Entscheidungsdatum
11.03.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
G313 2186084-1/8E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Nordmazedonien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.01.2018, Zl. XXXX, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) auf internationalen Schutz vom 09.01.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG der Antrag der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Mazedonien abgewiesen (Spruchpunkt II.), der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß 46 FPG nach Mazedonien zulässig ist (Spruchpunkt III.) und einer Beschwerde gegen die Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1, 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, der BF den Status der Asyl-, in eventu den Status der subsidiär Schutzberechtigen zuzuerkennen, in eventu die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären und einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 55, 56, 57 AsylG zu erteilen, in eventu den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an das BFA zurückzuverweisen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG anzuberaumen.
3. Am 14.02.2028 langte die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
4. Mit Aktenvermerk des BVwG vom 21.02.2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die BF ist Staatsangehörige von Nordmazedonien.
1.2. Sie stellte nach Einreise am 09.01.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Zuge ihrer Erstbefragung gab die BF unter anderem an, sie sei orthodoxe Christin. Zu ihren Fluchtgründen brachte sie vor:
"Seit einiger Zeit leben bei mir in der Ortschaft Albaner. Sie sagen mir tagtäglich, dass ich die Stadt verlassen soll. Sie sind auch gewalttätig und ich habe Angst. Ich bin die einzige Mazedonierin, die dort geblieben ist, alle anderen sind von dort weggegangen.
Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin! Ich habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung."
Die niederschriftliche Einvernahme der BF vor dem BFA am 23.01.2018 gestaltete sich hinsichtlich ihres Fluchtvorbringens wie folgt:
"LA: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie Ihre Fluchtgründe? Was veranlasste Sie, die Heimat zu verlassen? Bitte schildern Sie möglichst konkret und detailliert!
VP: Sie haben mich verfolgt.
LA: Wer sind sie?
VP: Albaner haben mich verfolgt, weil ich alleine als Orthodoxin dort geblieben bin.
LA: Wo ist dort?
VP: Ich habe alleine in einem kleinen Haus gelebt in einer illegalen Siedlung. Ich bin alleine als Orthodoxin dort geblieben und ich darf dort nicht mehr wohnen, das haben die Albaner gesagt. Nachgefragt heißt die Siedlung (...) in der Stadt (...). Die Albaner haben mir das Haus weggenommen und gesagt, ich darf dort nicht wohnen. Sie haben eine Moschee errichtet.
LA: Seit wann wohnen Sie dort?
VP: Ich habe dort 35-40 Jahre gewohnt.
LA: Seit wann sind diese "Albaner" dort?
VP: Als der Krieg begonnen hat, alle sind geflohen, ich bin als einzige Orthodoxe geflohen. Nachgefragt war das vor 6 Jahren. Seit 3 Jahren werde ich durch die Albaner malträtiert.
LA: Was genau ist passiert?
VP: Die Albaner haben 3 Häuserreihen hinter mir eine Moschee errichtet und die ganzen umliegenden Häuser besetzt.
LA: Was ist Ihnen persönlich passiert?
VP: Es sind sehr viele Albaner immer wieder zu mir nach Hause gekommen und ahben mich genötigt und gesagt, ich muss mein Heim verlasen. Sie stiften kleine Kinder an, die mich mit Steinen beworfen haben. Vor 7-8 Monaten ist auch ein Albaner in mein Haus gekommen, hat mich am Arm gezogen und gesagt, ich soll mein Haus verlassen.
LA: Warum?
VP: Weil die Albaner die ganze Siedlung eingenommen haben, ich bin die einzige Orthodoxe und das gefällt ihnen nicht.
LA: Wer genau hat das zu Ihnen gesagt?
VP: Der mich am Arm gezogen hat, war ein Albaner mittleren Alters. Nachgefragt kenne ich die Namen der Leute nicht, es haben sich sehr (erg.:?viele) angesammelt.
LA: Wann hat das angefangen?
VP: Das hat vor 3 Jahren begonnen.
(...)."
1.3. Mit gegenständlich angefochtenem Spruchpunkt wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status der Asyl- als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen die BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung der BF nach Mazedonien zulässig ist, einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist für die freiwillige Ausreise ausgesprochen.
? Die belangte Behörde wertete das Fluchtvorbringen der BF als unglaubwürdig, führte im Zuge der Beweiswürdigung unter anderem - bezogen auf das Land "Pakistan" statt auf das Herkunftsland der BF - an, "vielmehr erscheint es vor dem Hintergrund Ihrer Angaben wahrscheinlich, dass Sie für Ihre Ausreise aus Pakistan letztlich ganz andere Motive hatten, als angegeben", und legte ihrer Entscheidung Länderberichte zu Mazedonien (nunmehr: Nordmazedonien) betreffend die aktuelle (politische) Lage, Sicherheitsbehörden, Korruption, Relevante Bevölkerungsgruppen/Kinder, Bewegungsfreiheit, Grundversorgung und Wirtschaft, Medizinische Versorgung und Rückkehr zugrunde. Länderfeststellungen zur Situation der Bevölkerungsgruppe der orthodoxen Christen im Herkunftsstaat bzw. in der Herkunftsstadt der BF fehlen.
1.4. Die BF wurde am 20.03.2018 in ihren Herkunftsstaat abgeschoben.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem vorliegenden Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1
B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.
Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebrauch macht.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).
3.2. Mit gegenständlich angefochtenem Spruchpunkt wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status der Asyl- als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, gegen die BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung der BF nach Mazedonien (nunmehr: Nordmazedonien) zulässig ist, einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist für die freiwillige Ausreise ausgesprochen.
Die belangte Behörde wertete das Fluchtvorbringen der BF als unglaubwürdig, führte im Zuge der Beweiswürdigung unter anderem - bezogen auf das Land "Pakistan" statt auf das Herkunftsland der BF - an, "vielmehr erscheint es vor dem Hintergrund Ihrer Angaben wahrscheinlich, dass Sie für Ihre Ausreise aus Pakistan letztlich ganz andere Motive hatten, als angegeben".
Das BFA hielt unter den Feststellungen "zu den Gründe für das Verlassen Ihres Herkunftsstaates" zunächst fest:
"Sie haben im Verfahren angegeben, von Albanern aus Ihrer Ortschaft vertrieben worden zu sein. Es war nicht feststellbar, dass Sie einer asylrelevanten individuellen Verfolgung in Mazedonien ausgesetzt gewesen sind oder im Falle einer Rückkehr einer solchen ausgesetzt wären."
Unter den Feststellungen "zu Ihrer Situation im Falle Ihrer Rückkehr" steht:
"Eine konkrete, gegen Ihre Person gerichtete Verfolgung durch staatliche Stellen, heimatliche Behörden, Militär oder privater Dritter haben Sie nicht behauptet bzw. nicht glaubhaft gemacht.
(...)."
Entgegen dieser Feststellung hat die BF im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 23.01.2018 von einer Verfolgung durch Albaner, weil sie als einige Orthodoxin dort geblieben sei, gesprochen.
Sie erwähnte auch, dies bei der albanischen Polizei angezeigt zu haben, dies jedoch wenig Sinn gehabt habe, habe es sich doch um albanische Polizisten gehandelt. Nähere Ermittlungen zum Vorbringen der BF, die vor dem BFA angab, drei Jahre lang im Kosovo malträtiert worden zu sein, wären da angebracht gewesen, um eindeutig ausschließen zu können, dass die keiner nachhaltigen Verfolgung durch Albaner ausgesetzt war, oder um das von der belangten Behörde in der Einvernahme vor dem BFA für unglaubwürdig gehaltene Vorbringen der BF rund um eine Anzeigeerstattung bei der Polizei bzw. ihr Vorbringen, sie habe keine Anzeige erhalten können, werde dort doch keine solche hergegeben, vor ihrem Haus sitze ein albanischer Polizist, sodass man keine Anzeige machen könne, auf eine aus jahrelanger Malträtierung resultierte Einschüchterung der BF zurückführen zu können.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung Länderberichte zu Mazedonien (nunmehr: Nordmazedonien) betreffend die aktuelle (politische) Lage, Sicherheitsbehörden, Korruption, Relevante Bevölkerungsgruppen/Kinder, Bewegungsfreiheit, Grundversorgung und Wirtschaft, Medizinische Versorgung und Rückkehr zugrunde. Länderfeststellungen zur Situation der Bevölkerungsgruppe der orthodoxen Christen im Herkunftsstaat bzw. der Herkunftsstadt der BF fehlen.
Die belangte Behörde führte begründend an, dass bei Problemen mit Privatpersonen bzw. kriminellen Aktivitäten der mazedonische Staat prinzipiell schutzfähig und schutzwillig sei und dass, selbst, wenn die vorgebrachten Fluchtgründe als glaubhaft angesehen werden, sich im Asylverfahren keine Anzeichen ergeben haben, die einer innerstaatlichen Fluchtalternative entgegenstehen würden.
Die Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) sieht einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (zum Prüfungserfordernis der Wirksamkeit des staatlichen Schutzes vgl. auch das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 2. März 2010, Abdulla, C-175/08, EU:C:2010:105, Rn. 70 ff).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0233).
Im gegenständlichen Fall fehlt eine nähere Auseinandersetzung mit der individuellen Situation und dem Fluchtvorbringen der BF, als orthodoxe Christin in ihrer Herkunftsstadt in Nordmazedonien drei Jahre lang von Albanern malträtiert worden zu sein, vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte zur Situation der Bevölkerungsgruppe der orthodoxen Christen in Nordmazedonien. Diese ist notwendig, um eine ganzheitliche Beweiswürdigung vornehmen und folglich darauf schließen zu können, ob für die BF, einer alleinstehenden Frau orthodoxen Glaubens in Nordmazedonien trotz grundsätzlich staatlichen Schutzes in Nordmazedonien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteils aus der Verfolgung durch Albaner zu erwarten ist und ihr angesichts ihrer individuellen Rückkehrsituation keine innerstaatliche Fluchtalternative zugemutet werden kann, oder ob der BF in ihrer Herkunftsstadt Art. 3 EMRK-Relevanz erreichende Diskriminierungen seitens Albaner bevorstehen und dies in Zusammenschau mit der individuellen Rückkehrsituation zu einer subsidiären Schutzberechtigung führen kann.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da im gegenständlichen bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2186084.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.05.2020