Entscheidungsdatum
13.02.2020Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
ZustG §21Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geboren am **.**.****, wohnhaft Adresse 1, Z, vom 18.01.2020 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 23.10.2019, ***, betreffend eine Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, dass bekämpfte Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Am 23.10.2018 um 20:14 Uhr wurde der auf AA, Adresse 1, Z, zugelassene PKW mit dem behördlichen Kennzeichen *** dabei registriert, wie er in Y in der Adresse 2 auf Höhe *** in Fahrtrichtung Nordwesten gelenkt und dabei die dort geltende zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 13 km/h überschritten wurde.
Daraufhin sandte die belangte Behörde ihre Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe vom 22.01.2019 an den Zulassungsbesitzer zu der obgenannten Adresse. Dieses Schriftstück wurde mit dem Vermerk „verzogen“ an die Behörde wieder zurückgesendet und die Bemerkung beigefügt, dass ein Nachsendeauftrag ins Ausland besteht. Daraufhin ersuchte die belangte Behörde die Polizeiinspektion Z mit der Zustellung dieses Schriftstückes zu eigenen Handen (RSa). Bei dem Zustellversuch am 07.02.2019 wurde der Empfänger nicht angetroffen, sondern seine Ehefrau BB, welche die Annahme verweigerte.
Daraufhin erließ die belangte Behörde ihre Strafverfügung vom 29.04.2019 wegen Übertretung nach § 103 Abs 2 KFG. Diese wurde von AA beeinsprucht. Eine Zeugenladung seitens der belangten Behörde an BB wurde von dieser nicht behoben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wird AA angelastet, er habe als Zulassungsbesitzer des PKW mit dem Kennzeichen *** trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Z vom 22.01.2019, ***, nicht binnen zwei Wochen der Behörde Auskunft darüber erteilt, wer dieses Fahrzeug am 23.10.2018 um 20:14 Uhr in Y Adresse 2 Höhe nächst *** gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann. Er habe dadurch § 103 Abs 2 KFG verletzt, weshalb gemäß § 134 Abs 1 KFG über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 50,00 (im Uneinbringlichkeitsfall 23 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Seine Beitragspflicht zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens wurde mit Euro 10,00 bestimmt.
Dagegen richtet sich die zulässige Beschwerde, in welcher im Wesentlichen vorgebracht wird, dass die belangte Behörde die Rechtswirksamkeit der Zustellung des RSa-Briefes mit dem Vermerk „eigenhändig“ mit der Zustellung an die angeblich bevollmächtigte BB begründe. Er sei zum Zustellungszeitpunkt ortsabwesend gewesen und habe dies die Österreichische Post AG der Behörde mitgeteilt. Die Behauptung der Polizeiinspektion Z, dass BB rechtswirksam zum Empfang von RSa-Briefen bevollmächtigt gewesen wäre, sei völliger Unsinn. BB habe nie eine derartige Vollmacht besessen und auch nie Derartiges behauptet. Im Gegenteil habe sie ihre Verweigerung der Annahme mit dem Fehlen einer derartigen Vollmacht begründet. Eine Auskunftspflicht nach § 103 Abs 2 KFG bestehe nur dann, wenn eine dem Gesetz entsprechende Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe vorliege und diese ordnungsgemäß zugestellt sei. Dies sei jedoch nicht vorgelegen, weshalb ihn keine Verpflichtung zur Lenkerauskunft getroffen hätte. Auch wäre keine Heilung dieses Zustellmangels eingetreten, da ihm das Original des Schriftstückes nicht zugekommen sei. An der Anschrift Adresse 2 in Z bestehe auch kein gemeinsamer Haushalt, weshalb Zustellungen an Ersatzempfänger unwirksam seien.
II. Sachverhalt:
Die Zustellung der Lenkeranfrage an AA vom 22.01.2019 nach einem vergeblichen Zustellversuch über die Post erfolgte durch die Polizei zu eigenen Handen. Am 07.02.2019 kam es zu einem Zustellversuch, wobei die an dieser Anschrift anwesende Ehegattin BB die Annahme des Schriftstückes verweigerte. Seitens der Polizei wurde am Rückschein angekreuzt, dass das Schriftstück einem Bevollmächtigten für RSa-Briefe zuzustellen versucht wurde. Es kann nicht festgestellt werden, dass BB zur Zeit des Zustellversuches eine Bevollmächtigung seitens AA für zu eigenen Handen zuzustellende Dokumente besaß sowie, dass sich AA zu diesem Zeitpunkt unter dieser Anschrift aufhielt. Die angefragte Lenkerauskunft wurde seitens AA nicht erteilt.
AA ist seit 17.07.2013 mit Nebenwohnsitz an der Adresse 1, Z, in der seiner Frau BB gehörenden Wohnung gemeldet. Er erteilte am 02.11.2018 der Österreichischen Post AG einen Nachsendeauftrag für den Zeitraum vom 17.11.2018 bis 16.02.2019 an die Anschrift „Adresse 3“. Dieser Nachsendeauftrag bezog sich sowohl auf ihn als auch seine Ehefrau BB.
III. Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Aktes der Bezirkshauptmannschaft Z.
IV. Rechtslage:
Im gegenständlichen Verfahren sind folgende Bestimmungen des Zustellgesetzes von Relevanz:
„§ 18.
Nachsendung
(1) Hält sich der Empfänger nicht regelmäßig (§ 17 Abs. 1) an der Abgabestelle auf, so ist das Dokument an eine andere inländische Abgabestelle nachzusenden, wenn es
1. durch Organe eines Zustelldienstes zugestellt werden soll und nach den für die Beförderung von Postsendungen geltenden Vorschriften die Nachsendung vorgesehen ist; in diesem Fall ist die neue Anschrift des Empfängers auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu vermerken;
2. durch Organe der Behörde oder einer Gemeinde zugestellt werden soll, die neue Abgabestelle ohne Schwierigkeit festgestellt werden kann und im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde oder der Gemeinde liegt.
(2) Dokumente, deren Nachsendung durch einen auf ihnen angebrachten Vermerk ausgeschlossen ist, sind nicht nachzusenden.
§ 20.
Verweigerung der Annahme
(1) Verweigert der Empfänger oder ein im gemeinsamen Haushalt mit dem Empfänger lebender Ersatzempfänger die Annahme ohne Vorliegen eines gesetzlichen Grundes, so ist das Dokument an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, nach § 17 ohne die dort vorgesehene schriftliche Verständigung zu hinterlegen.
(2) Zurückgelassene Dokumente gelten damit als zugestellt.
(3) Wird dem Zusteller der Zugang zur Abgabestelle verwehrt, verleugnet der Empfänger seine Anwesenheit, oder läßt er sich verleugnen, so gilt dies als Verweigerung der Annahme.
§ 21.
Zustellung zu eigenen Handen
Dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Dokumente dürfen nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden.“
V. Erwägungen:
§ 18 Abs 1 ZustG bestimmt die Fälle, in denen das Dokument an eine inländische Abgabestelle nachzusenden ist, wenn sich der Empfänger nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Dies bezieht sich aber nur auf die Nachsendung an eine andere inländische Abgabestelle und ist zu unterscheiden von einem Nachsendeauftrag des Empfängers. Ein Nachsendeauftrag trotz regelmäßigen Aufenthalts des Empfängers an der Abgabestelle ändert nichts an der Wirksamkeit an der Zustellung an der alten Abgabestelle. Eine Nachsendung im Sinn des § 18 ist nicht vorzunehmen.
§ 20 ZustG regelt die Verweigerung der Annahme; wenn der Empfänger ohne Vorliegen eines gesetzlichen Grundes die Annahme verweigert, wozu auch zählt, wenn er sich verleugnen lässt, ist das Dokument an der Abgabestelle zurückzulassen und gilt damit als zugestellt. Dies gilt aber nicht in den Fällen, in denen eine Person, an die gar nicht zugestellt werden darf (zB Ersatzempfänger bei Eigenhandzustellung) die Annahme verweigert.
Nach § 21 ZustG dürfen dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Dokumente nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden. Ist gesetzlich keine Zustellung zu eigenen Handen vorgesehen, steht ihre Anordnung im Ermessen der Behörde. § 21 schließt nur die Zustellung an einen Ersatzempfänger aus, nicht hingegen an eine bevollmächtigte Person. Unter Empfänger im Sinn des § 21 ist der Empfänger m formellen Sinn gemeint. Ist ein Zustellungsbevollmächtigter oder ein gesetzlicher Vertreter vorhanden, sind auch zu eigenen Handen zuzustellende Dokumente an diesen zu zustellen. Nach § 9 Abs 3 ZustG ist im Fall einer Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten dieser als Empfänger zu bezeichnen. Hat die Behörde die Zustellung zu eigenen Handen angeordnet, ist das zu zustellende Schriftstück nur dann ordnungsgemäß zugestellt, wenn dies in der für die Zustellung zu eigenen Handen vorgeschriebenen Form geschehen ist; eine Ersatzzustellung ist in einem solchen Fall unzulässig (VwGH 23.02.2006, 2005/07/0026). Im Fall des Bestehens einer Postvollmacht für RSa-Briefe können auch zu eigenen Handen zu zustellende Postsendungen an solche Postbevollmächtigte abgegeben werden (VwGH 18.03.1987, 86/03/0198).
Für den Gegenstandsfall bedeutet dies, dass die Annahmeverweigerung seitens der Ehefrau BB am 07.02.2019 nicht AA zugerechnet werden kann, da sie einerseits über keine Postvollmacht für RSa-Briefe verfügte und andererseits nicht festgestellt werden konnte, dass der Empfänger AA zu dieser Zeit an der Abgabestelle aufhältig war und sich verleugnen ließ.
Damit liegt keine dem Zustellgesetz entsprechende gültige Zustellung der Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe vor, weshalb die in der Aufforderung genannten Rechtsfolgen eines Nichtentsprechens dieser Aufforderung gegenüber AA nicht wirksam werden konnten.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hohenhorst
(Richter)
Schlagworte
Zustellung zu eigenen HandenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.25.0325.1Zuletzt aktualisiert am
13.05.2020