Entscheidungsdatum
26.11.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I406 2118032-2/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. SUDAN, vertreten durch Migrantinnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Burgenland, Neusiedler Straße 24-26, 7000 Eisenstadt vom 13.05.2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.06.2019 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sudan zuerkannt.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 26.11.2020 erteilt.
III. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. wird gemäß § 28 Abs. 2 VwVGV stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein sudanesischer Staatsangehöriger, dessen Identität im Asylverfahren nicht festgestellt werden konnte, verließ seinen Herkunftsstaat im Jahr 2008 und lebte und arbeitete von 2008 bis 2013 in Griechenland, stellte dort aber keinen Asylantrag. Er reiste, ohne in den Sudan zurückzukehren, zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet und stellte am 02.10.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am 04.10.2014 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund an, "Ich bin aus meiner Heimat geflohen, weil es damals einen Krieg gab. Ich kann auch derzeit nicht zurückkehren, da ein neuer Krieg entfacht ist".
Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am 06.10.2015 gab der Beschwerdeführer über sein bisheriges Vorbringen hinausgehend zum Fluchtgrund an, Sicherheitsbeamte hätten ihn in seinem Geschäft festgenommen, da ihm die Mitgliedschaft bei der Bewegung "XXXX" vorgeworfen worden sei, zusammen mit ungefähr 16 oder 17 Personen sei er ungefähr einen Monat festgehalten, verhört und mit einer Holzstange und mit Fäusten geschlagen und schließlich freigelassen worden mit der Auflage, für die Sicherheitspolizei Informationen über die vorgenannten Bewegungen zu sammeln und öffentlich nicht zu sagen, dass er festgenommen und geschlagen worden sei.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.11.2015, Zahl XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 02.10.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bezüglich des Herkunftsstaates Sudan (Spruchpunkt II.) abgewiesen sowie dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Sudan zulässig sei (Spruchpunkt III.); die Frist für die freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Gegen diesen Bescheid des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde fristgerecht am 26.11.2015 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.
Mit Schreiben vom 17.11.2015 übermittelte die Diakonie der belangten Behörde die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den vorangeführten Bescheid. Die Länderberichte der belangten Behörde seien unvollständig, es sei nicht zulässig, die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers vorrangig mit Widersprüchen zwischen Erstbefragung und Einvernahme durch die belangte Behörde zu begründen.
Mit Beschluss vom Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.03.2016, Zahl W215 21 18032-1/4E wurde der angefochtene Bescheid der belangten Behörde behoben und gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen, da die Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides nicht aktuell waren.
Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am 12.04.2016 hielt der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen aufrecht und erstattete Angaben zu seiner persönlichen Situation in Österreich.
Die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den im übergebenen Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat nahm der Beschwerdeführer nicht wahr.
Mit Verfahrensanordnung vom 13.05.2016 stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Arge-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht als Rechtsberater amtswegig zur Seite.
Mit angefochtenem Bescheid vom 13.05.2016, Zahl XXXX wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 02.10.2014 gemäß §§ 3 (Spruchpunkt I.) und 8 (Spruchpunkt II.) AsylG ab, erteilte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß den §§ 57 und 55 AsylG nicht und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung §56 FPG in den Sudan zulässig ist(Spruchpunkt III.) und bestimmt als Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Mit Eingabe vom 05.06.2016 übermittelte der MigranntInnenverein St. Marx die ihm vom Beschwerdeführer erteilte Vertretungs- und Zustellvollmacht und erhob gegen den angefochtenen Bescheid vollinhaltlich Beschwerde.
Am 06.06.2019 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Soweit er namentlich genannt wird, dient dies lediglich seiner Identifizierung als Verfahrenspartei, nicht jedoch einer Vorfragebeurteilung im Sinn des § 38 AVG.
Der Beschwerdeführer ist sudanesischer Staatsbürgerschaft sowie Herkunft.
Der Beschwerdeführer ist unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer hat eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat nicht glaubhaft gemacht und hat auch im Fall einer Rückkehr in den Sudan nicht mit asylrelevanten Verfolgungshandlungen zu rechnen.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat
1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 18. 9 .2019: Neue Regierung vereidigt (betrifft: Abschnitt 2 - politische Lage)
Am 8.9.2019 wurde die neue Regierung im Sudan vereidigt. Dem 18-köpfigen Kabinett von Regierungschef Abdallah Hamdok gehören Mitglieder des Militärs und Zivilisten an, darunter vier Frauen, unter anderem die erste Außenministerin des Landes (BAMF 9.9.2019; vgl. DF 9.9.2019), die Politikerin Asmaa Abdalla (DF 9.9.2019). Dem Souveränen Rat gehören fünf Militärs und sechs Zivilisten an (DS 21.8.2019; vgl. NZZ 21.8.2019). Geführt wird das Gremium von General Abdel Fattah al-Burhan, der auch dem bisher regierenden Militärrat vorstand. Nach 21 Monaten soll dann ein Zivilist die Führung übernehmen. Für 2022 sind schließlich Wahlen vorgesehen (BAMF 26.8.2019; vgl. DS 21.8.2019; NZZ 21.8.2019). Dem Souveränen Rat gehört auch General Mohammed Hamdan Daglo "Hemeti" an (DS 21.8.2019; vgl. NZZ 21.8.2019). Als neuer Premierminister wurde Abdallah Hamdok vereidigt. Der Wirtschaftsexperte bezeichnete als seine obersten Prioritäten einen dauerhaften Frieden, die Bekämpfung der Wirtschaftskrise, eine "ausgeglichene Außenpolitik" (BAMF 26.8.2019; BBC 9.9.2019), wie auch die Lösung der Konflikte in den Bundesstaaten Darfur, Blue Nile und Süd-Kordofan. Das Kabinett von Hamdok muss auch der Korruption ein Ende setzen und den von Islamisten gegründeten "Staat" im Staat zerschlagen, welcher den Umsturz von Omar al-Bashir 1989 unterstützte (JA 6.9.2019). Die Regierung muss sich auch um die brodelnden Konflikte kümmern, welche al-Bashir durch die Schaffung loyaler Milizen, die ihn an der Macht gehalten haben, angefacht hatte (BBC 9.9.2019). Am 19.8.2019 hat auch der Prozess gegen Ex-Präsident al-Bashir begonnen, der sich u. a. wegen Korruption, Devisenvergehen und Bereicherung verantworten muss (BAMF 26.8.2019).
Nach dem Sturz des langjährigen Staatschefs al-Bashir im April 2019 wurde unter einem Militärrat eine Übergangsregierung gebildet, gegen die es weiterhin zu Protesten kam. Vor allem der Aufstieg von Hemeti, dem langjährigen Führer der Miliz Janjaweed, welcher schwere Kriegsverbrechen in Darfur vorgeworfen werden, wurde kritisiert (DS 17.7.2019). Die aus den Janjaweed hervorgegangenen Rapid Support Forces (RSF) werden beschuldigt, am 3.6.2019 über 120 Demonstranten in Karthum getötet zu haben (NZZ 21.8.2019; vgl. NZZ 24.7.2019). Hemeti, der im militärischen Übergangsrat an zweiter Stelle hinter General Abdel Fattah al-Burhan stand, streitet jede Verantwortung ab (NZZ 24.7.2019). Eine unabhängige Kommission soll das Massaker zwar untersuchen, doch sichert eine Klausel hochrangigen Militärs wie ihm absolute Straffreiheit zu (ZO 24.7.2019).
Mit Unterstützung des äthiopischen Vermittlers Mahmoud Drir (BAMF 24.6.2019) einigten sich Militär und Opposition am 17.7.2019 auf die Bildung einer Übergangsregierung (BAMF 22.7.2019; vgl. DS 17.7.2019) und unterzeichneten am 17.8.2019 eine abschließende Vereinbarung (TS 17.8.2019). Mit dieser Verfassungserklärung wird die Teilung der Macht im Land auf drei Jahre und drei Monate festgeschrieben (BAMF 19.8.2019; vgl. DS 17.7.2019a; TS 17.8.2019). Das Zustandekommen des Abkommens ist auf beiden Seiten mit Erleichterung aufgenommen worden. Die Protestbewegung feierte die Einigung als Sieg ihrer "Revolution", die Generäle schrieben sich zugute, einen Bürgerkrieg verhindert zu haben (TS 17.8.2019). In den wöchentlichen Briefing Notes des BAMF finden sich seit Anfang August hinsichtlich gewaltsamen Vorgehens von Sicherheitskräften keine Meldungen mehr. Zuletzt waren am 29.7.2019 in El-Obeid bei einer Demonstration fünf Menschen - darunter vier Schüler - von Sicherheitskräften erschossen worden (BAMF 5.8.2019; vgl. Reuters 29.7.2019).
Der UN-Sicherheitsrat hat einstimmig beschlossen, die UN-Mission vorerst nicht aus der Region Darfur abzuziehen. Die Lage dort gilt weiterhin als instabil. Aktuelles Ziel ist die Beendigung der Mission im Jahr 2020. Die Afrikanische Union und die UN betreiben in der Region Darfur die gemeinsame Friedensmission Unamid, deren aktuelles Mandat bis zum 31.10.2019 verlängert wurde (ZO 28.7.2019).
Quellen:
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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (9.9.2019): Briefing Notes 9. September 2019
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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (26.8.2019): Briefing Notes 26. August 2019
-
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (19.8.2019): Briefing Notes
19. August 2019
-
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (5.8.2019): Briefing Notes 5. August 2019, Zugriff 11.9.2019
-
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (22.7.2019): Briefing Notes
22. Juli 2019, Zugriff 11.9.2019
-
BBC - BBC News Africa (9.9.2019): Sudan's historic post-Bashir cabinet sworn in,
https://www.bbc.com/news/topics/cq23pdgvgm8t/sudan, Zugriff 11.9.2019
-
DF - Deutschlandfunk.de (9.9.2019): Sudan - Neue Regierung vereidigt,
https://www.deutschlandfunk.de/sudan-neue-regierung-vereidigt.1939.de.html? drn:news_id=1047026, Zugriff 9.9.2019
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DS - derStandard (21.8.2019): Übergangsphase - Elfköpfiger "Souveräner Rat" im Sudan gebildet, https://www.derstandard.at/story/2000107626252/elfkoepfiger-souveraener-rat-imsudan-gebildet, Zugriff 11.9.2019
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DS - derStandard (17.7.2019): Lösung in Sicht - Durchbruch im Sudan: Konfliktparteien einigen sich auf Abkommen,
https://www.derstandard.at/story/2000106376101/konfliktparteien-im-sudan-einigen-sichauf-abkommen, Zugriff 11.9.2019
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DS - derStandard (17.7.2019a): Abkommen im Sudan macht Weg frei für
Übergangsregierung,
https://www.derstandard.at/story/2000107500841/machtuebergabean-zivile-regierung-im-sudan, Zugriff 11.9.2019
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JA - Jeune Afrique (6.9.2019): Soudan: Abdallah Hamdok dévoile le premier gouvernement post-Béchir, https://www.jeuneafrique.com/825203/politique/soudan-abdallah-hamdokdevoile-le-premier-gouvernement-post-bechir/, Zugriff 11.9.2019
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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (24.7.2019): Der stärkste Mann im Sudan: ungebildet, grausam und reich dank Gold, https://www.nzz.ch/international/genera l-daglo-alias-hemetider-staerkste-mann-im-sudan-ld.1497578, Zugriff 11.9.2019
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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (21.8.2019): "Souveräner Rat" von Zivilisten und Militärs im Sudan gebildet, https://www.nzz.ch/international/ernennung-von-souveraenem-rat-imsudan-verzoegert-sich-ld.1502645, Zugriff 11.9.2019
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Reuters (29.7.2019): Four school children shot dead at Sudan protest -opposition campaigners, https://af.reuters.com/article/topNews/idAFKCN1UO1FF-OZATP, Zugriff 18.9.2019
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TS - Der Tagespiegel (17.8.2019): Weg für Übergangsregierung ist frei - Militär und Protestbewegung im Sudan unterzeichnen Abkommen, https://www.tagesspiegel.de/politik/ weg-fuer-uebergangsregierung-ist-frei-militaer-und-protestbewegung-im-sudanunterzeichnen-abkommen/24915706.html, Zugriff 11.9.2019
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ZO - Zeit Online (28.7.2019): UN-Soldaten bleiben im Sudan, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-06/sudan-vereinte-nationen-sicherheitsratafrikanische-union, Zugriff 11.9.2019
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ZO - Zeit Online (24.7.2019): Warum protestieren die Sudanesen immer noch?,
https://www.zeit.de/2019/31/sudan-demonstrationen-uebergangsabkommen-militaerdemokratiebuendnis, Zugriff 11.9.2019
KI vom 4.6.2019: Militär greift zivile Opposition an (betrifft:
Abschnitt 2 - politische Lage; 3 -
Sicherheitslage; 6 - Folter und unmenschliche Behandlung; 8 - Allgemeine Menschenrechtslage)
Die Lage im Sudan ist eskaliert. Zuerst kam es am 29.5.2019 zu landesweiten Streiks, um das Militär zu einem Einlenken zu bewegen (NZZ 4.6.2019). Nun wurden beim Vorgehen gegen Demonstranten mindestens 35 von ihnen getötet und über 200 verletzt (NZZ 4.6.2019; vgl. DS 4.6.2019, TS 4.6.2019) als Angehörige der Rapid Support Forces (RSF) sowie Bereitschaftspolizei am 3.6.2019 in Khartum das Feuer eröffneten (DS 3.6.2019). Auch in Omdurman und Gedaref ist es zu Angriffen auf Sitzblockaden gekommen (AP 4.6.2019; vgl. TS 4.6.2019).
Seit Wochen forderten Demonstranten in einem Sitzstreik vor dem Armeehauptquartier in Khartum die Auflösung der Militärregierung und den Übergang zu einer Zivilregierung (NZZ 4.6.2019). Dieser Sitzstreik wurde zum Ziel, Bewaffnete umstellten das Streikgelände. Nach Tränengas- und Blendgranaten kam auch scharfe Munition zum Einsatz. In den Wochen davor kam es zwischen militärischem Übergangsrat (TMC) und Opposition zu Verhandlungen über die Bildung einer Übergangsregierung. Allerdings kam es zu keiner Einigung (DS 3.6.2019).
Am 4.6.2019 hat der Vorsitzende des TMC, Abdelfattah al-Burhan, alle bisher mit der Opposition vereinbarten Punkte aufgekündigt. Er hat erklärt, dass binnen 7-9 Monaten Wahlen abgehalten werden sollen (DS 4.6.2019; vgl. TS 4.6.2019, NZZ 4.6.2019). Gleichzeitig hat Burhan die am 3.6.2019 Gestorbenen als "Märtyrer" bezeichnet, deren Tod er bedauert. Burhan hat den Generalstaatsanwalt mit der Untersuchung der Vorkommnisse beauftragt (CNN 4.6.2019). Gleichzeitig erklärte er aber, dass die Demonstranten für die Eskalation mitverantwortlich seien (AJ 4.6.2019).
Aufgrund der Eskalation hat die Opposition in Form der Sudanesische Berufsvereinigung (SDA) alle Gespräche mit dem TMC abgebrochen. Sie rief die Bevölkerung zum verstärkten Widerstand und zu zivilem Ungehorsam auf (DS 3.6.2019). Die führende Oppositionspartei Umma forderte dazu auf, landesweit Sitzblockaden einzurichten (Zeit 3.6.2019; vgl. TS 4.6.2019). Noch am selben Tag demonstrierten in mehreren Städten des Landes tausende Menschen (DS 3.6.2019). Zugleich errichteten Demonstranten in Khartum, Omdurman und in anderen Orten Straßensperren. Die Pilotenvereinigung und andere Berufsverbände haben mitgeteilt, sich dem Aufruf zum zivilen Ungehorsam anzuschließen (NZZ 4.6.2019).
Quellen:
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AJ - Al Jazeera (15.4.2019a): After bloody attack, Sudan army scraps agreements with protesters, https://www.aljazeera.com/news/2019/06/bloody-attack-sudan-armyscraps-agreements-protesters-190604005733226.html, Zugriff 4.6.2019
-
AP - Associated Press (4.6.2019): Streets empty in Sudan's capital after deadly army crackdown,
https://www.apnews.com/6aa51b2c638a4302ae2fcd6f2a5bb16c, Zugriff 4.6.2019
-
CNN (15.4.2019): Military chief calls for elections after 35 killed in Sudan crackdown,
https://edition.cnn.com/2019/06/04/africa/sudan-military-elections-intl/index.html, Zugriff 4.6.2019
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DS - Der Standard (4.6.2019): Militärrat kündigt Vereinbarung mit Sudans Protestbewegung auf,
https://derstandard.at/2000104299500/Militaerrat-kuendigte-
Vereinbarung-mit-Sudans-Protestbewegung-auf, Zugriff 4.6.2019
-
DS - Der Standard (3.6.2019): Armee im Sudan richtet ein Blutbad an,
https://derstandard.at/2000104280064/Armee-im-Sudan-richtet-ein-Blutbad-an, Zugriff 4.6.2019
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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (4.6.2019): Sudans Militärrat kündigt nach Gewalt gegen Demonstranten Neuwahlen an, https://www.nzz.ch/international/im-sudan-schlaegt-diearmee-zurueck-ld.1486411, Zugriff 4.6.2019
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TS - Tagesschau (4.6.2019): Militärrat kündigt baldige Wahlen an, https://www.tagesschau.de/ausland/sudan-233.html, Zugriff 4.6.2019
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Zeit (3.6.2019): Opposition will nicht mehr mit Militärrat verhandeln,
https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-06/proteste-sudan-militaer-gewaltdemonstranten, Zugriff 4.6.2019
KI vom 16.4.2019: Putsch gegen Bashir - aktuelle Lage (betrifft:
Abschnitt 2 - politische Lage; 5 -
Sicherheitsbehörden; 8 - Allgemeine Menschenrechtslage)
Im Sudan kam es seit Dezember 2018 zu Massenprotesten mit dutzenden Todesopfern (AJ 15.4.2019). Zunächst richteten sich die Proteste gegen Preiserhöhungen bei Benzin und Brot, später gegen die verfehlte Wirtschaftspolitik der Regierung und schließlich direkt gegen Präsident Bashir (WZ 15.4.2019; vgl. AJ 15.4.2019). Anfang April 2019 wurde Bashir dann nach 30 Jahren im Amt vom Militär gestürzt (BBC 15.4.2019), festgenommen und seither an einem unbekannten Ort festgehalten (WZ 15.4.2019; vgl. BBC 15.4.2019). Auch der Innenminister sowie der Chef der bis dahin regierenden National Congress Party (NCP) sind verhaftet worden (CNN 15.4.2019).
Die Putschisten haben einen Militärrat eingerichtet, der zwei Jahre lang regieren soll (CNN
15. 4.2019; vgl. DW 15.4.2019, AJ 15.4.2019a), bevor Wahlen abgehalten werden (BBC
15.4.2019). Vorerst war der Rat von General Ibn Auf geführt worden;
dieser wurde i.d.F. durch General Burhan ersetzt (BBC 15.4.2019;
vgl. AJ 15.4.2019a). Ibn Auf verhängte eine dreimonatige Ausnahmezustand (BBC 15.4.2019; vgl. AJ 15.4.2019a), die damit verbundene nächtliche Ausgangssperre ist allerdings wieder aufgehoben worden (AJ 15.4.2019b; vgl. TNYT 16.4.2019).
Außerdem hat der Militärrat die Führung von Polizei, Armee und Geheimdienst ausgetauscht, Antikorruptionsmaßnahmen sowie die Freilassung politischer Gefangener angekündigt und Zensurmaßnahmen aufgehoben (BBC 15.4.2019).
Zuletzt hat die Armee vergeblich versucht, Teile der seit Tagen bestehenden Sitzblockade vor der Zentrale der Streitkräfte in der Hauptstadt Khartum zu räumen. Soldaten gaben angesichts des Widerstands der Menschen auf dem Platz auf (WZ 15.4.2019; vgl. CNN 15.4.2019, BBC 15.4.2019, TNYT 16.4.2019). Die Demonstranten wollen bleiben, bis es eine Garantie für eine Zivilregierung gibt (CNN 15.4.2019; vgl. BBC 15.4.2019, MEMO 16.4.2019). Die von der Sudanese Professionals' Association (SPA) angeführte Protestbewegung verlangt eine sofortige Machtübergabe an eine konsensual bestimmte Zivilregierung (MEMO 16.4.2019). Einige Demonstrantinnen haben ihr Kopftuch abgelegt - zuvor undenkbar (CNN 15.4.2019).
Die Generäle bemühen sich, in Gesprächen mit Vertretern der Opposition eine gemeinsame Übergangsregierung zu bilden. Das Militär hat zugestanden, dass der Ministerpräsident ein von den Parteien ausgesuchter Experte werden soll. Die NCP soll vom Prozess ausgeschlossen bleiben (WZ 15.4.2019; vgl. BBC 15.4.2019). Der Staatspräsident soll aus den Reihen der Streitkräfte kommen. Die SPA und andere Vertreter der Opposition fordern jedoch eine komplett zivile Regierung (WZ 15.4.2019; vgl. DW 15.4.2019) und die Auflösung des regierenden Militärrats (Welt 15.4.2019; vgl. DW 15.4.2019). Die Protestbewegung tritt für eine längere (zivile) Übergangsperiode ein, um übereilte Wahlen - wie in Libyen und Ägypten - und die damit verbundenen Probleme zu vermeiden (TNYT 16.4.2019).
Generell gibt es Befürchtungen, wonach den Sudan das Schicksal Libyens ereilen könnte (TNYT 16.4.2019). Insgesamt ist es jedoch geradezu unmöglich, die Entwicklungen der kommenden Wochen und Monate vorherzusagen. Regionale arabische Mächte werden versuchen, ihnen genehme Lösungen in Khartum zu unterstützen. Außerdem können Beobachter nicht glauben, dass das Militär tatsächlich die Macht an Zivilisten abtreten wird; die konzilianten Töne nach dem Putsch könnten der Armee dazu dienen, hinter dem Vorhang die eigene Macht abzusichern (TRT 16.4. 2019). Es ist unwahrscheinlich, dass die Putschisten Interesse daran haben, dem Militär Macht zu entziehen (AJ 15.4.2019b).
Quellen:
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AJ - Al Jazeera (15.4.2019a): Sudan's military removes al-Bashir:
All the latest updates,
https://www.aljazeera.com/news/2019/04/sudan-army-removes-bashir-latestupdates-190411125048555.html, Zugriff 16.4.2019
-
AJ - Al Jazeera (15.4.2019b): Sudan protesters warn 'remnants of Bashir regime' still at work,
https://www.aljazeera.com/news/2019/04/sudan-protesters-warn-remnantsbashir-regime-work-190415144622104.html, Zugriff 16.4.2019
-
BBC (15.4.2019): Sudan crisis: Protest leaders demand end of 'deep state', https://www.bbc.com/news/world-africa-47933742, Zugriff 16.4.2019 CNN (15.4.2019): As Bashir faces court, Sudan's protesters keep the music alive,
https://edition.cnn.com/2019/04/15/africa/sudan-protest-music-nima-elbagir-intl/ index.html, Zugriff 16.4.2019
DW - Deutsche Welle (15.4.2019): Afrikanische Union stellt Sudans Militär Ultimatum,
https://www.dw.com/de/afrikanische-union-stellt-sudans-militär-ultimatum/a-48341288, Zugriff 16.4.2019
MEMO - Middle East Monitor (16.4.2019): Sudan military council excludes al-Bashir's party from government formation, https://www.middleeastmonitor.com/20190416sudan-military-council-excludes-al-bashirs-party-from-government-formation/, Zugriff 16.4.2019
TNYT - The New York Times (16.4.2019): Amid Euphoria in Sudan, a Delicate Dance Over Who Will Lead: Soldiers or Civilians?, https://www.nytimes.com/2019/04/16/world/ africa/sudan-protests.html, Zugriff 16.4.2019 TRT - TRT World (16.4.2019): Sudan: The counter-revolution will not be televised, https://www.trtworld.com/opinion/sudan-the-counter-revolution-will-not-be-televised25895, Zugriff 16.4.2019 Welt (15.4.2019): Demonstranten im Sudan verlangen Auflösung des Militärrats,
https://www.welt.de/newsticker/news2/article191998109/Proteste-Demonstranten-imSudan-verlangen-Aufloesung-des-Militaerrats.html, Zugriff 16.4.2019 WZ - Wiener Zeitung (15.4.2019): Demonstranten im Sudan trotzen dem Militär, https:// www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/2004763-Demonstranten-im-Sudantrotzen-dem-Militaer.html, Zugriff 16.4.2019
2. Politische Lage
Der Sudan ist eine Republik, deren Macht in den Händen des autoritären Präsidenten Omar
Hassan al-Bashir konzentriert ist (USDOS 20.4.2018). Der Sudan ist der Verfassung nach ein Bundesstaat, der 17 Bundesstaaten umfasst. Das Zentralstaatsprinzip ist gleichwohl stark ausgeprägt. Staatspräsident ist Feldmarschall Omar Hassan Ahmad al-Baschir. Er ist zugleich Premierminister und Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Vorsitzender des obersten Richterrates und Befehlshaber der Polizei. Er kann die Verfassung aussetzen und den Ausnahmezustand erklären (AA 12.2017a).
1983 erklärte Präsident Nimeiri den Sudan zum islamischen Staat und führte die Scharia ein. Der südsudanesische Autonomiestatus wurde aufgehoben. Dies führte zu einem 22 Jahre andauernden Bürgerkrieg. Mehr als zwei Millionen Menschen verloren durch den Krieg und seine direkten Folgen ihr Leben, und mehr als vier Millionen wurden, zum Teil mehrmals, vertrieben. Unter hohem internationalem Druck verhandelten beide Seiten ein Friedensabkommen, das im Januar 2005 unterschrieben und als Comprehensive Peace Agreement (CPA) bekannt wurde. Am 9.7.2011 erklärte der Südsudan unter großer internationaler Aufmerksamkeit und friedlicher Beteiligung des Nordens seine Unabhängigkeit. Der Sudan hat diesen neuen Staat umgehend anerkannt (GIZ 8.2018b).
Die sudanesische Innenpolitik ist maßgeblich durch die notwendigen wirtschaftlichen und politischen Anpassungen nach der Sezession des Südsudan bestimmt (AA 12.2017a; vgl. GIZ 8.2018a). Nach der Unabhängigkeit des Südsudan soll für den Sudan eine neue Verfassung ausgearbeitet werden. Die Neufassung ist immer wieder verschoben worden, soll aber Plänen zufolge stark islamisch geprägt sein. Eine neue Verfassung ist nach wie vor nicht in Sichtweite. Anfang 2015 wurden jedoch Pläne bekannt, umfangreiche Verfassungsänderungen vorzunehmen, die vor allem die Machtbefugnisse des Präsidenten stärken sollen. Die von der Opposition heftig kritisierten und Ende 2016 ratifizierten Vorhaben betreffen u.a. die Ernennung der Provinzgouverneure durch den Präsidenten, die seit den Regionalwahlen im Jahr 2010 erstmalig von der Bevölkerung direkt gewählt wurden und eine Aufwertung des Nationalen Sicherheitsdienstes (NISS) (GIZ 8.2018a).
Sudans Langzeitpräsident Omar Hassan Al-Bashir wurde am 2.6.2015 wiedergewählt und bleibt für weitere fünf Jahre im Amt (GIZ 8.2018a). Der seit 1989 amtierende Präsident Omar Al-Bashir siegte haushoch mit 94,05% der abgegebenen Stimmen. Der zweitplatzierte Kandidat erhielt 1,43%. Da alle ernst zu nehmenden Kandidaten und Parteien der Opposition die Wahl boykottierten, galt bei den Präsidentschaftswahlen die Wiederwahl von Omar Al-Bashir als reine Formsache. Wegen des Wahlboykotts der wichtigsten Oppositionsparteien, wie der Umma-Partei des früheren Ministerpräsidenten Sadiq al-Mahdi und der SPLM-Nord, des sudanesischen Ablegers der südsudanesischen SPLM, gehören unabhängige Kandidaten zu den Gewinnern der Parlamentswahlen. Die Oppositionsparteien und Rebellenorganisationen forderten die internationale Gemeinschaft zur Nichtanerkennung der Wahlergebnisse auf, da diesen die politische Legitimation fehlen würde. Politische Analysten sehen im Boykott der Wahlen durch die wichtigsten Oppositionsparteien eine Gefahr für die demokratischen Strukturen und in den hohen Wahlergebnissen für Präsident und Regierungspartei eher eine Tendenz zum Einparteienstaat (GIZ 8.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018).
In seiner Antrittsrede bot Al-Bashir den Rebellengruppen in Darfur eine Amnestie an, sollten diese Friedensverhandlungen zustimmen und kündigte Maßnahmen gegen die grassierende Korruption im Land an (GIZ 8.2018a).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (12.2017a): Länderinformationen, Sudan, Innenpolitik,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sudan-node/-/203304, Zugriff 9.8.2018
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/sudan/geschichte-staat/, Zugriff 10.8.2018
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018b): Südsudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/suedsudan/geschichte-staat/, Zugriff 10.8.2018
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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430180.html, Zugriff 10.8.2018
3. Sicherheitslage
Die Lage ist in weiten Teilen des Landes angespannt (EDA 10.8.2018). Der Sudan ist seit Loslösung des Südens und dem Verlust eines Großteils seines Öleinkommens in einer schwierigen Situation, die wiederum zu inzwischen chronischen Phasen sozialer Unruhe führt (GIZ 8.2018a). Aufgrund sozialer Spannungen sind Demonstrationen mit gewalttätigen Ausschreitungen daher immer wieder möglich (EDA 10.8.2018; vgl. FD 10.8.2018).
In einigen Landesteilen finden bewaffnete Konflikte statt. In mehreren Landesteilen besteht die Gefahr von Landminen und Blindgängern (EDA 10.8.2018). Es besteht weiterhin eine erhöhte Terrorismusgefahr im gesamten Sudan, auch wenn die letzten Anschlagsversuche einige Jahre zurückliegen. In verschiedenen Landesteilen wurden in den vergangenen Jahren vereinzelte Zellen, die Anschläge geplant hatten, durch sudanesische Behörden aufgedeckt (AA 10.8.2018).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (10.8.2018): Sudan: Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sudan-node/sudansicherheit/ 203266, Zugriff 10.8.2018
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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (10.12.2015): Reisehinweise für den Sudan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-undreisehinweise/sudan.html, Zugriff 10.8.2018
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FD - France Diplomatie (10.8.2018): Conseils aux Voyageurs - Soudan - Sécurité,
https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/ soudan/, Zugriff 10.8.2018
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (8.2018a): Sudan, Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/sudan/geschichte-staat/, Zugriff 10.8.2018
3.1. Spezifische regionale Risiken
Süden: Nach einem mehr als 21 Jahre dauernden Bürgerkrieg wurde das Land getrennt. Am 9.7.2011 ist im Süden der Südsudan entstanden. Wichtige Fragen bleiben aber noch ungeklärt, wie z.B. der genaue Grenzverlauf, die Zuteilung der Region Abyei zum Norden oder zum Süden, die Aufteilung der Erdöleinnahmen sowie Status und zukünftige Rechte der Südsudanesen, die zurzeit im Norden wohnen und umgekehrt. Die Sicherheitslage in der Grenzregion zwischen Sudan und Südsudan bleibt weiterhin instabil. Es kommt immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Betroffen sind vor allem die Provinzen Südkordofan und Blue Nile. In Abyei sind seit August 2011 UN-Friedenstruppen stationiert. In diesen Gebieten besteht auch Minengefahr (EDA 27.8.2018). Westen (Darfur): Die schwelenden Stammeskonflikte im Westen des Landes sind seit Ende 2003 zu schweren Kämpfen eskaliert (EDA 10.8.2018). Die Sicherheitslage ist noch immer prekär. Es besteht das Risiko von Entführungen. Von Reisen in alle fünf Darfur-Teilregionen - Nord-, Westund Süd-Darfur sowie nach Nordkordofan wird wegen militärischer Auseinandersetzungen und hoher Bandenkriminalität abgeraten (BMEIA 27.8.2018; vgl. EDA 27.8.2018, FD 27.8.2018). Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen sind wiederkehrend. Außerdem kommt es zu einer Zunahme von Zusammenstößen zwischen den Gemeinschaften und der Zunahme krimineller Gewalttaten (FD 27.8.2018). Zwei Rebellengruppen (Justice and Equality Movement JEM; Sudan Liberation Army - SLA), hervorgegangen aus schwarzafrikanischen Volksgruppen in Darfur, warfen der sudanesischen Regierung vor, die Region zu marginalisieren und die Bevölkerung zu unterdrücken. Die sudanesische Regierung reagierte, unterstützt von arabischen Milizen (den Janjaweed), auf diesen Angriff mit einem bewaffneten Feldzug (GIZ 8.2018a).
Zudem hat die Regierung sich zu einem Friedensschluss mit der bewaffneten Opposition in diesen Gebieten verpflichtet. Hierüber wird im Augenblick unter der Leitung des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Mbeki verhandelt (AA 6.11.2017).
Die an diesen Verhandlungen beteiligte bewaffnete Opposition besteht zurzeit aus "Sudanese People's Liberation Movement-North"(SPLM-N, aktiv in den "Two Areas"), "Justice and Equality Movement" (JEM/in Dafur) und "Sudanese Liberation Army-Minni Minnawi"(SLA-MM, in Dafur). Zu größeren Kampfhandlungen ist es zuletzt Mitte 2016 in den Marra-Bergen in Dafur gekommen, bei denen noch einmal ca. 100.000 Menschen vertrieben wurden. Seit dieser Zeit kam es nur noch zu kleineren bewaffneten Auseinandersetzungen, da infolge der Kampfhandlungen in 2016 sowohl JEM und SLA-MM, als auch die sich jeder Verhandlung bis jetzt verweigernde Rebellengruppe von Abdul Wahid Nuer über nur noch unbedeutende militärische Präsenz in Dafur verfügen. Trotz der derzeit ruhigen militärischen Lage ist Dafur noch weit von Frieden und Sicherheit für die dortige Bevölkerung entfernt. Diese Landesteile sind keineswegs befriedet. Die von ihrem Land Vertriebenen haben noch keine Möglichkeit, in ihre Heimat zurückzukehren, da weite Teile Dafurs von Gesetzlosigkeit und der Herrschaft von lokalen Milizen geprägt sind. Die gemeinsame Friedensmission der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen in Darfur (UNAMID) vermag nur in sehr begrenztem Umfang zur Verbesserung der Sicherheitslage beizutragen (AA 6.11.2017). Seit März 2018 haben erneute Kämpfe zwischen der sudanesischen Befreiungsarmee Abdul Wahid (SLA-AW) mit der sudanesischen Armee und den Rapid Support Forces (RSF) jedoch zu einer weiteren Vertreibung von Hunderttausenden von Menschen geführt, die sich in Jebel Marra in schweren humanitären und Menschenrechtskrisen befinden (AI 28.6.2018) Osten (Gedaref, Kassala, Red Sea): Im Oktober 2006 schlossen die lokalen Rebellen und die Regierung ein Friedensabkommen (EDA 27.8.2018). Seit dem East Sudan Peace Agreement (ESPA) von 2006 gibt es im Ostsudan keine bewaffneten Auseinandersetzungen mehr (AA 6.11.2017). Zudem sind nach dem Friedensschluss zwischen der ostsudanesischen "Eastern Front" und der Regierung in Khartum in der Region viele Sicherheitskräfte präsent (AA 27.8.2018).
Grenzgebiete zu Ägypten und Libyen: In den Grenzgebieten zu Ägypten und Libyen sind Banditen und Schmuggler aktiv (EDA 27.8.2018). Dort kontrollieren ehemalige, jetzt in die Armee integrierte
Milizen ("Rapid Support Forces") das Grenzgebiet und liefern sich mit aus Libyen einsickernden Rebellen und Schleuserbanden Gefechte (AA 27.8.2018).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (6.11.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan, (Stand: Oktober 2017),
https://www.ecoi.net/en/file/local/1419907/4598_1513253244_auswaertiges-amt-berichtueber-sudan-stand-oktober-2017-06-11-2017.pdf, Zugriff 27.8.2018
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AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Sudan: Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sudan-node/sudansicherheit/ 203266, Zugriff 27.8.2018
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AI - Amnesty International (28.6.2018): Sudan: Down-sized UN Mission for an over-sized human rights crisis,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1436980/1226_1530258742_afr5486802018english.pdf, Zugriff 10.8.2018
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