe der Krimtataren, aber auch Ukrainer anderer ethnischer oder religiöser Gruppen, sind von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird massiv eingeschränkt (ÖB 2.2019).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

-

HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002209.html, Zugriff 25.4.2019

-

ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc, Zugriff 12.4.2019

-

USDOS - US Department of State (13.3.2019b): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine (Crimea), https://www.ecoi.net/de/dokument/2004270.html, Zugriff 11.4.2019

3.2.Ukrainer von der Krim mit russischen Reisepässen

Die Gesetzgebung der Ukraine sieht die einzige Staatsbürgerschaft vor. Wenn ein ukrainischer Staatsbürger legal die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation annehmen möchte, muss er auf die ukrainische Staatsbürgerschaft verzichten. Von den russischen Behörden werden jedoch, entgegen ukrainischen und internationalen rechtlichen Normen, russische Reisepässe an die Bevölkerung der Krim mit ukrainischer Staatsbürgerschaft ausgegeben. Diese Reisepässe der Russischen Föderation für Einwohner der Krim, werden international nur von einigen Ländern anerkannt (Nordkorea, Bolivien, Nicaragua, Armenien) (VB 28.1.2019). Die Frage der Staatsangehörigkeit der Einwohner der Krim ist damit eigentlich ungeklärt. Da die Beendigung der Staatsbürgerschaft der Ukraine erst durch einen entsprechenden Erlass des Präsidenten der Ukraine erfolgen kann, ist davon auszugehen, dass nach ukrainischem Recht die Einwohner der Krim Staatsbürger der Ukraine geblieben sind (BFH 30.6.2016).

Krim-Bewohner, die über keinen ukrainischen Reisepass, sondern nur über von russischen Behörden auf der Krim ausgestellte Reisedokumente verfügen, haben Schwierigkeiten bei der Einreise auf das ukrainische Festland, da diese Dokumente nicht anerkannt werden. Alle Krim-Bewohner wurden von der Russischen Föderation zu russischen Staatsbürgern erklärt. Krim-Bewohner, welche die russische Staatsbürgerschaft nicht annehmen, gelten als Ausländer und benötigen eine Aufenthaltserlaubnis. Die Ablehnung der russischen Staatsbürgerschaft kann zur Ausweisung bzw. Abschiebung führen. In einigen Fällen wurden Krim-Bewohner von den Behörden gezwungen, ihren ukrainischen Reisepass abzugeben, was Auslandsreisen entsprechend erschwert (USDOS 13.3.2019b).

Im November 2018 wurde ein Einreiseverbot in die Ukraine für männliche russische Staatsbürger im Alter von 16 bis 60 Jahren verhängt, das weiterhin gilt. Wenn Einwohner der Krim die Grenze als Bürger der Russischen Föderation passieren wollen, gilt dieses Verbot auch für sie. Wenn sie jedoch noch einen gültigen ukrainischen Pass vorweisen können, gilt dieses Verbot für sie nicht (VB 28.1.2019).

Quellen:

-

BFH - Bergmann/Ferid/Henrich (30.6.2016): Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht - Ukraine, https://www.vfst.de/apps/elbib/media/IEK_UKR-img-ukr218_20160630-pdf.pdf, Zugriff 26.4.2019

-

USDOS - US Department of State (13.3.2019b): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine (Crimea), https://www.ecoi.net/de/dokument/2004270.html, Zugriff 11.4.2019

-

VB des BM.I für Ukraine (28.1.2019): Bericht des Vertrauensanwalts, per E-Mail

3.3.Ostukraine

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).

In den nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk kam es insbesondere 2014/15 zu schwersten Menschenrechtsverletzungen. Obwohl die Separatisten seither die öffentliche Ordnung und eine soziale Grundversorgung im Wesentlichen wiederhergestellt haben, werden zahlreiche Grundrechte (v.a. Meinungs- und Religionsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Eigentumsrechte) weiterhin systematisch missachtet (AA 22.2.2019).

In den selbsternannten Volksrepubliken Donezk (DPR) und Luhansk (LPR) gibt es seit 2014 keine unabhängige Justiz, und das Recht auf ein faires Verfahren wird systematisch eingeschränkt. Es werden Inhaftierungen auf unbestimmte Zeit ohne gerichtliche Überprüfung und ohne Anklage oder Gerichtsverfahren berichtet. Bei Verdacht auf Spionage oder Verbindungen zur ukrainischen Regierung werden von Militärgerichten geheime Gerichtsverfahren abgehalten, gegen deren Urteile es nahezu keine Beschwerdemöglichkeit gibt und die Berichten zufolge lediglich dazu dienen, bei der Verfolgung von Personen einen Anschein von Legalität zu wahren. Willkürliche Verhaftung sind in der DPR und der LPR weit verbreitet. In der LPR wurde die Möglichkeit der Präventivhaft für 30 bis 60 Tage geschaffen. Die Präventivhaft wird Angehörigen nicht mitgeteilt (incommunicado) und kein Kontakt zu einem Rechtsbeistand und Verwandten zugelassen. Der Zustand der Hafteinrichtungen in den separatistisch kontrollierten Gebieten verschlechtert sich weiter. Berichten zufolge existiert in den Gebieten Donezk und Luhansk in Kellern, Abwasserschächten, Garagen und Industrieunternehmen ein umfangreiches Netz inoffizieller Haftstätten, die meist nicht einmal für eine kurzfristige Inhaftierung geeignet wären. Es gibt Berichte über schweren Mangel an Nahrungsmitteln, Wasser, Hitze, sanitären Einrichtungen und angemessener medizinischer Versorgung. Ein unabhängiges Monitoring der Haftbedingungen wird von den Machthabern nicht oder nur eingeschränkt erlaubt. Es gibt Berichte über systematische Übergriffe gegen Gefangene, wie Folter, Hunger, Verweigerung der medizinischen Versorgung und Einzelhaft sowie den umfangreichen Einsatz von Gefangenen als Zwangsarbeiter zur persönlichen Bereicherung der separatistischen Anführer (USDOS 13.3.2019).

In der Region Donbass unterdrücken die Separatisten die Rede- und Pressefreiheit durch Belästigung, Einschüchterung, Entführungen und Übergriffe auf Journalisten und Medien (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 4.2.2019, ÖB 2.2019). Die Separatisten verhindern auch die Übertragung ukrainischer und unabhängiger Fernseh- und Radioprogramme in von ihnen kontrollierten Gebieten. Mittlerweile haben die Separatisten im Osten des Landes ihre Bemühungen verstärkt, Online-Inhalte zu blockieren, welche angeblich die ukrainische Regierung oder die ukrainische kulturelle Identität unterstützen. Es sind nur Demonstrationen zulässig, welche von den lokalen "Behörden" unterstützt oder organisiert werden. In der DNR/LNR können nationale und internationale zivilgesellschaftliche Organisationen nicht frei arbeiten. Es gibt eine steigende Zahl von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die von den Separatisten gegründet wurden (USDOS 13.3.2019).

Es gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen waren und bleiben weiterhin betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen oder nur zeitweise gesichert, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Aufgrund der fehlenden Rechtsstaatlichkeit in den Separatistengebieten sind dort Frauen besonders gefährdet. Es gibt Berichte über Missbrauch, Sexsklaverei und Menschenhandel (ÖB 2.2019).

Die meisten LGBTI-Personen sind aus den separatistischen Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk geflohen oder verstecken ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität (USDOS 13.3.2019).

Die Separatisten in der Ostukraine haben Berichten zufolge einige religiöse Führer inhaftiert. Im Februar 2018 wurden in Luhansk religiöse Gruppen, die nicht den "traditionellen" Religionen angehören, darunter Protestanten und Zeugen Jehovas, verboten (FH 4.2.2019).

Die separatistischen Kräfte erlauben keine humanitäre Hilfe der ukrainischen Regierung, sondern nur solche internationaler humanitärer Organisationen. Infolgedessen sind die Preise für Grundnahrungsmittel angeblich für viele Bewohner der nicht von der Regierung kontrollierten Gebiete der Ostukraine zu hoch. Menschenrechtsgruppen berichten auch über einen ausgeprägten Mangel an Medikamenten, Kohle und medizinischen Hilfsgütern. Es kommen weiterhin Konvois der russischen "humanitären Hilfe" an, die nach Ansicht der ukrainischen Regierungsbeamten aber Waffen und Lieferungen für die separatistischen Streitkräfte enthal

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten