TE Bvwg Beschluss 2020/3/30 G313 2186663-1

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Veröffentlicht am 30.03.2020
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Entscheidungsdatum

30.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

G313 2186663-1/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Serbien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.01.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben

und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 23.01.2018 wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Mazedonien (nunmehr: Nordmazedonien) zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.), und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).

Dieser Bescheid wurde dem BF am 26.01.2018 zugestellt.

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, die Rückkehrentscheidung zu beheben und für auf Dauer unzulässig zu erklären, das Einreiseverbot ersatzlos zu beheben, in eventu eine mündliche Verhandlung durchzuführen und das auf 10 Jahre befristete Einreiseverbot - unter Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens des BF in der Schweiz und in Österreich) auf eine angemessene Dauer herabzusetzen, sowie die ordentliche Revision zuzulassen, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung einer neuen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Es wurde unter anderem auf die Verletzung des Rechtes des BF auf Parteiengehör hingewiesen und vorgebracht, "von der Möglichkeit, zum Ergebnis der Beweisaufnahme (Schreiben vom 04.10.2017) schriftlich Stellung zu nehmen, konnte der BF aufgrund nicht von ihm zu vertretender Umstände nicht Gebrauch machen; der BF spricht nicht Deutsch. Aufgrund der Inhaftierung war er nicht in der Lage, eine Rechtsberatungsstelle aufzusuchen, welche ihm den Inhalt des Schreibens hätte erklären können bzw. ihn bei der Verfassung einer Stellungnahme hätte unterstützen können."

3. Am 21.02.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

4. Mit Aktenvermerk des BVwG vom 27.02.2018 wurde der gegenständlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Serbien.

1.2. Er hat in Österreich keinen ordentlichen Wohnsitz und war stets nur für die Zeit seiner Haft gemeldet.

1.3. Mit Schreiben des BFA vom 04.10.2017 wurde dem BF die behördliche Absicht, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu erlassen, vorgehalten, und ihm die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von zehn Tagen ab Zustellung dieser Verständigung zum Ergebnis der Beweisaufnahme und seinen persönlichen Verhältnissen, zu welchen ihm bestimmte Fragen gestellt wurden, eine Stellungnahme abzugeben.

1.4. Innerhalb der dem BF zur Abgabe einer Stellungnahme gewährten Frist langte beim BFA keine Stellungnahme ein, auch nicht danach.

1.5. Im Dezember 2017 wurde der BF in Österreich rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar

? wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung als Beteiligter zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, davon acht Monate unbedingt und 16 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren.

1.6. Mit E-Mail der betreffenden Justizanstalt vom 16.01.2018 wurde dem BFA betreffend den BF das Formblatt "Verständigung von der allfälligen Begnadigung eines Fremden" mit dem Ersuchen um Beantwortung und Rückübermittlung übermittelt.

Das besagte Formblatt wurde seitens des BFA ausgefüllt, mit 20.01.2018 datiert, und mit E-Mail vom 23.01.2018 wieder an die Justizanstalt rückübermittelt. Im Formblatt wurde angeführt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot, eine Abschiebung im Stande der Festnahme und kein Schubhaftbescheid beabsichtigt ist, und auf die Bescheiderlassung in Kalenderwoche 4 verwiesen.

Mit Schreiben des BFA vom 23.01.2018 wurde die Rechtsberatungs-Koordinationsstelle kontaktiert und um Mitteilung der zuständigen juristischen Person für den BF ersucht. Es wurde als "Besonderheit" hinzugefügt:

"Genannter befindet sich in der JA (...) in Strafhaft. Es ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot beabsichtigt."

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 23.01.2018 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt, einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.), und gemäß § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).

Mit E-Mail des BFA vom 23.01.2018 wurde der betreffenden Justizanstalt der gegen den BF ergangene Bescheid vom 23.01.2018 mit dem Ersuchen übermittelt, diesen nachweislich an den BF zuzustellen. Angeführt wurde zudem, dass die Zustellbestätigung der belangten Behörde unterfertigt (bzw. aktenkundig verweigert) retourniert werden möge.

In der besagten "Zustellbestätigung" vom 25.01.2018 steht, dass dem BF am 25.01.2018 der Bescheid, die Verfahrensanordnung Rückkehrberatung und die Verfahrensanordnung Rechtsberater vom 23.01.2018 zugestellt wurde. Die "Zustellbestätigung" wurde nur vom "Übergeber" unterschrieben, neben dem Namen des BF steht "Unterschrift verweigert".

Am 09.02.2018 ist betreffend den BF ein schriftlicher Festnahmeauftrag ergangen, wobei angeführt wurde, dass für die Anordnung der Festnahme maßgebend ist, dass der BF nach seiner Strafhaftentlassung am 26.02.2018 festzunehmen ist.

1.7. Der BF wurde am 26.02.2018 nach Serbien abgeschoben.

1.8. Wegen abermaligen - rechtswidrigen - Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet wurde gegen den BF am 31.12.2019 die Schubhaft verhängt

1.9. Der BF wurde folglich laut Meldung der Landespolizeidirektion am 04.01.2020 nach Serbien abgeschoben.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1

B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung des Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.

Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.

3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergab sich Folgendes:

Mit schriftlicher Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 04.10.2017, vom BF nachweislich übernommen am 09.10.2017 wurde dem BF die behördliche Absicht, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot zu erlassen, vorgehalten und ihm die Möglichkeit gewährt, innerhalb von zehn Tagen ab Zustellung dieser Verständigung zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.

Mit dieser Verständigung wurde unter anderem der Hinweis gegeben:

"Sollten Sie zur beabsichtigten Vorgangsweise der Behörde nicht Stellung nehmen, wird das Verfahren ohne nochmalige Anhörung, aufgrund der Aktenlage fortgeführt werden."

Eine Stellungnahme des BF langte beim BFA nicht ein.

Mit E-Mail der betreffenden Justizanstalt vom 16.01.2018 wurde dem BFA betreffend den BF ein Formblatt "Verständigung von der allfälligen Begnadigung eines Fremden" mit dem Ersuchen um Beantwortung und Rückübermittlung übermittelt. Mit beiliegendem Schreiben der Justizanstalt an das BFA wurde bekanntgegeben, dass die Möglichkeit besteht, den BF im Rahmen einer Einzelbegnadigung aus der Strafhaft zu entlassen und auf freien Fuß zu setzen, wenn der anfragenden Justizanstalt bis dahin nicht ein Schubhaftbescheid zur Kenntnis gebracht wird.

Nach Bekanntwerden der Beabsichtigung der Justizanstalt mit E-Mail vom 16.01.2018, den BF im Rahmen einer Einzelbegnadigung aus der Strafhaft zu entlassen und auf freien Fuß zu setzen, wenn bis dahin kein Schubhaftbescheid bekannt wird, hätte die belangte Behörde sich bei der Justizanstalt erkundigen können, ob der BF, der nachweislich am 09.10.2017 das Ergebnis der Beweisaufnahme vom 04.10.2017 erhalten hat, während seiner Strafhaft Zugang zu einem Rechtsberater, rechtskundigem Personal oder einem Dolmetscher hatte.

In der Beschwerde wurde betont, es habe keine Einvernahme stattgefunden, weshalb der BF auch keine Möglichkeit gehabt habe, sich zum Ergebnis der Beweisaufnahme persönlich zu äußern. Des Weiteren steht in der Beschwerde:

"Von der Möglichkeit, sich zum Ergebnis der Beweisaufnahme (Schreiben vom 04.10.2017) schriftlich Stellung zu nehmen, konnte der BF aufgrund nicht von ihm zu vertretender Umstände nicht Gebrauch machen; der BF spricht nicht Deutsch. Aufgrund der Inhaftierung war er nicht in der Lage, eine Rechtsberatungsstelle aufzusuchen, welche ihm der Inhalt des Schreibens hätte erklären können bzw. ihn bei der Verfassung einer Stellungnahme hätte unterstützen können. (...)."

Das besagte Formblatt wurde seitens des BFA ausgefüllt, mit 20.01.2018 datiert, und mit E-Mail vom 23.01.2018 wieder an die Justizanstalt rückübermittelt.

Das BFA hatte im Formblatt bestimmte Sätze anzukreuzen und zu ergänzen und dabei die Auswahl, entweder den Teilsatz "sind aufenthaltsbeendende Maßnahmen bisher nicht gesetzt worden und auch nicht beabsichtigt" oder den Teilsatz "ist folgende aufenthaltsbeendende Maßnahme: (...) beabsichtigt" anzukreuzen und zu vervollständigen. Das BFA gab bekannt, dass "folgende aufenthaltsbeendende Maßnahme: RKE iVm EV beabsichtigt" ist, teilte des Weiteren unter Ankreuzen mit, dass kein Schubhaftbescheid, sondern eine Abschiebung im Stande der Festnahme beabsichtigt ist, und merkte abschließend noch an, die Bescheiderlassung erfolge in KW4 (Kalenderwoche 4).

Am 23.01.2018 ist gegenständlich angefochtener Bescheid und damit eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot ergangen. Dieser Bescheid wurde dem BF zusammen mit der Verfahrensanordnung Rückkehrberatung und Verfahrensanordnung Rechtsberater am 25.01.2018 zugestellt.

Mit E-Mail vom 09.02.2018 wurde dem BFA seitens der Justizanstalt Folgendes vorgehalten:

"Betreffend des Insassen (BF) ist laut dem IVV-Formblatt "Verständigung von der allfälligen Begnadigung eines Fremden" vom 20.01.2018 eine Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot sowie ein Festnahmeauftrag beabsichtigt.

Es wird mitgeteilt, dass der BF nunmehr am 26.02.2018, 08:00 Uhr, aus der Strafhaft bedingt entlassen wird. Ein Festnahmeauftrag des BFA liegt ho. bis dato nicht auf."

Am 09.02.2018 ist ein den BF betreffender schriftlicher Festnahmeauftrag ergangen. Diesbezüglich wurde angeführt, für die Anordnung der Festnahme sei maßgebend, dass der BF nach seiner Entlassung am 26.02.2018 festzunehmen ist.

Das BFA übermittelte der Justizanstalt am 23.01.2016 das mit 20.01.2016 datierte Formblatt per E-Mail, und gab der Haftanstalt bekannt, vorzuhaben, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu verhängen, und gegen ihn nicht die Verhängung der Schubhaft, sondern eine Abschiebung des BF im Stande seiner Festnahme zu beabsichtigen.

Nachdem das BFA um Bekanntgabe ersucht worden war, ob gegen den BF die Schubhaft verhängt werde, bestehe doch die Möglichkeit, den BF im Rahmen einer Einzelbegnadigung aus der Strafhaft zu entlassen und auf freien Fuß zu setzen, wenn der anfragenden Justizanstalt bis dahin nicht ein Schubhaftbescheid zur Kenntnis gebracht werde, gab das BFA der Justizanstalt über das vorhin erwähnte Formblatt bekannt, über den BF keine Schubhaft verhängen, sondern eine Abschiebung des BF im Stande der Festnahme zu beabsichtigen. Daraufhin kam es am 26.02.2018 zur Haftentlassung des BF und zur Festnahme des BF, um ihn abzuschieben.

Die belangte Behörde wusste bereits, nachdem ihr mit E-Mail vom 16.01.2016 das Formblatt mit den Fragen, ob gegen den BF eine aufenthaltsbeendende Maßnahme und gegebenenfalls auch ein Schubhaftbescheid geplant sei oder nicht, übermittelt worden war, über ihre weitere Vorgehensweise, den BF nach Haftentlassung gleich festzunehmen und abzuschieben, Bescheid. Sie füllte das Formblatt am 20.01.2016 und damit noch vor Ausfertigung des gegenständlich angefochtenen Bescheides aus und übermittelte dieses am Tag der Bescheidausfertigung am 23.01.2016 der Justizanstalt.

Der Bescheid des BFA vom 23.01.2016, womit wegen Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung in Verbindung mit dem Einreiseverbot erlassen wurde, wurde laut "Zustellbestätigung" vom 25.01.2018 dem BF zusammen mit der Verfahrensanordnung Rückkehrberatung und der Verfahrensanordnung Rechtsberater zugestellt. Auf dieser Zustellbestätigung scheint jedoch nur die Unterschrift des "Übergebers", nicht jedoch auch die Unterschrift des BF auf. Neben dem Namen des BF auf der Zustellbestätigung steht vielmehr "Unterschrift verweigert".

Der dem BF beigegebene Rechtsberater verfasste am 16.02.2018 die gegenständliche Beschwerde, welche am 20.02.2018 beim BFA eingelangt ist. Darin brachte er unter anderem Folgendes vor:

"Diesbezüglich ist anzumerken, dass keine Einvernahme des BF stattgefunden hat. Der BF hatte daher auch keine Möglichkeit, sich zum Ergebnis der Beweisaufnahme persönlich zu äußern. Von der Möglichkeit, zum Ergebnis der Beweisaufnahme (Schreiben vom 04.10.2017) schriftlich Stellung zu nehmen, konnte der BF aufgrund nicht von ihm zu vertretender Umstände nicht Gebrauch machen; der BF spricht nicht Deutsch. Aufgrund der Inhaftierung war er nicht in der Lage, eine Rechtsberatungsstelle aufzusuchen, welche ihm den Inhalt des Schreibens hätte erklären können bzw. ihn bei der Verfassung einer Stellungnahme hätte unterstützen können. (...)."

Mit Beschwerdevorlage des BFA vom 20.02.2018 - noch vor Haftentlassung des BF am 26.02.2018 und seiner Abschiebung am 27.02.2018 - wurde unter anderem mitgeteilt:

"Mit Schreiben vom 04.10.2017 (zugestellt am 09.10.2017) wurde dem BF Parteiengehör gewährt. Der BF hatte die Möglichkeit zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot Stellung zu nehmen, kam dieser Möglichkeit jedoch nicht nach."

Ob der BF in Haft tatsächlich grundsätzlich die Möglichkeit hatte, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, konnte das BFA jedoch nicht wissen.

Zum Zeitpunkt der Beschwerde bestand gegen den BF ein aufrechter Festnahmeauftrag bzw. eine Anordnung der Festnahme des BF vom 09.02.2018, um ihn nach Haftentlassung am 26.02.2018 festzunehmen. Zweck der Festnahme war die Abschiebung des BF.

Der BF wurde - nach Beschwerdevorlage vom 20.02.2018 - am 26.02.2018 aus der Strafhaft entlassen und kam in ein Polizeianhaltezentrum.

Tags darauf am 27.02.2018 wurde der BF nach Serbien abgeschoben, ohne, dass sich das BFA zuvor vergewissert hatte, ob sich der BF mit der schriftlichen Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 04.10.2016, die er nachweislich am 09.10.2016 erhalten hat, jemals um Rat bzw. Übersetzung suchend an Haftpersonal gewandt hat und er die Möglichkeit auf Unterstützung durch rechtskundiges Personal und einen Dolmetscher hatte.

Diesbezügliche Erkundigungen bei der Haftanstalt wären jedenfalls rechtzeitig vor Erlassung des Bescheides mit durchsetzbarer aufenthaltsbeendender Maßnahme vom 23.01.2018 nötig gewesen, um das Recht des BF auf Wahrung des Parteiengehörs zu sichern.

Diese Nachforschungen wären auch deshalb angebracht gewesen, weil das BFA nach Bekanntgabe der von der Justizanstalt geplanten Vorgehensweise mit E-Mail vom 16.01.2018, den BF zu begnadigen und früher als geplant zu entlassen, wusste, wie sie weiter vorgehen werde, und dass sie beabsichtige, den BF nach Haftentlassung festzunehmen und nach Serbien abzuschieben, ohne ihn in Schubhaft zu nehmen, wovon sie die Haftanstalt mit am 20.01.2018 ausgefülltem Formblatt mit E-Mail vom 23.01.2018 auch verständigte. Dadurch wäre noch vor Erlassung der durchsetzbaren Rückkehrentscheidung mit Bescheid vom 23.01.2018 sichergestellt worden, ein der ohne Einvernahme nach Haftentlassung geplanten Abschiebung des BF entgegenstehendes Abschiebungshindernis oder der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entgegenstehende berücksichtigungswürdige familiäre oder private Interessen des BF, welche der BF vorbringen wollte, mangels Möglichkeit in der Haftanstalt jedoch nicht vorbringen konnte, erkennen zu können.

Die belangte Behörde hat weitere Erkundigungen jedoch unterlassen und im angefochtenen Bescheid vom 23.01.2018 Feststellungen zum "Aufenthalt in Österreich" und zum "Privat- und Familienleben" des BF zu seinem Nachteil getroffen, habe er doch keine Stellungnahme dazu abgegeben.

Die belangte Behörde hat bei der Haftanstalt nicht nachgefragt, ob der BF hinsichtlich der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme beim Haftpersonal um Unterstützung angesucht hat und er die Möglichkeit auf rechtskundige Unterstützung bzw. Übersetzung hatte, somit nicht ermittelt, ob der BF ohne von ihm zu vertretenden Umständen den Inhalt des Schreibens des BFA vom 04.10.2016 nicht erfahren hat, somit nicht ermittelt, ob der BF von der behördlichen Absicht, gegen ihn eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme zu erlassen, und seiner Möglichkeit zur Stellungnahme dazu erfahren hat, nichts dazu jedoch vorbringen wollte, oder ob er vom Inhalt des Schreibens erfahren wollte, jedoch keine Möglichkeit dazu hatte.

Diese behördlichen Erkundigungen bzw. Ermittlungen wären nötig gewesen, um erkennen zu können, ob es weiterer Ermittlungen und einer Einvernahme des BF bedarf.

Wegen mangelnder Ermittlungen war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da im gegenständlichen bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2186663.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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