TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/8 G307 2224851-1

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Veröffentlicht am 08.01.2020
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Entscheidungsdatum

08.01.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G307 2224851-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am

XXXX, StA.: Ungarn, vertreten durch die Diakonie, gemeinnützige Flüchtlingsgesellschaft mbH - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2019,

Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf 2 Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet a b g e w i e s e n.

II. Der Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig z u r ü c k g e w i e s e n .

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Im Rahmen einer Verständigung zum Ergebnis der Beweisaufnahme (VEB) räumte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) mit Schreiben vom 25.05.2019 Parteiengehör zur in Aussicht genommenen Verhängung eines Aufenthaltsverbotes ein und forderte diesen auf, hiezu wie zu seinen persönlichen Verhältnissen binnen 10 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens zu dessen Inhalt Stellung zu nehmen.

Hierauf erstattete der BF mit Schreiben vom 18.06.2019 eine Antwort.

2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 30.09.2019, dem BF persönlich zugestellt am 02.10.2019, wurde gegen diesen gemäß § 67 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 70 Abs. 3 kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.).

3. Mit Schreiben vom 25.10.2019, beim BFA eingebracht am selben Tag, erhob der BF durch die im Spruch genannte Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den angeführten Bescheid. Darin wurde beantragt, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid, allenfalls nach Verfahrensergänzung zu beheben, in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf einen angemessenen Zeitraum zu reduzieren, in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

4. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 25.10.2019 vorgelegt und langten dort am 29.10.2019 ein.

5. Die Polizeiinspektion XXXX teilte der LPD XXXX per email am XXXX2019 mit, dass der BF am selben Tag auf dem Landweg nach Ungarn abgeschoben worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist ungarischer Staatsbürger, verheiratet und hat eine in Ungarn lebende Tochter, für welche er sorgepflichtig ist. Ferner lebend die Eltern wie die Kindesmutter in Ungarn.

1.2. Der BF reiste im Juni 2018 nach Österreich, um sich hier eine neue Existenz aufzubauen.

1.3. Der BF arbeitete zuletzt bei der XXXX im Rahmen der Arbeitskräfteüberlassung. Hiefür verdiente er zwischen € 1.300,00 und 1.400,00 netto monatlich. Er ist gesund und arbeitsfähig.

1.4. Abgesehen von namentlich nicht bekannten Freunden konnten keine familiären oder anderweitigen Beziehungen zu in Österreich wohnhaften Personen festgestellt werden.

1.5. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus verfügt.

1.6. Der BF war - beginnend mit 26.03.2018 in Österreich gemeldet und trifft dies aktuell noch immer zu. Er wurde am XXXX2019 auf dem Landweg nach Ungarn abgeschoben. Sein aktueller Aufenthalt ist unbekannt.

1.7. Der BF wurde vom Landesgericht XXXX (LG XXXX) zu XXXX, in Rechtskraft erwachsen am XXXX2019 wegen Veruntreuung gemäß §§ 12, 3. Fall, 133 Abs. 1, Abs. 2, 1. Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Dem BF wurde darin angelastet, er habe gemeinsam mit 4 weiteren Tätern in XXXX und anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mitttäter anderen Wertträger mit dem Vorsatz weggenommen bzw. sich zugeeignet, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er zum Umladen und Abtransport der Gegenstände zu vereinbarten Treffpunkten gekommen sei und diese anschließend in seinem Wohnhaus in XXXX zwischengelagert habe. Konkret habe sich der BF zwischen April 2017 und August 2018 in insgesamt 8 Fällen Güter, die ihm und den Mittätern anvertraut waren, aus nicht verplombten oder mit einer Zollschnur gesicherten Lkw-Hängern im Wert von insgesamt € 173.000,00 zugeeignet.

Als mildernd wurden hiebei der bisher ordentliche Lebenswandel und die teilweise Schadensgutmachung, als erschwerend kein Umstand gewertet.

Festgestellt wird, dass der BF das beschriebene Verhalten gesetzt und die geschilderten Taten begangen hat.

1.8. Der BF weist Außenstände in der Höhe von etwa € 15.000,00 auf.

2. Beweiswürdigung

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, Obsorgepflichten, dem Bestand von Außenständen und dem Fehlen von familiären Beziehungen in Österreich getroffen wurden, ergeben sich diese aus dem Inhalt der vom BF erstatteten Stellungnahme und dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Auszuges aus dem Zentralen Melderegister (ZMR). Wenn der BF behauptet, er sei nicht verheiratet, so widerspricht dies einerseits den Entscheidungsgründen des unter I.1.7. erwähnten Strafurteils sowie dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden ZMR-Auszugs, wonach der BF nach wie vor verheiratet ist.

Der BF legte zum Beweis seiner Identität einen auf seinen Namen ausgestellten ungarischen Reisepass vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Die bisher ausgeübte Beschäftigung ist dem Inhalt des Urteils des LG XXXX zu entnehmen. Die auf den Namen des BF gestellte elektronische Anfrage bei der österreichischen Sozialversicherung förderte mehre Ergebnisse zutage, welche nicht einzeln abgerufen werden konnten. Aufgrund des vorliegenden Arbeitsvertrages mit der XXXX, den Angaben des BF in Beschwerde und Stellungnahme und dem Inhalt des zitierten Urteils ist jedoch davon auszugehen, dass er bei dem besagten Unternehmen zu den dortigen Lohnbedingungen tatsächlich tätig war.

Die Verurteilung des BF durch das LG XXXX ergibt sich aus der im Akt dahingehend einliegenden Urteilsausfertigung und deckt sich mit dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Die Meldung/en in Österreich spiegeln/t sich im ZMR-Auszug des BF wieder, sein Aufenthalt in Österreich seit Juni 2018 hat der BF im Zuge seiner Stellungnahme glaubhaft dargetan, zumal auch ein Teil der ihm angelasteten strafbaren Handlungen in diesen Zeitraum fiel.

Für das Vorliegen von Krankheiten oder einer Arbeitsunfähigkeit des BF haben sich keine Anhaltspunkte ergeben.

Der BF legte keine Bescheinigung oder ein Sprachzertifikat vor, welche auf Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus hingewiesen hätten.

Soweit in der Beschwerde vermeint wird, die belangte Behörde wäre angehalten gewesen, den BF einer mündlichen Einvernahme zu unterziehen, um sich von diesem einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, geht dieses Argument aus 2 Gründen ins Leere:

Einerseits förderte die Stellungnahme des BF ein sehr klares und ausführliches Bild über die Person des BF zu Tage. Er gab auf alle ihm - im Rahmen der VEB gestellten - soweit möglich, eine Antwort.

Andererseits war das Bundesamt im vorliegenden Fall - was die Art und Form der Einräumung des besagten Parteiengehörs betrifft - nicht gehalten, dieses dem BF ausschließlich durch persönliche Einvernahme einzuräumen. In welcher Form nämlich die Behörde der Partei das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in concreto zur Kenntnis bringen und Gelegenheit zur Stellungnahme dazu geben kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend ist, dass die Partei dadurch in die Lage versetzt wird, ihre Rechte geltend zu machen (VwGH 18.01.2001, 2000/07/0090), wobei eine Einvernahme weder das Gesetz noch die einschlägige Judikatur des VwGH vorschreibt (vgl. VwGH 18.01.2001, 2000/07/0099; 05.09.1995, 95/08/0002; 24.02.1988, 87/18/0126; 18.10.1990, 89/09/0145; 17.09.2002, 2002/18/0170). Diesem Gebot wurde im gegenständlichen Fall entsprochen.

Die im Rechtsmittel geäußerte Meinung, der BF sei nicht auf kriminelle Aktivitäten angewiesen, weil er berufstätig gewesen sei, stellt einen Widerspruch zu seinem tatsächlich gesetzten Verhalten dar, zumal er trotz seiner Beschäftigung, noch dazu mit Bereicherungsvorsatz, straffällig wurde.

Daran anknüpfend hätte es der BF durch Unterlassung selbst in der Hand gehabt, seine Erwerbstätigkeit weiter auszuüben, den Kredit in der bisherigen Ratenhöhe zurückzuzahlen und seine Wohnung zu behalten, indem er das deliktische Handeln unterlassen hätte.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.1.1. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, dies aus folgenden Gründen:

Für den BF, der aufgrund seiner ungarischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, kommt der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1., 1. Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung, weil er sich durchgehend seit weniger als 10 Jahren in Österreich aufgehalten hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (vgl dazu etwa VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Bei der für den BF zu erstellenden Gefährdungsprognose steht dessen Verurteilung wegen Veruntreuung im Fokus der Betrachtung.

Diese Tat stellt unzweifelhaft ein die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten dar (vgl. VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0043).

Zu beachten ist ferner, dass der BF gerade aufgrund seiner aufrechten Beschäftigung und des laufenden Kredites besondere Vorsicht bei der Übertretung von strafrechtlichen Vorschriften hätte walten lassen müssen, um sein Aufenthaltsrecht nicht aufs Spiel zu setzen.

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zeigt sich somit vorliegend als verhältnismäßig.

Was die Frage der Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des § 67 FPG, welche kumulativ mit der Erheblichkeit und der Tatsächlichkeit vorliegen muss betrifft, so ist dazu zu sagen, dass die Verurteilung des BF erst im März 2019 verurteilt wurde. Der BF agierte zwar als Beitragstäter, doch musste die Höhe des Gesamtschadens, welche durch sein Verhalten mitverursacht wurde, bewusst sein. Dem entsprechend ist die vom Handeln des BF ausgegangene Gefahr unter Berücksichtigung des langen Tatzeitraums sowohl als erheblich als auch als tatsächlich zu betrachten.

Ferner erweist sich die bis dato seit der letzten Verurteilung verstrichene als zu kurz, um eine Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des § 67 FPG ausschließen zu können.

In seinem Erkenntnis vom 26.04.2018, Zahl Ra 2018/21/0027 hat der VwGH erwogen, dass - auch wenn der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat - für den Wegfall der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit, in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich ist und dieser Zeitraum umso länger anzusetzen ist, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden manifestiert hat. Nun befand sich der BF zwar nicht in Haft, er wird jedoch unter Heranziehung der im Spruch angeführten Zeitspanne darzulegen haben, dass von ihm keine Gefahr (mehr) ausgeht.

Ferner konnte im Lichte der im Sinne des § 9 BFA-VG gebotenen Abwägung vor allem privaten mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen des BF nicht zu einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes führen. Dass der BF - egal ob berufsbedingt oder aus sonstigen Gründen - einen gewissen Freundschaftskreis im Bundesgebiet aufgebaut hat, liegt auf der Hand. Er hat jedoch im Bundesgebiet weder familiäre Bindungen, befand sich bis zu seiner Abschiebung erst rund 1 1/2 Jahre in Österreich und machte er auch keine weiteren engen Bezüge ins Bundesgebiet geltend, welche zu einer anderweitigen Beurteilung im Lichte des Art 8 EMRK geführt hätten.

Nach dem besagten und in seiner Gesamtheit zu missbilligenden Fehlverhalten des BF ist davon auszugehen, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Verkehrssicherheit) dringend geboten.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen, privaten Interessen des BF. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten (vgl etwa VwGH 20.08.2013, 2013/22/0097).

3.2. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes erscheint jedoch nicht angemessen. So darf nicht verkannt werden, dass der BF erstmalig straffällig wurde, die Freiheitsstrafe ausschließlich in bedingter Form ausgesprochen wurde, ihm kein Erschwerungsgrund angelastet wurde, seine Rolle im Rahmen der Täterschaft untergeordnet war und er laufend einer legalen Beschäftigung nachging. Unter diesem Blickwinkel wäre die Erlassung eines 5jährigen Aufenthaltsverbotes überschießend. Dieses war daher angemessen herabzusetzen und auf 2 Jahre zu reduzieren. Eine noch geringere Dauer führte dem BF sein Fehlverhalten aber nicht vor Augen, weshalb eine weiter Reduktion der Dauer nicht angezeigt war.

3.3. Zu Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 18 Abs. 6 BFA-VG steht ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

Wegen des strafbaren Verhaltens des BF war dessen sofortige Ausreise bzw. Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich und erfolgte die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung des BFA zu Recht.

Da diese Bestimmung ein Antragsrecht nicht vorsieht, sondern die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausschließlich von Amts wegen zu erfolgen hat, war der diesbezügliche Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

3.4. Entfall der mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde samt Ergänzung geklärt war. Was das Vorbringen des BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen, welches die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätte.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Herabsetzung, Interessenabwägung,
Milderungsgründe, öffentliche Interessen, Unbescholtenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G307.2224851.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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