TE OGH 2020/3/25 4Ob44/20d

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Veröffentlicht am 25.03.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Andreas Weiser und OR DI Gerhard Rodlauer als weitere Richter in der Patentrechtssache der Antragstellerin P*****, Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie Dr. Manfred Rau, Patentanwalt in Nürnberg, gegen die Antragsgegnerin S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, sowie DI Helmut Hübscher und DI Karl Winfried Hellmich, Patentanwälte in Wien, wegen Übertragung von Patenten, über die außerordentliche Revision der Antragstellerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. Dezember 2019, GZ 133 R 83/19g-8, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Antragsgegnerin ist aufgrund der Anmeldung des Dr. B***** L***** vom 22. Februar 2013 und der Übertragung dieser Anmeldung mit Beschluss vom 5. Februar 2014 Inhaberin des österreichischen Patents AT 513973 B1 „Stopfaggregat für eine Gleisstopfmaschine“. Weiters hat die Antragsgegnerin am 25. März 2013 die europäische Patentanmeldung EP 13160788.9 „Stopfaggregat für eine Gleisstopfmaschine“ unter Beanspruchung der österreichischen Priorität eingereicht, wobei die Patentansprüche nach der Abänderung der Anmeldung am 27. Februar 2015 jenen des österreichischen Patents entsprechen.

Die Antragstellerin beantragt nach § 49 Abs 5 PatG die Übertragung des österreichischen Patents und der europäischen Patentanmeldung (im Folgenden nur: Streitpatent) auf die Antragstellerin. Ihr stünden nach § 49 Abs 1 Z 1 PatG die Rechte am Streitpatent zu, weil es sich um eine Erfindung ihres Mitarbeiters R***** B***** aus dem Jahr 2003 handle. Dazu verwies sie auch auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Pflichtenheft aus dem Jahr 2003. Zudem sei der nunmehrige Geschäftsführer der Antragsgegnerin Dr. B***** L***** bis Ende 2012 – damit auch zum Zeitpunkt der Erfindung – Dienstnehmer bei der Antragstellerin gewesen. Er habe den wesentlichen Inhalt des Streitpatents den geheimen Unterlagen der Antragstellerin entnommen, sodass der Übertragungsanspruch auch auf § 49 Abs 1 Z 2 PatG gestützt werde. Selbst wenn die Erfindung von Dr. L***** stammte, stehe sie der Antragstellerin zu. Denn dann sei davon auszugehen, dass dieser die Erfindung vor einer Besprechung im Herbst 2003 getätigt habe, also zu einem Zeitpunkt, als er noch Dienstnehmer der Antragstellerin gewesen sei. Dessen ungeachtet habe er eine Meldung an die Antragstellerin unterlassen.

Die Antragsgegnerin wandte ein, dass Dr. L***** die für das Streitpatent wesentliche Idee eines am Hydraulikzylinder aufbauenden Ventils erst nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen der Antragstellerin gehabt habe. Den Unterlagen im Unternehmen der Antragstellerin sei ein solches Merkmal nicht zu entnehmen.

Die Vorinstanzen wiesen den Antrag ab. Nach den Feststellungen blieb unklar, ob Dr. L***** die Erfindung noch während des bis Ende 2012 andauernden Dienstverhältnisses gemacht hat. Es konnte auch nicht festgestellt werden, ob er während seines Dienstverhältnis von einem Vorschlag über ein am Zylinder angebrachtes Steuerventil Kenntnis erlangt hat. Das Berufungsgericht ging in Übereinstimmung mit der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts davon aus, dass die Antragstellerin damit die nach § 49 Abs 1 Z 1 und Z 2 PatG erforderlichen Beweise nicht erbracht habe.

Dagegen zeigt die außerordentliche Revision der Antragstellerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die Vorinstanzen gingen in Anwendung des klaren Wortlauts des § 49 Abs 1 PatG davon aus, dass die Antragstellerin die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Aberkennung trifft.

1.2 Dem tritt die Antragstellerin in ihrem Rechtsmittel nicht entgegen. Sie geht vielmehr ausdrücklich davon aus, dass den Arbeitgeber die Beweislast für die Fertigstellung einer Erfindung während der Dauer des Arbeitsverhältnisses treffe. Nach Ansicht der Antragstellerin sei aber dafür der Anscheinsbeweis wegen des engen zeitlichen Konnex der Erfindung zum Ausscheiden aus dem Unternehmen ausreichend.

1.3 Der Anscheinsbeweis beruht darauf, dass bestimmte Geschehensabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist. Die Möglichkeit der Dartuung von Geschehensabläufen aufgrund von Erfahrungssätzen stellt eine Beweiserleichterung für denjenigen dar, der anspruchsbegründende Tatsachen zu beweisen hat; der Anscheinsbeweis kann dann vom Gegner damit entkräftet werden, dass er Tatsachen darlegt und unter Beweis stellt, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs als des typischen ergibt (RS0040196). Der Anscheinsbeweis verändert die Beweislast nicht, er erleichtert der beweisbelasteten Partei aber die Beweisführung, indem das Regelbeweismaß herabgesetzt wird (9 Ob 26/14k mwN).

1.4 Die Frage, ob und nach welchen Grundsätzen der sogenannte Anscheinsbeweis möglich ist, ist zwar revisibel (RS0040196 [T5]). Der Lösung dieser Frage kommt allerdings im Hinblick auf die Vielzahl denkbarer Fälle keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu. (RS0040196 [T15]).

1.5 Selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin hier einen derartigen Beweis des ersten Anscheins in Betracht zieht, könnte im Ergebnis darauf die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht gestützt werden. Nach den in dritter Instanz nicht überprüfbaren beweiswürdigenden Erwägungen des Berufungsgerichts sei es mit der Lebenserfahrung kaum vereinbar, dass Dr. L***** bereits 2003 eine Erfindung bewusst gegenüber seinem Dienstgeber (der Antragstellerin) zurückgehalten habe, nur um dann zehn Jahre später das Unternehmen zu verlassen, die Erfindung zu beanspruchen und mit seinem ehemaligen Dienstgeber in Konkurrenz zu treten. Zudem sei es nachvollziehbar, dass Dr. L***** sich (nach seinem Austritt) gerade im Vorfeld seiner unternehmerischen Tätigkeit intensiv mit der Konstruktion von Gleisstopfmaschinen beschäftigt habe. Schließlich habe seine Aussage nicht mit objektiven Beweismitteln widerlegt werden können. Für das Berufungsgericht war es damit ernsthaft zweifelhaft (vgl 4 Ob 176/19i), dass Dr. L***** die Erfindung als Dienstnehmer gemacht hat. Damit wäre ein (allfälliger) erster Anschein aber bereits entkräftet, sodass es im Ergebnis nicht darauf ankommt, ob die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises hier überhaupt in Betracht kommt.

2. Daran anknüpfend stellt sich auch die im Rechtsmittel aufgeworfene Frage zur Reichweite der Verpflichtung einer Diensterfindungsmeldung nach Beendigung des Dienstverhältnisses nicht. Die Antragstellerin stützt eine Meldepflicht nach § 12 PatG auf den im Verfahren gerade von ihr nicht nachgewiesenen Umstand, dass Dr. L***** die Erfindung während seines Dienstverhältnisses zur Antragstellerin gemacht habe.

3. Auch die Ausführungen zur Frage einer Doppelerfindung zeigen keine erhebliche Rechtsfrage auf.

3.1 Das Berufungsgericht vertrat den Standpunkt, dass zwei unabhängige Erfindungen vorliegen würden, geht man davon aus, dass eine im Pflichtenheft im Jahr 2003 dokumentierte Erfindung (neben der Erfinung von Dr. L***** im Jahr 2013) auch von einem anderen Dienstnehmer (bereits 2003) gemacht worden wäre. Im Fall einer solchen „Doppelerfindung“ gebühre der Anspruch auf Erteilung des Patents nach dem „First-to-File-Prinzip“ der Antragsgegnerin, weil Dr. L***** die Erfindung als Erster beim Patentamt angemeldet habe.

3.2 Dieser Rechtsansicht tritt das Rechtsmittel nicht entgegen. Die Antragstellerin geht aber davon aus, dass Dr. L***** nach der Beendigung des Dienstverhältnisses auf den wesentlichen Merkmalen einer im Unternehmen bekannten Erfindung aufgebaut habe, von dem er als Dienstnehmer Kenntnis gehabt habe. Damit liege keine Doppelerfindung vor. Genau jene Lösung, die er zum Patent angemeldet habe, sei im von der Antragstellerin beauftragten Pflichtenheft festgehalten worden.

3.3 Hier entfernt sich das Rechtsmittel aber von der Tatsachengrundlage, wonach eben nicht festgestellt werden konnte, ob Dr. L***** Kenntnis vom Inhalt dieses Pflichtenhefts hatte. Es liegen auch keine Feststellungen vor, dass er die für das Streitpatent erforderliche Kenntnis über entscheidende Lösungsansätze aus seiner Zeit bei der Antragstellerin erlangt hat.

4. Die behauptete Aktenwidrigkeit und die geltend gemachte Mangelhaftigkeit wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

4.1 Die Antragstellerin erhebt in diesem Zusammenhang den Vorwurf, dass das Berufungsgericht von den erstinstanzlichen Feststellungen zur Frage abgewichen sei, inwieweit der erfinderische Gedanke für das angebaute Servoventil laut dem Pflichtenheft von Dr. L***** stammt. Während die Nichtigkeitsabteilung lediglich eine Negativfeststellung getroffen habe, „scheint das Berufungsgericht davon auszugehen“, dass der erfinderische Gedanke für das Ventil nicht von Dr. L*****, sondern von einem anderen Dienstnehmer stamme, weshalb nach Ansicht des Berufungsgerichts eine Doppelerfindung vorliege.

4.2 Dem ist zu entgegnen, dass sowohl die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts als auch das Berufungsgericht hier von einer Negativfeststellung ausgegangen sind. Demnach steht nicht fest, ob der entsprechende Gedanke im Jahr 2003 von Dr. L***** oder einem anderen Dienstnehmer stammt. Nach diesem non liquet ist es daher weder ausgeschlossen noch gesichert (somit zweifelhaft), dass der Gedanke von Dr. L***** oder einem Dritten stammt. Nach der Rechtsprechung fallen aber solche Negativfeststellungen demjenigen zur Last, den die Beweislast trifft (vgl RS0039903 [T5]). Wenn das Berufungsgericht aufgrund der Negativfeststellung zu Lasten der hier beweisbelasteten Antragstellerin (vgl oben 1.1) seiner rechtlichen Beurteilung zugrundelegte, dass die Erfindung aus 2003 (sofern man eine solche bejaht) von einem anderen Dienstnehmer stamme und daher von einer Doppelerfindung auszugehen wäre, bedarf dies keiner Korrektur.

Schlagworte

Stopfaggregat für Gleisstopfmaschine,

Textnummer

E128038

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00044.20D.0325.000

Im RIS seit

14.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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