TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/12 W238 2223624-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.03.2020
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Entscheidungsdatum

12.03.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W238 2223624-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia JERABEK sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 08.08.2019, OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrags auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer beantragte am 20.03.2019 unter Vorlage medizinischer Beweismittel die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis). Folgender Hinweis ist im Antragsformular der Behörde enthalten:

"Wenn Sie noch nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel' sind, gilt dieser Antrag auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel' in den Behindertenpass."

2. In weiterer Folge wurde seitens des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet), ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 27.06.2019 erstatteten - Gutachten vom 04.07.2019 wurden als Ergebnis der Begutachtung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden

Pos.Nr.

GdB%

1

Abnützung der gesamten Wirbelsäule mit Wirbelkanaleinengungen, Zustand nach Operation im Bereich der Halswirbelsäule mit ACDF im Bereich von C3 bis C7 Unterer Rahmensatz, da einfache analgetische Therapie ausreichend und keine Opiate notwendig. Inkludiert auch die Vorfußheberlähmung links.

02.01.03

50

2

Hypertonie

05.01.01

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt. Begründend wurde ausgeführt, dass Leiden 2 aufgrund seiner geringfügiger Ausprägung das führende Leiden nicht weiter erhöhe. Erhöhte Blutfettwerte ohne Funktionseinschränkungen würden keinen Grad der Behinderung erreichen. Es liege ein Dauerzustand vor.

Zu den Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde vom befassten Sachverständigen ausgeführt, dass - trotz Verwendung von Hilfsmitteln - ein ausreichend sicheres und raumgreifendes Gangbild bestehe. Dem Beschwerdeführer seien das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, ein sicheres Ein- und Aussteigen, ein sicherer Transport und ein sicheres Festhalten möglich. Es bestehe eine ausreichende Standsicherheit sowie eine ausreichende Beugefunktion in den Gelenken, um einige Stufen überwinden zu können. Eine schwere Erkrankung des Immunsystems liege nicht vor. Schließlich wurde angemerkt, dass die räumliche und zeitliche Erreichbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln kein Kriterium für die Vornahme der begehrten Zusatzeintragung darstelle.

3. Nach Einräumung von Parteiengehör zu diesem Gutachten mit Schreiben der Behörde vom 04.07.2019 erstattete der Beschwerdeführer am 13.07.2019 Einwendungen. Er brachte insbesondere vor, dass ihn seine Krankheit (Skoliose) seit seiner Kindheit begleiten würde und zwischenzeitig seine Lendenwirbel und Nerven geschädigt habe. Zudem habe die bei ihm vorliegende Myelopathie das Rückenmark in der Halswirbelsäule stark geschädigt. Zusätzlich sei er durch eine Gangstörung (Steppergang) beeinträchtigt. Die in Vorlage gebrachten MRT-Bilder seien im Gutachten nur unzureichend berücksichtigt worden. Dem Beschwerdeführer sei es bei der Untersuchung nicht möglich gewesen, einen Zehen- bzw. Fersenstand durchzuführen; der Einbeinstand sei nur kurz auf der rechten Seite möglich gewesen. Zudem bestehe bei der Fortbewegung Unsicherheit, die bei einer größeren Menschenansammlung ansteige. Er müsse dann auf sein Umfeld achten und könne sich nicht mehr auf die Bodenbeschaffenheit oder Unebenheiten konzentrieren. Der Beschwerdeführer verwende einen Gehstock und für Spaziergänge Walkingstöcke, um Stürze zu vermeiden. Die Wintermonate seien für ihn - aufgrund der erschwerten Fortbewegung und der erhöhten Sturzgefahr - besonders schwierig. Er könne das Haus nicht verlassen. Für ihn sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zielführend, da er so keine Therapietermine, Arztbesuche oder Amtswege wahrnehmen könne. Zudem sei es seiner an Morbus Crohn erkrankten Frau nicht immer möglich, ihn zu Therapien zu begleiten. Der Beschwerdeführer könne mit öffentlichen Verkehrsmitteln auch keine Einkäufe erledigen. Der Beschwerde wurden medizinische Beweismittel beigeschlossen.

4. Zu den Einwendungen des Beschwerdeführers holte die belangte Behörde eine gutachterliche Stellungnahme des bereits befassten Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.08.2019 ein. Darin verwies der Gutachter auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer seinen Angaben in der Untersuchung zufolge ca. 2 km mit Hilfsmitteln (Stöcken) zurücklegen könne. Das Gangbild habe sich insgesamt ausreichend sicher und raumgreifend dargestellt; eine Peronäusschiene sei nicht verwendet worden. Die Einnahme starker Schmerzmittel oder Medikamente wegen der Polyneuropathie sei nicht angegeben worden. Aus gutachterlicher Sicht seien dem Beschwerdeführer die Zurücklegung einer kurzen Wegstrecke, ein sicheres Ein- und Aussteigen sowie ein sicherer Transport möglich.

5. Am 08.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein unbefristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. und der Zusatzeintragung "Der Inhaber des Passes ist Träger von Osteosynthesematerial" ausgestellt.

6. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 08.08.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen. Begründend stützte sich die belangte Behörde auf das im Zuge des Ermittlungsverfahrens eingeholte Sachverständigengutachten vom 07.08.2019, wonach die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht gegeben seien. Das Gutachten wurde dem Beschwerdeführer als Beilage des Bescheides übermittelt.

Angemerkt wurde, dass ein Ausweis gemäß § 29b StVO (Parkausweis) nicht ausgestellt werden könne, da die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen würden.

7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin brachte er vor, dass es ihm aufgrund seiner gesundheitlichen Beschwerden gerade in den Wintermonaten - bei Schneelage oder Eisbildung - nicht möglich sei, das Haus zu verlassen und einen Arzt oder Physiotherapeuten aufzusuchen. Er könne seinen linken Fuß nicht richtig führen; dies verursache Gangunsicherheit und ein instabiles Gangbild. Die Gewichtsverlagerung durch eine seitliche Neigung auf den rechten Fuß, der auch nicht mehr so stabil sei, bewirke wiederum enorme Gleichgewichtsstörungen. Die Sturzgefahr sei extrem hoch und - durch die Verblockung von vier Halswirbeln mit einer 72 mm langen Platte und 8 Schrauben - äußerst gefährlich. Der Beschwerdeführer leide dadurch unter massivem Stress und Angstgefühlen. Es sei ihm in den Wintermonaten somit nicht möglich, die ca. 800 Meter entfernte Busstation oder den ca. 600 Meter entfernten Hausarzt sicher zu erreichen.

8. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 20.09.2019 vorgelegt.

9. In weiterer Folge wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eine Begutachtung des Beschwerdeführers durch einen Facharzt für Unfallchirurgie veranlasst. In dem auf Basis einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erstatteten Sachverständigengutachten vom 03.12.2019 wurde insbesondere Folgendes ausgeführt (Wiedergabe ergänzt um die zugehörigen Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):

"Allgemeiner Status:

176 cm großer und 120 kg schwerer Mann in gutem Allgemein- und Ernährungszustand.

Thorax symmetrisch. BMI knapp 39.

Relevanter Status:

Wirbelsäule im Lot. HWS in R 50-0-50, F 10-0-10, KJA 2 cm, Reklination 12 cm.

Normale Brustkyphose, BWS-Drehung 25-0-25.

FKBA 30 cm, Seitneigung bis 10 cm ober Patella.

Obere Extremitäten:

Schultern in S 40-0-150, F 150-0-50, R 70-0-65, Ellbögen 0-0-130, Handgelenke 50-0-50, Faustschluss beidseits möglich.

Nacken- und Kreuzgriff durchführbar, beidseits endlagig eingeschränkt. Keine Biceps- oder Tricepsparese.

Untere Extremitäten:

Hüftgelenke in S 0-0-100, F 30-0-20, R 25-0-10, Kniegelenke in S 0-0-125, bandfest, reizfrei.

Sprunggelenke rechts 5-0-40 zu links 0-5-40.

Kein Fallfuß.

Gangbild/Mobilität:

Gang in orthopädischen Schuhen mit und ohne Gehstock kleinerschrittig, aber sicher möglich. Zehenspitzenstand beidseits und Fersenstand rechts möglich, links erschwert. Das Gangtempo ist mäßig reduziert, besonders mit einem Gehstock als kompensiert zu bezeichnen.

BEURTEILUNG

1.) Diagnoseliste

1. Degenerative Veränderungen der gesamten Wirbelsäule

multisegmentale Osteochondrosen

Zustand nach Versteifung der Halswirbel 3-7 bei Wirbelkanaleinengung

Peronäusschwäche

Polyneuropathie

2. Hypertonie

2.) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Es bestehen keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten.

Alle Gelenke sind stabil und ausreichend beweglich, ein relevantes Muskeldefizit findet sich nicht; bis auf eine Peronäusschwäche links keine relevante peripherere Nervenschädigung. Es besteht keine Einschränkung der Kniegelenke oder der Hüften.

Mit orthopädischen Schuhen ist das Gangbild als kompensiert zu bezeichnen.

Beide Arme können in Gebrauchsstellung gebracht werden, alle Gelenke der oberen Extremitäten sind stabil und ausreichend beweglich.

3.) Bitte um Stellungnahme über die konkrete Fähigkeit des BF zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und zwar unter Berücksichtigung:

a) der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen,

b) der Zugangsmöglichkeit sowie der Ein- und Aussteigemöglichkeit,

c) der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen,

d) der Schwierigkeiten beim Stehen,

e) der Schwierigkeiten bei der Sitzplatzsuche,

f) der Schwierigkeiten bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt - Bestehen ausreichende Stand- und Gangsicherheit sowie ausreichende Kraft zum Anhalten?

g) der allfälligen Benützung von Gehhilfen (z.B. Stock); sind diese behinderungsbedingt erforderlich? Welche Auswirkungen haben die Hilfsmittel auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel?

h) Welche Schmerzen sind allenfalls mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verbunden? Sind diese zumutbar?

a. Die Mobilität des BF ist zweifelsfrei eingeschränkt, aber nicht relevant. Eine Gehstrecke von 300 bis 400 Metern ist ihm sicher möglich, mit Gehstock sicher weiter (in einem Befund ist von 1-2 km die Rede).

b. Ein- und Aussteigen sind möglich, die Beugefunktionen der Gelenke der unteren Extremitäten sind ausreichend, auch die Streckfunktionen, damit ist auch

c. [Die Überwindung von Niveauunterschieden beim Aus- und Einsteigen ist] möglich. Eine Peronäusschiene wird nicht verwendet.

d. Stehen im Nahbereich ist möglich, Anhalten ist ungestört.

e. Sitzplatzsuche ist möglich.

f. Fortbewegen im öffentlichen Verkehrsmittel ist möglich.

g. Das Verwenden eines Gehstocks erleichtert das Gehen, ist aber behinderungsbedingt nicht zwingend nötig. Eine wesentlichere Hilfe sind die vom BF verwendeten festen Schuhe.

h. Es ist beim Benützen von öffentlichen Verkehrsmitteln mit leichten Schmerzen, kurzfristig bis zu mittleren zu rechnen, starke Schmerzen sind nicht zu erwarten. Diese Schmerzen sind zumutbar.

4.) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

Es bestehen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit.

5.) Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor?

Es liegen keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor.

6.) Liegt eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor?

Es liegt keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor.

7.) Liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor?

Es liegt keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor.

8.) Fachspezifische Stellungnahme zu den im Verfahren vorgelegten Unterlagen.

Es bestehen beim BF multisegmentale Osteochondrosen und Bandscheibenvorwölbungen und Einengungen des Spinalkanales, auch eine geringe Myelopathie. MRT Abl. 1. Abl. 2 zeigt die Platte, von vorne eingebracht. Abl. 17 ist offenbar nach dem Eingriff angefertigt, es ist bloß ein Blatt, Abl. 17, da ist die Gehstrecke 1-2 km mit Pausen beschrieben.

Der jetzt mitgebrachte Bericht, Messung ohne Interpretation, ergibt bei den relevanten Parametern eine etwa 20%-ige Einschränkung links beim Druck, bei der Kraft und der Schrittlänge. Eine schwerwiegende Herabsetzung im Seitenvergleich ist mir nicht ersichtlich.

9.) Fachspezifische Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen.

Der Bericht von der Reha XXXX ist offenbar bewusst unvollständig. Es gibt üblicherweise einen Aufnahme- und Entlassungsstatus. Es ist, wie vorher erwähnt, von einer Gehstrecke von 1-2 km zu lesen, mit Pausen. Ein Bericht aus 2019 ist/war nicht vorliegend! Einzig die Diagnosenliste XXXX ist aus 2019. Die Tatsache, dass der BF im Winter das Haus nicht verlassen kann, ist bedauerlich, ist hier aber nicht zu beurteilen. Seine Wohnsituation ist eigentlich als außerordentlich gut zu bezeichnen, da er nur 600 Meter zum Hausarzt und 800 Meter zum Bus hat. Es wäre somit eigentlich leichter, direkt zum Hausarzt zu gehen. Das ist ihm bestimmt möglich. Auch 800 Meter sind ihm möglich. Der BF hat definitiv keinen Fallfuß. Es besteht keine Gleichgewichtsstörung. Für kürzere Strecken ist eigentlich keine Gehhilfe nötig. Eine extrem hohe Sturzgefahr besteht auch nicht, Stürze sind auch nicht dokumentiert.

10.) Begründung zu einer allfälligen zum angefochtenen Sachverständigengutachten vom 04.07.2019 samt Stellungnahme vom 07.08.2019 abweichenden Beurteilung.

Es ist keine Veränderung zum Gutachten erster Instanz objektivierbar.

11.) Feststellung, ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

10. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.12.2019 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.

11. Am 23.12.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, in der er sich gegen das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wandte und ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtete. Insbesondere brachte er vor, entgegen den Angaben des Gutachters auf die Verwendung eines Gehstocks angewiesen zu sein und nachweislich unter einer Peronäusparese links zu leiden, sodass ihm ein Zehen- und Fersenstand nicht möglich seien, zumal die Kosten für seinen Lähmungsschuh von der Gebietskrankenkasse übernommen worden seien. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer alle ihm zur Verfügung stehenden Befunde vollständig eingereicht. Der Beschwerdeführer habe bereits darauf hingewiesen, dass ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - gerade im Winter bei Schnee und Eisbildung - aufgrund von Gleichgewichtsstörungen und des unsicheren Gangbildes nicht möglich sei. Dass laut Angaben des Gutachters kurzfristig leichte bis mittlere Schmerzen zu erwarten und zumutbar seien, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Dem Beschwerdeführer sei im August 2019 ein Behindertenpass ausgestellt worden. Im Hinblick auf eine Verbesserung seiner derzeit eingeschränkten Lebensqualität begehrte der Beschwerdeführer die Zuerkennung der beantragten Zusatzeintragung in den Behindertenpass.

12. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Am 20.03.2019 beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO, der von der belangten Behörde auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gewertet wurde (vgl. zum entsprechenden Hinweis im Antragsformular Punkt I.1.).

Am 08.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein unbefristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. und der Zusatzeintragung "Der Inhaber des Passes ist Träger von Osteosynthesematerial" ausgestellt.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule: multisegmentale Osteochondrosen, Zustand nach Versteifung der Halswirbel 3-7 bei Wirbelkanaleinengung, Peronäusschwäche, Polyneuropathie;

2) Hypertonie.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 03.12.2019 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Beim Beschwerdeführer liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten oder der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken. Bei den Knien und Hüftgelenken bestehen keine Einschränkungen. Alle Gelenke sind stabil und ausreichend beweglich. Es liegen weder ein relevantes Muskeldefizit noch - abgesehen von einer Peronäusschwäche links - eine relevante periphere Nervenschädigung vor. Trotz eingeschränkter Mobilität ist der Beschwerdeführer in der Lage, kurze Wegstrecken entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurückzulegen; unter Verwendung eines Gehstocks ist das Zurücklegen einer weiteren Wegstrecke möglich. Das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel sowie das Bewältigen von Niveauunterschieden sind dem Beschwerdeführer mit Blick auf den ausreichenden Bewegungsumfang (Beuge- und Streckfunktion) aller Gelenke der unteren Extremitäten möglich. Ebenso sind dem Beschwerdeführer das Stehen, das Anhalten sowie die Sitzplatzsuche in (fahrenden) öffentlichen Verkehrsmitteln möglich. Die notwendige Fortbewegung innerhalb eines öffentlichen Verkehrsmittels kann bewältigt werden, sodass insgesamt ein sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gegeben ist. Das Gangbild in orthopädischen Schuhen stellt sich (mit und ohne Gehstock) kleinerschrittig, aber sicher in mäßig reduziertem Tempo dar. Die Verwendung eines Gehstocks erleichtert dem Beschwerdeführer zwar das Gehen, ist aber behinderungsbedingt nicht zwingend notwendig. Die vom Beschwerdeführer verwendeten orthopädischen Schuhe bieten ihm hingegen eine wesentliche Hilfe und Kompensation. Auch wenn beim Benützen von öffentlichen Verkehrsmitteln mit leichten bzw. kurzfristig mit mittleren Schmerzen zu rechnen ist, ergibt sich anhand der Medikation, des Gangbildes und des Untersuchungsergebnisses mit ausreichender Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten kein Hinweis auf das Vorliegen starker Schmerzzustände, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden von Niveauunterschieden und den Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich erschweren würden.

Der sichere und gefährdungsfreie Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln - auch während der Fahrt - ist gewährleistet.

Schließlich bestehen auch keine Hinweise auf das Vorliegen erheblicher Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit und der psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen sowie einer hochgradigen Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit. Ebenso wenig liegt beim Beschwerdeführer eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor.

Insgesamt spricht bei Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen des Beschwerdeführers aus medizinischer Sicht nichts dagegen, dass ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zugemutet wird.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu Zeitpunkt und Wertung der Einbringung des Antrags sowie zur Ausstellung eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen sowie zum Nichtvorliegen erheblicher - die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bewirkender - Funktionseinschränkungen gründen sich auf das im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 03.12.2019.

Der vorliegende Sachverständigenbeweis wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes als schlüssig erachtet. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).

Einbezogen wurden vom befassten Sachverständigen auch die vom Beschwerdeführer im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunde, die im Übrigen nicht in Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt wurde.

Im Gutachten des Sachverständigen wurde nachvollziehbar dargelegt, warum dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus medizinischer Sicht zumutbar ist.

Anhand der Art und Schwere der festgestellten Gesundheitsschädigungen konnten dem Gutachten zufolge weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten, der körperlichen Belastbarkeit, der psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen noch eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems objektiviert werden. Bei seiner Einschätzung konnte sich der Sachverständigen auf den von ihm erhobenen klinischen Untersuchungsbefund einschließlich des beobachteten Gangbildes sowie auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Beweismittel stützen.

Die Einwendungen des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerde waren nicht geeignet, den vorliegenden Sachverständigenbeweis in Zweifel zu ziehen und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen, zumal diese vom befassten Sachverständigen in seinem Gutachten gehörig gewürdigt und mittels einer schlüssigen Begründung in fachlicher Hinsicht entkräftet wurden. Diesbezüglich führte der Sachverständige u.a. nachvollziehbar aus, dass die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Wohnsituation aufgrund der geringen Entfernung zum Hausarzt und zum Bus sowie seiner festgestellten Mobilität als gut zu bezeichnen sei, zumal er dem Gutachten zufolge beide Strecken zurücklegen könnte; er habe weder einen Fallfuß noch leide er unter Gleichgewichtsstörungen. Zudem benötige er für kürzere Wegstrecken keine Gehhilfe. Ebenso wenig habe eine erhöhte Sturzgefahr beim Beschwerdeführer festgestellt werden können.

Der Beschwerdeführer, dem es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl die getroffene Einschätzung des Sachverständigen zu entkräften, ist dem Sachverständigengutachten vom 03.12.2019 nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Insoweit seitens des Beschwerdeführers in seiner im Rahmen des Parteiengehörs erstatteten Stellungnahme unbeschadet der ausführlichen Auseinandersetzung des Sachverständigen mit den in der Beschwerde erhobenen Einwendungen auf die bereits im Gutachten erörterten Einschränkungen verwiesen wurde, ist ihm entgegenzuhalten, dass Ausmaß und Auswirkungen der von ihm vorgebrachten Leidenszustände (insbesondere in Bezug auf die Funktionseinschränkungen im Bereich der Füße) im Rahmen der persönlichen Untersuchung sowie anhand der vorgelegten medizinischen Unterlagen seitens des befassten Facharztes für Unfallchirurgie in der vom Beschwerdeführer subjektiv empfundenen Form nicht objektiviert werden konnte. Im Übrigen wurden vom Beschwerdeführer keine dem Sachverständigengutachten widersprechenden Beweismittel vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den vorliegenden Sachverständigenbeweis für schlüssig, nachvollziehbar und vollständig. Er wird der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung einer fachkundigen Laienrichterin ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4

BBG.

Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Zur Wertung des Anbringens vom 20.03.2019

Im vorliegenden Fall wurde die Eingabe des Beschwerdeführers vom 20.03.2019 auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO von der belangten Behörde auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gewertet. Dazu ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen.

Demnach ist bei der Beurteilung von Parteienanbringen grundsätzlich das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes maßgebend und es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss, wobei Parteienerklärungen im Zweifel nicht so auszulegen sind, dass ein von vornherein aussichtsloses Rechtsschutzbegehren unterstellt wird (VwGH 24.07.2008, 2008/07/0060 mwH).

Dabei sind Parteienerklärungen im Zweifel so auszulegen, dass die sie abgebende Partei nicht um ihren Rechtsschutz gebracht wird (VwGH 19.05.1994, 92/07/0070), und es ist der Behörde nicht gestattet, einem unklaren Antrag von vornherein einen für den Antragsteller ungünstigen Inhalt zu unterstellen (VwGH 16.12.1992, 89/12/0146). In einem solchen Fall hat die Behörde vielmehr von Amts wegen den wahren Willen der Partei und damit den Gegenstand des Anbringens von Amts wegen zu ermitteln und klarzustellen (VwGH 27.07.1994, 90/10/0046).

Im vorliegenden Fall wurde vom Beschwerdeführer am 20.03.2019 ein Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO eingebracht. Dieses Anbringen wurde von der belangten Behörde - wie sich zweifelsfrei aus der nachfolgenden Ausstellung eines Behindertenpasses und aus dem angefochtenen Bescheid ergibt - auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gewertet. Im Übrigen findet sich diesbezüglich im Antragsformular ein ausdrücklicher Hinweis (vgl. dazu Punkt I.1.).

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes wurde die Beurteilung des Parteienanbringens seitens der belangten Behörde schon deshalb in nachvollziehbarer Weise vorgenommen, weil der Beschwerdeführer mit seiner Eingabe erkennbar das Ziel verfolgt hat, letztlich in den Genuss der Berechtigungen nach § 29b Abs. 2 bis 4 StVO zu kommen. Angesichts des Umstandes, dass dies ausschließlich Inhabern eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz möglich ist, die bereits über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, wurde das Anbringen seitens der belangten Behörde im Lichte einer rechtsschutzfreundlichen und für das Ziel des Beschwerdeführers günstigen Weise ausgelegt.

Der Beschwerdeführer ist der Wertung seines Anbringens - ausweislich des Verwaltungsaktes - weder im vorangegangenen Verwaltungsverfahren noch im Rahmen der Beschwerde entgegengetreten.

Die Behörde konnte daher zu Recht davon ausgehen, dass das Anbringen des Beschwerdeführers vom 20.03.2019 auf die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und letztlich auf die Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO gerichtet war.

Ausgehend von dieser Wertung des Anbringens durch die belangte Behörde ist aus Sicht des erkennenden Gerichtes allerdings nicht nachvollziehbar, dass über den Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO nicht (auch) - entweder im Rahmen eines gesonderten Bescheides oder im Wege eines zusätzlichen Spruchpunktes im angefochtenen Bescheid - abgesprochen wurde.

Es trifft zwar zu, dass dem Begehren des Beschwerdeführers auf Ausfolgung eines Parkausweises nach § 29b StVO erst dann entsprochen werden könnte, wenn im Behindertenpass die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung" vorgenommen wurde. Dennoch kann die bescheidmäßige Erledigung des Antrags auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO nicht dadurch ersetzt werden, dass (lediglich) am Ende des nunmehr angefochtenen Bescheides festgehalten wird, dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen würden.

3.3. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

"§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

3.4.1. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:

"§ 1. ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

..."

3.4.2. In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) - soweit im gegenständlichen Fall relevant - insbesondere Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3:

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Die Voraussetzung des vollendeten 36. Lebensmonats wurde deshalb gewählt, da im Durchschnitt auch ein nicht behindertes Kind vor dem vollendeten 3. Lebensjahr im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Wegstrecken nicht ohne Begleitung selbständig gehen kann.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes ‚dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-

Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-

hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-

schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-

nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-

anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

-

schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-

fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-

selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat. (...)"

3.5.1. Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentliche

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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