Entscheidungsdatum
12.03.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W262 2225106-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 03.10.2019, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentliche Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 BBG und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 15.05.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass Folge gegeben wird.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. und stellte am 15.05.2019 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet), unter Vorlage medizinischer Befunde und Unterlagen einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentliche Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.
2. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.08.2019 erstatteten - Gutachten vom 05.09.2019 wurden als Ergebnis der Begutachtung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Periphere arterielle Verschlusskrankheit, Zustand nach Stenting, Zustand nach Ulcus, weitere Stentings indiziert
2
Koronare Herzkrankheit, Zustand nach Myocardinfarkt 2007, Bluthochdruck
3
Diabetes Mellitus
zugeordnet.
Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde ausgeführt, dass trotz der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und der koronaren Herzkrankheit sowie der Polyneuropathie bei Diabetes mellitus das sichere Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport gewährleistet seien. Niveauunterschiede könnten ausreichend sicher überwunden werden. Eine kurze Wegstrecke könne ausreichend sicher ohne Pause zurückgelegt werden. Bezüglich der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit seien die Therapieoptionen noch nicht voll ausgeschöpft werden. Trotz koronarer Herzkrankheit liege eine ausreichend gute körperliche Belastbarkeit vor.
3. Mit Schreiben vom 09.09.2019 wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde vom Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt.
In der dazu erstatteten Stellungnahme vom 15.09.2019 führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, das übermittelte Gutachten entspreche nicht ihrem tatsächlichen Gesundheitszustand. Sie müsse eine weite Strecke bis zur Haltestelle zurücklegen und dabei noch Einkäufe tragen. Sie könne keine "kurze Wegstrecke" mehr zurücklegen. Ihr unsicherer Gang führe zu Unsicherheiten beim Ein- und Aussteigen. Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln würde darüber hinaus Schmerzen verursachen.
4. In der Folge forderte die belangte Behörde die bereits befasste Sachverständige auf, zu diesen Einwendungen Stellung zu nehmen. In der am 26.09.2019 erstatteten Stellungnahme führte die Sachverständige Folgendes aus:
"...
Antwort(en):
Sämtliche Leiden wurden aufgrund der vorliegenden Befunde und der klinischen Untersuchung berücksichtigt. Bezüglich der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit pAVK wurden noch nicht alle Therapieoptionen ausgeschöpft.
Die individuelle Infrastruktur hat keinen Einfluss die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Die Möglichkeit des Tragens von Lasten hat ebenfalls keinen Einfluss auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Die Messung einer Wegstrecke ist im Rahmen der Untersuchung nicht vorgesehen. Die Beurteilung basiert auf der klinischen Untersuchung und auf der Heranziehung der vorliegenden Befunde.
Keine Änderung des SVG 08/19 aufgrund der Einwendungen."
5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 03.10.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 15.05.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen. Begründend stützte sich die belangte Behörde im Bescheid auf das Sachverständigengutachten vom 05.09.2019 samt Stellungnahme vom 26.09.2019, wonach die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht gegeben seien. Das Sachverständigengutachten samt Stellungnahme wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.
6. Die Beschwerdeführerin erhob fristgerecht Beschwerde und führte begründend im Wesentlichen aus, dass ihre körperliche Belastbarkeit eingeschränkt sei, sie weniger als 100 Meter gehen könne und darüber hinaus dabei unter Schmerzen leide.
7. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 06.11.2019 vorgelegt.
8. Das Bundesverwaltungsgericht holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin ein. In dem auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 16.12.2019 erstatteten Gutachten vom selben Tag wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt (Wiedergabe ergänzt um die zugehörigen Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):
"...
Derzeitige Beschwerden:
Wiederkehrende Schmerzen und Gefühlsstörungen in den unteren Extremitäten bds. Trotz Intervention am 09.10.2019, bei der die Gefäße erneut gedehnt und Stents eingebracht wurden, kam es bis dato zu keiner wesentlichen Veränderung betreffend die Gehstrecke, diese wird nach wie vor mit ca. 100 m angegeben. Weiters bestehen ausgeprägte Gefühlsstörungen in beiden Beinen, die mitunter Unebenheiten am Boden nicht erkennen lassen und somit kommt es immer wieder zum Stolpern. Stürze konnten bis dato vermieden werden.
Behandlungen/Medikamente/Hilfsmittel:
T-Ass, Xigduo, Exforge, Seloken, Cerebokan, Gabapentin, Ezetimib, Rosuvastatin.
...
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Patientenbrief (NEU!) 10/2019, KH XXXX , 2. Chirurgische Abteilung:
PAVK - Claudicatiobeschwerden ab einer Gehstrecke > 100m, re>li, Parästhesien in Ruhe, z.n. Kath.-Angio und PTA Stent der A iliaca ext. Dext. am 09.04.2008 und ACIS 2008
KHK - z.n. STEMI 2007 und RCX Stent 2007
Stenose der A. subclavia li. und Verschluss der A subcl. rechts
Metabolisches Syndrom mit Hypertonie, komb. Hyperlipoproteinämie, Adipositas und DM2
Die Aufnahme erfolgte zur Intervention an den Gefäßen und konnte am 09.10.2019 komplikationslos durchgeführt werden.
Radiologischer Befund Ambulatorium XXXX , 02.05.2019:
MRT Angiographie, Beckenetage und beide Beine; ausgeprägte arteriosklerotische Veränderungen, V.a. höhergradige Stenosen im Bereich der Beckenarterien, Okklusion der Arterie femoralis superficialis bds., Okklusion der Art. tib. posterior bds.
Diabetesstammblatt, LK XXXX 04.04.2019: HbA1c 7,2, BMI 31
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: normal
Ernährungszustand: adipös - BMI 31
Größe: 170 cm Gewicht: 90 kg
Klinischer Status - Fachstatus:
Kopf frei beweglich, Hirnnervenaustrittspunkte frei, Hörvermögen gut, Sehvermögen gut.
Hals: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar, Schilddrüse schluckverschieblich.
Herz: Herztöne rhythmisch, rein, normofrequent.
Lunge: Vesiculäratmen, keine Rasselgeräusche, Lungenbasen verschieblich.
Bauch: weich, kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung, Leber und Milz nicht tastbar, Wirbelsäule: nicht klopfdolent
OE:
Schulter: frei beweglich.
EBO und Handgelenke: frei beweglich Finger: frei beweglich.
Hüfte: frei beweglich.
Knie: frei beweglich.
OSG und Vorfüße: frei beweglich.
Periphere Pulse nicht tastbar.
Ausgeprägte Parästhesien/Taubheit der Fußsohlen bds.?, Sensibilität eingeschränkt bis Knie bds.
Beinödeme bds.
Tinea der Zehennägel.
Haut: Limo rechts subclaviculär.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Gangbild unauffällig, keine Gehbehinderung, eingeschränkte Gehstrecke auf 100 m re. > li. wegen Claudicatio intermittens bei bekannter peripher arterieller Verschlusskrankheit.
Status Psychicus:
Unauffällig, wach, in allen Qualitäten orientiert.
BEURTEILUNG
Ad 1) Diagnoseliste
Periphere arterielle Verschlusskrankheit
-
Claudicatiobeschwerden ab einer Gehstrecke > 100m, re.>li.,
-
Parästhesien in Ruhe,
-
Z.n. Kath.-Angio und PTA Stent der A iliaca ext. dext. am 09.04.2008 und ACIS 2008 KHK
-
Z.n. STEMI 2007 und RCX Stent 2007
Stenose der A. subclavia links und Verschluss der A. subclavia rechts
Metabolisches Syndrom mit:
-
Hypertonie
-
kombinierter Hyperlipoproteinämie
-
Adipositas
-
DM2.
Ad 2) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?
Wie aus dem neu vorgelegten Befund vom 10.10.2019 zu entnehmen ist, besteht bei der Patientin eine ausgeprägte periphere arterielle Verschlusskrankheit mit einer bestehenden Claudicatio intermittens (Schaufensterkrankheit) bereits ab 100 m Gehstrecke. Trotz Durchführung einer Intervention mit Gefäßdehnung am 09.10.2019 konnte noch keine wesentliche Verlängerung der Gehstrecke erreicht werden. Die Pat. kann somit Wegstrecken nur mit Einhaltung entsprechender Pausen zurücklegen. Eine Wegstrecke von 300 bis 400m in 10 min ist somit der Patientin nicht mehr zumutbar.
Aufgrund der ausgeprägten Beschwerden/Gefühlsstörungen (Parästhesien) bei komplexer peripherer arterieller Verschlusskrankheit in beiden Beinen führen diese mitunter dazu, dass Unebenheiten nicht erkannt/ertastet werden können und somit eine erhöhte Stolpergefahr besteht. Das heißt, der Transport in einem Verkehrsmittel sollte sitzend erfolgen, um die Sturzgefahr zu minimieren. Eine Gehbehinderung per se ist nicht vorliegend.
Aufgrund der Genese und langwierigen Erkrankung ist von keiner weiteren Verbesserung mehr auszugehen und eine Nachuntersuchung nicht indiziert.
Ad 3) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?
Nicht zutreffend.
Ad 4) Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor?
Nicht zutreffend.
Ad 5) Liegt eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor?
Nicht zutreffend.
Ad 6) Liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor?
Nicht zutreffend.
Ad 7) Ausführliche Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde (Abl. 20) erhobenen Einwendungen. Die Beschwerdeführerin bringt vor, aufgrund ihrer Gefäßerkrankung sei die körperliche Belastbarkeit eingeschränkt; sie habe Schmerzen und könne weniger als 100 Meter gehen.
Die in der Beschwerde vorgebrachten Einwendungen können insofern nachvollzogen werden, als dass zum Zeitpunkt der Erstellung des SVG Abl. 9-10 und der Stellungnahme Abl. 15 eine komplexe periphere arterielle Verschlusskrankheit bestand mit einer wesentlichen Einschränkung der Gehstrecke; dies wird untermauert durch die Vorlage des Befundes Abl. 2, radiologischer Befund Ambulatorium XXXX und des Befundes der Chirurgie KH XXXX vom 10.10.2019 (Befund NEU vom 10.10.2019).
Ad 8) Ausführliche Stellungnahme zu den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Befunden (Abl. 1-2) und allfälligen zur Untersuchung mitgebrachten Befunden.
Wesentliche Befunde sind der Befund vom Ambulatorium XXXX , radiologischer Befund, Abl. 2 und der neu vorgelegte Befund vom 10.10.2019 (KH XXXX , neuerliche Intervention und Gefäßdehnung).
Diese beiden Befunde wurden Inhaltlich voll berücksichtigt und in der Frage 1 bereits ausführlich diskutiert.
Ad 9) Stellungnahme über die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und zwar unter Berücksichtigung:
a. der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen,
b. der Zugangsmöglichkeit sowie der Ein- und Aussteigemöglichkeit,
c. der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen,
d. der Schwierigkeiten beim Stehen,
e. der Schwierigkeiten bei der Sitzplatzsuche,
f. der Schwierigkeiten bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt - Bestehen ausreichende Stand- und Gangsicherheit sowie ausreichende Kraft zum Anhalten?
g. Welche Schmerzen sind allenfalls mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verbunden? Sind diese zumutbar?:
Eine Wegstrecke von 300 bis 400 m in 10 min kann nur unter Einhaltung von Pausen zurückgelegt werden (Aktionsradius von 100 m re. >li.).
Niveauunterschiede wie beim Überwinden von Stufen zum Ein- und Aussteigen in und aus einem Verkehrsmittel können überwunden werden, da keine Einschränkungen im Bereich der einzelnen Gelenke bestehen (freie Beweglichkeit von Hüft- und Kniegelenken).
Aufgrund der ausgeprägten Beschwerden/Gefühlsstörungen (Parästhesien) bei komplexer peripher arterieller Verschlusskrankheit in beiden Beinen führen diese mitunter dazu, dass Unebenheiten nicht erkannt/ertastet werden können und somit eine erhöhte Stolpergefahr besteht. Das heißt der Transport in einem Verkehrsmittel sollte sitzend erfolgen, um die Sturzgefahr zu minimieren.
In den oberen Extremitäten besteht ausreichend Kraft zum Anhalten in einem Verkehrsmittel.
Die von der Pat. angegebenen Schmerzen bestehen vor allem beim Gehen ab einer Wegstrecke von ca. 100 m, die Parästhesien in der unteren Extremität sind dauerhaft vorliegend. Eine entsprechende Schmerztherapie mit Gabapentin ist bereits etabliert, hier wäre allerdings noch eine Optimierung möglich.
Ad 10) Stellungnahme zu einer allfälligen zum angefochtenen Gutachten vom 05.09.2019 samt Stellungnahme vom 26.09.2019 abweichenden Beurteilung.
Aufgrund des vorgelegten Befundes vom 10.10.2019, KH XXXX , chirurg. Abteilung wird hier eine abweichende Stellungnahme abgegeben. Trotz erneuter erfolgter Therapie mit Intervention und Gefäßdehnung kam es zu keiner wesentlichen Besserung im Hinblick auf die Verlängerung einer Wegstrecke. Es besteht anhaltend eine Wegstrecke mit einem Aktionsradius von ca. 100 m bds. Des Weiteren bestehen Gefühlsstörungen/Parästhesien, die zu einer erhöhten Stolpergefahr führen, da Unebenheiten auf dem Boden nur schwer ausgemacht werden können und nur unter Blickkontakt wahrgenommen werden.
Die Infrastruktur oder wie erwähnt das Tragen von Lasten, hat keinen Einfluss auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und wird somit gutachterlich nicht beurteilt.
Ad 11) Feststellung, ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.
Eine Nachuntersuchung erscheint aus gutachterlicher Sicht nicht indiziert."
9. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.
Die Verfahrensparteien ließen dieses Schreiben unbeantwortet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. Sie stellte am 15.05.2019 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1) Periphere arterielle Verschlusskrankheit (Stenose der arteria subclavia links und Verschluss der arteria subclavia rechts) mit Gefühlsstörungen/Parästhesien in Ruhe und Claudicatio intermittens (Schaufensterkrankheit) ab einer Gehstrecke von etwa 100 Metern, rechts mehr als links;
2) Metabolisches Syndrom mit Hypertonie, kombinierter Hyperlipoproteinämie, Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 16.12.2019 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.
Die Beschwerdeführerin leidet an einer komplexen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit in beiden Beinen mit Gefühlsstörungen und Parästhesien, die zu erhöhter Stolper- bzw. Sturzgefahr führt. Die Beschwerdeführerin kann maximal eine Gehstrecke von 100 Metern ohne Pause bewältigen. Auch der sichere Transport in einem fahrenden öffentlichen Verkehrsmittel sowie die Sitzplatzsuche sind erheblich erschwert. Trotz Intervention und Gefäßdehnung am 10.10.2019 hat sich der Zustand der Beschwerdeführerin nicht gebessert.
Aufgrund der festgestellten Funktionseinschränkungen kann der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung aus medizinischer Sicht nicht zugemutet werden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen über Datum der Einbringung des Antrages auf Vornahme der begehrten Zusatzeintragung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellungen zu den bestehenden Funktionseinschränkungen sowie zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung gründen sich auf das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 19.12.2019.
Darin wurde auf die Art und Schwere der Leiden der Beschwerdeführerin sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten setzt sich mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffene medizinische Beurteilung basiert auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und entspricht den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).
Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten wurde der belangten Behörde und der Beschwerdeführerin unter Einräumung einer Frist zur Äußerung übermittelt. Beide Verfahrensparteien haben sich dazu nicht mehr geäußert.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Gutachtens einer Fachärztin für Innere Medizin, welches somit der Entscheidung in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.
Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(...)"
"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
(...)"
"§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
3.3. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:
"§ 1. ...
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
...
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
..."
3.4. In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) - soweit relevant - insbesondere Folgendes ausgeführt:
"Zu § 1 Abs. 2 Z 3:
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Die Voraussetzung des vollendeten 36. Lebensmonats wurde deshalb gewählt, da im Durchschnitt auch ein nicht behindertes Kind vor dem vollendeten 3. Lebensjahr im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Wegstrecken nicht ohne Begleitung selbständig gehen kann.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes ‚dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-
Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-
COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-
Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-
mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
-
Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
-
hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
-
schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
-
nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
-
anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),
-
schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
-
fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
-
selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
..."
3.5. Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021; VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013; 27.01.2015, 2012/11/0186; 01.03.2016, Ro 2014/11/0024, je mwN).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).
Diese (zur Rechtslage vor Erlassung der Verordnung BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016 ergangene) Rechtsprechung ist zur Beurteilung der Voraussetzungen der Zusatzeintragung nach § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen unverändert von Bedeutung. Dies folgt bereits daraus, dass die zitierte Verordnungsbestimmung jene rechtlich relevanten Gesichtspunkte der Benützung eines Verkehrsmittels, auf die die bisherige Rechtsprechung abstellt (Zugangsmöglichkeit, Ein- und Aussteigemöglichkeit, Stehen, Sitzplatzsuche etc.), nicht modifiziert oder beseitigt hat, sondern weiterhin auf den Begriff der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel abstellt und lediglich ergänzend regelt, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen "insbesondere" als solche in Betracht kommen, die die Unzumutbarkeit nach sich ziehen können.
3.6. Zur Anwendung der Neuerungsbeschränkung des § 46 BBG
3.6.1. Mit der Novelle BGBl. I 57/2015 hat der Gesetzgeber für Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (§ 46 BBG) ein - eingeschränktes - Neuerungsverbot eingeführt, das in den Gesetzesmaterialien als "Neuerungsbeschränkung" bezeichnet wird. Nach dem im Beschwerdefall anwendbaren § 46 dritter Satz BBG dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
Die Einführung der Neuerungsbeschränkung erfolgte mit der gleichen Gesetzesnovelle, mit der auch eine (vom VwGVG abweichende) Verlängerung der dem Sozialministeriumservice eingeräumten Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung festgelegt wurde. Aus den parlamentarischen Materialien folgt, dass der Gesetzgeber zwischen der Schaffung großzügigerer Möglichkeiten der Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen einerseits und der Beschränkung neuer Tatsachen und Beweise im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einen unmittelbaren Zusammenhang ("im Gegenzug") gesehen hat. Die Regierungsvorlage erläutert dies wie folgt (527 BlgNR 25. GP, 4-5):
"In der Praxis hat sich gezeigt, dass neu vorgelegte medizinische Befunde und die oftmals erforderliche Beiziehung von neuen Sachverständigen häufig einen zeitnahen Abschluss der Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wesentlich erschweren. Es soll daher die derzeit für Beschwerdevorentscheidungen vorgesehene zweimonatige Entscheidungsfrist auf zwölf Wochen verlängert werden. Hierdurch bleibt es einerseits Menschen mit Behinderung unbenommen, im Verfahren vor dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bzw. in einer allfälligen Beschwerde gegen einen Bescheid alle Tatsachen und Beweismittel vorzubringen. Außerdem wird es dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ermöglicht in erster Instanz eine fundierte Entscheidung zu treffen, sodass die Menschen mit Behinderung durch eine gesamt zu erwartende kürzere Verfahrensdauer schneller zu ihrem Recht kommen. Im Gegenzug soll eine auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht begrenzte Neuerungsbeschränkung geschaffen werden. ..."