TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/15 98/09/0063

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Veröffentlicht am 15.04.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13a;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §71 Abs5;
VStG §24;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Ing. Kurt L in W, vertreten durch Dr. Alexander Kragora, Rechtsanwalt in Wien I, An der Hülben 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 10. Dezember 1997, Zl. UVS - 07/02/456/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Verwaltungsstrafsache nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10. Dezember 1997 die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 29. Mai 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darlegung der maßgebenden Rechtslage - soweit für den Beschwerdefall relevant - aus, das mit Berufung angefochtene erstinstanzliche Straferkenntnis sei dem Beschwerdeführer durch postamtliche Hinterlegung am 2. Juni 1995 rechtswirksam zugestellt worden. Die Rechtsmittelfrist habe am 2. Juni 1995 begonnen und am 16. Juni 1995 geendet. Die erst am 27. Juni 1995 bei der erstinstanzlichen Behörde eingebrachte Berufung sei verspätet. Der Beschwerdeführer habe keinen Zustellmangel behauptet, sondern lediglich vorgebracht, daß er keine Verständigung über die Hinterlegung beim Postamt erhalten habe, weil wiederholte Male sein Hausbrieffach aufgebrochen worden sei. Damit behaupte der Beschwerdeführer eine allenfalls unverschuldete Unkenntnis einer gesetzmäßig bewirkten Zustellung. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung (am 22. Mai 1997) habe der Beschwerdeführer angegeben, daß sein Hausbrieffach aufgebrochen worden sei; über den Zeitpunkt dieses Vorganges habe er keine Angaben machen können. Nach Darstellung des Beschwerdeführers sei wiederholte Male, und auch in dem Zeitpunkt der Zustellung des Straferkenntnisses eingebrochen worden; wann sein Postfach ausgetauscht worden sei, habe er nicht angeben können. Die Berufung sei verspätet erhoben worden und habe - da es der belangten Behörde in diesem Fall verwehrt sei, eine Sachentscheidung zu treffen - ohne Eingehen auf die Berufungsausführungen zurückgewiesen werden müssen. Voraussetzung für die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet sei alleine die Versäumung der Rechtsmittelfrist.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in "den mir aus dem Allgemeinen Verwaltungs-verfahrensgesetz erhellenden Recht, daß meine Berufung nicht als verspätet zurückgewiesen wird bzw. in meinem Recht auf Rechtsbelehrung (§ 13a AVG) bzw. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 71 AVG), wie auch in meinem Recht auf Abhaltung eines gesetzmäßigen Verfahrens" verletzt. Er bringt dazu im wesentlichen vor, der zuständige Beamte des Magistratischen Bezirksamtes für den 15. Bezirk habe es unterlassen, ihn am 27. Juni 1995 darüber aufzuklären, daß das erstinstanzliche Straferkenntnis "bereits rechtskräftig war". Der genannte Beamte habe ihn in dem guten Glauben gelassen, daß er durch die mündliche Einbringung der Berufung die Rechtsmittelfrist gewahrt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei seine Berufung nicht rechtzeitig gewesen. Eine derartige "Täuschung einer Partei" widerspreche der Manuduktionspflicht. Es wären die Voraussetzungen für einen mündlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben gewesen und von ihm auch wahrgenommen worden, wenn er seitens der Behörde erster Instanz belehrt worden wäre. Entgegen seinen Erwartungen habe sich die Berufungsverhandlung inhaltlich auf die Erörterung der Rechtzeitigkeit seiner Berufung beschränkt. Die belangte Behörde hätte jedoch die Fehler der ersten Instanz, nämlich daß er über die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrages nicht belehrt worden sei, zu beheben gehabt. Anstatt durch "Weisungen bzw. allenfalls eine Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz" habe es die belangte Behörde "bei dem durch Täuschung meiner Person bereits bewirkten Schaden" belassen.

Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

    Soweit sich aus dem Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG)

nicht anderes ergibt, gilt zufolge § 24 leg. cit. das AVG auch

im Verwaltungsstrafverfahren. Die §§ ... 63 Abs. 1, 64 Abs. 2,

66 Abs. 2, 67a bis 67d,67f Abs. 3, 68 Abs. 2 und 3, 73 Abs. 1

und 3, 75, ... AVG gelten im Verwaltungsstrafverfahren nicht.

Gemäß § 63 Abs. 5 AVG (in der bis 1. Juli 1995 geltenden und demnach im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 471/1995; vgl. auch § 79b Abs. 4 AVG) ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündung mit dieser.

Die Berufungsbehörde hat außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall zufolge § 66 Abs. 4 AVG, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde die Zurückweisung der Berufung in sachverhaltsmäßiger Hinsicht darauf gestützt, daß dem Beschwerdeführer das mit Berufung bekämpfte erstinstanzliche Straferkenntnis am 2. Juni 1995 rechtswirksam zugestellt und mit dieser Zustellung für ihn die Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt worden ist. Die Berufungsfrist von zwei Wochen habe daher für den Beschwerdeführer am 16. Juni 1995 geendet; seine erst am 27. Juni 1995 erhobene Berufung sei daher verspätet.

Der Beschwerdeführer bestreitet diese im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht. Er legt seinem Vorbringen in der Beschwerde vielmehr selbst zugrunde, daß die am 27. Juni 1995 von ihm eingebrachte Berufung verspätet erhoben wurde. Es ist auch vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringen daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis gelangte, daß die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückzuweisen war.

Mit dem Vorbringen, die belangte Behörde hätte der Behörde erster Instanz "Weisungen" erteilen bzw. die Angelegenheit an diese Behörde zurückverweisen müssen, verkennt der Beschwerdeführer bereits grundlegend, daß die Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG im Verwaltungsstrafverfahren nicht gilt. Die belangte Behörde hatte vielmehr gemäß § 66 Abs. 4 AVG in der Sache selbst zu entscheiden. "Sache" des Berufungsverfahrens ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz gebildet hat. Daß die Unterinstanz im vorliegenden Fall über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgesprochen hätte, behauptet der Beschwerdeführer auch selbst nicht.

§ 66 Abs. 4 AVG sieht vor, daß verspätet eingebrachte Berufungen zurückzuweisen sind. Die Frage der Verspätung eines Rechtsmittels darf dabei unabhängig von einem allenfalls anhängigen Wiedereinsetzungsantrag sogleich entschieden werden; eine Zurückweisung der verspäteten Berufung ist - sofern im Einzelfall nicht aufschiebende Wirkung im Sinne des § 71 Abs. 6 AVG zuerkannt wurde - demnach rechtmäßig. Die Verfahrensgesetze verpflichten die Berufungsbehörde nicht, den Berufungswerber vor Zurückweisung einer verspätet erhobenen Berufung zunächst über die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrages wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist zu belehren; eine derartige Verpflichtung kann auch aus § 13a AVG nicht abgeleitet werden (vgl. auch die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, Seite 1260f, E 89-92, wiedergegeben hg. Judikatur). Die in der Beschwerde behaupteten Verletzungen von Verfahrensvorschriften liegen daher nicht vor.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998090063.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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