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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 §6 Abs1 idF 1995/351;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1985 geborenen RS-T in Wien, vertreten durch ihre Mutter CS-T, diese vertreten durch Dr. GL, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. April 1996, Zl. 117.978/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre Mutter, beantragte am 24. Juli 1995 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung durch Ankreuzen der Variante "Verlängerungsantrag" im Antragsformular. Dem Antrag legte die Beschwerdeführerin u.a. eine Kopie ihres Passes bei, in der die Erteilung eines Sichtvermerkes für den Zeitraum vom 22. Mai bis 21. August 1995 ersichtlich ist.
Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 12. Oktober 1995 den Antrag gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus ab. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18. April 1996 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit "§ 6 Abs. 2 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4" des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. Die belangte Behörde stellte fest, daß der Beschwerdeführerin ein Sichtvermerk für die Einreise nach Österreich erteilt worden sei. Dieser Sichtvermerk sei nach den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes aber nicht verlängerbar, da kein Überleitungsfall im Sinn des § 13 AufG vorliege. Die Beschwerdeführerin habe auch keinen Erstantrag nach dem AufG gestellt, welcher erforderlich gewesen wäre, da zum Zeitpunkt der Erteilung des Sichtvermerkes das AufG bereits in Kraft gewesen sei. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 9. Mai 1996 hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der Novelle zum AufG, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.
§ 6 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 AufG lauteten (auszugsweise):
"§ 6. ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszweckes kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.
§ 13. (1) Die Berechtigung zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerungen von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen."
Die Beschwerdeführerin verfügte nach ihren eigenen Angaben und nach der diesbezüglich unbedenklichen Aktenlage weder über eine zuvor erteilte Aufenthaltsbewilligung noch über eine am 1. Juli 1993 (Inkrafttreten des AufG) aufrechte Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Wie die belangte Behörde richtig erkannte, kam eine Verlängerung des Sichtvermerks mit dem gegenständlichen Antrag gemäß § 13 Abs. 1 AufG nicht in Frage.
Die belangte Behörde stellte das Vorliegen des Sichtvermerks der Beschwerdeführerin mit Gültigkeit vom 22. Mai 1995 bis 21. August 1995 und den Umstand fest, daß die Mutter der Beschwerdeführerin für diese in der Folge durch Ankreuzen dieser Variante im Antrag einen "Verlängerungsantrag" gestellt habe. Die rechtliche Begründung des Bescheides erschöpft sich einerseits in der zutreffenden Rechtsansicht, die Beschwerdeführerin könne § 13 AufG nicht für sich in Anspruch nehmen, andererseits in den Ausführungen "noch nach (gemeint: haben) sie einen "Erstantrag" nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt, welcher erforderlich gewesen wäre, da zum Zeitpunkt der Erteilung ihres Sichtvermerkes das Aufenthaltsgesetz bereits in Kraft war". Soweit die belangte Behörde damit die Ansicht vertritt, die Bezeichnung des verfahrensgegenständlichen Antrages als Verlängerungsantrag mache es ihr unmöglich, eine Erstbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zu erteilen, deckt sich dies nicht mit der Rechtslage:
Abgesehen davon, daß eine "bloße" Falschbezeichnung eines Antrages, dessen Inhalt klar ist, dem Antragsteller nicht zum Schaden gereichen kann, ist folgendes zu bemerken: Ein Verlängerungsantrag nach dem Aufenthaltsgesetz ist darauf gerichtet, unmittelbar anschließend an die zuvor erteilte Bewilligung eine weitere, in die Zukunft reichende Aufenthaltsbewilligung zu erlangen. Ein Erstantrag hingegen hat die Erteilung einer in die Zukunft gerichteten Aufenthaltsbewilligung ohne Rückwirkung, sondern (lediglich) mit der Wirkung ex nunc (d.h. ab dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung) zum Ziel. Daher stellt ein Erstantrag im Verhältnis zu einem Verlängerungsantrag, betrachtet man das mit diesem Antrag erreichbare Ziel, ein Minus dar, weil bei einer Erstantragstellung eine Aufenthaltsbewilligung für einen geringeren Zeitraum als bei Verlängerung einer Bewilligung erteilt werden kann.
Dies bedeutet aber, daß ein als Verlängerungsantrag bezeichneter Antrag auch die Erteilung einer erstmaligen Aufenthaltsbewilligung möglich macht, da das mit dem Verlängerungsantrag ausgedrückte Begehren das mit einem Erstantrag erreichbare Ziel mitumfaßt. Im gegenständlichen Fall bezeichnete die Beschwerdeführerin ihren Antrag als Verlängerungsantrag und verfolgte damit offenbar das Ziel, im Anschluß an den bis zum 21. August 1995 reichenden Sichtvermerk eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten. Dieses Ziel konnte die Beschwerdeführerin mangels Verlängerbarkeit ihres Sichtvermerkes durch rechtzeitige Antragstellung auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zwar nicht erreichen, die belangte Behörde wäre aber ungeachtet der Bezeichnung des Antrages nicht gehindert gewesen, erstmals eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz - bei Vorliegen der Voraussetzungen - mit der Wirkung ex nunc zu erteilen und das auf Bewilligung für den Zeitraum im Anschluß an den Sichtvermerk bis zum Zeitpunkt der Erteilung der Bewilligung gerichtete Begehren abzuweisen. Der bloße Umstand der Bezeichnung eines Erstantrages als Verlängerungsantrag trägt die Abweisung des Antrages somit nicht.
Die belangte Behörde hat in der rechtlichen Begründung des Bescheides weder auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (gemeint wohl: in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG) noch auf § 6 Abs. 2 AufG weiter Bezug genommen. Wollte die belangte Behörde mit den oben wiedergegebenen Ausführungen zur Notwendigkeit der Stellung eines Erstantrages aber (implizit) zum Ausdruck bringen, die Beschwerdeführerin habe die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Erstantragstellung deshalb nicht erfüllt, weil sie sich zum Zeitpunkt der Antragstellung (nach den Antragsangaben) im Inland aufgehalten habe, erwiese sich auch diese Schlußfolgerung als rechtlich unzutreffend. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht eine Ausnahme von der Verpflichtung, den Antrag vom Ausland aus zu stellen, für Personen, die im Zeitpunkt der Antragstellung über einen aufrechten gewöhnlichen Sichtvermerk verfügen. § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist aufgrund einer teleologischen Reduktion bei einer Antragstellung während der Dauer des gewöhnlichen Sichtvermerkes nicht anwendbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0525).
Ein Aufenthalt im Inland im Zeitpunkt der Antragstellung kann daher aus diesem Grund eine Versagung der Bewilligung nicht rechtfertigen. Für die Annahme, die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, sohin nach Ablauf des gewöhnlichen Sichtvermerkes, im Inland aufgehalten, fehlen zunächst entsprechende Feststellungen der belangten Behörde. Auf welche Sachverhaltsannahmen sich schließlich der im Spruch zitierte § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit durch den Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers) stützt, geht aus der Begründung ebensowenig hervor, wie eine Darlegung, worin die Gefährdung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gerade im Fall der Beschwerdeführerin gelegen wäre (vgl. zum Nichtvorliegen dieses Sichtvermerksversagungsgrundes bei bloßem Aufenthalt nach Ablauf eines gewöhnlichen Sichtvermerkes das hg. Erkenntnis vom 7. März 1997, Zl. 95/19/0719).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den begehrten Ersatz der Umsatzsteuer, der mit dem Schriftsatzaufwandpauschale bereits abgegolten ist, sowie den Ersatz von Stempelgebühren für die Vorlage einer - nicht zur Rechtsverfolgung notwendigen - zweiten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides in der Höhe von S 30,--.
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996191847.X00Im RIS seit
18.02.2002